Mephisto von lunalinn (denn sie wissen nicht, was sie tun) ================================================================================ Kapitel 24: Eisblumen --------------------- Die Nacht war bereits hereingebrochen, als Sasuke zurückkehrte. Er hatte Wort gehalten und mit Naruto jeden Winkel durchkämmt…natürlich ohne Erfolg. Na ja, irgendwann würde er schon aufhören, nach ihr zu suchen und dann wäre das Problem gelöst. Naruto würde niemals in ihr Versteck gelangen und Sakura würde es niemals verlassen. Sie würden sich also nicht wiedersehen. Sasuke seufzte leise, während er tiefer in den Wald vordrang. Die Gerüchte von unheimlichen Kreaturen hatten sich bereits durchgesetzt. Niemand, der an seinem Leben hing, ging tiefer in den Wald hinein. Einige sprachen von Geistern, andere von wilden Tieren, die größer als normal waren und Menschen rissen. Madara selbst hatte diese Gerüchte verbreitet und die Toten, beziehungsweise die Verschwundenen sprachen für sich. Sie waren sicher, daran zweifelte er nicht. Vielleicht auch, damit er sich keine unnötigen Sorgen machen musste. Nie wieder würde ein Mensch ihnen Schaden zufügen…nicht nur die abschreckenden Gerüchte sorgten dafür, sondern auch ihre Fähigkeiten und die Raben, mit denen sie bis zu einem gewissen Grad kommunizieren konnten. Unweigerlich musste er an Susanoo denken, den er in Sakuras Obhut gelassen hatte. Er traute ihr nicht zu, dass sie seinem Partner etwas antun würde. Sie war zwar vorlaut und scheinbar lebensmüde, aber sie hatte dem Falken helfen wollen, noch bevor sie gewusst hatte, dass er zu ihm gehörte. Auch wenn er Menschen nicht ausstehen konnte, musste er sich eingestehen, dass es mit ihr ähnlich wie mit Naruto wurde. Irgendwie gingen sie ihm auf die Nerven, aber gänzlich unangenehm war die Nähe zu ihnen nicht. Vielleicht war das der Grund, weswegen er sich einfach nicht wohl dabei fühlte, Naruto so hinters Licht zu führen. Scheiße. Itachi hatte wohl zu viel auf ihn abgefärbt. Er verlor sich in seinen Gedanken, hätte beinahe die Geräusche überhört. Was zur…?! Was machten Fremde so tief im Inneren des Waldes? Das war nun schon das dritte Mal in so kurzer Zeit…und auch Madara hatte schon seinen Unmut darüber geäußert. Verloren sie ihre Angst? Nun, dann sollte er besser dafür sorgen, dass sie ihnen wieder ins Gedächtnis gebrannt wurde. Apropos, der Geruch von Feuer wurde stärker; nächtigten sie etwa hier? Reisende, die nicht wussten, was ihnen blühte? Sei es drum, er durfte keinen leben lassen. Mitwisser waren gefährlich…sie konnten andere holen und dann würde sich der Horror von vor einigen Jahren wiederholen. Niemand würde auch noch den Rest seiner Familie auslöschen! Er würde es schnell machen und – Sasuke riss die Augen auf, als ihn genau in diesem Moment ein so beißender Schmerz durchfuhr, dass er aufschrie. Er ging sofort in die Knie, sah fassungslos auf seinen Fuß, der in einer eisernen Falle mit spitzen Zähnen steckte. Sasuke wusste, dass Jäger solche Fallen benutzten, um Tiere zu fangen. Er stöhnte leise, versuchte die Falle zu öffnen, doch seine Finger zitterten so sehr, dass es nichts brachte. Bald waren seine Finger glitschig vom Blut, so dass er immer wieder abrutschte. Instinktive Panik befiel ihn, doch er wusste, dass er sich zusammenreißen musste; er war nur angeschlagen, nicht wehrlos. Er war nicht wehrlos! Nicht wie damals, als sie ihn seinen Eltern hatten entreißen wollen. Als Madara ihn davor bewahrt hatte, wie die anderen Kinder ertränkt zu werden. Er hatte immer noch seine Fähigkeiten, beherrschte das Blitz-Element, welches überaus selten in seinem Clan war. Mit schweißnasser Stirn richtete er sich auf, wobei er den rechten Fuß nicht belasten konnte und...erwartete sie. Sie kamen näher, mussten seinen Schrei gehört haben. Gut so, er würde sie gleich hier töten, einen nach dem anderen. „Hey! Hey, er ist in die Falle gegangen!“ „…ist er das?“ Sasuke machte fünf Männer in der Dunkelheit aus und sie waren bewaffnet. „Ja, das ist das Monster! Seid vorsichtig, ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie er seine Zauberkräfte eingesetzt und mit Blitzen um sich geworfen hat!“ „Tötet ihn! So wie er unsere Kameraden getötet hat!“ „Keine falsche Bewegung, Monster!“ Eine Armbrust zielte auf ihn und Sasuke war für einen Moment nicht fähig, sich zu rühren. Sein verletzter Fuß pochte, sein Herz raste…und die Mischung aus Hass und dem Schmerz der Erinnerung ließen seinen Körper erbeben. Monster… Wie sehr er dieses Wort doch hasste. Wie sehr er die Menschen hasste. Dann hielt er jedoch inne; was sagten sie? Sie hatten ihn gesehen? Er hatte einen von ihnen entkommen lassen? Wann? Und was würden die Folgen davon sein? Wem hatten diese Menschen noch davon erzählt? Konnte er sich überhaupt noch in der Nähe der Dörfer zeigen? Ihm wurde speiübel, während er seine Gedanken zu fokussieren versuchte. Ruhe bewahren. Er musste sie vernichten. Durfte sich nicht von hitzigen Emotionen leiten lassen. In diesem Augenblick löste sich der Bolzen aus der Armbrust. Wie ein Blitz durchfuhr Itachi der Schmerz in seiner Schulter und reflexartig drückte er die Handfläche auf eben jene Stelle. Es pochte unangenehm, obwohl es eigentlich keinen Grund dafür gab. Er war nicht verletzt worden und dennoch war da dieses Gefühl, das durchaus beunruhigend war. Tief atmete er durch, wischte sich den Schweiß von der Stirn. Warum schwitzte er überhaupt? Es war kalt und feucht auf dem Schiff, auf dem sie sich befanden. Der raue Wind zerrte an Kleidung und Haaren – und Itachi konnte wohl von sich behaupten, dass er diese Art der Reise niemals bevorzugen würde. „Stimmt etwas nicht?“ Er blickte auf, als Kisame zu ihm an den Bug trat, ihn fragend ansah. Erst jetzt bemerkte Itachi, dass er immer noch die Finger im Stoff seines Gewands vergraben hatte. Er löste die Hand und schüttelte langsam den Kopf, auch wenn das ungute Gefühl blieb. Ihr Clan verfügte über viele besondere Fähigkeiten, doch am stärksten war das Band zwischen den Familien. Ob Sasuke oder Madara in Schwierigkeiten steckten? Er konnte es nicht sagen, doch selbst wenn es so gewesen wäre, so hätte er nichts tun können. Er war viel zu weit weg und überdies vertraute er dem Ältesten von ihnen vollkommen. Madara war nicht nur überaus mächtig, sondern hing auch an ihnen beiden – selbst wenn sie nicht immer einer Meinung waren. Würde etwas passieren, wäre er zur Stelle, um Sasuke zu schützen. „Du wirkst angespannt.“ Kisame trat hinter ihn und obwohl er ihn nicht berührte, war er so nahe, dass ihm unweigerlich wärmer wurde. Der Morgen nach ihrer besonderen Nacht war ohne viele Worte verlaufen. Itachi war froh darüber, dass sie nicht darüber sprachen und einfach weitermachten wie bisher. Kisame schien nichts von ihm zu erwarten und er gab ihm den Raum, den er brauchte, um seine Gefühle zu ordnen. „Liegt’s am Schiff? Ist dein erstes Mal auf einem, oder?“ Das stimmte. Bisher hatte Itachi Schiffe nur aus der Ferne betrachtet; als Kind durch die eigenen Augen und später durch Amaterasu. Er hatte sie stets als eindrucksvoll empfunden, sich jedoch keine weiteren Gedanken darum gemacht, wie es sein würde, auf einem zu reisen. Kaum dass er jedoch einen Fuß auf das hölzerne Segelschiff gesetzt hatte, kam auch die Neugierde. Er hatte sich umgesehen, während Kisame und Zabuza die Männer für eine Überfahrt bezahlt hatten. Sie würden erst am frühen Morgen ankommen, da es neblig und daher schwieriger voranzukommen war. Das Dorf, welches ihr Ziel war, war laut dem Gerede der Männer recht arm und lebte einzig vom Fischhandel, weswegen es nur ein kurzer Zwischenstopp auf einer längeren Reise für sie sein würde. Auf der Rückfahrt würden sie sich eine andere Mitfahrgelegenheit suchen müssen. „Ja“, gab er Kisame schließlich seine Antwort, die dieser wohl erahnen konnte. „…ist dir übel?“ Itachi ließ den Blick über die raue See schweifen, beobachtete die Wellen. „Du machst dir zu viele unnötige Sorgen.“ „Nicht so viele wie Zabuza wegen Haku.“ Itachi konnte Kisames Grinsen heraushören und die Schadenfreude nicht ganz nachvollziehen. Er wusste jedoch direkt, was der Hüne damit meinte, denn Haku zog die Blicke der Männer wie magisch an. Es mochte daran liegen, dass einige immer noch nicht glauben konnten, dass es sich bei diesem um einen Jungen handelte – oder es war ihnen einfach egal. Der Kapitän des Schiffes hatte sie erst nicht mitnehmen wollen, da ein Frauenzimmer angeblich Unglück brachte, doch nachdem Zabuza sehr überzeugend erklärt hatte, dass Haku ein Junge war, hatte es keine Probleme mehr gegeben. Nun, bis auf dass sie ihm nachstellten. Haku schien das wenig auszumachen, da er meistens freundlich lächelte, während er ihnen erklärte, dass er ihnen langsam alle Finger brechen würde, wenn man sich ihm noch einmal unangemessen näherte. Der ein oder andere hatte die Konsequenzen bereits spüren müssen – und die übrigen suchten unter Zabuzas finsteren Blicken doch lieber das Weite. „Und das amüsiert dich, weil…?“, fragte er ruhig. „Hm? Alles, was Zabuza reizt, amüsiert mich.“ Er hörte Kisames raues Lachen neben seinem Ohr und runzelte die Stirn. „…ihr pflegt eine seltsame Freundschaft.“ „Ach was…man gewöhnt sich dran.“ Kisames Schulter berührte für einen Moment die seine und Itachi ließ sich sogar kurz dagegen sinken. Er hatte befürchtet, dass er sich auf einem Schiff voller fremder Menschen gefangen fühlen würde, doch keiner von ihnen zollte ihm groß Beachtung. Vielleicht auch wegen Haku, der interessanter für sie war. Unter den Umständen war er eigentlich recht zufrieden mit Konans Entscheidung, sie zu viert in das Fischerdorf zu entsenden. Trotzdem er Haku immer noch nicht einschätzen konnte und ihn deshalb lieber gemieden hätte. Etwas war anders an diesem. Sie teilten sich mit Zabuza und Haku einen Raum, was jede Intimität unterband. Abgesehen davon, dass sie aneinander geschmiegt schliefen. Itachi lag oft wach, weil ihn das Schaukeln der Wellen und die Anwesenheit weiterer Menschen unruhig machte. Aber gut, das waren seine Probleme und er würde mit ihnen fertig werden. „Wenn dir kalt ist, gebe ich dir meinen Mantel.“ „Das musst du nicht.“ „Wie du willst. Mich stört die Kälte weniger als dich – ich bin auf Booten und Schiffen großgeworden. Vergiss das nicht.“ Itachi warf ihm einen Blick über die Schulter zu. „Und du vergiss nicht, dass mir nie kalt ist, wenn ich es nicht will.“ Seine Haut erhitzte sich für einen kurzen Augenblick, nur so, dass Kisame den Anstieg der Wärme durch ihre Berührung fühlen musste. Dieser wich nicht vor ihm zurück, auch wenn er zuerst zusammenzuckte – dann aber drückte er sich ihm entgegen. „Heiß“, hörte er ihn brummen und der raue Unterton hatte etwas Anzügliches. Es war Itachi nicht unangenehm. Viel mehr machte Kisames Reaktion etwas mit ihm. Dass dieser nicht vor ihm zurückschreckte, sondern ihm vertraute, bedeutete ihm etwas. Es ließ den Drang in ihm aufsteigen, Kisames Hand zu ergreifen, diese zu drücken. Er tat es nicht. Auch wenn einige Männer Haku nachstellten, gab es viele, die ihre Beziehung zueinander sicher als abartig einstuften – und er wollte nicht für Unruhe sorgen. „Ich geh mal nach Zabuza sehen. Du weißt schon, nachschauen, ob er jemanden vom Schiff geworfen hat oder so“, meinte Kisame, als hätte er seine Gedanken erraten. „Du kommst klar?“ „Tue ich. Geh ruhig.“ „Gut.“ Itachi sah ihm einen langen Moment nach, ehe er den Blick wieder in die Ferne schweifen ließ. Unweigerlich führte er die Finger erneut zu seiner Schulter, massierte die Stelle leicht, die ihn vor kurzem noch geschmerzt hatte. Hoffentlich nur Einbildung… Sanft strich Sakura dem Falken, dem sie aus einer Decke eine Art Nest gebaut hatte, durch das weiche Gefieder. Das Tier war vor Erschöpfung eingeschlafen, hatte einige Stunden zuvor plötzlich mit den Flügeln geschlagen und geschrien. Sie hatte nicht gewusst, wie sie Susanoo beruhigen sollte, daher einfach mit ihm gesprochen und versucht, die Flügel an seinen Körper zu drücken, damit er sich nicht weiter verletzte. Es hatte nach einer Weile geklappt, doch die seltsame Reaktion des Vogels hatte sie unruhig gemacht. Seitdem sie ihn gefunden und gepflegt hatte, hatte er sich nicht gegen sie gewehrt, geschweige denn, dass er panisch gewesen war. Sakura bekam langsam ein ungutes Gefühl, denn Sasuke war seit dem letzten Abend nicht mehr aufgetaucht. Obwohl sie sich hätte freuen und eine Chance zur Flucht wittern sollen, war dem nicht so. Sie machte sich Sorgen, denn seit Susanoo hier war, hatte Sasuke die Hütte nur selten verlassen. Warum sollte er plötzlich so lange fortbleiben, wenn ihm sein gefiederter Partner so wichtig war? Nein, das passte nicht zusammen und gab ihr zu denken. Jetzt einfach die Gelegenheit zu nutzen und das Tier allein zu lassen, kam ihr schäbig vor, sodass sie mit sich haderte, ob sie ihn suchen oder bleiben sollte. Wenn Sasuke zurückkam und sie suchen musste, würde das wieder für Misstrauen zwischen ihnen sorgen, was sie auf keinen Fall wollte. Bevor sie weiter nachdenken konnte, wurde die Tür mit einem heftigen Ruck aufgerissen, der sie zusammenzucken und Susanoo aufschreien ließ. Erschrocken sah sie zu der hochgewachsenen Gestalt in der Tür, die sie aus seinen rotglühenden Augen ansah wie der leibhaftige Teufel. Sakuras Kehle schnürte sich zusammen, als die Schritte auf dem Boden widerhallten und sich Madara vor ihr aufbaute. „Wo ist er?!“, zischte er sie an und packte sie an den rosafarbenen Haaren, was sie aufkeuchen ließ. „Ich…ich weiß es nicht. Er…ging gestern Abend und seitdem…ist er nicht zurückgekommen“, entwich es ihr und sie verzog vor Schmerz das Gesicht. Madara gab einen Laut von sich, der sie an eine fauchende Katze erinnerte, dann schubste er sie von sich. Susanoo schrie erneut auf, ruderte mit dem unverletzten Flügel und blickte den Mann mit seinen bernsteinfarbenen Augen an. Erst jetzt schien Madara den Falken zu bemerken und kurz stockte er, wurde blasser. „Er…er wurde verletzt“, zwang sich Sakura zu sagen, bevor er noch falsche Schlüsse zog. „Sasuke-kun meinte, ich soll bei ihm bleiben und er…wollte eigentlich heute wiederkommen.“ Madara schaute weiterhin Susanoo an und sie war nicht sicher, ob er ihr überhaupt zugehört hatte. Er kniete sich neben das unruhige Tier und strich diesem durchs Gefieder, ehe er die Augen verengte. „Ich finde ihn.“ Trotzdem seine Stimme brodelte, schien sich der Falke durch das Versprechen zu beruhigen, denn er ließ den Kopf müde in die große Handfläche sinken. Obwohl Sakura Madara fürchtete, fand sie es beeindruckend, welch starke Bindung die Uchiha anscheinend zu ihren Tieren hegten. „Und du…“, fuhr er fort und erfasste sie wieder. „…bleibst hier bei ihm. Versuchst du zu fliehen, werde ich dich persönlich zurückholen – und dir beide Beine brechen. Ich hoffe, dass du das verstanden hast.“ Sakura schluckte bei der Drohung hart, wagte es kaum, den Blick abzuwenden. Nein. Fliehen würde sie nun ganz sicher nicht mehr. Die mordlüsterne Aura, die den älteren Mann umgab, jagte ihr ehrlich gesagt mehr Angst ein, als es Sasuke je vermocht hatte. Was war dieser Kerl für ein Wesen? „Verstanden“, erwiderte sie und versuchte, ihre Stimme fest klingen zu lassen. Madara verengte die roten Augen, ehe er sich erhob. „Das hoffe ich für dich. Kinder gebären kannst du auch ohne vollzählige Gliedmaßen. Bedenke das“, gab er zurück und kehrte ihr dann den Rücken. Sakura presste die Lippen zusammen, unterdrückte das Schaudern so gut sie konnte. Sie konnte erst aufatmen, als die Tür hinter ihm zugefallen war. Ihr Herz raste immer noch wie das einer Maus, die in die Enge getrieben worden war. Tun konnte sie jetzt jedenfalls nichts. Sie konnte nur hier blieben, abwarten…und hoffen, dass Sasuke schnell wieder auftauchte. In dieser Sekunde wurde ihr nämlich bewusst, dass, wenn dies nicht der Fall war, Madara sie entweder in seiner Wut umbringen würde…oder ihr noch Schlimmeres antun konnte. Das Wort „Gebären“ hallte in ihrem Kopf wider und machte ihr eine Heidenangst. Auch wenn Sasuke schon öfter gesagt hatte, sie müsse seine Braut werden, hatte er sie bisher nie auf solch eine Weise angerührt. Irgendwie ahnte sie, dass Madara unter gewissen Umständen keine Hemmungen haben würde. Und sie kannte immer noch nicht Sasukes Bruder, diesen Itachi. Erneut atmete sie durch, versuchte, sich zu beruhigen und die Übelkeit zu verdrängen. Sie durfte nicht verzweifeln, immerhin wusste sie ja gar nicht, was mit Sasuke passiert war. Er würde zurückkommen. Er war stark. Er musste am Leben sein. Ja, ganz sicher. Die Unruhe war in der Nacht nicht verschwunden. Immer noch war da dieses Gefühl, dass etwas passiert war, und die Hilflosigkeit, die in ihm aufkeimte, ließ sich auch nicht durch Kisames Nähe verdrängen. Daher hatte er das Zimmer verlassen und war noch mal hinaus gegangen, um frische Luft zu schnappen. Es hatte nicht lange gedauert und er hatte Flügelschlagen vernommen. Gleich darauf fühlte er ein leichtes Gewicht auf seiner Schulter ruhen, spürte, wie Amaterasu ihren Kopf an seiner Wange rieb. Er musste unweigerlich lächeln, während er ihr durch das schwarze Gefieder strich. „…würdest du für mich nach ihnen sehen?“, murmelte er ihr zu. Auch wenn sie ihm fehlen würde und er wusste, dass sie ihm den Gefallen nur mit Widerwillen tun würde, konnte er nicht anders, als sie darum zu bitten. Er wusste nicht, ob Madara nicht noch wütend genug war, um ihn bei Problemen außen vor zu lassen. In manchen Situationen verhielt er sich irrational. „Ich weiß“, flüsterte er, als sie ein protestierendes Krächzen von sich gab. Sie waren nie lange getrennt. Sicher machte sie sich Sorgen um ihn und er konnte es verstehen, aber sie war die einzige Möglichkeit, wie er Klarheit bekam. „…ja. Ich passe auf mich auf.“ Sie rieb erneut den Kopf an seiner Wange, kniff ihm dann einmal sanft mit dem Schnabel ins Ohr. Wenn sie wusste, was los war, würde sie zurück zu ihm kommen. Er fühlte sich wehmütig, als sie die Krallen in seine Schulter drückte, um sich abzustoßen und in den Himmel zu erheben. In der Dunkelheit konnte er sie recht schnell nicht mehr sehen. Er versuchte, das Gefühl von Verlust zu verdrängen, auch wenn es schwer war; mit ihr an seiner Seite hatte er sich mit Sasuke und Madara verbunden gefühlt. Ohne sie erschien ihm die Entfernung zu ihnen größer. Er seufzte leise, stützte sich auf der Reiling ab und blickte vor sich hin. Lange war er nicht allein. Falls er überhaupt allein gewesen war, denn wenn er eins wusste, dann dass Haku meisterhaft seine Präsenz verbergen konnte. Dieser lächelte ihn kurz an, während er sich neben ihm abstützte und danach ebenfalls aufs Meer hinaussah. Itachi fragte sich, warum er sich in Hakus Gegenwart so viel unwohler fühlte, als es zum Beispiel bei Hidan der Fall war. Möglicherweise weil Hidan alles, was ihm durch den Kopf ging, aussprach. Er verbarg seine wahren Emotionen nicht, ganz im Gegensatz zu Haku. Zumal da noch die Sache mit ihrem Kennenlernen war, als er und Zabuza ihn hatten umbringen wollen. „Konntest du nicht schlafen?“ „Offensichtlich nicht.“ „Die Frage war wohl ein bisschen überflüssig“, gab Haku zu. „Frag, was du wirklich fragen willst“, erwiderte Itachi ruhig und ohne aufzusehen. Für ein paar Sekunden war es still zwischen ihnen; vielleicht überraschte es Haku, dass er so forsch war. Eigentlich war das nicht seine Art, aber er ahnte, dass Haku ihm nicht ohne Grund gefolgt war. Er schien mit ihm über etwas reden zu wollen. „Nun gut, wenn du es direkt wünschst“, brach er schließlich die Stille und Itachi musste ihn nicht ansehen, um zu wissen, dass er nicht mehr lächelte. „Ich weiß, dass du…besonders bist. Das brauchst du auch gar nicht leugnen. Ebenso wie die Tatsache, dass du mir gegenüber eine Antipathie hegst, die du nicht erklären kannst.“ Itachi wusste nicht, warum es ihn nicht überraschte. Warum es ihm nicht einmal Angst machte, dass Haku so deutliche Worte fand, die der Wahrheit entsprachen. Vielleicht hatte er innerlich geahnt, dass der junge Mann mehr wusste. Vielleicht hatte er sich innerlich bereits gewappnet. „…das Letzte stimmt nicht ganz“, antwortete er weiterhin ruhig. „Ich hege diese Antipathie nicht ohne Grund, sondern weil du und dein Partner versucht habt, mich umzubringen. Außerdem gefällt mir dein Lächeln nicht. Es ist selten ehrlich.“ Itachi drehte den Kopf ein wenig, um zu sehen, welche Reaktion Haku auf diese Worte zeigte. Dieser hob eine Braue, ehe ein unerwartetes Glucksen von sich gab; fand er das amüsant? „Was für eine gemeine Unterstellung“, meinte er belustigt. „Schätze ich dich falsch ein?“ „Nein, das ist schon richtig so. Ein sanftes Lächeln wiegt mein Umfeld in Sicherheit und lässt sie glauben, ich könnte kein Wässerchen trüben. Es hat mich überrascht, dass du dich nicht gänzlich davon hast blenden lassen. Aber gut, wir wollen nicht über mein Gesicht reden.“ Itachi hielt kurz inne, als ihn plötzlich ein kalter Lufthauch streifte. Wobei, nein…er war nicht kalt. Die Luft war eisig. So eisig, dass sein Atem kleine Wölkchen bildete. Als er Haku in die Augen sah, war darin keine Spur von Wärme zu finden. Das war es also gewesen, was er gespürt und nicht zuzuordnen vermocht hatte. Es war nicht allein der Vorfall, nicht allein die Befürchtung, Haku könnte ihn durchschaut haben. Sie waren sich ähnlich. Sie beide waren keine einfachen Menschen. Die Erkenntnis kam einer Ohrfeige gleich und für einen Moment wusste er nicht, was er fühlen sollte. Nun, Haku half ihm dabei auf seine Weise. Itachi spannte sich an, als sich dieser zu seinem Ohr vorbeugte. „Mir ist egal, was es mit dir auf sich hat“, flüsterte Haku ihm zu. „Aber wenn du Zabuza-san oder einen meiner Kameraden verletzt oder ihnen anders schadest, werde ich dich töten…ebenso wenn du mein Geheimnis verrätst. Feuer bezwingt Eis nur bedingt. Glaube mir.“ Unter den Fingern des anderen hatte sich Raureif gebildet, der auf die Reiling übergegangen war. Nur ganz leicht. Um die Drohung zu unterstreichen. „…er weiß es nicht?“, fragte Itachi leise. „Trotzdem ihr…?“ „Nein. Weiß er nicht.“ Haku zog sich etwas zurück und die Kälte verschwand allmählich. Was blieb, war die Taubheit in Itachis Körper, die aber nicht von Hakus Fähigkeiten, sondern von ihrer Enthüllung rührte. Es gab noch mehr wie ihn. Wie die Uchiha. Hätte ihn das nicht freuen sollen? Vielleicht unter anderen Umständen. „Und das wird auch so bleiben. Ich liebe ihn zu sehr, als dass ich unsere Beziehung riskiere. Eigentlich war ich überzeugt, du hättest es bemerkt, aber deinem Ausdruck nach zu urteilen…wie auch immer, es ist mir lieber, dass wir bei diesem Thema mit offenen Karten spielen.“ Vermutlich konnte Haku ihn sogar noch weniger als Deidara leiden, wenn er befürchtete, er könnte ihn verraten. Es ergab plötzlich alles Sinn. Auch wenn es ihn wunderte, dass Haku dafür gestimmt hatte, dass er bleiben durfte. Wahrscheinlich bloß wegen Zabuza, weil er diesem keinen Grund geben wollte, an ihm zu zweifeln. „Kisame-san weiß wohl, was du bist.“ „…ja.“ „Zabuza-san macht sich noch heute über die Geschichte von damals lustig. Als Kisame zu viel getrunken und von Teufeln und einer öffentlichen Austreibung gesprochen hat“, murmelte er und es schwang ein Hauch Sarkasmus darin mit. „Er hat von dir gesprochen.“ „…ja. Er hat mein Leben gerettet.“ „Und dann revanchierst du dich Jahre später“, kam es nachdenklich von Haku. „Nicht, dass ich das nicht verstehen kann. Ich würde für Zabuza-san sterben. Auch er rettete einst mein Leben. Und es ist kaum zu übersehen, wie zugetan Kisame-san dir ist…daher hoffe ich, dass es dir ernst ist. Wie ich sagte, solltest du uns gefährden, werde ich dich töten. Schmerzhaft und langsam.“ Itachi fühlte sich unweigerlich an das Gespräch mit Konan erinnert. Auch Deidara begegnete ihm mit diesem Misstrauen, das er persönlich als gesund erachtete. Nur ein Narr würde einem Fremden so schnell vertrauen – und Haku wusste zusätzlich über seine Kräfte Bescheid. „Wie ich schon Konan-san sagte – ich habe nicht vor, Kisame oder einem von euch anderen zu schaden. Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich bleibe. Aber auch wenn dies nicht der Fall sein wird, braucht ihr nichts zu fürchten. Ich werde mich dann einfach wieder zurückziehen.“ Haku maß ihn mit einem langen Blick, ehe er nickte. „Gut. Darauf verlasse ich mich, Itachi-san. Auch darauf, dass Kisame-san nichts von unserem Gespräch erfährt.“ Musste er sich schuldig fühlen, wenn er dem Folge leistete? Er schuldete Haku nichts, Kisame jedoch schon. Andererseits musste er keine Feindschaft provozieren, indem er etwas weitertrug, das eigentlich nur Haku etwas anging. Auch wenn er diesen nicht sonderlich mochte, verstand er dessen Beweggründe. „Du hast mein Wort.“ „Das erhoffte ich mir.“ Ein dünnes Lächeln legte sich auf Hakus Lippen. Ehrlicher als sonst. Nicht so trügerisch sanft, sondern berechnend. Itachi hätte gern mehr gefragt, aber er wusste nicht, ob er damit nicht zu weit ging. Nur, weil sie vermutlich eine ähnliche Geschichte teilten, machte sie das nicht zu Freunden. Ein paar Sekunden standen sie nur nebeneinander und schwiegen. „Es war meine Mutter.“ Itachi warf ihm einen irritierten Blick zu, doch Haku sah bereits wieder aufs Meer. „Sie war eine Yuki Onna. Mein Vater, ein Mensch, verirrte sich in den verschneiten Bergen und sie führte ihn hinaus. Sie verzauberte ihn mit ihrem Äußeren und sie verliebten sich. Als ich noch klein war, fiel es mir schwer, meine Kräfte zu kontrollieren. Mein Vater erwischte mich dabei und erkannte dadurch, was wir waren. Er hielt uns für Hexen und versuchte zusammen mit anderen Dorfbewohnern, meine Mutter und mich zu töten. Meine Mutter brachten sie um, doch ich…nun, ich war schneller. Und voller Hass und Verzweiflung.“ Ein freudloses Lächeln begegnete Itachi und er fühlte unweigerlich Mitleid, auch wenn er ahnte, dass Haku dies ebenso wenig wie er selbst wollte. Sie waren beide Überlebende einer widerlichen Vergangenheit. „Zabuza-san fand mich danach. Er stellte keine Fragen, sondern nahm mich einfach mit sich. Damals sagte ich ihm, dass sich unsere Augen ähneln würden. Hoffnungslose Augen. Hasserfüllte Augen. Aber durch ihn wurde alles leichter. Er gab mir ein Zuhause und einen Sinn im Leben. Glücklicher als an seiner Seite bin ich niemals gewesen.“ Und dieses Mal war Hakus warmes Lächeln echt. War es das, was er für Kisame empfand? Ganz miteinander vergleichen konnte man es wohl nicht. Er sah in Kisame keinen Lebenssinn, doch er fühlte sich zu ihm hingezogen. Es schien ähnlich zu sein. „Zabuza-san hat mir erzählt, was Kisame-san damals mit dir erlebt hat. Ich finde es nur fair, dir meine Geschichte zu erzählen, wenn ich die deine kenne. Und auch, wenn wir einen schlechten Start hatten, hoffe ich, dass es dir ernst ist…und du ein Kamerad von uns wirst. Kisame-san würde das viel bedeuten.“ Itachi glaubte ihm die Worte. Er hatte keinen Grund es nicht zu tun, immerhin hatte Haku ihm gerade sehr viel offenbart – und er war damit ein Risiko eingegangen. Auch wenn er von einer falschen Annahme ausgegangen war. Es war wohl an der Zeit, den gegenseitigen Groll zu begraben…und wenn er ehrlich war, fühlte er diesen nun auch nicht mehr. Trotz aller Drohungen. „Ich meine es mit Kisame ernst“, antwortete er ihm. „Dessen kannst du dir gewiss sein.“ Haku maß ihn mit einem langen Blick, ehe er nickte. „Das reicht mir fürs Erste.“ Er streckte sich einmal, strich sich dann die langen Haare aus dem Gesicht und wandte sich ab. „Nun, ich werde mich dann wieder schlafen legen. Du solltest auch noch etwas ruhen. Wir werden bald ankommen.“ Itachi warf ihm einen knappen Blick zu, sah danach wieder aufs Meer. „Ich komme gleich.“ Haku zuckte mit den schmalen Schultern, ehe er sich zum Gehen wandte. Seine leisen Schritte verstummten sehr bald ganz und Itachi atmete aus. Als ob er nach diesem Gespräch noch ruhig würde schlafen können… Das Mondlicht schien auf die kleine Lichtung, erhellte den Ort, an dem der Boden von Blut getränkt zu sein schien. Madara wusste nicht, was er erwartet hatte – das hier jedoch nicht. Einer der Raben, den er losgeschickt hatte, gab ein Krächzen von sich und landete auf seiner Schulter, grub die Krallen sachte hinein. Er ließ ihn, während er näher heranging, sich dabei umsah. Etwas hatte Geäst und Sträucher niedergerissen, offenbarte somit noch viel mehr von dem Massaker, das hier stattgefunden hatte. Anders ließ es sich nicht beschreiben und Madara hatte wahrlich viele Kriege ausgefochten. Das hier war jedoch nicht das Werk von Menschen. Er zog seinen Fuß aus den Eingeweiden des am Boden liegenden Mannes und knete sich daneben. Etwas hatte ihm die Kehle zerfetzt und ihn dann ausgeweidet…ohne die Innereien zu fressen. Es mussten vier oder fünf Menschen gewesen sein, allesamt Männer, auch wenn einigen die Gesichter zerfleischt worden waren. Blutige Masken, die Münder zu stummen Schreien verzerrt…Arme und Beine teilweise ausgerissen Ja, er hatte durchaus eine Ahnung, mit was es diese bemitleidenswerten Menschen zu tun gehabt hatten. Mit einem grimmigen Lächeln erhob er sich, ehe er erneut innehielt. Etwas blitzte im Licht des Mondes auf, zog seine Aufmerksamkeit auf sich und als er nähertrat, erkannte er Sasukes Katana auf dem Boden inmitten von Blut und Tod liegen. Die Klinge hätte er immer wiedererkannt und Sasuke hätte seine wertvollste Waffe niemals einfach liegen lassen. Ihm wurde flau im Magen, als er zwei Raben zusah, wie diese im zerfetzten Gesicht einer Leiche herumpickten. Der Vogel auf seiner Schulter erhob sich ebenfalls, um sich an dem toten Fleisch zu laben. Mit regungsloser Miene sah er ihnen beim Leichenschmaus zu Nein. Nein, die Raben hätten es gewusst, wäre Sasuke unter ihnen. Niemals hätten sie seine Leiche geschändet, wie sie es gerade taten. Sie hätten es ihm mitgeteilt und er hätte den Schmerz über seinen Tod sicherlich am eigenen Leibe gespürt. Die Uchiha waren miteinander verbunden, nun da sie die drei Letzten waren, umso mehr. Außerdem war das nicht Sasukes Kleidung – so zerrissen der Stoff auch war. Der kurze Anflug von Panik verebbte langsam, auch wenn er immer noch sehr angespannt war. Sasuke war nicht tot. Er konnte nicht tot sein. Aber er war offensichtlich verschleppt worden. Sonst hätten die Raben ihn bereits ausfindig gemacht. Er musste ruhig bleiben und sich nach Hinweisen umsehen, bevor er weitersuchte. Sein Blick glitt über den Boden, dort, wo das Gras samt Erde herausgerissen worden war. Wie von riesigen Klauen…und es bestätigte seine Vermutung nur noch mehr. Eigentlich war dies ein Grund zur Freude, wäre Sasuke nicht verschwunden. Allerdings…wenn es ihm gut ging, dann war das gewissermaßen ein Erfolg. Es war das, was er gewollt hatte. Sein Blick wanderte weiter, über die blutigen Schlieren im abgeknickten Gras, so als hätte man etwas davon geschliffen. Etwas musste Sasuke gepackt und fortgebracht haben. Nachdem es alle Menschen hier zerrissen hatte. Madara fasste sich und straffte die Schultern, ehe einen pfeifenden Laut ausstieß, der die Raben aufsehen ließ. „Findet ihn…“, murmelte Madara leise und dennoch wissend, dass ihn die Tiere verstanden. Augenblicklich spannten sie ihre Flügel und erhoben sich in die Luft, wo sie recht schnell mit dem dunklen Nachthimmel verschmolzen. Madara sah ihnen ein paar Sekunden lang nach, wandte sich dann der Blutspur zu und folgte dieser. Sie mussten ihn finden…und dann in Erfahrung bringen, was genau passiert war. Seine vage Ahnung reichte nicht aus, er brauchte Beweise und vor allem musste er Sasuke zurückbringen. Lebend. Noch einmal durfte er nicht versagen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)