DEAN CORVIN: 02. Brennpunkt Mars von ulimann644 ================================================================================ Kapitel 9: Ernste Unterredungen ------------------------------- 9. Ernste Unterredungen Drei Tage später stand Andrea von Garding an der Fensterfront eines Hotelzimmers, auf dem neunten Planeten des Wega-Systems, und blickte hinaus in die Finsternis. Aus besonderem Anlass hatten sie und Jayden gestern eine volle Woche Sonderurlaub beantragt, und der Kommandant des Schlachtkreuzers SATURN hatte ihn, nach einer längeren Unterredung mit ihnen beiden, am Ende bewilligt. Vor einigen Stunden bereits hatte es zu regnen begonnen, und noch immer prasselten die schweren Tropfen des Wolkenbruchs gegen die Panoramascheiben der hellen und großzügig dimensionierten Zimmerflucht. Unter ihr lagen die, vom Regen glänzenden, Straßen der weganischen Stadt. Die Terranerin hatte das Licht soweit gedämpft, dass es einen angenehmen, warmen Ton im Zimmer erzeugte. Während sie in die verregnete Nacht auf Wega-IX hinaus blickte, dachte sie an Dean Corvin und an ihre anderen Kameraden, die nun gemeinsam mit ihr auf diesem Planeten weilten. Letzteres hatte sie dazu bewogen, gestern ein langes Gespräch mit Jayden zu führen, an dessen Ende sie beide eine Entscheidung getroffen hatten, die weitreichende Folgen für ihr zukünftiges Leben haben würde. So hatten sie beide darüber gesprochen, dass sich möglicherweise nie wieder die Gelegenheit ergeben könnte, dass sie alle je wieder lebend zusammen kamen. Zwar wollte die rotblonde Frau daran gar nicht denken, doch zumindest in Erwägung ziehen musste sie diese Möglichkeit, und so hatte sie auch darüber mit Jayden gesprochen. Ihre Blicke schweiften gedankenverloren über die gewaltige Stadt, in der das Leben pulsierte, so als gäbe es keinen Krieg zwischen drei der fünf Sternenreiche. Zu ihrer Rechten erhob sich, hell erleuchtet, das wuchtige Verwaltungsgebäude des Raumhafens auf dem dutzende von Kriegsschiffen aller Größen darauf warteten zum Einsatz zu kommen. Ein Bruchteil der annähernd dreihundert Kriegsschiffe, die gegenwärtig im Wega-System zusammengezogen waren. Die weitläufigen, weitgehend unterirdisch angelegten, Raumschiffswerften waren von hier aus nicht zu sehen. Sie lagen auf der entgegengesetzten Seite der riesigen Stadt. Dort wurden momentan mit Hochdruck neue Kriegsschiffe für die Imperiale Flotte gebaut. Die, seit dem Überfall auf das Sol-System, Oberkommandierende der Terranischen Raumflotte, wusste natürlich um die militärstrategische, wie wirtschaftliche Bedeutung des Wega-Systems und so hatte sie bereits vor Monaten angeordnet, die Dritte Flotte, unter Generalmajor Nomu Tschuban, aus der Region von M-7 abzuziehen, so wie achtzig Prozent der Fünften Flotte, unter Generalmajor Ilana Stern. Die restlichen zwanzig Prozent der Fünften Flotte waren beim Hauptquartier dieser Einheit verblieben, einem Irrläufer-Planet auf halbem Weg zwischen Sol und dem Hantelnebel, etwa 700 Lichtjahre entfernt. Andrea von Garding zuckte leicht zusammen, als in der Ferne, über den Gipfeln des Gebirges, ein greller Blitz zuckend aufleuchtete. Für einen kurzen Augenblick fiel grelles Licht auf den dichten Dschungel, weit jenseits der Metropole, bevor er gleich darauf, wieder in der Finsternis verschwand und einen nur zu erahnenden, dunklen Streifen am Horizont bildete. Es dauerte beinahe eine halbe Minute, bis ein leichtes Grollen zu vernehmen war. Das Zentrum des Gewitters schien sich zu entfernen. Andrea von Gardings Gedanken kehrten zum Hier und Jetzt zurück. In den vergangenen Stunden hatte sie ihre Entscheidung wieder und wieder hinterfragt, und immer mit demselben, positiven Ergebnis. Allerdings war sie um eine Erkenntnis nicht herum gekommen, nämlich dass der Auslöser für dieses häufige Hinterfragen jedesmal Dean Corvin geheißen hatte. Die Terranerin, die ihr Haar am Morgen sorgsam zu einem Bauernzopf geflochten hatte, den sie so gerne trug, lächelte unbewusst bei dem Gedanken an den Kameraden. Sie hatte ihn sehr vermisst, seit ihrem letzten Zusammentreffen. Dean besaß eine irgendwie gewinnende Art. Sie war zwar seinem männlichen Charme nie erlegen, doch seit ihrem Abschluss an der Akademie vermisste sie ihn manchmal so sehr, dass es fast weh tat. Auch wenn sie das Jayden gegenüber nie andeutete war sie sich dennoch sicher, dass ihr Verlobter davon wusste. Dazu kannte er sie zu gut. Die Frau blickte auf ihr Multi-Funktions-Armband, dessen Chronometer neben der Standardzeit auch die lokale Zeitrechnung einblendete. Außer ihrem Verlobten, der etwas später kommen würde, hatten sich Dean und Kimi Korkonnen für den heutigen Abend bei ihr angemeldet. Auf ihre Einladung hin. Beide weilten seit zweieinhalb Tagen auf dem Planeten doch ihr Dienst hatte ein Treffen zu einem früheren Zeitpunkt nicht erlaubt. Was Andrea ganz recht gewesen war, denn sonst hätte sie keine Zeit für ihre nun getroffene Entscheidung gehabt. Allein der Gedanke daran, die beiden Freunde schon in Kürze wiederzusehen, beschied ihr Glücksgefühle, die sie in den letzten Monaten schmerzlich vermisst hatte. Die Terranerin warf einen letzten Blick hinaus, in die stürmische Nacht, bevor sie das Licht wieder auf ein normales Niveau heraufsetzte und ihre Uniform zurecht rückte. Sie war gerade fertig damit, als der Türsummer aktiviert wurde. Die Frau schmunzelte leicht. Es wäre sehr verwunderlich gewesen, wenn Dean und Kimi nicht etwas vor der Zeit erschienen wären. Sie legte eine Hand auf den Sensorkontakt der Multifunktionssäule, in der Mitte des Raumes, und gab den akustischen Befehl, das Schott des Zimmers zu öffnen. Wie erwartet waren es Dean und Kimi, die das geräumige Zimmer betraten. Andrea hatte Kimi, anders als Dean, vor wenigen Tagen erst gesehen und so lief sie rasch zu Corvin und fiel ihm um den Hals. Dabei schmiegte sie sich eng an den Kameraden, als er sie in seine Arme schloss, und sie legte vertraulich ihren Kopf an seine Brust. „Ich bin so glücklich, dass du den Einsatz, von dem mir Kimi erzählt hat, gesund überstanden hast, und dass ich dich endlich wiedersehe, Dean. Nur deine neue, schwarze Uniform und die Rangabzeichen eines Majors sind etwas gewöhnungsbedürftig.“ Etwas befangen erwiderte der Dunkelblonde, ohne auf ihre letzte Bemerkung einzugehen: „Ich freue mich genauso sehr, Andrea. Meine Gedanken waren täglich bei dir, Kimi und Jayden, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Wie geht es dir denn?“ Andrea von Garding löste sich von dem Freund und hielt ihn etwas von sich um ihm in die Augen sehen zu können. „Besser, als an dem Tag, als du die SATURN verlassen hast. Du musst dir keine Sorgen um mich machen.“ „Mache ich aber“, gab Dean lächelnd zurück. Eine kurze Pause entstand und erst als sich Kimi vernehmlich räusperte, begrüßte sie auch ihn und geleitete beide dann zur Sitzecke des Raumes. Dabei fragte sie: „Kann ich euch beiden etwas zu trinken anbieten?“ „Nein danke“, lehnte Kimi ab, während sich Dean erkundigte: „Gibt es Kaffee? Ich habe eine etwas andere Zeitrechnung in den Knochen und ich habe im Anschluss noch ein Gespräch mit General Mbena vor mir.“ Andrea von Garding besorgte Dean seinen Kaffee und nahm ihm, schräg gegenüber, auf einer der beiden breiten Couchen Platz. Dabei sah sie ihn, über die semi-transparente Oberfläche des Tisches hinweg, fragend an. „Hattest du Erfolg bei dem Einsatz, von dem du zurück bist?“ „Wie man es nimmt“, gab Dean düster zurück. Einerseits konnte ich eine Fregatte entwenden, auf der die Technik vorhanden ist, die wir benötigen um herauszufinden, wie wir die Störgeräte der Konföderation Deneb unwirksam machen können. Außerdem konnte ich jemanden aus der Gefangenschaft befreien, den ich bei unserer Flucht aus dem Sol-System, zu Beginn des Jahres, auf Luna zurücklassen musste. Andererseits ist mir bei der Aktion Kim Tae Yeon entkommen, weil einer meiner Leute sich hat überrumpeln lassen.“ „Du bist diesem Miststück begegnet?“, stieß Andrea heftig aus. „Ja“, gab Corvin zurück und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. „Ich hätte sie gleich erschießen sollen, aber über verpasste Gelegenheiten zu jammern hilft nichts.“ Bevor Andrea von Garding etwas darauf erwidern konnte, öffnete sich das Schott der Zimmerflucht und Jayden Kerr trat ein. Der Jamaikaner steckte den Code-Schlüssel in seine Hosentasche und schritt rasch auf die Freunde zu, die sich beim Eintreten des Freundes erhoben hatten. Sie umarmten einander herzlich, bevor sie gemeinsam wieder Platz nahmen. Dabei setzte sich Jayden zu Andrea auf die Couch und legte seinen Arm um sie. Auch der Jamaikaner war neugierig darauf, zu erfahren, wie es Dean in den letzten Monaten ergangen war, und so sprach eine Zeitlang nur Dean, während die Übrigen gespannt zuhörten wovon er berichtete. Schließlich war es Jayden, der nachdenklich meinte: „Dass ausgerechnet Kim dir wieder über den Weg laufen würde konntest du nicht ahnen, Dean. Ehrlich gesagt, ich an deiner Stelle hätte nicht gewusst, wie ich darauf hätte reagieren sollen. Ich kann schon verstehen, warum du sie nicht einfach umgelegt hast.“ „Dann verstehst du mehr, als ich“, knurrte Dean finster. Er trank seinen Kaffee aus und stellte die Tasse hart auf den Tisch. „Schluss mit den düsteren Gedanken“, verlangte Andrea und blickte in die Runde. „Der Grund, warum wir heute Abend hier sind, ist nämlich ein erfreulicher.“ Dean und Kimi wechselten schnelle Blicke miteinander, bevor der Finne fragte: „Macht es nicht so spannend, ich will wissen was los ist, Freunde.“ Andrea, die eher damit gerechnet hatte, dass Dean der Ungeduldigere der beiden sein würde, sah beide lächelnd an: „Ihr wisst ja, dass Jayden und ich uns zu Weihnachten verlobt haben. Gestern haben nun Jayden und ich endgültig beschlossen, dass wir nicht länger warten wollen. Ihr seid momentan hier und ich möchte euch beide unbedingt dabei haben, wenn ich Jayden heirate. Darum haben wir unseren Kommandierenden Offizier um eine Woche Sonderurlaub gebeten und gestern die ersten Schritte eingeleitet, um uns bereits übermorgen das Ja-Wort zu geben. Außer euch beiden kommen einige Kameraden von der SATURN zu der Feier. Es wäre übrigens angebracht, dass ihr beide in Begleitung kommt.“ Das kam sowohl für Kimi, als auch für Dean unerwartet. Kimi lächelte wortlos, während Dean zunächst etwas abwesend nickte, bevor er mit angedeutetem Lächeln meinte: „Ich freue mich für euch beide.“ Damit erhob sich der Kanadier und umrundete umständlich den Tisch. Danach wartete er bis sich Jayden und Andrea erhoben um zuerst Andrea zu umarmen und danach auch den Freund. Als Kimi seinem Beispiel folgte, meinte er: „Das ist ein großer Schritt.“ „Ja, das ist es“, erwiderte Andrea strahlend. „Deshalb möchten wir auch eine Bitte an euch beide richten. Wir möchten, dass ihr unsere Trauzeugen seid, und dich Dean möchte ich zusätzlich um etwas ganz Besonderes bitten. Du sollst derjenige sein, der mich traditionell dem Bräutigam übergibt.“ Dean Corvin wusste, dass dies unter normalen Umständen der Vater der Braut tat. Dass Andrea ihn darum bat, an Stelle ihres Vaters, der beim Überfall auf das Sol-System, mit dem Rest ihrer Familie getötet worden war, diese Aufgabe zu übernehmen, erfüllte ihn mit Stolz. Aber auch mit einer gewissen Wehmut, die er sich jedoch nicht anmerken ließ. Er sagte mit weicher Stimme: „Ich fühle mich sehr geehrt und werde diese Aufgabe mit Dankbarkeit und mit Freude übernehmen.“ Spontan umarmte Andrea den Kanadier. „Danke, Dean, das bedeutet uns beiden sehr viel. Jayden und mir.“ Es war Kimi der fragte: „Wird Miriam auch dabei sein?“ Jayden, dem Kimi von dem Fiasko bei seinem Treffen mit Miriam erzählt hatte, machte ein bedauerndes Gesicht. „Eingeladen haben wir sie, doch ihr Schiff ist momentan als Kurier zum Hauptquartier der Fünften Flotte unterwegs. Es wird vermutlich mehrere Wochen dauern, bis die AURORA wieder hier eintrifft.“ „Vielleicht ist das ganz gut so“, murmelte Kimi und sah dabei entschuldigend zu Andrea, da er ahnte, dass die Freundin sie gerne dabei gehabt hätte. „Ich hoffe, das mit der Begleitung wird kein Problem“, wechselte Andrea schnell das Thema, bevor die unbedachte Äußerung Kimi peinlich werden konnte. Dean und Kimi schüttelten beide gleichzeitig den Kopf. Dabei erklärte Dean: „Das ist vielleicht eine gute Gelegenheit, dass ich dir Rian Onoro vorstelle. Die junge Frau, die ich aus der Gefangenschaft geholt habe. Sie steht mir nahe.“ Nur Kimi sah nicht überrascht zu Dean, denn mit ihm hatte der Kanadier, an Bord der gekaperten Fregatte, über Rian und sich gesprochen. „Ho, gibt es da etwas, das du uns vielleicht etwas genauer erklären möchtest?“, erkundigte sich Jayden feixend, während Andrea ihn lediglich etwas verwundert musterte. „He, das hat sich jetzt vielleicht dramatischer angehört, als es ist“, wiegelte Dean schnell ab und wich verlegen den Blicken der Freundin aus. Andrea entspannte die Situation indem sie meinte: „Falls ihr zwei zudem noch ein paar Kameraden einladen wollt, nur zu. Aber daran denken: Paarweise.“ „Es wird also bestimmt getanzt“, freute sich Dean. „Heiratet ihr in Uniform?“ Andrea grinste breit: „Jayden ja. Ich selbst habe mich dazu entschieden ein Brautkleid zu tragen. Ich habe mir immer geschworen in Weiß zu heiraten.“ „Du wirst gewiss wunderschön aussehen.“ „Das wirst du als Erster feststellen, Dean“, prophezeite Andrea dem Freund mit einem pfiffigen Gesichtsausdruck. Denn du wirst derjenige sein, der mir bei der Auswahl des richtigen Kleides zur Seite steht. Es bring nämlich Unglück, wenn mich der Bräutigam vor der Hochzeitsfeier in diesem Kleid sieht.“ Mit schlecht verhohlener Schadenfreude klopfte Kimi seinem besten Freund auf die Schulter. „Auch das ist eine sehr große Ehre. Ich beneide dich darum, mein Freund.“ „Ja klar. Genau so siehst du aus“, grollte Dean, halb belustigt, halb ernsthaft grimmig. Zu Andrea gewandt fragte er seufzend: „Gibt es sonst noch irgendwelche Überraschungen? Vielleicht, dass ihr zwei heiraten müsst?“ Die Frau errötete leicht und schlug Dean im nächsten Moment spürbar mit der flachen Hand auf die Brust. „Was? Nein! Ich bin nicht schwanger. Wir heiraten aus Liebe.“ „Na, dann“, murmelte Dean Corvin und den Rest dachte er dabei nur. * * * Nachdem Kimi und Dean sich von ihren Kameraden verabschiedet hatten, ließ sich der Kanadier von seinem besten Freund, mit dessen gemieteten Gleiter am Hauptgebäude des aktuellen Militärischen Hauptquartiers der Terranischen Raumflotte absetzen. Er sah dem Freund kurz hinterher, als er sich auf den Rückweg zum Landeplatz der VESTERGAARD machte, bevor er sich abwandte und das gläserne Portal des Gebäudes durchschritt. Corvin durchquerte die große Halle, auf deren Boden das Logo der Flotte prangte, und hielt auf den Informationsschalter zu, hinter dem einige Ordonanzen Dienst taten. Allein daran konnte der aufmerksame Beobachter erkennen, dass dieses Hauptquartier ein Provisorium war, denn auf dem Mars und auf Terra hatte es für Auskünfte ausgefeilte Automatiken gegeben, die keine Wünsche offen gelassen hatten. Offensichtlich war zur hier gültigen Lokalzeit kaum etwas los, überlegte Corvin, denn außer ihm selbst und den Ordonanzen war in der Empfangshalle dieses Komplexes kein Mensch zu sehen. Als er sein Ziel erreicht hatte wandte er sich an eine junge Frau, im Rang einer Gefreiten, und sprach sie an, nachdem er ihren Gruß erwidert hatte. „Bitte, wohin muss ich mich genau wenden, um auf dem schnellsten Weg die Funkzentrale zu erreichen. Ich hatte mich heute Nachmittag bei einem Hauptmann Losmar für diese Zeit angemeldet.“ Die etwas dralle, junge Frau beeilte sich auf ihrem Holoschirm die entsprechenden Informationen aufzurufen und wies dann lächelnd zu einem der Lifte im Hintergrund der großen Halle: „Ebene Sieben und dann den blauen Markierungen an den Wänden der Gänge folgen, Sir. Sie werden bereits erwartet. Einen angenehmen Abend, Sir.“ Corvin dankte freundlich und folgte der Anweisung der jungen Frau. Unterwegs überlegte er kurz, ob die junge Frau, unten in der Halle, zu jenen Neulingen gehören mochte, die seit dem Überfall auf das Sol-System, im gesamten Imperium für Aufgaben in der Etappe rekrutiert wurden. Erfahrenere Soldaten, die schon länger dienten, wurden momentan vermehrt beim fliegenden Personal benötigt. Schnell drehten sich seine Gedanken jedoch wieder um Andrea und dem, was sie ihm und Kimi vorhin eröffnet hatte. Die Frau, in die er sich verliebte, als er Siebzehn war, heiratete nun einen seiner besten Freunde. Damit war sie für ihn endgültig unerreichbar geworden. Dabei hatte in der Zimmerflucht alles in ihm danach verlangt, sie zu bitten es nicht zu tun und ihr zu gestehen, dass er sie nach wie vor liebte. Doch das hatte sich von selbst verboten. Einerseits konnte und wollte er das Andrea und Jayden nicht antun. Andererseits hatte er bemerkt, wie glücklich Andrea gestrahlt hatte, als sie ihm und Kimi von dem bevorstehenden Ereignis erzählte. Er musste die Realitäten akzeptieren. Der Lift erreichte die siebte Ebene des Gebäudes und Dean Corvin verließ die Kabine um auf den hellen Gang hinaus zu treten. Er orientierte sich an einer Hinweistafel bevor er sich nach Rechts wandte. Dabei richteten sich seine Gedanken nun auf Rian Onoro. Als Andrea darauf hinwies, in Begleitung zu erscheinen, da hatte er sofort an sie gedacht. Er behauptete vorhin, sie würde ihm nahe stehen und das war nicht falsch. Tief in sich spürte er eine Art der Zuneigung für diese Frau, wie sonst nur für sehr wenige Menschen. Besonders nach der denkwürdigen, gemeinsamen Dusche. Ohne dass es Dean Corvin bewusst war, huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Er grüßte eine ihm entgegen kommende Uniformierte, im Rang eines Oberstleutnants, als er an einer Gangkreuzung nach Links abbog. Einen Augenblick später erreichte er sein Ziel. Corvin legte seine Hand auf den Individual-Scanner an der Seite des Schotts. Die Automatik prüfte seine Individual-Daten, die unten in der Halle aufgezeichnet worden waren, verglichen sie und das Schott öffnete sich für ihn, nachdem feststand, dass er tatsächlich für diese Zeit angemeldet war. Corvin betrat den weitläufigen Raum, in dem ein gutes Dutzend Männer und Frauen ihren Dienst versahen. Wer nicht wusste, dass in dieser Abteilung lediglich die Hyperfunk-Verbindungen zu den am weitesten entfernten Kolonien hergestellt wurden, der wäre sicherlich enttäuscht gewesen von den relativ geringen Dimensionen dieser Abteilung. Hauptmann Losmar, den er bereits am Nachmittag dieses Tages kennengelernt hatte, schritt ihm entgegen, als er Corvin wiedererkannte. Er grüßte und sagte freundlich: „Ich freue mich, sie wiederzusehen, Major Corvin.“ Dean Corvin erwiderte den Gruß. Obwohl er sich hier wie Zuhause fühlte musste er, als Angehöriger einer alliierten Nation, auf die übrigen Anwesenden dennoch wie ein Fremdkörper wirken. Das wurde ihm klar, als er den ein oder anderen Seitenblick von den hier Anwesenden auffing. Hauptmann Losmar führte den Schwarzuniformierten zu einem durch dünne Glassit-Wände abgetrennten Bereich. Trotzdem war der Bereich schalldicht, sobald die Sende und Empfangs-Anlage aktiviert wurde. Auf dem Weg dorthin meinte der Hauptmann: „Ich war gelinde überrascht, Major, als ich nach ihrer Anmeldung heute Nachmittag dieses Gespräch auf Outpost lanciert habe und kaum zehn Minuten später die Bestätigung herein kam. So schnell hat Outpost bisher nur auf Anfragen der hiesigen Flottenkommandeure reagiert.“ Corvin lächelte unsicher. „Vielleicht nur ein Zufall, Hauptmann.“ Sie betraten den abgeteilten Bereich und der Hauptmann stellte die Verbindung her, wobei sich Dean Corvin ins Gedächtnis rief, was er über die Hyperfunktechnik wusste. Der Hyperfunk funktioniert nach einem ähnlichen Verfahren wie der konventionelle elektromagnetische Funk. Nur wurden beim Hyperfunk Trägerwellen eines dimensional übergeordneten Kontinuums moduliert – eben die des Hyperraums. Diese Trägerwellen im Hyperraum bewegten sich, da sie nicht an das Einsteinsche Raum-Zeit-Kontinuum gebunden waren, mit einer sehr viel höherer Geschwindigkeit als der des Lichts. Selbst über die gewaltige Entfernung von gut 900 Lichtjahren hinweg benötigten die Hyperfunkwellen gerade einmal eine halbe Minute. Die gängige Vorgehensweise ein Hyperfunksystem zu konstruieren war, den Sender mit einer Sendeantenne auszustatten, die in der Lage war einen feinen Hyperkanal zu erzeugen, durch die zunächst eine Auswahl der Trägerwelle erfolgte. Sozusagen wurde dabei die Frequenz gewählt. Danach wurde der eigentliche Funkspruch über diese Trägerwelle gesendet, was dadurch erfolgte, dass diese verstärkt, und mit beliebigen Signalen, von der Sendeanlage, moduliert wurde. Zu einem vollständigen Hyperfunksystem gehörten aber noch einige weitere Baugruppen, wie ein Verstärker für Empfang und Sendung, oder auch Modifikationen, die eine gerichtete Sendung ermöglichten. Theoretisch war die Reichweite eines Hyperfunk-Systems unbegrenzt. Tatsächlich aber war sie stark von der eingesetzten Sendeenergie, der gewählten Trägerfrequenz, der Bündelung, der Empfindlichkeit des Empfängers, und eventuell vorhandener Interferenzen innerhalb des Hyperraums abhängig, und variiert von einigen Lichtminuten bis zu rund eintausend Lichtjahren, je nach Stärke und Bauweise des verwendeten Systems. Die Maximalreichweite eines Hyperfunk-Systems konnte dabei durch Relais-Stationen um ein Vielfaches erhöht werden. Ein Direktgespräch, ohne dass eine solche Relais-Station benötigt wurde, war nur mit Großanlagen, wie dieser auf Wega-IX, möglich. Es dauerte kaum zwei Minuten, bis die Verbindung nach Outpost stand und das Portrait von General Hilaria Inira Mbena sich auf dem Holobildschirm abzeichnete. Der Hauptmann meldete General Mbena den Gesprächsteilnehmer übergab dann an den Major und verließ eilig den abgeteilten Bereich. Pflichtschuldig salutierte Corvin in Richtung des dreidimensionalen Abbildes der Oberkommandierenden der gesamten Terranischen Flotte. Im Gegensatz zu ihrem letzten Zusammentreffen trug sie nun die Rangabzeichen eines Kommandierenden Generals und die roten Streifen des Oberkommandos der Flotte an ihrer Uniform. Nachdem die dunkelhäutige Frau seinen Gruß erwidert hatte nahm Corvin an der Konsole Platz und sagte höflich: „Ich gratuliere Ihnen zur Beförderung, General Mbena.“ „Danke, Major Corvin. Ich muss gestehen, dass ich etwas verwundert war, als ich vorhin davon erfuhr, dass Sie mich persönlich zu sprechen wünschen. Darf ich fragen, wie das, von Ihnen und Generalmajor Traren geplante, Unternehmen ausging?“ Sie verliert keine Zeit und kommt gleich zum Wesentlichen, dachte der Terraner. Er fasste das Unternehmen in einem knappen Bericht zusammen und endete nach zwanzig Minuten mit den Worten: „Das Unternehmen war also ein voller Erfolg, Sir. Wie es Generalmajor Traren zuvor mit Ihnen aushandelte, habe ich die Geräte, die zu der neuen Störsender-Technik der Konföderation Deneb gehören, dem Oberkommandierenden, hier auf Wega-IX übergeben. Die Geräte befinden sich an Bord einer Feindfregatte eingebaut, die mein Kommando und ich gekapert haben.“ „Ach“, machte Hilaria Mbena und ihre fast schwarzen Augen weiteten sich. „Sie haben also schon wieder ein Raumschiff entwendet, das Ihnen nicht zustand?“ „Diese Frage höre ich in der letzten Zeit andauernd, General“, konterte Corvin und grinste dabei amüsiert. Er wurde schnell wieder ernst und kam auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen. Etwas, das er zuvor ausgelassen hatte. „Der hauptsächliche Grund meines Anrufs ist ein Anderer, Sir. Bei der ausgeführten Aktion ist es mir nebenbei gelungen, zwei Angehörige der Terranischen Raumflotte aus der konföderierten Gefangenschaft zu befreien. Es handelt sich dabei um Feldwebel Rian Onoro und Stabsunteroffizier Karambalos Papadopoulos. Ich würde die beiden Unteroffiziere gerne in meine Kreuzer-Besatzung integrieren. Zumindest Rian Onoro, weil sie, auf Luna, an dem Kreuzer mitgearbeitet hat und sie Aggregate kennt, wie kaum ein Anderer.“ „Einen Moment, Major Corvin“, bat Hilaria Mbena und wandte sich auf Outpost jemandem zu, der sich nicht im Erfassungsbereich der Holo-Kamera befand. Nach einigen Augenblicken wandte sie sich wieder ihm zu und sagte nachdenklich: „Die beiden genannten Unteroffiziere werden in unseren Datenbanken nicht geführt. Was nichts besagt, denn auf die Daten von Terra und Mars können wir, seit dem Angriff, nicht mehr zugreifen. Dennoch existieren die beiden Genannten nicht für das Imperium.“ Hilaria Mbena machte eine Kunstpause um Corvin die Gelegenheit zu geben, ihre Worte sacken zu lassen. Schließlich fuhr sie fort: „Natürlich könnten wir Nachforschungen anstellen um Personen zu finden, die deren Identität bestätigen können. Doch das kann unter Umständen Jahre dauern. Jahre, die beide als Staatenlose in einem Internierungslager fristen würden. Wenn Sie, Major Corvin, diese beiden Menschen, die für das Imperium nicht existieren, hingegen einfach vor ihrer Rückkehr nach Farradeen mit an Bord nehmen, und Ihre Vorgesetzten davon überzeugen können, sie in das Militär der Farradeen-Allianz einzugliedern, so würde das Imperium das vermutlich nie erfahren.“ Erstaunen spiegelte sich im Gesicht Corvins wider. „Sie raten mir also dazu, die beiden Genannten sozusagen einfach zu entführen?“ Hilaria Mbena grinste fast etwas verschlagen. Sie machte dabei eine übertrieben abwehrende Geste mit den Händen und tat sehr erstaunt: „Aber nicht doch, Herr Major. Ich habe eben lediglich laut gedacht, in der Hoffnung, dass mir dabei jemand zuhört, der in der Lage ist die entsprechenden Schlüsse daraus zu ziehen. Mehr nicht.“ Das Zwinkern der beleibten Frau konnte Zufall sein, doch daran glaubte Dean Corvin keinen Moment lang. Währenddessen schien Hilaria Mbena etwas einzufallen und schnell erkundigte sie sich: „Haben Sie und Ihr bester Freund sich übrigens wiedergesehen, Major?“ Das freudige Gesicht des Terraners nahm seine Worte vorweg. „Ja, General, und ich möchte Ihnen ganz herzlich danken.“ Gespielt erstaunt sah Hilaria Mbena Corvin über die gewaltige Distanz hinweg an und fragte gedehnt: „Wofür?“ Corvin durchschaute das kleine Manöver des Generals. Sie hatte jenen mütterlichen Blick aufgesetzt, der ihm bereits bei ihrem letzten Zusammentreffen aufgefallen war. Verabschiedend sagte er: „Ich werde die richtigen Schlüsse ziehen, General.“ „Dann bleibt mir nur, Ihnen Glück zu wünschen, Major Corvin.“ Im nächsten Moment hatte General Mbena die Verbindung unterbrochen und für einen Moment lang starrte Dean Corvin überlegend vor sich hin, bevor er sich erhob, die abgetrennte Funksektion verließ. Der Kommandant der NOVA SOLARIS verabschiedete sich freundlich von Hauptmann Losmar, der sich insgeheim fragte, was ein einfacher Major der Farradeen-Allianz, fast eine halbe Stunde lang, mit der Oberkommandierenden der Terranischen Raumflotte zu besprechen gehabt hatte. * * * Am nächsten Vormittag besuchte Dean Corvin zunächst Rian Onoro und Karambalos Papadopoulos, die man beide in das nahe gelegene Militärkrankenhaus gebracht hatte. So, wie auch Diana Spencer. Während Letztere noch eine Weile brauchen würde um vollständig zu genesen, hatte man die beiden Unteroffiziere lediglich zur Beobachtung da behalten. Zuvor hatte Corvin, von Bord der NOVA SOLARIS aus, dabei die Unterstützung einer geheimen Relais-Station der Farradeen-Allianz zu Hilfe nehmend, Kontakt zum Oberkommando auf Farradeen aufgenommen und eine kurze Unterhaltung mit Arolic Traren geführt, in Bezug auf Rian und den hünenhaften Griechen. Am Ende hatte Arolic Traren ihm dabei seine Entscheidung genannt, in Bezug auf diese beiden Unteroffiziere. Als Dean Corvin das Krankenzimmer von Rian Onoro betrat fand er sie wach vor. Ihr bisher entspanntes Gesicht verzog sich erfreut, als sie ihn erkannte. „Schön, dich zu sehen“, begrüßte Rian den Terraner, als er sich zu ihr auf die Bettkante setzte. Dabei legte er ein kleines Päckchen auf den Nachttisch neben dem Bett. Corvin verspürte beim Anblick der Frau erneut ein seltsames Glücksgefühl. Es ließ ihn für den Moment vergessen, die halbe Nacht wachgelegen und über die bevorstehende Hochzeit von Andrea gegrübelt zu haben. Ohne darüber nachzudenken legte er sanft seine linke Hand auf Rians Wange, beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie, ganz behutsam, so als habe er Angst sie zu verletzen. Als sie sich nach einem Moment widerstrebend von einander trennten erwiderte Dean Corvin mit rauer Stimme: „Ich freue mich auch, Rian.“ Die junge Frau trug nur ein kurzärmeliges Nachthemd, und der Kanadier deutete auf ihren rechten Oberarm, an dem sie eine dünne Manschette trug. „Stabilisierungsmittel, über Form-Holo-Kanülen?“ „Ja“, bestätigte Rian und verzog etwas die Lippen. „Das Ding nervt. Zum Glück kommt es in einer halben Stunde ab.“ Ohne es bewusst wahrzunehmen fuhr Corvins Hand über ihre Schulter hinunter zu ihrer schmalen Hüfte. „Wie geht es dir denn insgesamt. Ich finde, du siehst schon wieder so aus, als könntest du es mit der gesamten Konföderation aufnehmen.“ „An deinen Komplimenten musst du wirklich arbeiten“, grinste Rian und ihre Linke bewegte sich zu seinem Nacken hinauf um ihn wieder zu sich heranzuziehen. Nach einem weiteren, diesmal längeren, Kuss sah sie ihn fragend an. Corvin wusste den Blick zu deuten und erklärte, zufrieden lächelnd: „Ich habe gestern Nacht mit General Mbena und heute Morgen mit Generalmajor Traren gesprochen. Beide gaben mir grünes Licht, dich und diesen Papa-Dings-Bums in meine Crew zu integrieren. Dein Mitgefangener hat bereits zugestimmt, als ich eben bei ihm war. Mit viel Zack-Wumm, wie du dir vielleicht denken kannst.“ Rian lachte befreit auf. „Karambalos Papadopoulos ist ein echtes Original. Mit dem wirst du deine helle Freude haben, vermute ich mal.“ „Und was ist mit dir?“ „Das fragst du ernsthaft?“ Rian sah Dean Corvin entgeistert an. „Auf mich kannst du zählen. Aber kann ich auch auf dich zählen?“ Deans Augenbrauen hoben sich leicht. „Wie meinst du das?“ „Na, wie werde ich das wohl meinen?“, fragte die Frau in komischer Verzweiflung und zog ihn erneut zu sich herunter, bis sich ihre Nasenspitzen fast berührten. Sehr leise und eindringlich ermahnte sie ihn: „Ich werde es nicht zulassen, dass du weiterhin mit mir herumknutscht, ohne dass du es ernst mit mir meinst, Herr Major. Da wirst du schon eine Entscheidung treffen müssen, und zwar hier und jetzt.“ „Du meinst, so in Richtung dich zu einer Hochzeit einzuladen?“ Rian Onoro stieß den Mann grob von sich und kniff verachtend die Augen zusammen. „Das ist nichts, worüber du dich lustig machen solltest. Weißt du, das ist so...“ Dean, der bis unter den Haaransatz errötete, unterbrach die Tirade der jungen Frau, indem er seine Hand auf ihren Mund legte und erklärend meinte: „Ich habe nicht von unserer Hochzeit gesprochen, Rian. Ich meinte damit die Hochzeit einer Freundin, die morgen einen meiner besten Freunde heiratet. Kimi und ich werden dabei als Trauzeugen fungieren und ich hätte dich dabei sehr gerne an meiner Seite.“ Er zögerte nur kurz während er langsam seine Hand von ihrem Mund nahm um sie auf ihre Wange zu legen, bevor er entschieden hinzufügte: „Als meine Freundin, Rian.“ Für einen langen Moment starrte Rian ihr Gegenüber einfach nur an und kam sich reichlich albern vor. Dann umarmte sie den Mann und drückte ihn sanft wobei sie froh war ihm nicht in die Augen sehen zu müssen, als sie sagte: „Ich bin ja so blöd.“ Dean drückte Rian sanft an sich. „He, ich war es, der sich unglücklich ausgedrückt hat. Du konntest ja gar nicht wissen, was ich gemeint hatte. Also vergessen wir das Missverständnis einfach.“ Ein flüchtiger Kuss auf seinen Hals war Rians Antwort. Für eine ganze Weile hielten sie sich so in den Armen, bevor Dean sie vorsichtig wieder auf das Lager bettete. Dabei meinte er fast entschuldigend: „Da du offiziell für das Imperium nicht existierst, und die Farradeen-Allianz erst noch deinen Status offiziell bestätigen muss, kannst du bei der Feier weder in der Uniform des Terranischen Imperiums, noch in der Uniform der Farradeen-Allianz erscheinen. Du brauchst ein Kleid.“ Beinahe erschrocken sah Rian in die grauen Augen des Mannes. „Weißt du eigentlich, wie ewig lange es her ist, dass ich ein Kleid anhatte? Kometen, Sterne und Boliden – eine schöne Nummer wird das.“ Dean Corvin lachte vergnügt und es dauerte eine Weile, bis er sich wieder beruhigte und meinte: „Du wirst bestimmt ganz toll in einem Kleid aussehen. Soll ich dir später bei der Auswahl helfen, oder kommst du damit allein zurecht?“ „Ich würde dich gerne damit überraschen doch ich bin vollkommen mittellos!“ „Mach dir deshalb keine Gedanken“, beruhigte sie Corvin. „Ich habe das bereits geklärt. Kauf dir ein hübsches Kleid und lass die Credits beim Hauptquartier der Flotte abbuchen. Ich werde dir den entsprechenden Code auf dein neues MFA übermitteln. Weiß trägt die Braut, also bitte jede andere Farbe, nur nicht diese. Und wenn das Kleid farblich etwas zu meiner Uniform passen würde, so wäre das auch nicht verkehrt.“ Bei seinen letzten Worten deutete Corvin auf das Päckchen, dass sie bisher nicht weiter beachtet hatte. Jetzt ahnte Rian was darin war. „Deine Individualdaten sind bereits aufgenommen“, erklärte Dean. „Du kannst das MFA vollkommen normal benutzen, allerdings giltst du, wie bereits angedeutet, gegenwärtig als Staatenlose und so wird dir das MFA keinen Zutritt zu militärischen Anlagen gewähren. Nur dieses Krankenhaus – zumindest bis zu deiner Entlassung - und die NOVA SOLARIS sind von dieser Limitierung ausgenommen. Außerdem arbeitet es auf den Frequenzen, die von der Farradeen-Allianz genutzt werden.“ „War das Alles?“ Dean schüttelte den Kopf und schmunzelte unterdrückt. „Noch nicht ganz. Das ausgehandelte finanzielle Limit liegt nach der Codeeingabe bei zehntausend Credits. Das sollte für ein Kleid so gerade eben reichen.“ Rian, der sein Sarkasmus nicht entging, legte ihren Kopf etwas auf die Seite und fragte gespielt finster: „Und was ist mit Schuhen? Die brauche ich ja auch noch.“ Dean Corvin seufzte übertrieben und gab Rian einen schnellen Kuss auf die Lippen, bevor er leise antwortete: „Willst du wirklich das Imperium an den Bettelstab bringen? Die haben nebenbei auch noch einen Krieg zu finanzieren.“ „Du stellst also den verdammten Krieg über meine Schuhe?“, erkundigte sich Rian spitz und lachte im nächsten Moment über das verblüffte Gesicht. Wieder küssten sie sich, bevor Rian den Mann in ihren Armen lange ansah und ernsthaft sagte: „Ich freue mich schon jetzt auf den ersten Tanz mit dir. Nachdem ich darauf fast drei Jahre lang gewartet habe.“ Dean, der sich daran erinnerte, was Rian ihm an Bord der NOVA SOLARIS erzählt hatte, stimmte zu: „Ja, ich auch, Rian.“ * * * In demselben Moment saß eine Ebene tiefer Irina Hayes am Krankenbett von Diana Spencer, die sich zwar auf dem Weg der Besserung befand, sich aber noch sehr schwach fühlte, was nach der schweren Verletzung kein Wunder war. Am gestrigen Tag hatte Irina sie zwar auch schon besuchen dürfen, doch da hatte sie Diana nur schlafend vorgefunden. So hatte sie für einige Minuten still an ihrem Bett gesessen und war dann wieder gegangen. Heute hatte Irina mehr Glück gehabt. Als sie das Krankenzimmer betrat da war Diana wach gewesen und hatte sie mit einer Mischung aus Neugier und Freude angesehen. Nach einer etwas unbeholfen wirkenden Begrüßung hatte sich die Marsianerin zu der Kranken ans Bett gesetzt und gefragt, wie es ihr ging. Diana Spencer hatte knapp versichert, es ginge ihr bereits besser und danach Irina gebeten, davon zu berichten, wie sie mit der beschädigten NOVA SOLARIS wieder von Eris entkommen waren. Irina Hayes berichtete ausführlich davon, was sich an Bord des Leichten Kreuzers ereignet hatte, nachdem sie mit Dean und dem Stoßtrupp von Bord ging. Nachdem sie geendet hatte, sah sie die blonde Frau für eine Weile nur stumm an, bevor sie zögerlich nach ihrer Hand griff und sie ganz leicht drückte. Dabei erklärte sie: „Ich würde gerne über etwas reden, zu dem wir durch Ihre Verletzung nicht gekommen sind, Diana. Bevor Sie von Bord gingen, da habe ich mich wohl nicht gerade so verhalten, wie es sich für einen Hauptmann der Flotte von Farradeen gehört, fürchte ich. Aber ich wollte Sie nicht von Bord der NOVA gehen lassen, ohne dass Sie wissen...“ Irina Hayes wurde verlegen und suchte nach den passenden Worten. Bevor es dazu kam, spürte sie, wie Diana ihre Hand in ihrer bewegte, bis sich die Finger der Verletzten mit ihren Fingern verschränkten. „Ich habe schon verstanden, was der Grund war“, half Diana schwach lächelnd aus. „Aber um herauszufinden was es genau ist sollte ich zuerst einmal wieder ganz gesund werden, möchte ich vorschlagen.“ „Dann wollen Sie also herausfinden, was es ist?“, fragte Irina hoffnungsvoll. Diana zog Irina an der Hand langsam näher zu sich heran, bis sich die Rothaarige endlich von ihrem Stuhl erhob und zu ihr auf die Bettkante setzte. Mit einem angedeuteten Lächeln legte sie die Hand der jüngeren Frau auf ihre Wange und meinte mit leiser Stimme: „Wenn du jetzt auch nur noch einmal Sie sagst, dann ist was los.“ „Nur noch im Dienst“, versprach Irina und Freude spiegelte sich in ihren Augen. Dabei streichelte sie fast übervorsichtig die noch etwas blasse Wange der Verletzten. „Du ahnst ja nicht, welche Sorgen ich mir in den letzten Tagen um dich gemacht habe. Ich hatte furchtbare Angst, dass ich dich auch noch verlieren könnte, nachdem ich kürzlich erst vom Tod meiner Lebensgefährtin erfuhr.“ Diana Spencer lächelte wissend. „Dein Major erzählte mir davon. Offensichtlich ahnt er etwas von deinen Gefühlen für mich.“ Die Wangen der rothaarigen Frau röteten sich leicht. „Er ahnt es nicht nur sondern er weiß von meinen Gefühlen für dich. Ich habe mit ihm darüber gesprochen, weil ich irgendwo hin musste, mit meinem Gefühlschaos. Ich vertraue Dean.“ „Herrje, das ist ja schlimmer, als die Tratscherei an der Akademie“, beschwerte sich Diana mit gespielter Verzweiflung. „Du bist dir sicher, dass Corvin nichts weitergibt?“ „Vollkommen sicher“, gab Irina überzeugt zurück. Sie zog umständlich den Stuhl heran und nahm wieder darauf Platz, erneut die Hand der Verletzten ergreifend. Bedauern lag bei den nächsten Worten in ihrer Stimme. „Eine gute Freundin des Majors heiratet morgen. Zu schade, dass du hier liegen musst. Ich wäre gerne mit dir gemeinsam dorthin gegangen.“ „Das nächste Mal“, tröstete Diana sie und drückte schwach ihre Hand. „Du musst mir später unbedingt erzählen, wie es war.“ „Ich weiß gar nicht, ob ich hingehen soll.“ Diana runzelte leicht die Stirn. „Was ist denn los? Bist du nun mit dem Major befreundet, oder bist du es nicht?“ „Natürlich, aber was hat...“ „Dann gehst du gefälligst auch hin, wenn dich eine gute Freundin von ihm eingeladen hat zu kommen“, erklärte Diana bestimmt. „Das gehört sich einfach so. Außerdem bin ich momentan noch keine so ausdauernde Gesellschafterin. Bereits jetzt merke ich die Anstrengung dieses Gesprächs.“ Entschuldigend sah Irina Diana in die Augen. Nach einem Moment erhob sie sich widerstrebend und setzte sich wieder auf die Bettkante. Diesmal jedoch um sich von Diana zu verabschieden. „Dann will ich nicht noch länger so gedankenlos sein, dich zu überanstrengen. Ich komme aber ganz bestimmt morgen wieder.“ Damit beugte sich Irina zu Diana hinunter und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange, bevor sie sich erhob und mit einem Lächeln auf den Lippen den Raum verließ. Als Irina Hayes in der Lobby aus der Liftkabine schritt, lief sie fast Dean Corvin in die Arme, der sie amüsiert ansah und fragte: „Wie geht es Hauptmann Spencer?“ „Diana ist noch ziemlich schwach, doch es geht aufwärts mit ihr“, erwiderte Irina erleichtert und erkundigte sich ihrerseits: „Wie lange wird Rian Onoro noch hier behalten?“ „Die wird heute Nachmittag entlassen. Wird auch Zeit, die Gute muss sich noch ein Kleid besorgen.“ Corvin sah die Frage in den Augen der Kameradin und fügte an: „Das erkläre ich dir später, jetzt habe ich erst einmal eine Verabredung mit Andrea. Dieselbe Problematik, wenn auch aus einem anderen Grund.“ „Ich verstehe heute kein Wort von dem, was du sagst“, beschwerte sich Irina. „Wenigstens hast du eine Begleiterin, aber mit wem soll ich morgen zur Hochzeit erscheinen. Diana fällt aus, weil du nicht auf sie aufgepasst hast.“ Corvin runzelte die Stirn, erwiderte aber nichts auf den leisen Vorwurf. Während sie auf den Ausgang zuhielten, überlegte Corvin: „Anstandshalber kommt nur ein Mann in Frage. Wie wäre es mit Oberleutnant Krezirin?“ „Absolut nicht! Aber vielleicht frage ich diesen Hünen, den du zusammen mit Rian befreit hast. Vielleicht freut sich Rian Onoro ja, wenn er auch dabei ist.“ Dean Corvin nickte. „In dem Fall musst du ihm nur einen Anzug kaufen, denn Uniformen fallen aus. Und: Auch das erkläre ich dir später.“ „Falls du dir das überhaupt alles merken kannst“, spottete Irina gutmütig. „Solange ich nur den Anzug als dienstliche Ausgabe absetzen kann.“ „Mal sehen“, grinste Corvin. Sie erreichte den Ausgang und trennten sich vorerst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)