Mephisto von lunalinn (denn sie wissen nicht, was sie tun) ================================================================================ Kapitel 15: Angelus ------------------- „…und ich habe mindestens zwei Stunden gewartet, doch sie ist einfach nicht gekommen.“ Ein Seufzen entwich ihm, während er missmutig vor sich hinsah. Allerdings richtete sich seine Wut wohl vor allen Dingen auf sich selbst, was mit dem nächsten Satz nur noch deutlicher wurde. „Wenn ich nicht zu spät gekommen wäre, wäre das nie passiert“, murmelte er und Besorgnis schimmerte in seinen hellblauen Augen. Also gab er sich wirklich die Schuld daran, dass seine Freundin nicht aufgetaucht war. Wie dumm. „Selbst Baa-chan weiß nicht, wo sie ist und sie muss es doch wissen oder? Verdammt, sie würde niemals einfach so verschwinden…und wir waren ja auch verabredet! Ich habe ihren Korb gefunden, das kann nur ein schlechtes Omen sein!“ Zunehmend wurde seine Stimmlage verzweifelter und schließlich raufte er sich die blonden Haare, knurrte leise. „Jetzt sag doch auch mal was!“, wurde er angeherrscht und die funkelnden Augen richteten sich auf ihn. „Hast du sie nicht gesehen? Vielleicht hat sie sich in eurem unheimlichen Wald verirrt!“ Verirrt? Wohl kaum. Er wusste noch nicht, ob er Narutos Aufregung amüsant oder eher nervig finden sollte. Bisher hatte er nur hier stehen und geduldig zuhören müssen, aber was sollte er bitte zu diesem Thema sagen? „Ich habe deine Freundin nur einmal in meinem Leben gesehen und glaub mir, jemand so Auffälliges würde mir nie entgehen.“ Immerhin entsprach dies der Wahrheit, denn Madara war sie ja auch nicht entgangen. Kein Wunder bei der Haarfarbe, die leuchtete ja selbst im Dunkeln. Er zuckte zusammen, als Naruto seine Schultern ergriff und ihn ernst anblickte. Der Griff war fest, beinahe ein wenig schmerzhaft, aber er sagte nichts, sondern starrte monoton zurück. Was wurde das denn nun wieder? „Lass sie uns doch einfach gemeinsam suchen, Sasuke! Komm schon…vielleicht hat sie sich im Wald verlaufen und braucht unsere Hilfe!“ Oh, verlaufen hatte sie sich sicher nicht, doch Hilfe hätte ihr wohl nicht geschadet – und ihm selbst auch nicht. Am liebsten hätte er Naruto das Weibsstück vor die Füße geworfen, dann hätte sich das Problem erledigt, denn er wollte sie ganz bestimmt nicht haben. Stattdessen log er dem Blondschopf ins Gesicht und dieser vertraute ihm natürlich. Warum auch nicht? Er nannte ihn seinen Freund, seinen besten Freund sogar, dabei wusste Sasuke nicht mal um die Bedeutung. Seit jeher vertraute er niemandem mehr mit Ausnahme seiner Familie. Er wäre sowohl für Itachi als auch für Madara jederzeit durchs Feuer gegangen, doch andere Menschen interessierten ihn kein Stück. Damals hatte sich ja auch niemand für ihn interessiert. Seine Mutter hatte ihn mit letzter Kraft fortgebracht, bevor man sie kaltblütig abgeschlachtet hatte. Hätte Madara ihn nicht gefunden und sich seiner angenommen, hätten sie ihn ebenfalls getötet. Niemand hatte eingegriffen, alle waren sie froh gewesen, dass das Dorf der Teufel ausgelöscht wurde. Gefeiert hatten sie, auf die Leichen seines Clans getrunken und seinen Bruder hatten sie unter dem Vorwand eines Exorzismus missbrauchen und hinrichten wollen. Menschen waren krank. Sie waren schwach und weil sie das waren, mussten sie alles, was ihnen Angst machte, vernichten. Er verabscheute sie. Ab und an machte er sich den Spaß und verführte ein Mädchen, nur weil er es konnte. Bedeuten taten sie ihm rein gar nichts, aber es fühlte sich für kurze Zeit gut an. Danach ließ er sie liegen und verschwand. Und nun sollte er dieses oberflächliche Mädchen zur Frau nehmen? Madara wurde wohl auch immer seniler, wenn er so etwas von ihm einforderte. Sollte er sie sich doch nehmen, wenn er so begeistert von ihr war. Sie war weder besonders hübsch, noch besonders weiblich…sollte sie Kinder von ihm austragen, würde sie dabei vielleicht sterben, weil ihr Becken so schmal war. Allein der Gedanke stieß ihn ab, so wie alles an ihr. „Sasuke!“ Ach ja, den hatte er ja völlig vergessen. Sasuke seufzte stumm, ehe er die Hände von seinen Schultern löste und bestimmend den Kopf schüttelte. „Nein. Sie ist nicht dort und ich habe keine Zeit für so etwas. Sie ist deine Freundin, also such sie gefälligst allein!“, wies er ihn ab und Narutos Kiefer malmte. Es gab eigentlich nur zwei Gründe, weswegen er sich mit diesem Idioten abgab. Der erste war der, dass man ihm vertrauen konnte. Sasuke kannte niemanden, der so ehrlich wie Naruto war. Er sagte immer geradeaus, was er dachte, auch wenn es manchmal Unsinn war. Außerdem kannte er die Einsamkeit, kannte das Gefühl, nicht dazuzugehören. Naruto war anders und auch wenn er nicht wusste, was ihn so anders machte, fühlte er eine Art Verbindung zu ihm. Sie hatten sich zufällig getroffen, es war schon einige Zeit her und Sasuke hatte eine Faszination verspürt, die ihm neu gewesen war. Sie waren auf derselben Wellenlänge, kamen miteinander aus, obwohl sie verschieden waren. Er mochte den Idioten…warum auch immer. Der zweite Grund war Madara, der ihm anvertraut hatte, dass mit diesem Jungen tatsächlich etwas nicht stimmte. Was genau das war, konnte ihm der Ältere angeblich nicht sagen, doch Sasuke war von ihm angewiesen worden, Naruto im Auge zu behalten. Nun, da sie sich sowieso ab und an trafen, war das kein großes Opfer und irgendwann war es zur Gewohnheit geworden. Freunde…hätte er so etwas haben wollen, wäre Naruto wohl genau das gewesen. Ein Freund. Der beste Freund…wer wusste das schon? „Komm schon! Versprich mir wenigstens, dass du dich ein bisschen umsehen wirst…von mir aus auch ohne mich. Sie ist mir wichtig…versteh das doch!“ Und nun stand er hier und log dem anderen so dreist ins Gesicht, ohne dabei rot zu werden. „Ich verstehe es zwar nicht, aber ist gut. Ich werde drauf achten.“ Naruto schien ihm zu glauben, denn er wirkte erleichtert, sofern er es sein konnte. Diese Sakura musste ihm wirklich wichtig sein…doch er würde sich nicht gegen seine Familie stellen. Abermals zuckte er zusammen, als Naruto ihm einmal fest auf die Schulter klopfte und ihm in die Augen sah. „Danke…du bist ein echter Freund!“ Nein. Das war er nicht. Er war eine Schlange…denn genauso fühlte er sich. Itachi hätte das nicht gefallen, das wusste er. Vielleicht sollte er froh sein, dass sein Bruder momentan nicht da war? Wenn er nicht die Befürchtung hätte, dass ihm etwas passieren könnte. Madara sagte es immer wieder – Itachi wollte einfach zu sehr das Gute in den Menschen sehen. Doch er würde wie immer enttäuscht werden. So, wie Sasuke Naruto enttäuschen würde. „Wir sollten die Nacht hier verbringen.“ Itachi warf dem Hünen einen Blick zu, ehe er ihn über die Umgebung schweifen ließ. In den letzten Tagen war es trocken geblieben, damit war auch in dieser Nacht zu rechnen, sodass sie sich keinen überdachten Unterschlupf suchen mussten. Ein Steinkreis mit vertrocknetem Boden ließ darauf vermuten, dass vor einer Weile andere Reisende an diesem Ort Rast gemacht hatten. Sie waren an diesem Tag gut vorangekommen, hatten nur selten Pausen gemacht, um etwas zu essen und sich auszuruhen. Die Stadt, in die Kisame reisen wollte, lag noch in weiter Ferne…wofür Itachi insgeheim dankbar war. Das letzte Dorf war in Ordnung gewesen, doch beim Gedanken an große Menschenmengen wurde ihm flau im Magen. Da zog er den Wald, in dem sie heute nächtigen würden, eindeutig vor. „Kümmerst du dich ums Feuer, Teufelsk – ups, alte Gewohnheit“, lenkte Kisame schief grinsend ein, als er seinen finsteren Blick bemerkte. Dennoch sagte der Uchiha nichts dazu, sondern nickte; es würde nur Sinn machen, wenn er diese Aufgabe übernahm. „Ich jage dann mal unser Abendessen – meines jedenfalls“, meinte der Hüne nur und verschwand zwischen den Bäumen. Itachi wurde das Gefühl nicht los, dass Kisame ihn diesbezüglich bemitleidete…oder für einfältig hielt. Die Vorstellung, ohne Fleisch auszukommen, schien er absurd zu finden. Dabei musste man sich um ihn nicht sorgen, schließlich hatten sie noch ein wenig Reis übrig, den sie mit dem Wasser aus dem Beutel kochen konnten…und sicher würden sich ein paar Pilze und essbare Kräuter finden lassen. Daheim hatten sie ihr Gemüse selbst angebaut und mit der Zeit gelernt, welche Pflanzen nahrhaft und heilsam waren. Madaras Kenntnisse waren auf dem Grundwissen beschränkt, doch er hatte ihnen passende Bücher aus der Stadt besorgt. Er war ein Anführer…ein Krieger…und als solcher ausgebildet worden. Das war es, was ihn einst ausgemacht hatte…seine immense Kraft, sein scharfer Verstand und seine Autorität. Wenn Itachi Madara heute anblickte, sah er einen gebrochenen Mann, dem alles genommen worden war…und der sich an den Hass klammerte. Denselben Hass, der auch in Sasuke…und ihm selbst keimte. Itachi verdrängte die finsteren Gedanken, die ihn viel öfter heimsuchten, als ihm lieb war. Es war Vergangenheit und auch, wenn man diese nicht vergessen sollte, durfte sie nicht Gegenwart und Zukunft bestimmen. Er schichtete die Äste, die er zusammengeklaubt hatte, in dem Steinkreis aufeinander, bis es einigermaßen hielt. Dann legte er die Finger auf das Holz, konzentrierte sich auf die Hitze in ihm, spürte, wie sie durch seinen Körper wanderte. Damals hatten ihm seine Kräfte Angst eingejagt, was an der mangelnden Kontrolle lag, doch heute genoss er das vertraute Gefühl. Das war er. Diese Kräfte gehörten ihm, wurden von ihm gelenkt. Ein Lächeln überflog seine Lippen, als er beobachtete, wie sich das Holz entzündete, und er ließ die Hand sinken. Einen Moment lang schaute er bloß den lodernden Flammen zu, ließ den Geruch auf sich wirken. Je mehr Zeit vergangen war, umso weniger brachte er ihn mit ihrem nieder gebrannten Zuhause in Verbindung. Nicht das Feuer war schlecht, sondern diejenigen, die es missbrauchten. Er wandte sich ab, griff nach seinem Beutel, in dem sich der kleine, aus Eisen gegossene Topf und der Sack mit Reis befanden. Das Wasser würde er ruhigen Gewissens verwenden können, da der kleine Bach, an dem sie zuvor vorbeigekommen waren, nicht weit entfernt lag. Allerdings hielt er schlagartig inne, kaum dass er aus der Ferne das vertraute Rufen seiner Begleiterin vernahm. Ein Warnruf…und er löste eine unangenehme Gänsehaut in ihm aus, ließ ihn sich anspannen. War jemand auf dem Weg hierher? Der bloße Gedanke, jemand könnte ihn gesehen haben, wie er… Itachi fuhr herum, als er eine Präsenz hinter sich spürte und…tatsächlich stand dort eine Person. Es handelte sich um ein junges Mädchen in einem rosafarbenen Yukata, der ihre zierliche Gestalt umhüllte. Ihr hübsches Gesicht mit den großen, braunen Rehaugen wurde von zwei langen, schwarzen Strähnen gerahmt, die restlichen Haare trug sie zu einem Dutt hochgesteckt. Ihre helle Haut wirkte so makellos und rein wie Porzellan… Wie hatte sie sich so lautlos in seine Nähe begeben können? Nur etwa zehn Schritte trennten sie voneinander…und er hatte sie erst bemerkt, als sie schon praktisch hinter ihm gestanden hatte. Sein Herz raste, als in ihm die Befürchtung aufkeimte, sie könnte gesehen haben, was er zuvor getan hatte. Das Feuer… „Verzeihung…habe ich Euch erschreckt?“ Er hörte die Unsicherheit in ihrer sanften Stimme, sah, wie sie auf ihrer Lippe kaute. Ihre leicht gebeugte Haltung drückte Demut aus…und dennoch beruhigte es ihn kein bisschen. Vielleicht weil er prinzipiell jedem Menschen misstraute…und wusste, dass man Frauen keinesfalls unterschätzen durfte. Ja. Vielleicht deswegen… „Ich…habe das Feuer gesehen und…es ist kühl in dieser Nacht“, murmelte sie scheu und kam einen zaghaften Schritt näher. „Dürfte ich…mich vielleicht aufwärmen? Für eine Weile?“ Itachi rührte sich nicht, doch er blieb angespannt, überlegte, was er tun sollte. Es ihr erlauben? Sie ausfragen? Unweigerlich erinnerte er sich an seine erste Begegnung mit Kisame, als dieser ihn verletzt mit in seine Hütte genommen hatte. Er hatte ihn nicht liegen lassen, trotzdem allerlei Gründe für Misstrauen bestanden hatten. Daher gab er ein knappes Nicken von sich, woraufhin sie näher kam, sanft lächelte. Er sah zu, wie sie ihren Reisebeutel ablegte und sich dann ans Feuer setzte, die Hände an diesem wärmte. „Ich danke Euch“, hörte er sie wispern. „Es ist recht gefährlich für jemanden wie mich, allein umherzuziehen…aber Ihr scheint guter Mann zu sein.“ Itachi warf ihr einen knappen Blick zu, ehe er sich ebenfalls setzte, jedoch auf die gegenüberliegende Seite. Ein guter Mann? Er fragte sich, woran sie das ausmachen wollte, schließlich war er ein Fremder. „…wenn Ihr meint“, erwiderte er nur, was ihr Lächeln jedoch nicht ins Wanken brachte. „Nun, Ihr gestattet mir hier mit Euch zu rasten. Das ist sehr freundlich von Euch.“ Itachi schwieg eine Weile, nicht wissend, ob er sich überhaupt unterhalten wollte. Mit diesem fremden Mädchen, über das er nichts wusste. Dann aber sagte er sich, dass Situationen wie diese der Grund waren, weswegen er sein Zuhause verlassen hatte. Er wollte mehr über die Welt…über die Menschen erfahren, sie kennenlernen. „Ihr seid auf der Reise?“, fragte er daher und sie blickte auf. „Oh…ich denke, das kann man so nennen. Meine Mutter ist an Fieber erkrankt…ich bin auf dem Weg zur nächsten Stadt, um bessere Medizin zu kaufen.“ Itachi erinnerte sich daran, wie Sasuke damals während einer starken Erkältung gefiebert hatte…und wie hilflos Madara und er gewesen waren. Drei ganze Nächte hatten sie kaum geschlafen, an seinem Futon gesessen und seinen Zustand überwacht. „Das tut mir leid“, gab er leise zurück. Das Mädchen lächelte wehmütig, schlang die Arme um ihre angezogenen Beine und legte das Kinn auf ihren Knien ab. Die Flammen spiegelten sich in ihren braunen Augen, während auch sie abzuschweifen schien. „Danke…ich versuche mich davon nicht runterziehen zu lassen und auf das Beste zu hoffen. Das hat mich bisher immer voran gebracht.“ Itachi nickte verstehend, nicht wissend, was er weiter dazu sagen sollte. Auf das Beste hoffen…das hatte auch er sich vorgenommen, aber manchmal war es schwierig. „Und Ihr? Reist Ihr ebenfalls allein?“ Wahrscheinlich würde Kisame bald zurückkommen, von daher wäre es unsinnig, sie anzulügen. Was der Hüne wohl davon halten würde? Von dieser Fremden…die auffallend hübsch war. Er konnte das Gefühl, welches der Gedanke daran auslöste, nur schwer beschreiben. Eine Art schwelende Glut in seinem Inneren…und er schob es darauf, dass er befürchtete, sein Begleiter würde die Chance nutzen wollen. Damals hatte er auch ihm seinen Schutz angeboten – bevor sich rausgestellt hatte, dass er kein Mädchen war. „Wollt Ihr es mir nicht sagen?“, riss ihn ihre samtene Stimme aus den Gedanken und er blickte auf. „Verzeihung…“ „Nein, schon gut. Mh…wolltet Ihr gerade etwas essen? Ich wollte Euch nicht dabei stören.“ Tatsächlich hatte er den Reis vergessen. Anscheinend würde er seine Portion teilen müssen, denn wenn sie hungrig war, konnte er sie nicht einfach zusehen lassen. „Das Feuer brennt noch zu stark“, erwiderte er knapp. „Warten wir noch etwas…“ Bei seinen Worten lächelte sie milde. „Ihr wollt mit mir teilen? Ihr müsst wahrlich ein guter Mensch sein…aber das kann ich nicht ohne weiteres annehmen.“ Itachis Miene blieb ausdruckslos, als sie sich mit unverhohlener Eleganz erhob und um die Feuerstelle herumlief. Erst als sie hinter ihn treten wollte, sprang er auf, die Augen zu schmalen Schlitzen verengt, woraufhin sie ihn verwirrt ansah. „Uhm…ich wollte mich nur erkenntlich zeigen…“ „Nicht nötig“, wies er sie schärfer als beabsichtigt ab. Die Zurückweisung traf sie anscheinend, denn sie begann, auf ihrer Lippe zu kauen, bewegte sich zunächst nicht. „…seid Ihr sicher? Ich…könnte Eure Schultern massieren, wenn Ihr nicht an…mehr interessiert seid?“, fragte sie schief lächelnd. Ahnte sie, dass dies für ihn den blanken Horror darstellen würde? Wahrscheinlich nicht. Die meisten Männer hätten solch ein Angebot wohl begrüßt, doch er war keiner von ihnen. Er konnte ja kaum die Berührungen seiner eigenen Familie ertragen, wie sollte er dies einem fremden Menschen erlauben? „Nein. Setzt Euch wieder“, wehrte er ab, woraufhin sie langsam nickte. „Verzeiht“, murmelte sie und wandte sich ab. Vielleicht war er zu hart gewesen, immerhin war es ja sicherlich keine böse Absicht gewesen. Sollte er sich entschuldigen? Das wäre vermutlich angebracht. Bevor er jedoch den Mund öffnete, alarmierte ihn sein Instinkt, ließ ihn herumfahren und aus reinem Reflex riss er den Arm hoch. Ein stechender Schmerz bohrte sich in sein Fleisch, als die drei scharfen Nadeln darin stecken blieben. Während er eins der Senbon herausriss, fixierte er das Mädchen, das ihn verblüfft ansah – in den Fingern bereits drei weitere Nadeln haltend. Außer dem Schmerz spürte er nichts, was ihn darauf hoffen ließ, dass sie nicht in irgendeinem Gift getränkt waren. „Du bist schnell“, hörte er sie sagen, ehe ein mitleidiges Lächeln über ihr Gesicht huschte. „Leider…ich hatte nicht vor, dir wehzutun.“ Itachi reagierte schnell, wich den fliegenden Nadeln aus, ehe er die in seiner Hand zurückwarf – und sein Ziel verfehlte. Von Anfang an hatte er diese Ahnung gehabt, dass mit dem Mädchen etwas nicht stimmte. Ihre Bewegungen…die gespielte Demut…er hätte nicht alles auf seine Paranoia schieben dürfen. Itachi zog sein Katana, als seine Gegnerin auf ihn zustürmte, dabei zwei Kunai zückend. Stahl prallte auf Stahl, doch er schaffte es, ihr das Kunai aus der Hand zu schleudern – was möglicherweise sogar Absicht war. Das zweite Kunai versuchte sie ihm nämlich in die Seite zu jagen und er schaffte es in letzter Sekunde, ihr die Faust gegen den Arm zu schlagen, sodass die Klinge bloß durch seinen Ärmel glitt. Er nutzte den Moment und rammte ihr mit so viel Wucht das Knie in den Magen, dass sie ein trockenes Würgen von sich gab. Bevor er nachlegen konnte, fasste sie sich, ließ die Waffen fallen und schlug nach seinem Gesicht. Der Schlag traf seine Wange und ließ ihn zurücktaumeln, sodass sie Abstand zwischen sie beide bringen konnte. Keuchend blickten sie einander an, die Muskeln bis aufs Äußerste gespannt…und Itachi dankte Madara in dieser Situation innerlich für die harten Übungskämpfe. Er ging in Position, bereit, sich ihr erneut zu stellen, als sie ein weiteres Kunai zog – doch dann ließ ihn der alarmierende Schrei einer Krähe stocken. Seiner Krähe. Es war ein Fehler gewesen, zu glauben, sie wäre allein unterwegs. Ein wütendes Grollen hinter sich, ließ ihn rasch über die Schulter blicken, einen Hünen von Mann erkennen. Dieser rieb sich zornig über die blutige Wange, während er näher kam – in der freien Hand ein Katana haltend. „Dieses verrückte Mistvieh hat mich angegriffen…“, knurrte der Fremde mit der dunklen Haut. Seine untere Gesichtspartie, so wie der Hals waren mit Bandagen umwickelt, von denen einige nun rotgefärbt und zerrissen waren. Seine ganze Ausstrahlung erinnerte Itachi an ein aggressives Raubtier…und so ruhig, wie das Mädchen blieb, kannten sie einander. Vermutlich waren sie Partner. „Hat den Überraschungsmoment versaut…“, meinte der Mann an sie gewandt, woraufhin sie den Kopf schüttelte. „Das macht nichts…unterschätze ihn nur bitte nicht.“ „Dass du ihn noch nicht unschädlich gemacht hast, sagt genügend aus, keine Sorge.“ Die zerrissenen Bandagen offenbarten die scharfen Zähne des Fremden, welcher diese nun bleckte, ihn mit einem Grinsen bedachte, welches blanke Übelkeit in Itachi auslöste. Dieser Kerl war vom Blutrausch getrieben, die mörderische Aura, die ihn umgab, fühlte sich erdrückend an. Nein, er würde es nicht mit beiden aufnehmen können…nicht ohne seine Kräfte. Die Luft um ihn herum begann zu flirren, die Hitze in seinem Inneren drohte, herauszubrechen…alles um ihn herum zu versengen. Er würde sich ihnen nicht ergeben, würde sich nicht umbringen lassen. Diese Zeiten waren vorbei… Itachi rammte das Katana in den Boden, ballte die Hände zu beiden Seiten zu Fäusten…in seinen Augen flackerte es. Dann wetzten die beiden los, rannten auf ihn zu…und er würde sie brennen lassen. „Was zur Hölle…Zabuza?! Haku?!“ Abrupt hielten sie alle drei schlagartig in ihren Bewegungen inne, starrten den Mann an, der soeben die Lichtung betrat. Anscheinend war Kisame erfolgreich gewesen, denn er hielt drei tote Wachteln in den Händen. Angespannte Stille lag über ihnen, keiner schien zu wissen, wie er reagieren sollte. Itachi zögerte, dann aber erlosch das rote Glühen in seinen Augen; er vertraute den beiden nicht, aber er vertraute Kisame, der sie zu kennen schien. Zabuza und Haku blickten diesen an, als hätten sie einen Geist gesehen. „Kisame-san…du…“ „Du verdammter Bastard lebst?!“, fuhr ihr der Hüne ruppig über den Mund und schob sein Katana zurück in die Scheide. Itachi haderte mit sich, ob er seine Kräfte nicht doch nutzen sollte, als der fremde Hüne auf seinen Begleiter zu stampfte. Anhand Kisames Reaktion, die aus einem schiefen Grinsen und einem Schulterzucken bestand, unterließ er es dann aber. Ihm entging nicht, dass das Mädchen ihn weiterhin im Blick behielt, wohl seinen Angriff auf ihren Kameraden fürchtete. „Was soll ich sagen…Unkraut vergeht nicht“, hörte er Kisame scherzen und gleich darauf boxte ihm der andere in den Magen, ließ ihn keuchen. Itachi erschrak merklich, machte einen Schritt in die Richtung der beiden, doch das Mädchen hob die Hand, bedeutete ihm, stehen zu bleiben. „Deine Sprüche kannst du dir sonst wohin stecken, du Mistkerl!“, grollte der Hüne und packte ihn am Kragen. „Ich dachte, ich sehe dein hässliches Gesicht nie wieder!“ Kisame lachte rau auf, machte aber keine Anstalten, sich aus dem Griff zu befreien, sondern hob abwehrend die Hände. Seine Beute fiel zu Boden, wo sie vorerst achtlos liegen blieb. „Gleichfalls…ich dachte auch, das wär’s für mich gewesen, aber dank Itachi bin ich dem Tod noch mal davon gekommen. Das ist übrigens der Kerl, den ihr eben noch im Begriff ward zu töten…“ Seine Worte damit untermalend, deutete Kisame mit dem Finger auf ihn. Abermals wurde er sehr genau fixiert, der fremde Hüne runzelte die Stirn. „...er gehört zu dir?“ „Kann man so sagen.“ „Schade. Wir hielten ihn für leichte Beute, um uns was dazu zu verdienen. Nicht wahr, Haku?“ Diese gab ein Nicken von sich, richtete ihre Rehaugen mit sichtlicher Neugierde auf ihn. „Verzeihung. Wir wussten nicht, dass du zu Kisame-san gehörst.“ Sie verbeugte sich einmal vor ihm, was bei ihm aber nicht unbedingt den richtigen Nerv traf. Die zwei hatten also versucht, ihn zu bestehlen? Und als sie gemerkt hatten, dass er keine leichte Beute war, hatten sie ihre Taktik geändert. Wäre Kisame nicht rechtzeitig gekommen, hätte er dessen Kameraden wahrscheinlich getötet, um sich selbst zu schützen. „Ist ja noch mal alles gut gegangen, was?“, meinte dieser schief grinsend. „Also, der grobe Holzkopf hier ist Zabuza…und die vermeintliche Lady da drüben ist Haku. Sein Partner. Ihr beide zieht die Nummer mit dem hilflosen Mädchen also immer noch ab?“ Hatte er da was falsch verstanden oder handelte es sich bei Haku…um einen Jungen? Nein. Kisame hatte Partner gesagt…und das erklärte noch mal sein Gefühl, dass da etwas nicht stimmte. Haku neigte den Kopf zur Seite, schenkte ihnen ein täuschend liebliches Lächeln. „Wenn es doch jedes Mal wieder funktioniert~?“, gab er zurück und wandte sich dann ihm zu. „Wobei Itachi-san mir ja gut widerstanden hat – ich musste mich bisher nur selten anbieten. Die meisten Männer fordern dies von allein ein.“ Sie…nein, er zwinkerte ihm zu, schien dies durchaus amüsant zu finden. Itachi fand die Situation bloß unangenehm – und das nicht nur wegen Hakus Verhalten, sondern auch, weil er nicht sicher war, wie viel dieser gesehen hatte. Zabuza hatte bloß seinen Hinterkopf im Blick gehabt, doch Haku…hatte geradewegs in seine roten Augen gestarrt. „Tja, Itachi ist eben aus anderem Holz geschnitzt“, erwiderte Kisame und kam näher, bis er neben ihm stand. „Den kann man nicht so leicht um den Finger wickeln!“ Die Pranke des Hünen legte sich auf seine Schulter, drückte diese einmal, um ihn vermutlich zu beruhigen. Es funktionierte mäßig, doch er zog es ohnehin vor zu schweigen, um sich ein besseres Bild machen zu können. Dass die beiden ihn hatten ausrauben und umbringen wollen, trug nicht dazu bei, dass er sie sonderlich sympathisch fand. „Scheint ganz so…“, bemerkte Zabuza und verengte die kalten Augen. „Nun, da wir uns für heute in euer Lager einladen, wirst du genügend Gelegenheit haben, uns mehr über deinen Begleiter zu erzählen…“ Kisames Hand ruhte weiterhin schwer auf seiner Schulter, während sich seine Lippen zu einem breiten Grinsen formten, das Itachi nicht ganz nachvollziehen konnte. Wie viel hatte Kisame seinen Kameraden bereits über den damaligen Vorfall erzählt? Wie viel glaubten sie davon? „Nun, das…wird eine lange Geschichte, alter Freund…“, hörte er Kisame sagen und spürte die Glut in seinem Inneren warnend auflodern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)