DEAN CORVIN: 02. Brennpunkt Mars von ulimann644 ================================================================================ Kapitel 18: Zack-Hopp und Weg ----------------------------- 18. Zack-Hopp und Weg Die nächsten drei Tage verliefen ohne besondere Ereignisse. Famke und Darweshi kamen gut voran, beim Überqueren des linken der beiden Täler. Gegen Mittag des insgesamt fünften Tages, seit dem Absturz des Frachters, erreichten sie einen Hohlweg, der sich zwischen zwei Gebirgsausläufern hindurch schlängelte. An seinem Ende angelangt lag die Flottenbasis bei Sagan, weniger als zwei Kilometer von ihrer Position entfernt, vor ihnen. Da es erst später Nachmittag war, beschlossen sie eine längere Rast einzulegen, bevor sie sich an das gewagte Unternehmen machten, die Basis zu infiltrieren. Erst als es fast völlig finster geworden war machten sie sich wieder auf den Weg. Dabei bedauerten sie nicht zum ersten Mal, dass sie einen Großteil ihrer ursprünglichen Ausrüstung, besonders aber die Kom-Sets, verloren hatten. Sie hätten sich zwar notfalls auch über ihre MFA´s über größere Distanzen hinweg unterhalten können, doch die Bewegung des Arms konnte verräterisch sein, und diese Geräte brauchten eine etwas stärkere Akustik für eine einwandfreie Übertragung. So hatten sie beschlossen zusammen zu bleiben. Etwa fünfzig Meter von einem Nebenzugang zum umzäunten Raumhafen hielten sie hinter einem großen Busch an und spähten über die breiten Blätter hinweg. Dabei flüsterte Darweshi fragend: „Was nun? Wir können wohl kaum einfach so dort hinüber gehen, den Posten grüßen und einfach auf das Landefeld marschieren?“ Famke erkannte, dass die hinteren Rampen eines Schweren Kreuzers, der ihnen am nächsten stand, heruntergefahren waren. Dort würde es ein Leichtes für sie sein, an Bord zu gelangen. Von dort aus dann zum Kommandozentrum und sie hatten es so gut wie geschafft. Der Gedanke daran, jetzt noch scheitern zu können, machte sie kribbelig. Dann drangen die Worte des Tansaniers an ihre Ohren und sie wollte bereits zustimmen. Doch plötzlich durchzuckte sie eine Idee. „Ich sage dir was, Darweshi: Wenn das deine Idee ist, dann habe ich noch eine bessere. Genau so werden wir es machen.“ Für einen Moment blieb es still, bevor der Mann zischte: „Bist du jetzt vollkommen übergeschnappt? Wie soll das denn funktionieren?“ Famke Korkonnen packte den Mann fest am Oberarm. Heiser flüsterte sie: „Hör zu. Wir tragen die Uniform von dem da vorne. Mit Offiziersrangabzeichen. Wir lassen die Rucksäcke hier und tun so, als wären wir ein frisch verliebtes Paar, dass sich etwas Abgeschiedenheit und Zweisamkeit gegönnt hat. Der Posten kann unmöglich wissen, seit wann wir hier draußen sind. Außerdem geht ihn das nichts an.“ Darweshi, der selbst keinen besseren Plan zur Hand hatte, raunte zurück: „Na, dann mal los, du verrücktes Huhn.“ „Darüber reden wir noch.“ Damit legte sie ihren Rucksack ab und Darweshi folgte ihrem Beispiel. Sie hakten die Wasserflaschen an ihre Uniformgürtel. Die verbliebenen Rationen verstauten sie in den Taschen der Monturen. Nachdem auch einige der Medikamente in den Taschen der Montur des Tansaniers verschwunden waren, nahm Famke ihn formlos an die Hand, zerzauste sich etwas das Haar und trat mit ihm hinter dem Busch hervor, auf die freie, von Rasen bewachsene, Fläche vor dem eigentlichen Areal des Raumhafens. Nach ein Paar Schritten zog sie seinen Arm um ihre Hüfte und legte ihren Arm um seine. Dabei schmiegte sie sich eng an ihn, während sie forsch auf den bewachten Zugang des Raumhafens zu hielten. Dabei hörte sie den Mann unterdrückt flüstern: „Das wird nicht funktionieren, Famke.“ „Und wie das funktionieren wird. Ruhe jetzt und halte dich bereit, die Wache niederzuschlagen, klar?“ Darweshi gab ein bestätigendes Brummen von sich. Als sie bis auf wenige Schritte am Wachposten heran waren und in den Lichtschein am Tor traten, rief sie eine helle Stimme an: „Halt, wer da. Identifizieren Sie sich.“ Famke Korkonnen tat so, als habe sie zuvor gar nicht bemerkt, wie nah sie dem Tor schon gekommen waren. Sie ließ Darweshi los richtete, scheinbar peinlich berührt ihr Haar und schritt mit ihm zu der Frau hin. Dabei log sie: „Leutnant Rhodan und Leutnant Dhark.“ „Ich muss Ihre ID-Karten sehen.“ Inzwischen hatte auch Darweshi Karume den weiblichen Wachposten erreicht. Als Famke an ihrer Brusttasche zu nesteln begann war die junge Gefreite für einen Moment abgelenkt und der Tansanier handelte. Mit einer rechten Gerade schlug er die Frau KO. Einen Moment später hatte Famke der Frau bereits die Waffe abgenommen und schlug ihr mit dem Kolben nochmal auf den Hinterkopf. „Das sollte lange genug vorhalten.“ Sie sahen sich um. Niemand sonst war zu sehen. Dabei fluchte Darweshi erbittert: „Verdammt, das war die erste Frau, die ich geschlagen habe.“ „Herzlichen Glückwunsch“, spottete Famke heiser. „Falls es dir entgangen sein sollte, mein Lieber: Wir haben Krieg, und sie ist der Feind.“ „Ist ja schon gut. Weiter jetzt.“ Sie durchschritten das offene Tor und nebeneinander bewegten sie sich zügig zu dem Schweren Kreuzer, den Famke zuvor ins Auge gefasst hatte. Unangefochten erreichten sie die Rampe des Kreuzers, in dessen Schatten sie sich nun befanden. Dennoch blieben sie vorsichtig und schlichen die Rampe des Raumschiffs hinauf. Sowohl die Außenschleuse, als auch die Innenschleuse standen weit offen und Darweshi flüsterte besorgt: „Wenn das nach dem Start so bleibt, dann haben wir ein Problem.“ Ebenso leise gab die Frau an seiner Seite zuversichtlich zurück: „Das ATS wird wohl über eine Sicherheitsschaltung verfügen, die das verhindert. Notfalls schotten wir den Rest des Schiffes von der Zentrale aus hermetisch ab.“ „Na dann.“ Sie begaben sich ins Innere des Kreuzers. Die Stille an Bord wirkte dabei beruhigend und beunruhigend zugleich. Nach einer Weile fragte Darweshi, mit einem etwas schrägen Unterton: „Rhodan und Dhark? Wie bist du nur auf diese Namen gekommen?“ Famke gab keine Antwort darauf. Nach wenigen Minuten hatten sie das Deck erreicht, dass zum Kommandozentrum führte. Auch hier war kein Laut zu vernehmen. „Sollten wir wirklich so viel Glück haben, dass sich niemand an Bord aufhält?“, fragte Famke immer noch so leise, als würde sie jemanden an Bord vermuten. „Werden wir erfahren.“ Sie erreichten endlich das Schott der Zentrale. Auch hier funktionierte der obere der beiden Codes auf der Karte, die Dean Corvin ihr anvertraut hatte, problemlos. Die beiden Hälften des Panzerschotts glitten mit leisem Zischen zur Seite und die Notbeleuchtung aktivierte sich. Auch das Kommandozentrum des Kriegsschiffes lag verlassen. Endlich erleichtert aufatmend sagte Famke: „Da wären wir. Als nächstes müssen wir die Schiffssysteme aktivieren.“ Sie schritten zur Konsole des Piloten, wobei es im Grunde egal war, da die Systeme von jeder der Konsolen aktiviert werden konnten. Famke legte eine Hand auf die dunkle Sensorfläche der Konsole und sie wurde dazu aufgefordert den Kommando-Code einzugeben. Sicherheitshalber vorher nochmal auf die Code-Karte schauend gab Famke den oberen Code über das nun aktivierte Sensortasten-Feld ein. Eine Bestätigung für die Korrektheit des Codes wurde in grüner Schrift angezeigt. Im nächsten Moment erschien eine zweite Eingabeaufforderung. Diesmal für den ATS-Code. Auch diesen gab Famke Korkonnen ein und bestätigte die Eingabe. Diesmal erschien keine Bestätigung und Famke wollte schon anfangen zu fluchen, als zwei Sensortasten, unter der Frage aufleuchteten, ob das ATS aktiviert, oder auf Stand-By geschaltet, werden sollte. Famke entschied sich für die Option der sofortigen Aktivierung. Diesmal erschien eine Bestätigung; und gleich darauf der Hinweis, dass nun das Prioritätssignal ausgestrahlt würde. Gleichzeitig klang der akustische Hinweis auf: Autonomes-Strategisches-System wurde aktiviert und übernimmt. Überall im Kommandozentrum aktivierten sich die Konsolen. Jetzt erschienen auch die Holoanzeigen über den Sensorfeldern der Konsolen. Die Beleuchtung der Zentrale wechselte auf Gefechtsbeleuchtung. Der Boden erzitterte unter den Füßen der beiden jungen Menschen, als der Schwere Kreuzer zu mechanischem Leben höchster Vollendung erwachte. Als die typischen Arbeitsgeräusche der Schiffsaggregate durch das Raumschiff hallten standen Famke Korkonnen Tränen in den Augen. Dabei sagte sie kratzig: „Ich kann noch gar nicht glauben, Darweshi, dass wir es wirklich geschafft haben.“ Die Finnin beobachtete den Mann dabei, wie er sich in einen der Sessel setzte. Zwanglos nahm sie selbst gleich darauf auf seinem Schoß platz, umarmte ihn stürmisch und gab ihrem emotionalen Chaos nach.“ Darweshi Karume ließ sie gewähren. Als sie ihn nach eine Weile, immer noch mit Tränen in den Augen, anstrahlte, da lachte der Tansanier und sagte erleichtert: „Der komplizierte Teil kommt zwar vielleicht noch, doch ich glaube ab jetzt ganz fest daran, dass am Ende alles gutgehen wird.“ Weder Darweshi Karume noch Famke Korkonnen ahnten dabei, dass der Abend für einen einsamen Techniker, an Bord des benachbarten Leichten Kreuzers EDDINGTON, nicht ganz so glücklich verlief, ab diesem Moment. * * * Unteroffizier der Konföderation Deneb, Laran Takmaron, hatte die zehn Kreuzer inspiziert, die ihm sein Vorgesetzter vorgegeben hatte. Dabei hatte er bisher noch keinen einzigen Hinweis dafür entdecken können, dass es an Bord irgendwelche ungewöhnlichen Systeme gab, die seine Vorgesetzten dort zu vermuten schienen. Seiner Meinung nach litten jene Leute an Paranoia, die an Bord der brandneuen Raumschiffe solche Systeme vermuteten. Es hatte Gerüchte gegeben, doch Takmaron vermutete, dass sie gezielt vom Feind gestreut worden waren, um den Einsatz dieser Flotte für die Konföderation zu verzögern. Und das schafften sie momentan tatsächlich. Aber gut, dachte er schließlich, ich mache meine Arbeit; genau wie die anderen sieben Techniker an den Abenden zuvor. Es handelte sich um Stichproben. Aber Stichproben waren so eine Sache, man kontrollierte vielleicht gerade dort, wo nichts Außergewöhnliches eingebaut worden war. Ich werde, nahm er sich daher vor, noch zwei weitere Schiffe überprüfen, heute Nacht. Das ist außerplanmäßig, und vielleicht gerade deshalb erfolgreich. So kam es, dass Takmaron gerade in einem Leichten Kreuzer mit dem Namen EDDINGTON weilte, als das Prioritätssignal der CARACAS das Chaos entfesselte. Es war sein Glück, dass sich ausnahmslos sämtliche Systeme des Kreuzers automatisch einschalteten, denn ohne die Andruckabsorber wäre er zerquetsch worden. So sah er auf einem der sich aktivierenden Holo-Bildschirme nur noch, wie der Raumhafen von Sagan immer schneller unter dem Leichten Kreuzer weg sackte, kleiner wurde und endgültig auf der sich rundenden Oberfläche des Planeten verschwand. Er sah die anderen Kriegsschiffe, die ebenfalls starteten. Im ersten Augenblick erschrak er bei dem Gedanken, vielleicht eine der Sensorflächen der verschiedenen Konsolen berührt zu haben und so selbst die Massenflucht verursacht zu haben, aber dann schalt er sich einen Narren, denn das war kaum möglich. Der Schreck über das Ereignis selbst aber blieb. Immerhin war er Techniker und verstand einiges von Raumschiffantrieben. Auch weilte er rein zufällig in der Kommandozentrale des Kreuzers. Er wusste mit Bestimmtheit, dass er den Antrieb nicht eingeschaltet hatte. Das musste selbsttätig geschehen sein. Entweder durch einen Funkimpuls, oder mit Hilfe eines installierten Senders. Oder… Doch keine Paranoia! Takmaron begann allmählich zu begreifen, dass wahrscheinlich nur der Zufall ihn Zeuge eines unvorstellbaren Geschehens werden ließ. Er ahnte, aufgrund der im Vorfeld immer wieder aufflammenden Gerüchte, von einer Sekunde zu anderen, wem die Konföderation Deneb den unvorhergesehenen Start der Flotte zu verdanken hatte. Er ahnte es, aber ahnten es auch seine Vorgesetzten? Er stürzte zur Konsole des Kommunikations-Offiziers. Zwar wusste er nicht besonders gut Bescheid auf diesem Gebiet, aber er traute sich doch zu, eine Verbindung zustande zu bringen. Aber bevor er die entsprechenden Kontrollorgane gefunden hatte, war es bereits zu spät. Er sah auf dem Hauptbildschirm, dass das Raumschiff sich bereits im Hyperraum befand. Das allein gab ihm keinen Hinweis, wohin die Reise ging. Also blieb dem Mann nichts weiter zu tun, als sich in einen der Sessel zu setzen und abzuwarten. Dabei fragte er sich mit einem flauen Gefühl im Magen, was ihn am Ziel der Reise erwarten würde. An den Instrumenten konnte er ablesen, dass der Hyperraumflug mit annähernd Höchstgeschwindigkeit erfolgte. Außerdem erkannte er, dass die Flotte sich nach einem Standardmuster der Terranischen Flotte formiert hatte. Die Raumschiffe wurden gelenkt, das wurde bei diesem Manöver offensichtlich. Es weilte außer ihm niemand in der Zentrale, aber der Kreuzer wurde gesteuert. Und zwar sicher und zielbewusst. So sicher, wie die gesamte Flotte von der ersten Sekunde an gesteuert worden war. An diesem Punkt seiner Überlegung erschrak Takmaron. Wenn sie mich entdecken ...! Ja, was dann? Er war Mitwisser eines wichtigen militärischen Geheimnisses geworden. Man würde ihn nicht einfach weiterleben lassen. Wenn sie kamen, durften sie ihn also nicht finden. Das Hoffnungslose der Situation kam ihm erneut zu Bewusstsein. Wo sollte er sich verstecken? Das war unsinnig. Er besaß keine Vorräte, mit Hilfe derer er lange überleben konnte. Man würde ihn also finden, und dann endete sein Leben vermutlich. Innerlich schloss Unteroffizier Laran Takmaron in diesem Moment mit dem Leben ab. * * * In der CARACAS saßen Darweshi Karume und Famke Korkonnen in den Sesseln für Pilot und Navigator. Während Famke zufrieden an einem Konzentrat-Riegel ihrer vorletzten Notration kaute, hatte Karume die Magnetverschlüsse seines linken Stiefels etwas gelockert und massierte sein Fußgelenk, wobei er ein gelegentliches Ächzen von sich gab. Famke, die es bemerkte, sah ihn schließlich fragend an. „Du hast starke Schmerzen?“ „Ja. Schon seit Tagen.“ „Verdammt, warum hast du denn nichts gesagt?“ Der Tansanier schwieg zu dieser Frage. Stattdessen zog er ein Anti-Schmerzmittel der etwas stärkeren Sorte aus seiner Brusttasche und nahm eine der Kapseln, die er mit etwas Wasser aus seiner Feldflasche hinunter spülte. Angespannt wirkend sagte er: „Dieser Hammer wird besser wirken, als diese verdammten grünen Dinger, die ich bisher genommen habe.“ „Du bist ein verdammter Blödmann“, schimpfte Famke. „Ich hätte dich unterwegs stützen können. Aber du Dickschädel hast lieber Schmerzen in Kauf genommen, statt dir helfen zu lassen. Hoffentlich tut es richtig weh.“ Zuerst perplex, wegen des Ausbruchs der Kameradin, schmunzelte Darweshi schließlich, als er meinte: „Reg dich wieder ab, es ist ja jetzt vorbei.“ „Warten wir es erst einmal ab“, widersprach die Frau, noch immer gereizt. „Wir können uns nicht sicher sein, was uns am Ziel unserer Reise erwartet.“ Damit deutete sie mit dem Konzentrat-Riegel in der Hand auf den Hauptschirm, auf dem das, überwiegend rote, Wallen des Hyperraums wiedergegeben wurde. Sie richteten sich darauf ein, mehrere Stunden unterwegs zu sein, bevor die Flotte wieder auf Unterlichtgeschwindigkeit gehen würde. Als sich Darweshi Karume schließlich im Sessel streckte und Famke mit halb geschlossenen Augenlidern ansah, da wirkte er wie eine schläfrige Raubkatze. Die Hände hinter dem Kopf verschränkend schloss er seine Augen ganz und meinte: „Wir sollten uns etwas ausruhen, solange es noch geht.“ „Dazu bin ich zu aufgeregt“, erwiderte Famke. „Aber schnarch mir ruhig wieder die Ohren voll, das hast du echt drauf.“ „In der Höhle hat es dich aber nicht gestört, oder?“ Diese Frage brachte die Frau aus dem Konzept. Denn er hatte recht. Vor einigen Tagen, in der Höhle, da hatte sie sich sehr geborgen und sicher gefühlt, in seinen Armen. Wobei es ihr mehr um die Geborgenheit gegangen war, denn sie war nicht gerne allein. „Dich aber wohl auch nicht“, entgegnete sie, etwas weniger gereizt, als zuvor. Ein leises Lachen kam von Darweshi zurück. „Nein. Weißt du, ich war ganz froh, an dem Abend nicht allein da zu liegen. Die Monate, in denen ich, ganz allein und auf mich gestellt, in Australien unterwegs war, das war für mich die schlimmste Zeit meines bisherigen Lebens. Ich fühlte mich fürchterlich allein gelassen.“ Darweshi hatte seine Augen wieder geöffnet und sah zu Famke, die ihn etwas verwundert ansah, ob seiner offenen Worte. Spontan nahm sie seine Hand, die über die Lehne seines Sessels herab hing, in ihre. „Du bist jetzt nicht mehr alleine, Darweshi.“ Seine Finger mit ihren verschränkend, erwiderte der Mann entspannt lächelnd: „Das sind wir beide nicht. Ich bin dem Schicksal sehr dankbar dafür, dass wir uns begegnet sind.“ Famke runzelte die Stirn. „Fängst du gerade an, Süßholz mit mir zu raspeln?“ Das Lächeln des Mannes vertiefte sich, bevor er anfing fürchterlich mit den Augen zu rollen. „Das würde mir doch nie einfallen, Famke. Wo denkst du denn hin?“ Sie lachten beide. Hand in Hand in den Sesseln sitzend begannen sie davon zu erzählen, wie ihre Kindheit verlaufen war. Dabei hörte Darweshi jedesmal besonders gut zu, wenn der Name Dean Corvin fiel. Irgendwann fragte der Tansanier: „Dean ist wirklich eine sehr wichtige Bezugsperson für dich?“ Famke nickte nachdenklich. „Ja. Stell dir vor: Als wir noch klein waren, da hatte ich mir beim Spielen mal weh getan, und außer Dean war niemand da, um mich zu trösten. Er hat das so lieb und gleichzeitig so unbeholfen gemacht. Heute glaube ich, er hätte damals am liebsten mitgeheult. Aber dazu war er dann doch zu stolz.“ „Du sagtest, er wäre im Alter deines Bruders. Wie kommt es dann, dass er bereits den Rang eines Majors bekleidet? Und dann noch bei der Farradeen-Allianz.“ „Ich habe keinen blassen Schimmer“, seufzte die Frau. „Aber als er den weiblichen Hauptmann zum Kreuzer zurückbeorderte, da wirkte er so ungewohnt ernst und gleichzeitig auch so erwachsen. Ich hatte Dean etwas anders in Erinnerung. Irgendetwas scheint er erlebt zu haben, das ihn so veränderte.“ Darweshi Karume machte eine zustimmende Miene. „Ich würde sagen, wir alle haben uns verändert, seit die Konföderation Deneb das Sol-System überfallen hat. In Zeiten des Krieges, in denen wir manchmal dazu gezwungen sind, Dinge zu tun, die wir lieber nicht tun würden, ist das auch kein Wunder.“ Famke sah Darweshi in die Augen, bevor sie ihn fragte: „Egal, wie ich es drehe und wende, am Ende komme ich immer wieder zu dem Ergebnis, dass ich damit, für die Resistance gekämpft zu haben, meine Interessen über die anderer Menschen gestellt habe. Wie viele Menschen kann man in einem Krieg töten, bevor man sich selbst verliert? Oder bevor man sich genauso schuldig macht, wie der Feind?“ Eindringlich Famke ansehend erwiderte Darweshi ruhig: „Ich verstehe, was du damit sagen willst. Mir selbst sind, in den letzten Monaten, ganz ähnliche Gedanken durch den Kopf gegangen. Doch was wäre die Alternative gewesen? Kapitulation? Würde das die Konföderation davon abhalten, weitere Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen? Nein, Famke, das Böse gewinnt immer dann, wenn die Aufrechten nicht handeln.“ „Akademie – Philosophie-Grundkurs“, spöttelte die Frau augenzwinkernd. Dann atmete sie tief durch und meinte: „Vielleicht stimmt das, aber dadurch fühle ich mich kein Bisschen besser.“ „Dann wäre ich auch sehr enttäuscht von dir.“ Aus den Augenwinkeln sahen sie, dass sich das Bild auf dem Haupt-Holoschirm der Zentrale signifikant änderte. Die Flotte hatte den Hyperraum verlassen. Gleichzeitig tönte der Annäherungsalarm auf. Famke ließ die Hand des Mannes los und nahm einige Schaltungen an den Kontrollen ihrer Konsole vor. Darweshi Karume seinerseits aktivierte die Freund-Feind-Erkennung und atmete erleichtert auf, als er die Ergebnisse ablas. „Es sind Terranische Einheiten.“ „Sie schleusen eine große Anzahl an Personen in flugfähigen Raumkampfanzügen aus, die auf die Schleusen der einzelnen Raumschiffe zu halten“, ergänzte Famke. Damit erhob sich die Frau und lief zur Kommunikationskonsole hinüber. Sie aktivierte den Normalfunk-Sektor und rief wiederholend die Raumschiffe an. Nach einigen vergeblichen Versuchen gelang der Kontakt, und ein Mann mit sonorer Stimme meldete sich und sagte: „Hier spricht Generalmajor Montana, von der TRITON. Wer sind Sie und wie kommen Sie an Bord eines Kreuzers der Zehnten Flotte?“ „Hier spricht Kadett Famke Korkonnen, zuletzt an der Sektion-Venus. Ich befinde mich mit einem Kameraden, namens Darweshi Karume, zuletzt Kadett an der Sektion-Terra, an Bord eines Schweren Kreuzers. Auf dem Mars übergab mir Major Dean Corvin, von der Farradeen-Allianz, die Code-Karte, um das ATS des Kreuzers zu aktivieren. Mein Kamerad und ich schafften es, unbemerkt an Bord zu gelangen und die Schiffssysteme, inklusive des ATS, zu aktivieren. Alles andere erfolgte ab da selbsttätig.“ Eine Pause entstand, bevor der Generalmajor entgegnete: „Der Name des Majors wurde bestätigt. Wir hatten, trotz der Aussage seines Ersten Offiziers, kaum noch Hoffnung, dass die Zehnte Flotte tatsächlich hier erscheinen würde. Hervorragende Arbeit, Kadetten.“ „Vielen Dank, Sir.“ „Meine Leute kommen bald an Bord, Kadett. Bleiben Sie, wo sie sind. Montana, Ende.“ Damit unterbrach der Generalmajor die Verbindung. Famke sah zufrieden zu Darweshi. Der meinte: „Da muss sich aber einiges verändert haben, innerhalb der Flotte. Generalmajor Montana ist Kommandeur der Siebten Flotte, wenn ich nicht irre. Die Siebte war aber zuletzt ganz woanders stationiert.“ Famke nickte zustimmend. „Ich schätze, wir werden bald alles Neue erfahren.“ Auf dem Hauptbildschirm verfolgten die beiden jungen Menschen, wie die Gestalten in den Raumanzügen sich schnell und sicher Zutritt zu den einzelnen Kreuzern, Zerstörern und Fregatten verschafften. Beide sahen sich etwas unsicher an. Immerhin trugen sie die Uniformen des Feindes. Es dauerte noch einige Minuten, bis sich das Panzerschott der Zentrale öffnete und mehrere Raumfahrer in das Kommandozentrum eindrangen. Dabei blieb der Anführer der Eindringlinge einen Augenblick stehen, als er Famke Korkonnen und Darweshi Karume in entspannter Haltung im Raum stehend entdeckte. Es handelte sich um eine schwarzhaarige, dunkelhäutige Frau im Rang eines Oberstleutnants, die nun auf die beiden blau Uniformierten zu schritt und sagte: „Ich bin Oberstleutnant Oluwatoniloba Adalunara. Der Generalmajor hat die Truppführer darüber in Kenntnis gesetzt, dass wir in einem der Raumschiffe zwei Kadetten vorfinden würden, die dafür verantwortlich sind, dass die Zehnte Flotte nicht in Feindeshand geblieben ist. So wie es aussieht habe ich den Hauptgewinn gezogen. Nur die Uniformen haben mich zuerst etwas verwirrt.“ Damit reichte sie zuerst Famke und danach Darweshi die Hand. „Ich hoffe, wir werden diese verdammten Uniformen bald los, Sir“, erwiderte der Tansanier. „Können wir Ihnen helfen?“ Der Ausdruck im Gesicht der dunkelhäutigen Frau wurde eine Spur ernster. „Ja, das können Sie beide in der Tat, indem sie eins der naheliegenden Quartiere aufsuchen und es nicht verlassen, bis wir Wega-IX erreicht haben. Es ist nicht so, dass ich Ihnen beiden nicht vertrauen möchte, doch Sie werden verstehen, dass ich mich absichern muss.“ Es stand Famke ins Gesicht geschrieben, dass sie dagegen aufbegehren wollte, doch Darweshi griff schnell nach ihrer Hand und antwortete dem Oberstleutnant: „Natürlich verstehen wir das, Sir.“ Oberstleutnant Adalunara gab zwei Unteroffizieren, in ihrem Geleit, einen Wink und die beiden geleiteten Famke Korkonnen und Darweshi Karume aus der Zentrale. Die momentane Kommandantin des Schweren Kreuzers sah beiden hinterher und lächelte verstehend. Sie konnte sich vorstellen, was gerade in ihnen vorgehen musste. Doch der Befehl von Generalmajor Montana war eindeutig gewesen. In kürzester Frist wurde die CARACAS unter ihrem Kommando bemannt, so wie auch die übrigen 99 Raumschiffe dieser brandneuen Flotte, durch ihr Kameraden. Keine drei Minuten später wurde Generalmajor Montana, auf der TRITON der Vollzug der vollständigen Übernahme gemeldet. Unmittelbar darauf erging von Montana der Befehl an die nun insgesamt 150 Raumschiffe in diesem Sektor, aufzufächern und eine Verteidigungsstellung einzunehmen. Davon bekamen Darweshi Karume und Famke Korkonnen in dem ihnen zugewiesenen Quartier nichts mit. Doch als einige Minuten später die Alarmgeber durch das Kriegsschiff gellten, ahnten sie, dass der Zehnten Flotte nun die Feuertaufe bevorstand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)