DEAN CORVIN: 02. Brennpunkt Mars von ulimann644 ================================================================================ Kapitel 5: Das Ende der Unschuld -------------------------------- 5. Das Ende der Unschuld Seite an Seite hüpften Major Dean Everett Corvin und Hauptmann Diana Elodie Spencer, mit langen, kraftsparenden Sprüngen, über die vereiste Felswüste von Eris. Bisher hatte sich der Landetrupp weitgehend in vollkommener Finsternis vorwärts bewegt, doch die Eigenrotation brachte die Raumlande-Soldaten, wenn auch nur äußerst langsam, immer näher an die Zwielichtzone heran. Denn für einen Umlauf brauchte Eris immerhin fast neun Tage. Hinter den beiden Führungsoffizieren folgten die Männer und Frauen der farradeenischen 501. Raumlandeeinheit. Sie alle waren mit schweren Schock-Pistolen und phasengesteuerten Plasmagewehren neuester Fertigung bewaffnet. Das matt-schwarze Material der Raumanzüge bestand aus einem mehrschichtigen Leichtmetall-Synthetikstoff-Netz, mit einem doppelschichtigen Überzug aus einer Verbundschicht hochwertiger, und dabei äußerst widerstandsfähiger Polymere. Diese Mischung machte sie sehr leicht. Dennoch waren sie trotzdem auch unter Extrembelastungen reißfest und vakuumdicht. Bis kurz vor dem Ausstieg aus dem Kreuzer hatten die transparenten Helme noch, wie Kapuzen, in einem dünnen Nackenwulst, oberhalb der flachen Flugaggregate, geruht. Nun schützten sie ihre Träger und boten ihnen dennoch eine ungehinderte Rundumsicht. Die besondere Eigenschaft des flexiblen Panzer-Glassits dieser Helme war dabei die dünne Zwischenschicht mit dem feinen Netz von eingewebten Flüssigkristallen, die diesen Helmen, bei Bedarf, ihre starre Eigenschaft verlieren ließ. Wurden sie geschlossen, so nahmen die Helme, ausgelöst durch den sogenannten Memory-Effekt der Kristalle, sofort wieder ihre starre Kugelgestalt an. Ein weiterer, nützlicher Nebeneffekt dieser Kristalle war der, dass sich die Helme, durch die fotochemischen Reaktionen der Flüssigkristalle, automatisch abdunkelten, falls die Gefahr einer Blendung bestand. Die Flugaggregate stellten, bei näherer Betrachtung, nichts anderes, als Gravo-Magnet-Antriebe in Mikrobauweise dar, denn sie funktionierten nach demselben Prinzip. Natürlich besaßen sie nicht dieselben Beschleunigungseigenschaften der großen Raumschiff-Aggregate, doch immerhin konnten die Träger dieser Antriebe, im Vakuum des Weltalls, eine Geschwindigkeit von bis zu 700 Kilometern pro Stunde erreichen. Darauf allerdings mussten die Raumlande-Soldaten zu ihrem Leidwesen, auf den letzten fünf Kilometern ihres Weges zur Station, verzichten, denn der Energieausstoß der Aggregate wäre, ab einer Entfernung von unter drei Kilometern zur Station von dort aus garantiert angemessen worden. Darum hatten sie die Aggregate, auf Corvins Befehl hin, mit einem gewissen Sicherheits-Puffer abgeschaltet, nachdem sie die Hälfte ihres Weges zur Kontrollstation der Ortungs-Phalanxen zurückgelegt hatten. In einem gewissen zeitlichen Abstand versicherten sich Corvin und Diana Spencer immer wieder, dass der Trupp beieinander blieb und niemand zurückfiel. Wie zuvor abgesprochen, lag die Führung des Landetrupps nun bei der blonden Frau. Diana Spencer hatte strikte Funkstille angeordnet. So wechselten sie und Corvin lediglich, von Zeit zu Zeit, Blicke miteinander. Bei einem dieser Blickkontakte deutete Dean Corvin zu einem Punkt hoch über ihnen. Die Frau sah den kleinen Mond namens Dysnomia über ihren Köpfen schweben. Nur 170 Kilometer an seiner größten Stelle durchmessend befand er sich gerade einmal 37.000 Kilometer von ihnen entfernt. Was einen relativ geringen Abstand darstellte. Nach einem kurzen Moment sah Diana Spencer den Kanadier wieder an. Ihr Blick wirkte dabei etwas grimmig und mit gespreiztem Zeige- und Mittelfinger der linken Hand deutete sie zuerst auf ihre Augen und dann in die Richtung, in die sie sich fortbewegten. Corvin verstand, was sie ihm damit sagen wollte. Er verzog etwas die Mundwinkel und sah demonstrativ wieder nach vorne. Doch er musste zugeben, dass sie Recht hatte. Er sollte sich ausschließlich auf den Auftrag konzentrieren. Doch wen ließ der Anblick einer fremden Welt, die er zum ersten Mal betrat, schon vollkommen gleichgültig? Eris war der Name der Göttin des Streits und der Zwietracht, deren Intrige den Trojanischen Krieg ausgelöst haben sollte, und Dysnomia war ihre Tochter gewesen. Die Dämonin der Gesetzlosigkeit. Vielleicht, so grübelte der Kanadier mürrisch, war das bezeichnend für seine Zusammenarbeit mit Diana Spencer. Im nächsten Moment verwarf der Mann den Gedanken daran. Stattdessen konzentrierte er sich wieder auf das, was vor ihnen lag, während er sich wieder abstieß und einen weiteren weiten Satz nach vorne machte. Er erinnerte sich an eine ähnliche Aktion, auf dem Mond der Erde, vor etwa vier Monaten. Die Hüpferei auf Luna hatte sich ganz ähnlich gestaltet, doch die Gravitation dort war deutlich höher gewesen. Hier auf Eris die Kontrolle über seine Bewegungen zu behalten war nochmal deutlich schwerer, als auf dem irdischen Mond. Bis auf eine Entfernung von mehreren hundert Metern konnten sie dabei eine flache Hügelgruppe zwischen sich und der Station halten. Ab dort gedachten sie, sich durch einen flachen gewundenen Bodenriss dem Komplex der Station anzunähern. Erst auf den letzten siebzig Metern würden sie dann komplett ungedeckt sein. Als sie die Hügelkette erreicht hatten robbten Corvin und Spencer zur Kuppe hinauf und warfen einen Blick auf die Station. Dabei deutete der Kanadier auf eine flache Kuppel, die ihnen am nächsten lag und legte seinen Helm gegen den seiner Begleiterin, weil sie nicht wagen wollten den Funk zu benutzen. „Da liegt der Eingang, über den wir uns Zugang verschaffen werden, Hauptmann. Ich hoffe, der Code, den General MacPherson uns zukommen ließ, hat noch Gültigkeit.“ „Wenn nicht wenden wir Gewalt an“, gab die Frau zurück. Über diese physikalische Helmverbindung klangen die Worte seltsam hohl, und für einen Augenblick fragte sich Corvin, wie seine eigenen Worte geklungen haben mochten. Dann zog er den Kopf zurück, sah Diana Spencer durch das Helm-Material an und nickte. Langsam zogen sie sich zurück. Über Handzeichen gab Diana Spencer an den Trupp weiter, dass sie sich nun durch den Bodenriss der Station nähern würden. Der Weg gestaltete sich mühsamer, als Dean Corvin es sich, trotz des Trainings auf dem Mond von Farradeen, vorgestellt hatte. Dicht hinter Diana Spencer krabbelte er auf allen Vieren durch den engen Riss und war froh darüber, keine Ringerfigur zu haben wie Fatul Mahmalad. Allein die Vorstellung daran, wie sich der etwas Beleibte durch diesen Riss im Boden gezwängt hätte, erheiterte ihn. Die Krabbelei schien kein Ende zu nehmen und als Diana Spencer plötzlich anhielt hätte Corvin sie beinahe angestoßen. Die Frau gab, ohne sich herum zu drehen mit ihrer Hand das Zeichen sich bereit zu halten. Dean Corvin gab es nach hinten weiter und beobachtete aufmerksam, was die Raumlande-Spezialistin tat. Nach einem kurzen Augenblick gab sie das Zeichen, ihr zu folgen, wobei sie sich gleichzeitig erhob und die Deckung des Bodenrisses verließ. Auch dieses Zeichen gab Dean Corvin weiter und folgte Diana Spencer umgehend. Einige Meter vor sich erkannte er die Frau, die sich mit zwei weiten, gut berechneten Sätzen über die zum Teil vereiste Oberfläche des Planeten, dem Kuppelbau näherte. Der Kanadier tat es ihr nach. Dabei betete er, dass in diesem Moment nicht ausgerechnet einer der Konföderierten aus einer der Sichtluken sah. Die farradeenische Frau landete dicht vor dem Zugangsschott der Kuppel und federte den restlichen Schwung, den der letzte Sprung ihr verliehen hatte, mit dem linken Arm ab. Schnell wandte sie sich um und half Corvin dabei dicht neben ihr zum Halten zu kommen. Dean Corvin nickte der Frau zu und bewegte sich vorsichtig auf die andere Seite des Schotts, auf dem der Codegeber zum Öffnen des Schotts lag. Er wartete ungeduldig bis der letzte Soldat des Trupps heran war, bevor er den Code eingab, den sie von MacPherson bekommen hatten. Zu Corvins Erleichterung leuchtete die Kontaktfläche zum Öffnen des Schotts nach einem kurzen Augenblick in einem beruhigenden Grün auf. Der Kanadier berührte mit seiner behandschuhten Linken die Kontaktfläche. Durch die, in den Handschuhen eingearbeiteten, Rezeptor-Zellen konnte der Major die Oberfläche der Schaltfläche beinahe so gut ertasten, als würde er direkt seine Handflächen darauf legen. Behände drang der Trupp ins Innere ein, wobei die Männer und Frauen des Trupps unmittelbar vom Andruck der im Boden eingelassenen Emitter der Schwerkraftgeneratoren dieser Station eingefangen wurden. Der Übergang kam für einige Mitglieder des Landeteams so plötzlich, dass sie kurzzeitig in die Knie gingen. Da die Schleuse für zwanzig Personen ausgelegt war wurde es beklemmend eng, doch alle Mitglieder des Landetrupps schafften es, sich in die Schleusenkammer zu zwängen, bevor Corvin, der als Letzter hinzu kam, das Außenschott endlich verriegelte. Da die Besatzung der Station spätestens jetzt wusste, dass sich hier Ungewöhnliches ereignete, gab Corvin die Funkstille auf und meldete Diana Spencer: „Alle drin, Hauptmann Spencer. Druckausgleich vornehmen und vorrücken. Nehmen Sie zuerst die Kommandozentrale ein, damit von dort aus kein Notruf abgesetzt wird. Vermutlich wird man momentan noch an eine Fehlfunktion der Schottverriegelung denken.“ „Verstanden, Sir!“, gab Diana Spencer knapp zurück. Nur Augenblicke später öffnete sich das Innenschott der Schleuse und die Raumlande-Spezialistin verteilte ihre Leute auf die verschiedenen Gänge. Sie selbst zog ihren Schock-Strahler und stürmte, gefolgt von zehn Männern und Frauen ihres Trupps, in Richtung der Kommandozentrale davon. Corvin gab Moana Adamina, die sich bisher dicht hinter ihm gehalten hatte, ein Zeichen, Spencer zu folgen. Er klappte seinen Helm zurück und wartete, bis sich das transparente Gebilde zusammengefaltet hatte und im Nackenwulst des Raumanzuges verschwunden war. Danach hängte er das Plasmagewehr quer über den Rücken, zog seine eigene Schockwaffe und kontrollierte, dass sie auf die stärkste Stufe eingestellt war. Die Strahlen dieser Waffengattung wirkten auf das menschliche Nervensystem und betäubten einen Menschen bis zu sechs Stunden. Leider konnten Schockstrahlen weder Schutzschilde noch Raumschiff-Panzerungen oder Gebäudewände durchdringen. Aus der Richtung, in die Diana Spencer verschwunden war, hörte Corvin über die empfindlichen Außenmikrofone das typisch helle Sirren dieser Waffengattung. Sie war also bereits voll bei der Sache. Vor Corvin und den Männern und Frauen, denen er folgte, tauchten nun ebenfalls Angehörige des Militärs der Konföderation Deneb auf. Zu identifizieren an ihren perlnachtblauen Uniformen. Sie wurden mit Schockstrahlern niedergeschossen, bevor sie wussten, wie ihnen geschah. Corvin beobachtete Spencers Stellvertreter, Oberleutnant Harin Krezirin, wie er seine Leute dazu anhielt alle Quartiere nach Konföderierten abzusuchen. Er selbst mischte sich nicht ein sondern hielt sich dicht an der Seite des schlaksigen Mannes, seinen Schock-Strahler fest in der rechten Hand. Sie waren noch zu viert, als sich neben Corvin plötzlich das Schott eines Quartiers öffnete. Der Terraner blickte direkt in das überrascht wirkende, schmale Gesicht einer jungen Frau. Ohne zu überlegen drückte er ab und fing die zusammensackende, schlanke Gestalt auf. Mit einem leisen Entschuldigung ließ er die Frau sachte zu Boden gleiten, bevor er seinen Weg fortsetzte. Bei Krezirin angekommen sah der Kanadier in das fragende Gesicht des farradeenischen Mannes. „Sie sind wahrhaftig ein Offizier und Gentleman, Sir.“ Erst als Corvin ihm einen langen Blick zu warf begriff Krezirin und stellte, ehrlich verwundert fest: „Es tut Ihnen offensichtlich wirklich leid, auf diese feindliche Soldatin geschossen zu habe, und wohl auch das, was noch mit ihr geschehen wird.“ Mit etwas unwilliger Miene erwiderte Corvin ernst: „Ja, Oberleutnant. Wir führen zwar Krieg gegeneinander, doch ich habe mir diesen Krieg weder gewünscht, noch habe ich den geringsten Spaß daran. Dennoch nehme ich sehr ernst was ich tue, das versichere ich Ihnen und ich werde diese Mission erfüllen.“ Sie schossen beide jeweils einen weiteren Angehörigen des Stationspersonals nieder, bevor Krezirin erwiderte: „Wissen Sie, einer meiner Ausbilder an der Akademie sagte mir, dass man, wenn man einen Krieg gewinnen will, selbst zum Krieg werden muss.“ Nebeneinander rückten sie zu einer T-Kreuzung vor. Corvin sicherte nach Rechts; Krezirin nach Links. Dabei gab Corvin grimmig zur Antwort: „Ich glaube, der Tag an dem wir alle diese Ansicht übernehmen, Oberleutnant Krezirin, wird der Tag sein, an dem wir diesen Krieg verlieren. Selbst dann, wenn wir ihn am Ende gewinnen sollten.“ Statt darauf zu antworten fragte Krezirin: „Trennen wir uns?“ Corvin schaltete sofort um und erwiderte: „Ja. Nehmen Sie Feldwebel Korroman und wenden Sie sich nach Links. Ich halte mich mit dem Oberfeldwebel auf dieser Seite.“ Sie trennten sich, nachdem Krezirin seinem Begleiter einen Wink gegeben hatte. Dean Corvin sah den beiden Männern sinnend nach, bevor er sichernd in die entgegengesetzte Richtung marschierte. Die schlanke, dunkelhaarige Frau an seiner Seite hielt sich auf der anderen Seite des Ganges. Corvin sah kurz in ihr asketisches Gesicht, mit den auffallenden, leicht schräg stehenden, Augen, und er erinnerte sich daran, dass sie Anaris Ikari hieß. Schon während des Trainings war ihm aufgefallen, dass sie Linkshänderin war. Auch jetzt hielt sie ihre Schockwaffe in der Linken, während ihre großen dunklen Augen unverrückbar nach vorne gerichtet waren. Auch er selbst richtete seinen Blick wieder geradeaus, jederzeit damit rechnend auf feindliche Soldaten zu treffen Am Ende des Ganges schloss sich ein Treppenhaus an, über das man die höher gelegene Ebene der Station erreichte. Unangefochten erreichten Corvin und Ikari die zweite Ebene. Niemand war ihnen begegnet, und Corvin bewegte sich fast schon etwas sorglos voran, als an der nächsten Gangkreuzung drei schwer bewaffnete Gestalten auftauchten. Oberfeldwebel Ikari reagierte mit einer Geschwindigkeit, die Corvin überraschte. Noch während sie ihn mit sich zu Boden riss feuerte sie bereits auf einen der Soldaten. Durch die schnelle Reaktion der Frau entging der Kanadier mit knapper Not einem Plasmaschuss, der zischend hinter Ihnen in die Wandung des Ganges einschlug. Als er zu Boden ging feuerte Anaris Ikari bereits auf den zweiten Feind. Corvin erledigte den Dritten und raunte seiner Begleiterin zu: „Das war knapp.“ „Keine Sorge, ich passe auf Sie auf, Sir“, gab die Frau ungerührt zurück, sprang auf die Füße und reichte Corvin die Hand, als er sich erhob. Der Major erhob sich mit Ikaris Hilfe. „Das beruhigt mich ungemein, Oberfeldwebel. Kontrollieren wir jetzt lieber die einzelnen Abteilungen hier oben.“ Sie stießen auf keinerlei Gegner mehr. Was sie kaum verwunderte, denn wie sie feststellten gab es hier oben zumeist nur Lagerräume und Abteilungen mit einer Anhäufung komplizierter, technischer Gerätschaften. Nach weiteren zehn Minuten kamen die Rückmeldung von Krezirin und Diana Spencer, dass der letzte Widerstand gebrochen sei. Insgesamt hatten sie einundzwanzig Männer und Frauen der Konföderation Deneb betäubt. Oberfeldwebel Ikari beorderte, auf Dean Corvins Geheiß hin, mehrere Leute des Landetrupps zur oberen Ebene hinauf, um die drei Bewusstlosen abzutransportieren. Sie wurden, zusammen mit den anderen Überwältigten, in einen leeren Laderaum transportiert. Als Corvin sich mit Anaris Ikari zum Treppenhaus begab, nahm er Funkkontakt zu Diana Spencer auf. „Wie steht es um unsere Leute, Hauptmann?“ Die Antwort fiel knapp aus. „Keine Verluste, Major!“ „Danke, Hauptmann. Ich bin auf dem Weg zum Lagerraum. Bitte warten Sie dort auf mich. Corvin, Ende.“ Während sie die Treppen zur unteren Ebene der Station hinunter stiegen sagte Corvin zu seiner Begleiterin: „Ihnen danke ich ebenfalls, Oberfeldwebel. Ohne Ihre schnelle Reaktion hätte er übel für mich ausgesehen.“ „Darf ich offen sprechen, Sir?“ Etwas überrascht blieb Dean Corvin am unteren Ende der Treppe stehen und sah in das ernst blickende Gesicht der hochgewachsenen Frau. „Natürlich, Oberfeldwebel.“ Die schlanke Frau atmete tief durch und sagte dann ruhig: „Sie sollten, zumindest für die Dauer dieses Einsatzes, vielleicht doch in Erwägung ziehen, zum Krieg zu werden. Sonst werden Sie vielleicht irgendwann nicht mehr so viel Glück haben, wie heute, Sir.“ Damit wandte sich die Frau ab und schritt auf den Gang hinaus. Corvin spürte ein Grummeln im Magen, das ihm nicht sonderlich gefiel. Denn ihm wurde klar, dass sie möglicherweise Recht hatte. Dort oben war er für einen Moment lang nicht vollkommen bei der Sache gewesen und ohne Ikari hätte das vermutlich tödlich für ihn geendet. Er schluckte und folgte der Raumlande-Soldatin, wobei er sich fest vornahm seine Einstellung zum Krieg noch einmal zu überdenken. Was ohnehin nicht zu vermeiden war, bei dem was nun folgen würde. In finstere Gedanken versunken folgte Dean Corvin der Frau und machte sich, mit raumgreifenden Schritten, auf den Weg zum Lagerraum, in den man die betäubten Soldaten der Konföderation Deneb gebracht hatte. Vor dem Schott traf er auf Diana Spencer, die dort bereits auf ihn wartete. Auch ihre Miene wirkte angespannt, was den Kanadier nicht verwunderte, denn er hatte sie, vor drei Tagen, auch in das letzte, grausame Detail des Einsatzplans eingeweiht. Als Corvin die Raumlande-Spezialistin erreicht hatte, legte er seine Rechte auf den Öffnungskontakt des Lagerraum-Schotts und trat, gefolgt von ihr, ein. Die Männer und Frauen der 501. Raumlandeeinheit hatten die Bewusstlosen, in drei Reihen zu jeweils sieben Personen, auf dem Boden des Lagerraums abgelegt. Langsam schritt Dean Corvin zwischen den Bewusstlosen entlang. Als er dabei die Frau entdeckte, die er vorhin niedergeschossen hatte, als sie das Schott ihres Quartiers öffnete, blieb er stehen und kniete sich zu ihr ab. Für einen Moment sah er sie nur an, bevor er ihre Beine lang ausstreckte und zusammenführte. Danach legte er ihren linken Arm an ihre Seite, während er die rechte Hand der Bewusstlosen auf ihr Herz bettete. Als Corvin sich wieder erhob sah er zur Seite. Diana Spencer war neben ihn getreten und fragte ihn leise: „Was tun Sie da, Major?“ Der Kanadier schluckte und erwiderte mit kratziger Stimme: „An der Akademie habe ich eine sehr alte Dokumentation angeschaut. Ein Freund hatte sie entdeckt. Sie handelte von den Kriegen des zwanzigsten Jahrhunderts und von den Gepflogenheiten innerhalb einiger Eliteeinheiten dieser Zeit. In einigen dieser Einheiten hat man gefallene Kameraden so hin gebettet, wenn nicht die Zeit blieb, sie ordentlich beizusetzen.“ Die Frau sah den Schmerz im Blick des jungen Mannes und sie selbst spürte ebenfalls einen Knoten im Magen. „Ich verstehe, Sir.“ Der Terraner erwiderte ihren Blick und fragte leise, wobei er eine fahrige Geste mit der linken Hand machte: „Würden Sie mir bei den Übrigen helfen, Hauptmann Spencer?“ Die blonde Frau nickte, sich dabei mit den Fingern durch ihr Haar fahrend und die beiden Offiziere begannen damit, die übrigen Bewusstlosen ebenso auszurichten, wie die Frau, um die sich Corvin zuerst gekümmert hatte. Als sie fertig damit waren, schritt Diana Spencer zu Corvin und sagte leise: „Sie wissen, warum wir keine Gefangenen machen dürfen, Major. Die würden, selbst wenn wir sie bei unserem Aufbruch zum Mars noch einmal betäuben würden, spätestens sechs Stunden später Alarm geben, und wenn wir sie tagelang einsperren würden, dann würden sie am Ende qualvoll verhungern und verdursten. Ich weiß, es ist schrecklich, Sir, aber wir haben keine Wahl.“ Der Kopf des jungen Mannes ruckte herum und aus brennenden Augen sah er Diana Spencer an. „Denken Sie vielleicht, das wüsste ich nicht, Hauptmann? Ich war es, der diesen Plan entwickelt hat, und jetzt bekommt dieser Plan ein grausames Gesicht.“ Die Frau verstand die Aufgewühltheit des jungen Terraners. Beschwichtigend legte sie ihre linke Hand auf seine Schulter und sagte mit sanfter Stimme: „Sir, eine sehr alte Militärweisheit besagt, dass das Erste, was in einem Krieg verloren geht, die Unschuld ist. Nun werden wir beide mit dieser Tatsache konfrontiert, doch das darf uns nicht abhalten.“ Corvin biss die Zähne aufeinander, bevor er Haltung annahm und in Richtung der bewusstlos da liegenden Menschen salutierte. Nach einem Moment sank seine Hand wieder herab und er meinte erst jetzt, tonlos zustimmend: „Nein, das dürfen wir nicht, Hauptmann Spencer. Bringen wir es hinter uns.“ Gemeinsam schritten sie aus dem Lagerraum und Corvin verriegelte das Schott hermetisch, nachdem sie auf dem Gang standen. Danach begaben sie sich zur Kommandozentrale der Station, die im Schnittzentrum der Kuppel, auf der oberen Ebene lag. Als sie eintraten gab Diana Spencer den beiden Wachen am Eingang einen unauffälligen Wink sie beide allein zu lassen. Gemeinsam schritten sie zur Kontrollkonsole und nahmen in zwei der Sessel Platz. Grübelnd starrte Corvin einen Moment lang auf die Anzeigen bevor er sich daran machte die Umweltkontrollen der Station aufzurufen. Über ein Untermenü konnte die atmosphärische Zusammensetzung in jedem der einzelnen Sektoren dieser Station geändert werden. So auch in dem nun hermetisch abgeriegelten Lagerraum, in dem die Bewusstlosen ruhten. Der Kanadier aktivierte einen der optischen Bereiche der Konsole, auf dem das Innere des Lagerraums sichtbar wurde. Daneben erschienen virtuelle Regler für die atmosphärische Zusammensetzung innerhalb des Lagerraums. Diana Spencer sah den Major eindringlich an. „Sie müssen das nicht selbst tun, Sir.“ Corvin sah zur Seite und widersprach: „Doch, das muss ich, Hauptmann. Ich habe das Kommando und ich allein muss diese Tat verantworten. Niemand sonst.“ Damit nahm der Kanadier entschlossen die Schaltung vor, die den Sauerstoffanteil der Atmosphäre innerhalb des Lagerraumes langsam verminderte. In knapp einer Minute würde der Lagerraum eine reine Stickstoffatmosphäre enthalten. Wieder und wieder sagte sich der Major dabei, dass die Betäubten nichts von ihrem langsamen Ersticken mitbekommen würden, doch das half ihm nicht, das schreckliche Gefühl in seinem Innern niederzuringen, dass sich von Sekunde zu Sekunde drängender bemerkbar machte. Seine Hand verharrte für einige Sekunden in der Nähe der Kontrollen, bevor sich seine Finger langsam zur Faust ballten und die Hand sich zurückzog. Obwohl sich Corvin der Sinnlosigkeit dieses Handelns bewusst war, wartete er, bis der Sauerstoffgehalt auf Null herabgesunken war, bevor er die Temperatur für den Lagerraum auf Minus Fünfzig Grad einstellte, um die Leichen zu konservieren, bis man sie fand. Der Terraner stützte sich mit den Händen an der Kante der Konsole ab, während sein Kopf etwas nach vorne sank. Fast unhörbar sagte er: „Jetzt habe ich einundzwanzig Menschen auf dem Gewissen.“ Diana Spencer, die beinahe körperlich spüren konnte, wie Corvin das Ereignis mitnahm, packte die Armlehne seines Sessels und drehte ihn nachdrücklich zu sich herum. Den Mann eindringlich ansehend sagte sie ruhig und sehr betont: „Tun Sie das nicht, Sir. Bitte tun Sie sich das nicht an. Zählen Sie nicht die Toten in diesem Krieg. Zählen Sie die Leben, die sie retten werden. Ich weiß, das macht einen Moment, wie diesen hier, nicht besser, doch es ist vielleicht der einzig richtige Weg um nicht zu verzweifeln, bevor dies alles letztlich zu einem guten Ende gefunden hat. Oder vielleicht auch zu einem schlechten Ende, wie auch immer.“ Dean Corvin sah fragend und niedergeschlagen zugleich zu ihr auf. Mühsam beherrscht meinte er schließlich: „Bitte lassen Sie mich für einen Moment allein.“ Die Frau erhob sich geschmeidig aus ihrem Sessel. Spontan legte sie ihre Rechte erneut auf seine Schulter und drückte sie spürbar. „Natürlich, Major.“ Dean Corvin hörte, wie sie davon schritt. Langsam drehte er sich im Sessel wieder der Konsole zu und warf einen letzten Blick auf die Leichen im Lagerraum, bevor er die Überwachungsfunktion deaktivierte. Langsam, beinahe wie in Zeitlupe beugte er sich vor, stützte die Ellenbogen auf der Oberfläche der Konsole ab und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Er hatte sich bis eben eisern beherrscht, doch jetzt füllten sich seine Augen mit Tränen, die schließlich über seine Wangen rannen. Erst nach einer ganzen Weile wischte er sich über das Gesicht und atmete mehrmals tief durch. Das half etwas. Danach blieb er noch eine ganze Weile im Sessel sitzen und starrte ins Leere, vor seinem inneren Auge nun noch ein Gesicht, dass er nicht so schnell vergessen würde. Endlich riss er sich zusammen und erhob sich aus dem Sitz. Er musste sich darum kümmern, die nächsten Schritte einzuleiten. * * * Drei Tage verstrichen, ohne dass sich etwas Nennenswertes in der Kontrollstation ereignete. Dean Corvin fing sich in dieser Zeit seelisch wieder und Diana Spencer, die heimlich ein Auge auf den Terraner hatte, registrierte dies mit Erleichterung. Sie hatte Moana Adamina einen sachten Hinweis darauf gegeben, wie es in Corvin aussah und sie darum gebeten, sie möge sich unauffällig etwas um ihn kümmern. Die Samoanerin machte ihre Sache ausgezeichnet, wie Diana Spencer bald darauf zu ihrer Zufriedenheit feststellte. Dabei entging ihr nicht, dass der Terraner, in den letzten Tagen, gleichfalls einige längere Gespräche mit Oberfeldwebel Ikari geführt hatte. Diese Gespräche schienen ihm gutgetan zu haben. Die Vorräte der Station hatten sich schnell als ausreichend erwiesen, auch für mehr als sechzig Personen. Trotzdem wünschte sich Dean Corvin, der Transporter würde nicht noch ein paar Tage auf sich warten lassen. Gestern war er nochmal den Einsatzplan mit Diana Spencer durchgegangen. Sie waren überein gekommen, dass sie den Flug zum Mars zeitlich so festlegen würden, dass es bei ihrer Ankunft Nacht über dem Raumhafen von Red Sands sein würde. Im Dunkel der planetaren Nacht würden ein paar Raumfahrer in schwarzen, statt in nachtblauen Uniformen, auf dem größten Militär-Raumhafen des Mars, kaum auffallen. Ab diesem Zeitpunkt würden sie allerdings weitestgehend improvisieren müssen, denn die tatsächlichen, momentanen Gegebenheiten auf dem Mars ließen sich naturgemäß, ohne vorangehende Aufklärung, nicht abschätzen. Eine solche Aufklärung ließ sich jedoch nicht bewerkstelligen, zumindest nicht ohne dass dabei das Unternehmen frühzeitig aufflog. Im Kommandozentrum der Station vor sich hin brütend bemerkte Corvin Moana Adaminas Erscheinen erst, als sie ihn beinahe erreicht hatte. Sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln und setzte sich zwanglos in den Sessel neben seinem. Der Major blickte in das ovale, von schwarzen Locken eingerahmte Gesicht der jungen Frau und erkundigte sich launig bei ihr: „Sie wollen mich doch nicht schon wieder dazu überreden, Sie doch zum Mars mitzunehmen, Oberleutnant? Denn das wäre absolut sinnlos. Meine Entscheidung steht fest. Ich brauche Sie auf der NOVA SOLARIS.“ „Kein Gedanke, Sir“, erwiderte die Frau. „Obwohl ich es natürlich immer noch für einen Fehler halte, dass Sie mich hierlassen wollen.“ „Natürlich“, seufzte Corvin und verdrehte die Augen. „Was also kann ich sonst für Sie tun, Oberleutnant?“ „Sie könnten etwas essen, Sir, und sich dann für eine Weile hinlegen“, riet die Samoanerin ernst. „Sie haben in den letzten Tagen nur wenig geschlafen und bei diesem Unternehmen brauchen wir Sie in Höchstform, Sir.“ Der Terraner grinste müde. „Hat Hauptmann Spencer Sie schon wieder auf mich angesetzt, Oberleutnant Adamina?“ Die Samoanerin tat sehr erstaunt, und Corvin legte grimmig nach: „Ich habe bereits vor Tagen durchschaut, dass Spencer aufmerksam beobachtet, wie es mir geht. Wenn Sie meinen, ich hätte ihr kleines Manöver, Sie dazu einzuspannen sich um mich zu kümmern, nicht mitbekommen, dann liegen Sie falsch.“ „Vielleicht fragen Sie sich dann auch mal, warum sie das tat“, gab Moana Adamina spitz zurück, wobei sie seinen Verdacht offen bestätigte. „Vielleicht hätte sie es mit ihren Untergebenen ja einfacher, wenn der Verantwortliche an diesem Unternehmen, sich selbst gegenüber nicht so unverantwortlich benehmen würde.“ Die Gestalt des Kanadiers straffte sich in seinem Sessel und mit funkelnden Augen sah er Moana Adamina an. Er hatte bereits eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, doch er spürte gleichzeitig die Müdigkeit in sich und ebenfalls, dass sie nicht ganz Unrecht hatte. Er seufzte schwach und meinte ironisch: „Also schön, da ich mir mit Ihnen das Quartier teile, und Sie hier sind, werde ich das Bett wohl unbelegt vorfinden. Ich werde Ihrem Rat folgen, aber wecken Sie mich umgehend, falls der Transporter eintrifft.“ „Das werde ich, Sir“, versprach die Frau. Sie schien noch mehr sagen zu wollen. Doch sie tat es nicht, wofür der Corvin ihr dankbar war. Als der Kanadier das Kontrollzentrum verlassen hatte, machte er sich nachdenklich auf den Weg zur unteren Ebene der Station, wobei er unterdrückt gähnte. Die Samoanerin hatte ganz Recht mit ihrer Kritik gehabt. Gerade er sollte darauf achten, bei diesem Unternehmen, dessen schwierigster Teil noch vor ihnen allen lag, fit zu sein. Etwas an Moana Adaminas Art erinnerte Dean Corvin an Andrea von Garding. Auch sie hatte stets recht klare Worte, ihm gegenüber, gefunden, wenn er dabei gewesen war, sich nicht den Umständen entsprechend zu verhalten. Oder wenn er mit dem Kopf durch die Wand gewollt hatte. Bei dem Gedanken an Andrea spürte er einen kleinen Stich im Herzen. Als er sie zuletzt sah, da hatte er ihr versprochen, für sie da zu sein. Doch halten können hatte er dieses Versprechen nicht. Aber woher hätte er auch damals ahnen sollen, dass er kurze Zeit später zur Farradeen-Allianz gehören und auf Farradeen beheimatet sein würde? Corvin hoffte, das alles irgendwann nachholen zu können und die Freundin wiederzusehen. Hoffentlich dann in einer besseren seelischen Verfassung, als das letzte Mal. Er schreckte beinahe aus seinen Gedanken auf, als er vor sich im Gang Hauptmann Diana Spencer erkannte, die ihn ansprach: „Major Corvin, haben Sie einen Moment?“ „Ich bin gerade auf dem Weg zu dem Quartier, das ich mir mit meinem Leutnant der Kommunikation teile“, gab Corvin zurück. „Ich könnte etwas zu essen vertragen und dann eine Mütze Schlaf. Kommen Sie mit, dann können wir ungestört reden, während ich etwas esse. Möchten Sie auch etwas?“ „Nein, Danke“, Sir“, lehnte die Frau das Angebot des Majors ab. „Das Gespräch genügt mir. Ich freue mich, dass es Ihnen offensichtlich wieder besser geht.“ Corvin nickte in Gedanken. Als sie das Quartier erreichten, in dem sich Corvin und Moana Adamina häuslich eingerichtet hatten, in den letzten drei Tagen, überließ der Kanadier der Frau höflich den Vortritt. Obwohl solche Gentleman-Manieren seit langer Zeit als überholt galten, zeitigten sie immer noch ihre Wirkung. Vielleicht aber auch gerade deswegen. Diana Spencer jedenfalls lächelte unmerklich, als sie vor dem Major das Quartier betrat. Sie beobachtete den Terraner dabei, als er sich an der Servo-Automatik ein Menü zusammenstellte und mit dem Tablett zum Tisch des Wohnraumes zurückkehrte. Sein Essen und das Getränk auf der glatten, tiefschwarzen Pharran-Holzplatte abstellend nahm er neben Diana Spencer auf der bequemen Couch platz. Auf den beiden Sesseln lagen diverse Bekleidungsgegenstände, was die blonde Frau von Farradeen zum Aufsetzen einer spöttischen Miene verleitete. Dean Corvin ging darüber hinweg und erkundigte sich, bevor er herzhaft von seinem Sandwich abbiss: „Worüber möchten Sie mit mir sprechen?“ Diana Spencer sah den jungen Major an und wusste für einen Moment nicht, wie sie beginnen sollte. Schließlich sagte sie geradeheraus: „Ich bin etwas verwirrt darüber, dass Ihnen der Tod der einundzwanzig Gefangenen so nahe gegangen ist. Bitte verstehen Sie das nicht falsch, doch wie ich weiß haben Sie bereits bei Ihrer Flucht aus dem Sonnensystem und später, während der Schlacht bei Delta-Cephei, als Kommandant der NOVA SOLARIS, auf den Feind geschossen und dabei Feindschiffe vernichtet. Also letztlich auch gegnerische Soldaten. Das muss Ihnen doch ebenfalls nahegegangen sein?“ Dean Corvin schluckte den Bissen in seinem Mund hinunter und erwiderte: „Das wird sich vielleicht etwas seltsam anhören, Hauptmann, doch diese Opfer des Krieges habe ich, während der Kämpfe und ebenfalls danach, irgendwie ausgeblendet. Von diesen Verlusten habe ich nie direkt erfahren, auch wenn ich natürlich weiß, dass es sie gegeben hat. Aber erst hier auf Eris haben die Getöteten zum ersten Mal ein Gesicht erhalten. Ich hatte angenommen darauf vorbereitet zu sein, doch das war ich nicht. Nicht so...“ „Das war niemand von uns, Major Corvin“, antwortete Diana Spencer besänftigend. „Vielleicht sollten Sie wissen, dass es mir gar nicht viel anders erging, als Ihnen. Offen gestanden, ich war vor drei Tagen sehr froh, dass Sie nicht von mir verlangt haben, die Atmosphäre in dem Lagerraum zu modifizieren. Was mir wichtig ist: Sie sollen wissen, Sir, dass Sie nicht alleine sind, mit diesen Schuldgefühlen.“ Corvin, der mit einem Schluck Saft den Rest seines Sandwiches hinunter spülte, sah für einen langen Moment in die grün-grauen Augen der Frau, bevor er meinte: „Ich danke Ihnen, Hauptmann Spencer. Auch für Ihre… Umsicht. Ich meine, in Bezug auf Moana.“ Das Zwinkern des Mannes konnte Zufall gewesen sein, doch Diana Spencer glaubte nicht daran. „Keine Ursache, Sir. Ich hielt es für meine Pflicht, mich zu vergewissern, wie es Ihnen geht, bevor wir zum eigentlichen Unternehmen aufbrechen.“ Dean Corvin nickte knapp und trank sein Glas aus. Danach meinte er, mit verändertem Tonfall: „Aber jetzt hinaus mit Ihnen, Hauptmann. Ich benötige Ruhe. Wecken Sie mich nur, falls der Transporter auftaucht oder diese Basis abbrennt. Ich werde Sie persönlich dafür verantwortlich machen, falls jemand Feuer legt.“ Ein Schmunzeln umspielte die Lippen der Frau, während sie sich erhob und Anstalten machte zu gehen. „Niemand wird Ihre Ruhe stören, Major Corvin.“ Sie ging und der Terraner sah ihr sinnend hinterher, bevor er sich auf den Weg zum Schlafraum des Quartiers macht. Erst jetzt spürte erst wirklich die bleierne Müdigkeit, die ihn erfüllte. Als er endlich im Bett lag und die Augen schloss galten seine letzten Gedanken der Mission, und einer terranischen Technikerin, der er versprochen hatte zurückzukehren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)