Zum Inhalt der Seite

DEAN CORVIN: 02. Brennpunkt Mars

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Emotio versus Ratio


 

1.
 

Emotio versus Ratio
 

Dean Everett Corvin beugte sich nach vorne über, legte seine Hände auf die Knie, und stemmte sich mit gestreckten Armen ab. Dabei versuchte er keuchend wieder zu Atem zu kommen. Nach einigen Atemzügen sah er zur Seite und blickte in das feixende Gesicht von Oberstleutnant Vara Kiryn, die aufrecht neben Ihm stand und abwechselnd, mal den rechten mal den linken Fuß in die Hand nahm, und nach hinten, bis zu ihrem Po, anzog. Sie erweckte nicht den Anschein, gerade zehn Kilometer, gemeinsam mit dem Kanadier, gelaufen zu sein.

Als der dunkelblonde Kanadier wieder einigermaßen Luft bekam, fragte er mürrisch: „Was ist mit Ihnen los, Oberstleutnant? Sind Sie ein verdammter Roboter, oder warum sind Sie kaum aus der Puste, während ich kaum noch lebe?“

Die Mittdreißigerin lachte vergnügt und fuhr sich mit der Linken durch das kurze, schwarze Haar. Ihre intelligenten, grau-grünen Augen funkelten belustigt, als sie entgegnete: „Hören Sie auf zu jammern, Major. Sie haben sich an die höhere Schwerkraft und den etwas geringeren Sauerstoffanteil, auf Farradeen, noch nicht gewöhnt. Das wäre auch ein Wunder, in nur drei Monaten. Falls es Ihnen entgangen sein sollte: Mittlerweile laufen Sie die Strecke immerhin in einer sehr guten Zeit. Das, was Sie in den ersten zwei Wochen angeboten haben war, gelinde gesagt, sehr bescheiden. Das bedeutet, Sie machen gute Fortschritte.“

Corvin massierte seine Wadenmuskeln und sah die hochgewachsene Frau von unten herauf an. Grinsend erklärte er: „Vielen Dank für die Blumen. Dabei sollte ich viel eher Ihnen welche mitbringen. Ihre Leute haben die NOVA SOLARIS wirklich hervorragend in Schuss gebracht, in den letzten drei Monaten.“

Die Augenbrauen der Frau zuckten nach oben, während sie mit dem rechten Zeigefinger den Rücken ihrer etwas zu großen, leicht gebogenen, Nase rieb. „In Was haben meine Leute Ihren Leichten Kreuzer gebracht?“

Corvin grinste schief. „Entschuldigen Sie bitte. Das war so eine archaische Redewendung meines Freundes Jayden Kerr, mit denen er mich und meine Kameraden nur zu oft traktiert hat, während unserer Zeit an der Akademie. Es bedeutet, dass Ihre Leute sehr gute Arbeit geleistet haben.“

„Ah, verstehe“, gab Vara Kiryn zurück und fragte ablenkend: „Wie weit hat Generalmajor Traren mit Ihnen bereits den Einsatz durchgesprochen, auf den Sie in zwei Wochen gehen werden, wie Sie mir gestern sagten, Major?“

Der athletische Mann richtete sich langsam auf und meinte ernst: „Netter Versuch, Oberstleutnant. Aber Sie müssen mich nicht davon ablenken, dass ich meine Kameraden nun seit Monaten nicht mehr gesehen habe, sie vermisse, und ich mir ein klitzkleines Bisschen Sorgen um sie mache. Ich komme damit zurecht.“

Vara Kiryn setzte eine entschuldigende Miene auf. „Das bezweifle ich nicht. Im Übrigen, und nicht um erneut das Thema zu wechseln, würde ich mich freuen, wenn wir uns nicht mehr so unpersönlich, mit unseren Rängen, sondern mit unseren Vornamen anreden würden. Wir kennen uns jetzt immerhin mehr als drei Standard-Monate. Außerdem gehöre ich nicht zu Ihren direkten Vorgesetzten.“

Die Lippen des Kanadiers verzogen sich zu einem Lächeln. „Sehr gerne, Vara.“

Die über zehn Jahre ältere Frau nickte zufrieden. „Dann wäre das geklärt… Dean.“

Nebeneinander schritten sie den gewundenen Waldweg hinunter, der einen halben Kilometer weiter auf die befestigte Straße mündete, die sie zurück zu dem Randgebiet von Xorolan führen würde. Auch nach mehreren Monaten auf diesem Planeten entdeckte Dean Corvin immer noch etwas Neues, wenn er diesen Weg nahm. Für ihn fremde Düfte, Tiere die er noch nie gesehen hatte, und Geräusche die sie verursachten. Aber auch die Pflanzen des Waldes hatte er noch immer nicht zur Gänze wahrgenommen.

Nach einer Weile, nachdem er wieder zu Atem gekommen war, spürte Corvin auch wieder die Feuchte und die Kühle des leichten Morgennebels, der im Begriff war sich aufzulösen. Xorolan erwartete ein sonniger Tag, wie es schien.

Im Grunde war Xorolan keine gewöhnliche Stadt, sondern eher die größte Militärbasis auf diesem Planet. Denn mehr, als 80 Prozent, der rund 500.000, Einwohner von Xorolan dienten in der Kriegsflotte von Farradeen. So war es wenig verwunderlich, dass sich der größte, rein militärisch genutzte, Raumhafen, der Stadt unmittelbar anschloss. Hinter den weiten Landepisten erhoben sich, im Westen, die grünen Hügel, hinter denen am Abend Venkara, die Sonne des Systems, unterging.

Der Planet Farradeen war im Jahr 2502, also direkt zu Beginn der Ersten großen Expansionsphase der Menschheit, entdeckt und besiedelt worden, da er für menschliches Leben ideale Bedingungen aufwies. Farradeen, und seine Sonne, nach seinem Entdecker Urs Farradeen, und dessen Frau Venkara benannt, lagen beinahe im Zentrum der Plejaden, einem offenen Sternenhaufen 444 Lichtjahre vom Sol-System entfernt, im Sternbild des Stier.

Dabei bildeten die Sonne Venkara und ihre sieben Planeten quasi Fremdkörper, denn sie existierten bereits weitaus länger und waren erst nach der Entstehung der Plejaden, gravitatorisch von den überwiegend jungen, bläulich-weißen Sternen des Sternenhaufens eingefangen worden. So wie zahlreiche weitere Hauptreihensterne der G- und K-Klasse.

All das war Dean Everett Corvin bekannt gewesen, bevor er zum ersten Mal seinen Fuß auf diesen Planeten gesetzt hatte. Doch hier zu leben war eine ganz andere Erfahrung, als lediglich die reinen Fakten zu kennen. Die höhere Gravitation des Planeten zu spüren, seine andersartige Flora und Fauna zu erleben; bisher unbekannte Gerüche wahrzunehmen – das war zu Beginn seines Hierseins geradezu atemberaubend gewesen. Selbst der Stern Venkara sorgte, durch sein andersartiges Spektrum, für eine andere optische Wahrnehmung. Gleichzeitig war all das zu Anfang, bis zu einem gewissen Grad, auch beängstigend gewesen. Mittlerweile war nur noch die Andersartigkeit geblieben – doch auch sie wurde allmählich zur Normalität. Ähnliches hatte Corvin erlebt, als er, im Sommer des Jahres 3214, seine Ausbildung an der Sektion-Venus begonnen hatte, und wie damals auf der Venus gewöhnte er sich nun auch an seine neue Heimat, Farradeen.

Damals wie heute waren es andere Menschen gewesen, die ihm bei dieser Umstellung geholfen hatten. Waren es an der Sektion-Venus seine Freunde, die ihm geholfen hatten, so waren es hier seine Kameraden von der NOVA SOLARIS, seine direkten Vorgesetzten, und nicht zuletzt auch Vara Kiryn, die neben ihrer Funktion als Kommandantin eines Werftkomplexes, auch eine ausgezeichnete Psychologin war.

Als sie den befestigten Teil des Weges erreichten, bemerkte Corvin die fragenden Seitenblicke seiner Begleiterin. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er in der Erinnerung gelächelt hatte, und er sagte bei ihrer unausgesprochenen Frage nachdenklich: „Ich musste eben daran denken, wie ich mein Leben zum ersten Mal auf einen neuen Planeten umgestellt habe. Zu Beginn meiner Ausbildung, an der Akademie der Terranischen Raumflotte. Mittlerweile ist so viel geschehen, dass es mir vorkommt, wie aus einem anderen Leben.“

Vara Kiryn, die mittlerweile recht gut zu erkennen wusste, was Dean Corvin jeweils bewegte, wenn sie zusammen waren, erwiderte leise: „Sie werden sie wiedersehen, Dean.“

Corvin seufzte leise. „Das hoffe ich. Meine Freunde sind mir...“

„Das meinte ich nicht“, unterbrach ihn die Frau.

Überrascht sah Dean Corvin seine Begleiterin an. „Was meinten Sie dann?“

Vara Kiryn nahm ihre Hände hinter den Kopf und machte ein paar Dehnübungen. „Nun, Sie sprechen sehr oft von dieser, etwas hitzigen, jungen Frau, der Sie auf Luna begegneten. Dieser junge Feldwebel der Ihnen dort auf die Nerven gegangen ist, wie Sie bereits häufiger betonten. Ihr Name ist Rian Onoro, oder irre ich mich?“

Corvin schüttelte bedächtig den Kopf. „Sie irren sich nicht. Ich war dazu gezwungen, sie, während unserer Flucht von Luna, zurückzulassen. Obwohl mir bewusst ist, dass es keine andere Möglichkeit gab um die NOVA SOLARIS dem Zugriff des Feindes zu entziehen, lässt mir das keine Ruhe mehr, seit wir das Sonnensystem verlassen haben. Verstehen Sie, ich kann das Gefühl nicht abschütteln, sie im Stich gelassen zu haben, Vara.“

Die Schuldgefühle des Kanadier waren für Vara Kiryn fast greifbar, als er sie ansah. Spontan legte sie ihre Linke auf seinen Oberarm und sagte ernst: „Sie hatten keine andere Wahl, Dean. Außer sie wären alle auf Luna geblieben und hätten den Experimentalkreuzer den Truppen der Konföderation Deneb überlassen. Ich weiß, dass man keine Menschenleben gegeneinander aufrechnen kann, aber manchmal läuft es leider genau darauf hinaus. Sie hat das gewusst, Dean, und Sie selbst wissen das auch. Tief in ihrem Herzen. Dieser Krieg wird uns noch weitaus fürchterlichere Entscheidungen abverlangen, befürchte ich.“

Die Schwarzhaarige dankbar ansehend, legte Corvin, für einen kurzen Augenblick, seine Hand auf ihre. „Ja, das weiß ich, Vara. Doch ich werde mich niemals damit abfinden.“

Unmerklich ihre Hand zurückziehend nickte die Frau. „Das erwarte ich gar nicht. Im Gegenteil, es wäre schlimm, wenn Sie so schnell dazu bereit wären. Bewahren Sie sich diese Einstellung, bei allem was vor uns liegt, bitte so lange wie möglich.“

Corvin nickte. „Ich werde mein Bestes geben.“

Vara Kiryn lächelte unmerklich. „Dann kommen Sie, Dean. Wenn ich richtig informiert bin, dann erwartetet Sie Generalmajor Arolic Traren in einer Stunde zu einem Treffen, um den Plan, für den bevorstehenden Einsatz der NOVA SOLARIS, weiter auszuarbeiten. Und Traren hasst Unpünktlichkeit.“

Dean Corvin erlaubte sich ein breites Grinsen. „Anfangs fand ich es reichlich gewöhnungsbedürftig, dass der Generalmajor seine Untergebenen mit ihren Vornamen anspricht. Nachdem ich erkannt hatte, dass er das nicht aus einer Art Respektlosigkeit heraus macht, fand ich es in Ordnung. Der Mann ist ein echtes Original, wie mein Freund Jayden sagen würde. Was seine Art betrifft erinnert er mich etwas an meine Kameradin, Andrea.“

Vara Kiryn horchte bei den letzten Worten des jungen Offiziers auf. „Sie bezeichnen Jayden und Kimi stets als Freunde, nur bei dieser Andrea verwenden Sie den Begriff Kameradin, so als würden Sie sich scheuen, sie als Freundin zu bezeichnen. Dabei hatte ich von Beginn an den Eindruck, dass sie gerade ihr besonders zugetan sind. Oder täusche ich mich in dieser Hinsicht?“

„Verstummt die Stimme der Psychologin auch einmal in Ihnen?“, gab Corvin unwillig zurück. „Manchmal ist ein Begriff nur ein Begriff.“

„Und manchmal ist eine Kameradin wesentlich mehr, als nur eine Kameradin“, hielt ihm Vara Kiryn ruhig entgegen, ohne auf seine Frage einzugehen. „Ich denke, dass Sie mir bisher, in Bezug auf diese junge Frau, nicht die ganze Wahrheit gesagt haben, Dean. Da ist, oder war vielleicht, mehr zwischen Ihnen beiden?“

Dean sah in die Augen seiner Begleiterin. Was sie gesagt hatte verursachte einen Magendruck, der im nur allzu deutlich sagte, dass sie Recht hatte. Dabei verriet ihm der Ausdruck ihrer sphinxhaften Augen, dass sie ihn, in Bezug auf Andrea und seine Gefühle für sie, gerade vollkommen durchschaute.

Etwas langsamer gehend sah er die Frau an seiner Seite mit unstetem Blick an und gab nach einem Moment zu: „Sie haben Recht, Vara. Andrea ist mehr für mich. Viel mehr sogar. Das war bereits zu Akademietagen so. Als ich ihr, vor mehr als vier Jahren, meine Gefühle gestanden habe, da hat sie mich jedoch recht unmissverständlich abblitzen lassen. Sie liebt meinen Freund Jayden, und seit Weihnachten sind beide nun miteinander verlobt.“

Bei dem fragenden Blick der Frau, fügte Dean Corvin zögerlich hinzu: „Na ja, ich hatte geglaubt, dass ich mich damit abgefunden habe. Doch als ich ihr, zu Beginn des Jahres, die Nachricht vom Tod ihrer gesamten Familie überbrachte, und sie in meinen Armen ihren gesamten Schmerz herausgelassen hat, da waren all die längst überwunden geglaubten Gefühle für sie wieder da. Aber das ist ausschließlich mein Problem.“

„Vielleicht ist es nicht gut, wenn Sie sich zu stark an diese Gefühle klammern“, riet Vara Kiryn, mit bedauerndem und dennoch eindringlichen Tonfall. „Sonst wird daraus leicht eine fixe Idee. So schwer es Ihnen fällt, aber Sie müssen Andrea loslassen.“

Der Blick Corvins sprach Bände als er auf sich selbst deutete. „Und wenn ich das nicht schaffe? Ich meine, wenn sie viel zu tief da drinnen ist?“

Vara Kiryn lächelte schmerzlich. „Dann ist die einzige Alternative die, um sie zu kämpfen. Doch Sie werden am besten beurteilen können ob ein solcher Kampf irgendeine Aussicht auf Erfolg hätte, oder nicht.“

„Gar keine Aussicht“, brummte der Major düster und im Moment deprimiert.

Die schwarzhaarige Frau an Corvins Seite schwieg für einige Herzschläge lang. Schließlich sagte sie leise und mitfühlend: „Dann bleibt Ihnen keine andere Wahl, als loszulassen, und das so schnell wie möglich. Denn bei dem Einsatz, der Ihnen bevorsteht, können Sie sich solche emotionalen Kapriolen nicht erlauben, Dean.“

Der Dunkelblonde atmete tief durch und lächelte schwach. „Wenn das Unternehmen erst einmal abrollt, dann werde ich gar keine Zeit haben, an etwas anderes zu denken, als an das Ziel der Mission. Vielleicht ist es ja auch besser ungebunden zu sein, wenn man an solchen Risikoeinsätzen teilnimmt.“

Sein plötzlicher Fatalismus verärgerte die Frau etwas und grob gab sie zurück: „Diese Einstellung ist blöd, denn woher nehmen Sie Ihre Motivation zu kämpfen, wenn Sie nichts haben, für das sich das Kämpfen lohnt! Erklären Sie mir das mal! Wie wollen sie Ihre Untergebenen anführen, wenn Sie denken, das alles wäre am Ende sinnlos?“

Mit gelinder Überraschung sah Corvin in das Gesicht seiner Begleiterin. Seufzend meinte er. „Sie machen es einem wirklich nicht leicht. Als ob Sie nicht wüssten, dass ich das eben nur so in einer emotionalen Aufwallung gesagt habe.“

Vara Kiryn grinste verschmitzt. „Vielleicht bin ich ja deshalb wütend geworden, weil ich das weiß. Sie sind doch viel zu intelligent, für solche Aufwallungen.“

Corvin nickte schmunzelnd. Dabei spürte er, dass sich seine innere Anspannung löste und nach einer Weile erwiderte er ernsthaft: „Sie machen das wirklich sehr gut, Vara. Ich bin froh darüber, dass ich mit Ihnen über all das reden kann. Ich darf nicht vergessen, mich gelegentlich bei General Ty-Verrin zu bedanken, weil sie mich Ihnen anvertraut hat.“

Die Frau erwiderte spöttisch seinen Blick. „Wenn Sie jetzt anfangen, mit mir Süßholz zu raspeln, dann ist es ganz schnell aus damit, das kann ich Ihnen versichern. Und noch eins kann ich Ihnen versichern: General Ty-Verrin steht darauf so gar nicht.“

Sie lachten befreit, und Dean Corvin schlug vor: „Laufen wir das letzte Stück lieber, sonst komme ich am Ende wirklich noch zu spät zur Besprechung, mit dem Generalmajor.“

Sie beschleunigten ihr Tempo, wobei Corvin die Worte seiner Begleiterin nicht aus dem Kopf gingen. Dabei dachte er sowohl an Andrea, als auch an jene junge Technikerin, im Rang eines Feldwebel, die er auf Luna hatte zurücklassen müssen.
 

* * *
 

Als Diana Elodie Spencer durch die hell erleuchteten, blass-grauen Gänge des Flotten-Hautquartiers, am Rande des großen Raumhafens der Hauptstadt Tiraleen gelegen, schritt, fragte sie sich insgeheim, was sie angestellt haben mochte, dass Generalmajor Arolic Traren sie persönlich zu sehen wünschte. Dabei fuhr sie sich gedankenverloren mit der Rechten durch das weißblonde Haar. Eine unangenehme Angewohnheit, die dafür sorgte, dass ihr, an jedem Morgen sorgsam frisiertes, Haar schon nach einer Stunde Dienst, regelmäßig nach Sturmfrisur aussah. Was ihrem Gesicht mitunter eine wild-verwegene Note verlieh.

Hatte Diana Spencer diese Angewohnheit am Anfang ihrer militärischen Karriere noch gestört, so achtete sie mittlerweile kaum noch darauf, was wohl auch darin begründet lag, dass ihre Vorgesetzten sie, aufgrund ihrer hervorragenden Leistungen, noch nie deswegen gerügt hatten. Zumindest nicht, seit sie die Akademie, im Jahr 3213, erfolgreich abgeschlossen hatte.

Bis heute hatte sie es bis zum Rang eines Hauptmanns, beim Militär der Farradeen-Allianz, gebracht, wovon die Rangsymbole am Kragen ihrer schwarzen Uniform zeugten. Ein silberner Querbalken, mit abgeschrägten Schmalkanten, der von drei nebeneinander befindlichen, goldenen Balken gekreuzt wurde. Die grünen Streifen an Schultern, Ärmeln und Hosennähten, und das goldene Abzeichen auf der linken Brustseite der Uniform, verrieten, dass sie nicht dem Fliegenden Personal angehörte. Diana Spencer gehörte den Raumlandtruppen an, und die kleine, dreistellige Zahl im Symbol ihrer Truppengattung besagte, dass es sich dabei um die 501. Raumlandeeinheit handelte.

Das wild-verwegene Aussehen der Frau war indessen durchaus nicht an der Realität vorbei, was ihren grundsätzlichen Charakter betraf. Denn auch wenn die schlanke Frau mit dem oftmals gewinnenden Lächeln sehr liebenswürdig wirkte – sie hatte es mitunter faustdick hinter den Ohren. Etwas, das sich gelegentlich auch im Ausdruck ihrer intelligenten, grün-grauen Augen wiederfand.

Diana Elodie Spencer liebte das Leben, und sie lebte es unbeschwert. Eine Reihe von Männern, und auch die ein oder andere Frau, hatten sie bereits für sich allein gewinnen wollen, doch den Einen oder die Eine hatte es für sie bisher nicht gegeben, sondern stets nur Einen oder Eine mehr. In grauer Vorzeit hätte man sie vermutlich, und das auch nur bestenfalls, als ziemlich flatterhaft bezeichnet. Doch das kümmerte Diana Spencer nicht. Sie wusste was sie wollte, und sie nahm es sich auch, ohne lange zu fackeln oder Irgendjemanden um Erlaubnis zu fragen, oder danach, was andere Leute davon hielten. Schließlich schrieb man das 33. Jahrhundert, und, anders als vor tausend Jahren, war Persönliche Freiheit mehr, als nur ein Begriff.

Sie betrat schwungvoll, wie es eben ihre Art war, das Vorzimmer zu Arolic Trarens Büro und ließ sich von der Adjutantin, im Rang eines Majors, bei ihm anmelden. Während sie wartete, wippte sie ungeduldig auf den Zehenspitzen. Sie hasste es, nicht genau zu wissen woran sie war. So, wie in diesem Moment.

Schneller, als Diana Spencer damit gerechnet hatte, wandte sich die Adjutantin des Generals wieder an sie und sagte auffordernd: „Bitte gehen Sie hinein, Hauptmann, der Generalmajor erwartet Sie bereits.“

Diana Spencer quittierte die Worte des Majors mit einem freundlichen Lächeln und folgte ihrer Aufforderung. Zu ihrer Überraschung war außer dem General noch niemand anwesend und fragend sah sie in Richtung des Flaggoffiziers.

Die dunklen Augen des Generalmajors, die in eigenartigem Kontrast zu seinen bereits grauen Haaren standen, schienen wie glühende Kohlen zu funkeln, als er die junge Frau ansah. Sie verrieten, mehr noch als seine Mimik und seine Gesten, dass er nicht gerade zu den geduldigen Menschen gehörte. Dabei war Arolic Traren ein breitschultriger, kräftiger Mann von bald fünfundfünfzig Jahren, nach Terra-Standard gerechnet. Doch von einer Ruhe des Alters war er noch Lichtjahre weit entfernt.

Traren erhob sich beim Eintreten der Frau hinter seinem Schreibtisch und erwiderte den vorbildlichen militärischen Gruß des Hauptmanns. Danach umrundete das ausladende, modern geschwungene, Möbelstück, wies er mit der rechten Hand auf die Sitzgruppe, an der Fensterfront seiner Büroflucht und sagte: „Bitte nehmen Sie Platz, Diana. Ich habe Sie etwas früher zu mir kommen lassen, als die beiden Offiziere der NOVA SOLARIS, weil ich Sie zuvor unter vier Augen sprechen möchte.“

Traren wartete ab, bis sich die Frau auf eine der beiden, über Eck stehenden, dunklen Leder-Couchen gesetzt hatte, bevor er in einem der beiden Sessel Platz nahm. Eine schnelle Analyse ihrer Reaktion auf seine Worte ließ ihn erahnen, dass sie um seine Marotte, alle seine Untergebenen mit Vornamen anzureden, wusste. Dabei bemerkte der erfahrene Flaggoffizier gleichfalls die Neugier in ihrem Blick.

Darum kam Traren rasch zur Sache, indem er sich im Sessel leicht nach vorne beugte und sagte: „Normalerweise ist es nicht meine Art, über Personen zu sprechen, die nicht anwesend sind. Doch in diesem Fall mache ich eine Ausnahme, da die beiden Offiziere, die bald zu uns stoßen werden, einerseits um einige Jahre zu jung für ihre momentanen Ränge sind und sie andererseits erst kürzlich die Staatsbürgerschaft der Allianz angenommen haben. Der Major, der die NOVA SOLARIS kommandiert und sein Erster Offizier, eine Frau im Rang eines Hauptmanns, gehörten bis vor drei Monaten zum Militär des Terranischen Imperiums. Wie sie wissen verweigert der Diktator von Deneb, nach der Annexion des Sol-Systems, aufgrund der Tatsache, dass sich die Terranische Regierung momentan nicht auf Terra befindet wie es nach der Gesetzgebung der Terraner zu sein hat, allen Angehörigen des Terranischen Militärs den Kombattanten-Status. Demzufolge würden bei Kämpfen, in Gefangenschaft geratene Terraner von den Konföderierten wie Spione behandelt, und nicht wie Kriegsgefangene. Was das für die Militärs des Terranischen Imperiums bedeutet, das muss ich Ihnen nicht sagen, Diana.“

Die blonde Frau nickte. „Erschießungskommando!“

„Das ist richtig“, bestätigte der Generalmajor. „Momentan wird von der Provisorischen Regierung, die vor einer Woche im System von Delta-Cephei vereidigt wurde, eine entsprechende Änderung der Terranischen Verfassung formuliert. Wenn diese Regierung eine entsprechende Verlautbarung herausgibt, dann sind die Argumente des Diktators im Grunde hinfällig.“

Diana Spencers Stirn legte sich in Falten. „Ihre Wortwahl, Generalmajor, lässt mich vermuten, dass da jetzt gleich ein Haken folgen wird.“

Traren machte ein grimmiges Gesicht. „Ich persönlich wette darauf, dass sich der Diktator von Deneb halsstarrig zeigen wird. Ich befürchte, dass er als Anführer der Konföderation die das Sol-System, wenn auch widerrechtlich, annektiert hat, behaupten wird, dass das Terranische Imperium de facto gar nicht mehr existiert. In diesem Fall wird die Imperiale Terranische Regierung vermutlich Verhandlungen mit der Allianz aufnehmen und einen Zusammenschluss unserer Nationen vorschlagen. In diesem Fall wäre jedes Argument der Konföderierten, in Bezug auf den politischen Status des Terranischen Imperiums hinfällig. Zumindest, was das Militärische angeht. Aber bis es, in einem solchen angenommenen Fall, tatsächlich dazu käme würden sicherlich Jahre vergehen. Doch so lange können wir nicht warten, um einen Stoßtrupp in das Sol-System zu entsenden, und für diesen Stoßtrupp brauchen wir Terraner, die sich vor Ort auskennen. Andererseits können wir auch nicht, ohne die Flotten des Imperiums, alleine gegen die Konföderation bestehen. Deshalb geschah, so zu sagen als erster Schritt, die Einbürgerung der besagten beiden Offiziere des Imperiums und der Crew der NOVA SOLARIS. Die Terranischen Regierung hat uns den Experimentalkreuzer überlassen. Nicht ganz freiwillig, wie ich betonen möchte, denn es handelt sich um den Prototyp einer neuen, schlagkräftigen Klasse von Leichten Kreuzern.“

Die blonde Frau fuhr sich mit den Fingern ihrer linken Hand durch das Haar und erkundigte sich dann: „So weit, so gut, aber was hat das mit dem Alter der beiden Führungsoffiziere dieses Experimentalkreuzers zu tun?“

„Das ist leicht erklärt“, gab Traren Auskunft. „Kurz vor der Intervention unserer Flotten, bei Delta-Cephei, hatte die Oberkommandierende der Imperialen Flotte diese beiden Offiziere, aufgrund ihrer Erfahrung im Umgang mit der NOVA SOLARIS, vorzeitig in den Rang eines Hauptmann ZBV beziehungsweise in den Rang eines Oberleutnant ZBV befördert, damit sie in ihrer Funktion auf dem Kreuzer verbleiben können, ohne dass es Querelen wegen der Flottenbestimmungen zum Führen von Großkampfschiffen gibt. Als diese beiden Offiziere kurze Zeit später in den Dienst der Farradeen-Allianz eintraten stand das Oberkommando unserer Flotte vor dem Problem, dass wir die beiden Offiziere nicht degradieren konnten, was aber quasi der Fall gewesen wäre, hätten wir sie in den Rängen Hauptmann und Oberleutnant übernommen, da unser Militär den Zusatz ZBV, also: Zur Besonderen Verwendung, nicht kennt. Darum blieb nur der Ausweg den Ersten Offizier der NOVA SOLARIS im Rang eines Hauptmanns zu übernehmen, und den Kommandanten des Kreuzers im Rang eines Majors. All das erkläre ich Ihnen deshalb, Hauptmann Spencer, weil Sie, und vierundfünfzig weitere Soldaten der Fünfhundertersten Raumlandeeinheit, schon in zwei Wochen auf der NOVA SOLARIS einsteigen, und an einem Kommandoeinsatz teilnehmen, werden. Eben unter dem Kommando des Majors.“

„Ich verstehe“, erwiderte Diana Elodie Spencer nachdenklich. „Wir haben also zwei viel zu junge Offiziere als Führungsgespann an Bord dieses Kreuzers. Darf ich fragen, wie alt diese beiden Offiziere sind?“

Der Generalmajor grinste humorlos. Die junge Frau, die den Posten des Ersten Offiziers bekleidet, hat vor wenigen Tagen erst ihren einundzwanzigsten Geburtstag gefeiert. Der Major wird, nach Terra-Standard, in einem Monat dreiundzwanzig Jahre alt.“

Die, nach terranischer Standard-Zeitrechnung, achtundzwanzig-jährige Frau fuhr ein Stück von der Couch hoch, bevor sie sich langsam wieder auf die Sitzfläche zurücksinken ließ. „Wie bitte, General? Das ist ja der reinste Kindergarten. Wie eine alte Frau werde ich mir gegen die vorkommen.“

Der General schmunzelte unmerklich. „Eben wegen dieser Reaktion habe ich Sie etwas früher zu mir gebeten. Mir ist klar, dass es nicht ganz leicht sein wird, sich unter das Kommando dieses jungen Majors zu stellen. Laut seiner ehemals höchsten Vorgesetzten, die große Stücke auf ihn hält, besitzt dieser junge Mann jedoch herausragende Anlagen. Ich vermute das gilt auch für seinen ersten Offizier. Als General Mbena die beiden Offiziere offiziell meiner Obhut übergab, da hatte ich den Eindruck, dass ihr dieser Entschluss in der Seele weh getan hat. Ich selbst hatte bereits persönlich mit dem Major zu tun und kann Ihnen versichern, dass er anders ist, als die meisten Offiziere seines Alters.“

Hinter der Stirn der blonden Frau arbeitete es und man konnte an ihrem Blick, den sie dem General zuwarf, deutlich erkennen, dass ihr seine Eröffnung gar nicht behagte. Andererseits war sie Profi und so beschloss sie abzuwarten und sich diese beiden Jungoffiziere erst einmal genau anzusehen.

„Da wäre aber noch etwas Anderes“, wurden die Gedankengängen der blonden Frau von ihrem Vorgesetzten unterbrochen. Aufmerksam sah sie in die dunklen Augen des Generalmajors und beugte ihren Oberkörper etwas nach vorne.

„Sie haben sich in der Vergangenheit bewährt und im Dienst stets Alles gegeben. Ich bin davon überzeugt, dass Sie die Richtige sind, um eine neue, eigene Raumlandeeinheit zu kommandieren. Darum werde ich Ihnen eine halbe Kompanie bestehend aus den besten Raumlandesoldaten der Fünfhundertersten unterstellen. Sobald Sie aus diesem Einsatz zurückgekehrt sind, werde ich diese Einheit offiziell der NOVA SOLARIS zuteilen und in die Fünfhundertsechste Raumlandeeinheit umbenennen.“

Diese Eröffnung kam unerwartet für Diana Spencer. Sie hatte sich insgeheim immer ein solches Kommando gewünscht. Sie wusste nur nicht, ob eine permanente Stationierung auf der NOVA SOLARIS ebenso wünschenswert war.

Noch während sie Traren zu nickte wurde sie abgelenkt, als die Ordonanz des Generals die Ankunft der beiden Offiziere ankündigte, von denen er eben noch geredet hatte.

Der Generalmajor erhob sich und Hauptmann Spencer tat es ihm nach, als sich das Schott öffnete ein junger, gut aussehender Mann und eine rothaarige Frau das Büro betraten.

Diana Spencer stellte bei einer ersten, kurzen Musterung der beiden fest, dass der Mann, mit den Insignien eines Majors am Kragen der schwarzen Uniform, etwa eine Handbreit höher gewachsen war, als sie. Seine Begleiterin trug die gleichen Insignien wie sie selbst und sie war annähernd ebenso groß, wie der junge, dunkelblonde Major.

Die beiden Offiziere grüßen vorbildlich und der Major meldete sich und seine Begleiterin bei Traren, so wie es militärisch Gepflogenheit war.

Vom Feuer geküsst, schoss es Diana Spencer beim Anblick der jungen Frau durch den Sinn, als Traren den Gruß erwiderte und auf die beiden Neuankömmlinge deutete.

„Diana, das sind Major Dean Everett Corvin und Hauptmann Irina Hayes, der Kommandant und der Erste Offizier der NOVA SOLARIS“, erklärte Arolic Traren, bevor er sich an die beiden Offiziere des Kreuzers wandte. „Und dies ist Hauptmann Diana Elodie Spencer, Angehörige der Fünfhundertersten Raumlandeeinheit.“

Sie erwiesen sich gegenseitig durch ein weiteres Grüßen den üblichen Respekt unter Soldaten und reichten sich anschließend die Hände. Dabei hielt Diana Spencer die Hand der Rothaarigen etwas länger fest, als es gemeinhin üblich war und ließ erst los, als sie fragend von Irina Hayes angesehen wurde.

Traren schien davon nichts bemerkt zu haben. Er deutete auf die Sitzgelegenheiten und sagte zwanglos: „Bitte nehmen Sie doch Platz.“

Sie setzten sich. Diana Spencer spürte die innere Anspannung der beiden jungen Offiziere ganz deutlich, und sie schmunzelte unmerklich. Dabei dachte sie, irgendwie zufrieden: Für eine gewisse, innere Gelassenheit, im Umgang mit eurem hochrangigen Vorgesetzten fehlen euch zwei wohl noch ein paar Jahre. Da ist es, allein mit einem Rang, der euch beiden noch nicht zukommen dürfte, offensichtlich nicht getan.

Arolic Traren warf der Raumlandesoldatin einen fragenden Blick zu, als sie in Gedanken zu lächeln begann und schnell mahnte sich die Frau innerlich zur Ordnung.

Sich zu Corvin wendend, erkundigte sich der Generalmajor: „Wie weit sind die Vorbereitungen an Bord der NOVA SOLARIS, Dean? Sind Schiff und Besatzung so weit, um mit der letzten Phase der Vorbereitungen zu beginnen?“

Etwas weniger befangen, als zum Zeitpunkt seiner Ankunft in diesem Büro, erwiderte der athletische junge Mann: „Ja, Generalmajor Traren. Die Besatzung ist darüber informiert, dass das angekündigte Raumlande-Kontingent an Bord kommt. Die Quartiere wurden vorbereitet und sind bezugsbereit. Darüber hinaus habe ich mit den Führungsoffizieren meines Kreuzers bereits mehrere Übungsszenarien durchgesprochen, die wir, im Verbund mit den Raumlandesoldaten, trainieren wollen.“

Nach seinem letzten Satz wandte sich Dean Corvin zu Diana Spencer. „Natürlich möchte ich dabei zuvor gerne Ihre Meinung zu diesen Szenarien hören, Hauptmann Spencer. Sie kennen sich in der Raumlandetaktik sicherlich länger und besser aus, und Sie werden mir sagen können, welche Szenarien sinnvoll sind, und welche eventuell weniger sinnvoll. Mir ist wichtig, dass wir uns, in dieser Hinsicht, gut abstimmen.“

Diana Spencer fuhr sich mit der Hand durch das Haar und gewann so einen Moment, um ihre gelinde Überraschung zu überwinden. Nach den Worten des Generals hatte sie mit einem jungen Überflieger gerechnet, und das schien sich nun als falsch zu erweisen.

„Sie haben Recht, Major Corvin. Ich halte eine enge Zusammenarbeit zwischen Besatzung und Raumlandetruppe ebenfalls für unabdingbar, um erfolgreich gegen den Feind zu operieren. Wie auch immer der Einsatz nun aussehen wird.“

Ihre letzten Worte waren indirekt an Arolic Traren gerichtet.

Der Generalmajor runzelte leicht die Stirn, erlaubte sich dabei aber gleichzeitig ein beinahe jungenhaftes Grinsen. „Nun, Diana, Sie kommen schnell auf den Punkt. Dann werde ich mal Ihre Neugier befriedigen, bevor sie überkocht. Es ist ein Einsatz geplant, bei dem die NOVA SOLARIS in das Sol-System eindringt. Der Experimentalkreuzer wird bis nach Eris vorstoßen. Dort gibt es einen Außenposten der Terranischen Flotte, der mittlerweile von der Konföderation Deneb kontrolliert werden dürfte. Seine Besatzung beträgt maximal zwanzig Personen und die Konföderierten werden diesen Posten kaum personell aufgestockt haben, da es dort keine nennenswerten Abwehranlagen gibt. Noch etwas anderes, das einen solchen Aufwand rechtfertigen würde. Für uns interessant hingegen ist, dass dieser Posten, sofern er in Betrieb ist, einmal die Woche von einem Transporter angeflogen wird. Er versorgt die kleine Basis mit dem nötigen Nachschub und nimmt gleichzeitig die Protokolle der beiden polaren Ortungs-Phalanxen an Bord, um sie zum Mars zu bringen. Diese Phalanxen besitzen, wegen der Störungen durch die erzhaltigen Schichten der Oberfläche von Eris jedoch einen toten Winkel, rund um den Äquator des Planeten, der sich erst zehntausend Kilometer von der Oberfläche entfernt lückenlos schließt. Es kommt also darauf an, mit der NOVA SOLARIS innerhalb dieser Zone aus dem Hyperraum zu fallen, und dann einen tangentiales Bremsmanöver durchzuführen. Sobald dies funktioniert hat, wird sich der Kreuzer im Tiefflug der Basis nähern und in einem Krater landen, der sich rund zehn Kilometer von der Basis entfernt befindet. Die Ablagerungen von verschiedenen Erzen in dieser Gegend sind ideal um den Anflug zu tarnen. Von dort aus wird dann ein Kommandotrupp die Basis stürmen und die Besatzung ausschalten. Ziel der Operation ist es dann, dort auf einen der Transporter zu warten, und ihn ebenfalls zu kapern, um mit ihm unbemerkt bis zum Mars vorzustoßen und von dort aus weiter zu den Luna-Werften. Dort werden wir, laut Major Corvin, am ehesten die Möglichkeit haben, einen der Störsender zu erbeuten, die von der Konföderation Deneb eingesetzt wurden, beim Angriff auf das System. Vorher ist an einen wirkungsvollen Gegenschlag gar nicht zu denken. Die NOVA SOLARIS ihrerseits würde, selbst wenn wir die Markierungen der Konföderation anbringen würden, niemals unbemerkt bis dorthin gelangen. Die Energiesignaturen der Imperialen Raumschiffe sind leider unverkennbar und sie erfolgreich zu ändern würde uns Zeit kosten, die wir nicht haben.“

Diana Spencers Augen hatten sich immer mehr geweitet, je weiter sich der Plan vor ihren Augen ausbreitete. Sie ließ einige Sekunden verstreichen, bevor sie sich von dem Generalmajor abwandte und sich bei Dean Corvin erkundigte: „Wie hoch schätzen Sie die Chance ein, dass sie den wahnwitzigen Anflug auf Eris hin bekommen, von dem Generalmajor Traren eben gesprochen hat?“

„Etwas besser als fünfzig Prozent“, antwortete Corvin ehrlich.

„Was passiert bestenfalls?“

Es war Irina Hayes, die auf diese Frage antwortete. „Bestenfalls funktioniert der Anflug, wie geplant, auch wenn ein so nahes Herantasten an einen Planeten, im Hyperraum, die strukturelle Integrität des Kreuzer ziemlich auf die Probe stellen wird.“

Diana Spencer sah unbeirrt in die blauen Augen der rothaarigen Frau, die in ihren Augen, zumindest äußerlich, immer noch mehr einem Mädchen glich. „Und was passiert im schlimmsten vorstellbaren Fall?“

„Der Kreuzer wird, falls wir uns verrechnen und zu nah am Planeten aus dem Hyperraum fallen, von den gewaltigen Scherkräften zerrissen. Sollte dies wider Erwarten nicht geschehen, so werden wir uns, zusammen mit dem Leichten Kreuzer, unangespitzt in die Oberfläche des Planeten rammen. Mit etwas Glück bekommen wir die anschließende Explosion, die den Kreuzer zerreißen wird, nicht mehr mit.“

Diana Spencer sah Irina Hayes fassungslos an, ob der Ruhe, mit der sie über diese fatale Möglichkeit gesprochen hatte, und sarkastisch meinte sie: „Wenn Sie das Glück nennen dann will ich gar nicht wissen, was Sie als Pech bezeichnen würden.“

Es war Dean Corvin, der ruhig betonte: „Hauptmann Spencer, die NOVA SOLARIS ist das beste, jemals gebaute, Kriegsschiff. Mit anderen Worten, dieser Kahn hält etwas aus, und er ist sehr schnell zu beschleunigen. Zudem besitzt er zwei zusätzliche Komponenten, von denen besonders eine den, eben von General Traren erklärten, Einsatz überhaupt erst möglich macht. Die NOVA SOLARIS besitzt eine besondere Verbundpanzerung, die mit einem der beiden erwähnten Aggregate gekoppelt ist. Sie ist quasi in der Lage, die Farbe zu verändern und kann den Kreuzer somit gegen eine optische Entdeckung schützen. Allerdings funktioniert das nur bei abgeschaltetem Antrieb und bei deaktivierten Dual-Schilden. Der Kreuzer wird also nach der Landung auf Eris, optisch so gut wie nicht auszumachen sein. Mit einem anderen Kreuzer würde ich diesen Einsatz jedenfalls nicht versuchen. Außerdem habe ich selbst nicht vor, in naher Zukunft zu sterben. Meine Crew wird das schaffen.“

Diana Spencer bedachte den jungen Offizier mit einem langen Blick, bevor sie, das Thema wechselnd, fragte: „Welche Art von gemeinsamen Trainingsszenarien mit meinen Leuten schwebt Ihnen nun genau vor, Major Corvin?“

Dean Corvin, der seine anfängliche Befangenheit nun gänzlich abgelegt hatte, erwiderte den fragenden Blick der Raumlandesoldatin und führte aus: „Nun, ich dachte da an mehrere schnelle Annäherungsmanöver an einen der kleineren Planeten in diesem Sternensystem. Der äußerste Planet dieses Systems ähnelt in seinem Aufbau Eris sehr. Den Ausstieg aus dem Kreuzer, mit und ohne direkte Landung auf der Oberfläche, sollten wir so lange üben, bis sowohl Sie und Ihr Team, als auch meine Crew, dies im Schlaf beherrschen. Dabei ist mir persönlich wichtig, dass insbesondere die Kommunikation zwischen Landekommando und Schiffscrew reibungslos und unmissverständlich funktioniert. Darüber hinaus würde ich gerne selbst, während der Hälfte der Trainingszeit, gemeinsam mit Ihrer Einheit trainieren. Der Grund dafür ist, dass einer den Transporter fliegen wird, der uns zum Mars bringen soll, und das werde dann ich sein. Sobald wir auf Luna sind, werden wir nämlich darauf vorbereitet sein müssen, notfalls auch ein Kriegsschiff der Konföderation zu kapern um von dort heil wieder zu verschwinden, oder falls sich herausstellt, dass das die einzige Möglichkeit ist, an einen der Störsender zu gelangen. Neben den beiden Piloten meines Kreuzers bin ich einer derer, an Bord der NOVA SOLARIS, der im Notfall einen Kampfkreuzer zu steuern vermag Zudem kenne ich mich etwas aus auf der Luna-Werft, um die es bei dem Einsatz gehen wird. Der Proband für die zweite Woche ist mein Kommunikationsoffizier, Leutnant Moana Adamina. Sie gehörte bis vor Kurzem zu den Terranischen Kommandotruppen. Wie wir genau dieses Training aufbauen, das besprechen wir dann aber, wie bereits gesagt, am besten gemeinsam, an Bord des Kreuzers. Wann sind Sie und ihre Leute bereit an Bord zu kommen?“

Arolic Traren, der sich bewusst in den letzten Minuten zurückgenommen und nur beobachtet hatte, antwortete an Stelle der Frau. „Hauptmann Spencer wird, gemeinsam mit ihrem Team, heute Abend um 24:30 an Bord kommen. Zuvor gibt es noch einige letzte Vorbereitungen zu treffen.“

Dean Corvin lächelte verbindlich und wandte sich zu Diana Spencer. „Ich werde für diesen Zeitpunkt einen kleinen Empfang für Sie und ihre Offiziere vorbereiten lassen. Damit sich unsere Führungsoffiziere schon mal etwas miteinander bekanntmachen können.“

Arolic Traren machte ein zufriedenes Gesicht und sah in die Runde. „Wie ich sehe, werden Sie miteinander klarkommen. Wenn es sonst keine Fragen geben sollte, so können Sie wegtreten. Diana, meine Ordonanz wird Sie heute Nachmittag, bezüglich des Ihnen zugeteilten Teams, noch einmal kontaktieren und Ihnen den Zeitpunkt nennen, zu dem ich Sie nochmal bei mir, zu einem abschließenden Gespräch, erwarte.“

„Verstanden, General!“

Der Generalmajor gab den drei Offizieren Gelegenheit, sich vor ihm zu erheben. Nachdem sie sich abgemeldet hatten verließen sie hintereinander sein Büro.

Auf dem Gang begab sich Diana Spencer an die Seite von Irina Hayes und legte ihre Hand kurz auf den linken Oberarm der hochgewachsenen jungen Frau: „Haben Sie einen Moment für mich, Hauptmann Hayes?“

Dean Corvin, der die Frage mitbekam, sah zu Irina Hayes und meinte: „Wir sehen uns um 15:00 Uhr Lokalzeit an Bord.“

Die Rothaarige machte eine zustimmende Handbewegung und sah ihm nach, wie er davon schritt, bevor sie sich Diana Spencer zuwandte. „Worum geht es?“

Die blonde Frau deutete den Gang hinunter. „Ich wollte Ihnen ein paar Fragen stellen, die den General nicht unbedingt interessiert hätten. Gehen wir dabei ein Stück.“

Die beiden unterschiedlichen Frauen schritten den Gang entlang, und Diana Spencer sah ihre Begleiterin von der Seite an. „Mich würde interessieren, ob es der General war, der den Plan, auf Eris zu landen, ausgebrütet hat, oder der Major.“

Das Schmunzeln der rothaarigen Frau verwirrte Diana Spencer etwas, bis diese erklärte: „Weder noch. Der Plan ist mir eingefallen, und glauben Sie mir – Dean, ich meine der Major, hat ebenso geschaut, wie Sie vorhin, bei der Besprechung. Der Generalmajor hat es zwar besser versteckt, doch auch seine Reaktion fiel ganz ähnlich aus.“

„Ich verstehe. Dann sind Sie also der Wahnsinnsmensch, und nicht der Major.“

„Knapp vorbei“, grinste Irina Hayes. „Normalerweise ist tatsächlich er es, der sich die wahnsinnigen Pläne ausdenkt. Ich wollte ihm nur nicht länger nachstehen, darum habe ich mich auch einmal daran versucht. Vielleicht färbt aber auch nur seine Art auf mich ab.“

Die Rothaarige beobachtete die Reaktion der älteren Frau und sagte dann ernsthaft: „Der Major und ich haben sehr intensiv darüber diskutiert und danach die übrigen Führungsoffiziere der NOVA mit einbezogen, bevor wir dem Generalmajor diesen Vorschlag unterbreiteten. Hätte ich Dean Corvin nicht bereits im Einsatz erlebt, dann hätte ich vermutlich dieselben Bedenken, wie Sie, Hauptmann Spencer. Doch seit der Flucht von Luna, an Bord der NOVA, und im Anschluss aus dem Sonnensystem, und dem späteren Kampfeinsatz bei Delta-Cephei, vertraue ich ihm bedingungslos. Was er über die Fähigkeiten unseres Kreuzers sagte, das entspricht der Wahrheit. Die NOVA kann diesen Einsatz überstehen, Hauptmann Spencer. Eher, als jedes andere Kriegsschiff seiner Klasse.“

Diana Spencer spürte die unmerkliche Veränderung, die mit Irina Hayes vor sich ging, als sie ihren Blick auf sie richtete, und beruhigend meinte sie: „Ich wollte die militärischen Fähigkeiten des Majors nicht in Frage stellen, und auch die Ihren nicht. Dazu kenne ich Sie und den Major viel zu wenig.“

„Aber Sie halten uns beide für viel zu jung, um unsere Posten adäquat auszufüllen“, erwiderte Irina Hayes ohne sich darum zu bemühen diplomatisch zu sein. „Wissen Sie, mir selbst ging es zu Beginn ebenso, und bis zu einem gewissen Punkt haben Sie sogar Recht. Ich war absolut nicht darauf vorbereitet, meine Heimat hinter mir zu lassen und vor brutalen Eroberern aus dem Sonnensystem zu fliehen. So, wie ich nicht darauf vorbereitet war, an Bord dieses Experimentalkreuzers in einen Krieg zu ziehen, den ich noch vor wenigen Jahren für völlig absurd und unmöglich hielt. Oder darauf, Kameraden sterben zu sehen. Doch das alles haben wir erlebt – der Major und ich - und wir werden nicht die Einzigen bleiben, die für diesen Wahnsinn viel zu jung sind.“

Diana Spencer hatte Mühe, dem Blick der jüngeren Frau stand zu halten, deren Gesicht plötzlich so viel härter und entschlossener wirkte, als noch vor einem Augenblick. Nach einem kurzen Moment gab sie zu: „Sie haben ganz Recht, Hauptmann Hayes. Das habe ich vorhin wirklich gedacht. Vielleicht lag ich damit falsch. Es tut mir leid, wenn ich Sie damit beleidigt haben sollte.“

„Schon vergessen“, gab Irina Hayes zurück und lächelte schwach. „An Ihrer Stelle hätte ich vielleicht genauso gedacht.“

Diana Elodie Spencer schluckte und wechselte schnell das Thema. „Sie und der Major scheinen sich sehr gut zu verstehen? Zumindest nach dem, was ich beobachten konnte. Habe ich das richtig mitbekommen, dass Sie beide sich duzen?“

„Nur wenn wir unter uns sind“, wehrte Irina Hayes schnell ab. „Abseits dieser Ausnahme lassen wir beide so etwas nicht zu. Und nein, wir sind kein Paar, noch waren wir je eins. Wir sind lediglich gute Freunde und Kameraden. Nur um jede mögliche Quelle für wilde Spekulationen im Keim zu ersticken.“

„Na, dann wäre das ja auch geklärt“, gab Diana Spencer ironisch zurück. „Ich kann mir schon vorstellen, dass das, was Sie gemeinsam erlebt haben, sehr verbindet.“

„Das, und seine Art zu tanzen“, erwiderte Irina Hayes und amüsierte sich über den Blick der blonden Frau. „Das erkläre ich Ihnen vielleicht besser ein anderes Mal. Vielleicht heute Abend beim Empfang auf der NOVA. Sie entschuldigen mich nun, bitte, Hauptmann Spencer, ich habe noch einige Vorbereitungen zu treffen. Wir sehen uns dann.“

Damit schritt Irina Hayes schneller aus.

Diana Spencer, die ihr langsamer folgte, sah ihr sinnend nach, wobei ihr erst nach einer Weile auffiel, dass sie viel zu lange auf den knackigen Po der jungen Frau starrte. Sich innerlich zur Ordnung rufend dachte sie: Glückliche Jugend. Ich frage mich, wie lange sie noch in der Lage sein wird, Ärgernisse so schnell abzustreifen.
 

* * *
 

Am späten Nachmittag saßen Dean Corvin und Irina Hayes im Quartier des Kanadiers und unterhielten sich, bei einem Kaffee über das Gespräch bei Generalmajor Arolic Traren, an diesem Morgen.

Corvin, der seinen Kaffee schwarz trank, nahm vorsichtig einen Schluck von dem heißen Getränk, wobei er seine Kameradin über den Rand der Tasse hinweg neugierig ansah, bevor er die Tasse auf dem Tisch absetzte und fragte: „Worüber hat sich Diana Spencer eigentlich mit dir unterhalten, Irina? Ich hatte vorhin das Gefühl, als wärst du danach etwas aufgewühlt gewesen.“

Die junge Frau rührte abwesend mit dem Löffel in ihrem Milchkaffee und schien durch Dean Corvin hindurch zu sehen. Erst nach einer Weile sah sie Corvin in die Augen und erklärte: „Ich war weniger aufgewühlt, als rechtschaffen sauer. Na ja, diese Frau hat mehr oder weniger durchblicken lassen, dass sie uns für zu jung in unseren Rängen hält.“

„Aber das sind wir doch auch“, gab Corvin trocken zurück. „Das wissen wir beide aber, nicht wahr? Wo liegt denn da das eigentliche Problem?“

„Das Problem ist, dass sie uns offensichtlich für inkompetent hält!“, platzte Irina Hayes wütend heraus. „Was bildet sich diese alte Zicke überhaupt ein?“

Dean Corvin blieb ruhig in seinem Sessel sitzen, was Irina noch mehr in Fahrt brachte. Erneut einen Schluck von seinem Kaffee nehmend fragte er: „Hat sie das genau so formuliert, oder interpretierst du das lediglich in ihre Worte hinein?“

Irina Hayes funkelte Corvin aufgebracht an, umso mehr, da sie nicht wirklich mit Sicherheit behaupten konnte, dass sie es tatsächlich so gemeint hatte. Schließlich schnaubte sie: „Auf wessen Seite stehst du eigentlich?“

Der Major seufzte leise. „Was soll denn nun diese Frage, Irina? Ich habe dir nur eine simple Frage gestellt. Doch deine Reaktion darauf lässt tief blicken. Also was ist nun? Hat sie, oder hat sie nicht?“

„Sie hat nicht!“, fauchte Irina. „Aber das heißt nichts.“

Dean Corvin beugte sich im Sessel nach vorne, legte die Ellenbogen auf die Oberschenkel und faltete seine Hände. Dabei sah er die Kameradin von unten herauf an und fragte eindringlich: „Jetzt mal ernsthaft, Irina, was ist wirklich los.“

Die Rothaarige wich seinem forschenden Blick aus und trank von ihrem Kaffee. Tief durchatmend sah sie schließlich zu Dean und Tränen glitzerten in ihren Augen, als sie leise antwortete. „Es ist… Sie ist… Dean, als ich gestern die neuesten Verlustlisten durchgegangen bin, die General Mbena der Allianz geschickt hat, da fand ich den Namen meiner Freundin darauf wieder. Ich hatte das bereits vor Monaten befürchtet, doch es zu wissen ist entsetzlich. Diese Diana Spencer… Sie ähnelt ihr. Sehr sogar.“

Corvin nickte ernst und fragte vorsichtig: „Wie gute Freundinnen wart ihr denn?“

Tränen rannen über Irinas Wangen. „Du verstehst nicht, Dean. Sie war nicht einfach eine Freundin. Sie war viel mehr für mich. Die Freundin eben.“

„So etwas, wie eine Schwester?“

Irina Hayes sprang fast aus dem Sessel. Sich die Tränen von den Wangen wischend fuhr sie den Kameraden an: „Verrate mir mal was, Dean. Gehen bei dir neuerdings nur noch die falschen Lampen an?“

Sie wandte sich ab und schlug die Hände vor das Gesicht, und erst jetzt dämmerte Corvin, was ihm Irina hatte sagen wollen. Er erhob sich und schritt langsam zu ihr. Wortlos drehte er die Frau an den Schultern zu sich herum und nahm sie in den Arm, wobei er leise sagte: „Tut mir leid, dass ich zu blöd war um zu verstehen worum es geht, Irina. Warum hast du vorher denn nie mit mir darüber gesprochen?“

Die junge Frau antwortete nicht sondern gab ihrem Schmerz nach, was Corvin nur allzu gut verstand. Dabei verwünschte er, nicht schneller erkannt zu haben, dass Irina und diese Freundin, von der sie erzählt hatte, sich offensichtlich geliebt hatten. Die Fragen, die ihm in diesem Moment durch seinen Kopf gingen unterdrückte er dabei, denn dafür war momentan ganz bestimmt nicht der richtige Zeitpunkt. Später vielleicht.

Corvin wartete eine ganze Weile, während der er Irina einfach nur in seinen Armen hielt, bevor er leise sagte: „Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst, aber falls du jetzt lieber allein sein willst, dann...“

„Nein“, schniefte die junge Frau leise. „Ich bin froh, dass ich nicht allein bin, und dass ich mit dir darüber reden kann, Dean. Es tut nur so weh.“

Dean Corvin streichelte sacht über ihr Haar. So, wie er es einmal bei der Schwester seines besten Freundes gemacht hatte, als sie noch Kinder gewesen waren. Damals hatte sich Famke beim Spielen fürchterlich weh getan, und niemand sonst war in der Nähe gewesen. Und so, wie heute, hatte es ihm damals fast das Herz zerrissen. Famke war, nach dem Tod seiner Eltern, fast so etwas wie eine Schwester für ihn geworden. Eine Schwester, die er nie gehabt hatte. Ganz ähnlich empfand er für Irina, seit einiger Zeit bereits. Doch von diesen geschwisterlichen Gefühlen für sie ahnte die junge Frau nichts. Irgendwann würde er mit ihr über all das reden. Doch ganz bestimmt nicht jetzt.

Erleichtert stellte Dean Corvin nach geraumer Weile fest, dass sich Irina langsam wieder beruhigte. Ihr Griff, mit dem sie ihn umklammert hielt lockerte sich und schließlich nahm sie ihre Wange von seiner und wischte sich die Tränen fort.

„Ich bin froh, dass wir uns so toll verstehen, Dean.“

Corvin, der die Kameradin langsam los ließ, lächelte aufmunternd. „Ja, ich auch, obwohl bei mir nur noch die falschen Lampen angehen. Geht es wieder einigermaßen?“

Irina Hayes nickte tapfer und gab ihm, ob seiner letzten Bemerkung einen Schlag mit der flachen Hand gegen die Brust. „Ja, das Ganze musste einfach erst einmal raus. Es wird dauern, bis ich wirklich darüber hinweg bin, doch ich werde es schaffen. Du musst dir deswegen keine Sorgen machen, Dean. In zwei Wochen werde ich voll da sein.“

„Das weiß ich“, erwiderte Corvin überzeugt. „Bis dahin werden wir uns aber, am besten nach den jeweiligen Trainingseinheiten, für mindestens eine Stunde zusammensetzen und über Gefühle reden. Du über deine und ich über meine, okay?“

Irina Hayes nickte dankbar. „Okay, Dean.“

Dean Corvin schluckte und atmete befreit auf. „So, und jetzt versprichst du mir noch, dass es mit dieser Diana Spencer keinerlei Probleme geben wird.“

„Du bist aber auch mit nichts zufrieden spöttelte Irina und nickte dabei seufzend. „Also schön, ich werde ihr eine faire Chance geben.“

Corvin machte eine ausladende Geste mit den Armen. „Mehr will ich doch gar nicht.“

Ihr Kerle seid ja so leicht zufriedenzustellen“, seufzte Irina Hayes ironisch und war innerlich froh darüber, allmählich wieder zurück in die Spur zu finden. Daran hatte Dean seinen Anteil und sie nahm sich fest vor, ihn nicht zu enttäuschen. Darum würde sie Wort halten, und dieser Diana Spencer beim nächsten Mal unvoreingenommen begegnen. Vielleicht war sie ja doch gar nicht so übel.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück