Zyklon von ShindaHotaru ================================================================================ Kapitel 5: Sommergewitter ------------------------- Während einer üblichen Jagd, auf dem üblichen Weg, mit dem üblichen Gestänker, machten sie eine unübliche Entdeckung. Unüblich, aber umso mehr willkommen. Wie üblich war die Jagd ein Wettbewerb zwischen den beiden, der niemals nicht in einem Unentschieden endete. Es machte keinen Unterschied mehr; das Vergnügen und die Genugtuung, die es einst brachte, erreichte ihren Stolz ohnehin nicht mehr. Um der Situation aus unangenehmen Schweigen und Anspannung zu entkommen, erledigten sie die Jagd so schnell wie möglich. Doch der Winter machte es viel schwerer, wilden Tieren zu begegnen und an jenem Tag schienen sie alle verschwunden. Der Regen hatte glücklicherweise aufgehört, dennoch würde der Wald noch seine Zeit brauchen, sich von ihm zu erholen. Ganze Flächen aus Moos und Gräsern waren durchnässt, der Pfad war eine einzige Masse aus kaltem, nassen Schlamm. Hatten sie nicht Glück, angemessene Kleidung zu besitzen? Mit weniger Glück schien die kleine Kreatur ein paar Meter vor ihnen gesegnet zu sein. Versunken im sanften grünen Boden, den Kopf gesenkt, war es die bildliche Darstellung von Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit. Es weckte Sympathie in ihnen, dieser Anblick, aber vor allem das Gefühl der Vertrautheit. Und die Einsicht traf sie beide gleichzeitig, auf ihre eigene Art. „Chopper!“, rief einer von ihnen und näherte sich ohne zu zögern dem jüngeren Kameraden. Er kniete sich neben ihn, seine Stiefel sanken in das durchtränkte Moos, aber was kümmerte es ihn? Sie hatten so lange nach ihren Kameraden gesucht, endlich hatten sie einen von ihnen gefunden. Seine Stimme klang unerwartet gefühlvoll, emotionaler als gewöhnlich; der Moment erschwerte sein Gemüt. „Chopper?“ Die kleine Kreatur drehte seinen Kopf zu ihm, so erschöpft, so müde, so taub, und sein Gesundheitszustand deutlich ins Gesicht geschrieben. Ein paar Augenblicke waren nötig, bis es verstand und heiser flüsterte: „Zorro?“ ————— Ruffy blieb stehen, ein weiteres Mal. „Ich denke nicht, dass sie dich rausschmeißen, wenn du mal einen Tag freimachst. Wenn's dir nicht gut geht, solltest du nicht zum Arbeiten zwingen.“ Drei Schritte vor ihm, verlangsamte Robin ihr Tempo und verstärkte ihren Griff um den Taschengurt in ihrer Faust. „Mir geht es gut. Und würdest du bitte weitergehen? Meine Schicht beginnt gleich und wir haben noch einiges an Weg vor uns.“ „Na gut“, grummelte Ruffy, beschleunigte seine Schritte und ohne sie eines Blickes zu würdigen, ging an Robin vorbei. Nun begleitete sie schwere, dichte Stille, die zwischen ihnen schwebte, wie Nebel, der es so viel schwieriger machte, die Gegenwart des anderen zu spüren. Meinungsverschiedenheiten wie diese waren nicht selten, aber sie waren neu. Vielleicht durch die plötzliche und unerwartete Intimität, die sie nun in der kleinen Wohnung teilten, die ihnen so wenig für sie selbst ließ. Diese Nähe war ihnen beiden bisher fremd, Ruffy hatte sich niemals zuvor mit einem Mädchen in solch einer Situation befunden, geschweigedenn mit einer älteren Frau. Leben auf einem Schiff mit Anderen in weiter Freiheit war ein ziemlicher Kontrast zum Leben in dem winzigen Apartment mit nur einer Person; gefangen in einer Routine, in die sich niemand von ihnen einfinden konnte. Er hatte Seiten von Robin gesehen, an die er bisher nicht einen Gedanken verschwendet hatte. Gute Seiten, die einen seltsamen Nachgeschmack hinterließen, schlechte Seiten, die die Ränder seiner Sichtweise auf sie verschwimmen ließen. Ruffy mochte Robin sehr, trotz allem. Aber ihre Freundschaft könnte niemals wieder dieselbe sein. Und das war manchmal eine unangenehme Vorstellung. Zwei Minuten vor Beginn von Robins Schicht, erreichen sie den Mitarbeitereingang der Bibliothek. Es war keine große Einrichtung, aber es bot eine angemessene Sammlung für diesen Teil der Stadt. Ruffy hatte Robin schon mehrmals begleitet und ihre sehr freundlichen, offenen Kollegen hatten sich bislang nicht über seine Besuche durch den Hintereingang beschwert. Ihre Begrüßungen waren immer so warm und herzlich, dass er sich manchmal schlecht fühlte, nicht so oft vorbei zu kommen, wie er es versprochen hatte. „Hallo, Ruffy! Lang nicht gesehen!“ Ein Mädchen mit petrolfarbenem Haar, ungefähr sein Alter, begrüßte ihn mit einem großen Lächeln und übernahm die Situation, die Robin an der Türschwelle fallen gelassen hatte. „Bist du wieder da, um unsere Kekse zu stehlen?“ Sie hatte ihre Art, ihm zu schmeicheln. „Ich wollte etwas Recherche betreiben... warte, was meinst du? Ich hab sie nicht gestohlen!“ Er hatte alle gegessen, das war allseits bekannt. „Du hast gesagt, ich kann sie alle essen und sie waren so lecker!“ „Danke“, lächelte sie und streckte ihm die Zunge raus. Ihr Charakter strahlte wieder einmal zu hell für seine Augen, und seine Wahrnehmung. „Ich hätte ja wieder welche mitgebracht, hätte ich gewusst, dass du uns mit deiner Anwesenheit beglückst – wie du es so oft angekündigt hast.“ Verschleiert von vorgetäuschter Akzeptanz hörte man ihre Enttäuschung deutlich. Ruffy ließ seine Schultern fallen und setzte sich neben sie, was auch immer ihrer Meinung so viel Gewicht verlieh, was immer sie so bedeutsam machte: Er konnte es nicht abschütteln. Stattdessen befeuerte es nur wieder einen hastigen Versuch, den Schaden, den er angerichtet hatte, zu beheben. „Tut mir leid, Dera. Wirklich! Ich war so beschäftigt mit’m Schreiben in letzter Zeit und ich wollte nicht hier rumhängen, während ihr alle am Arbeiten seid. Es war–“ Dera kicherte: „Hör schon auf, okay? Es ist nicht nötig, dass du dich rechtfertigst, ich habe mir schon gedacht, dass du deine Gründe hast. Und die hattest du.“ Ein Schmunzeln breitete sich auf Ruffys Gesicht aus, dabei verteilte sich ein warmwohliges Gefühl in seiner Brust. Er hoffte, dass es sich nicht zeigte, was es nicht tat, aber es hallte in seinen Worten wider. „Trotzdem... kann ich es irgendwie wieder gut machen? Wir könnten nach deiner Schicht zusammen abhängen und irgendwo was essen oder... Sachen machen.“ „Wir könnten“, lächelte sie leicht verschmitzt, „...Sachen machen.“ Ruffy konnte sich ein Augenrollen nicht verkneifen. „Du Idiot! Ich weiß einfach nicht, was du so machst oder was du machen willst? Ich hab’s nicht so gemeint!“ „Weiß ich doch!“, lachte Dera. Nach einem kurzen Moment des Schweigens und einem Schluck Kaffee, machte sie einen Vorschlag: „Hast du von diesem seltsamen Fund in Hitchwick gehört? Ich würd’ mir das gern mal ansehen. Vielleicht willst du ja mit?“ Was für ein Zufall! „Auf jeden Fall!“ Ruffy strahlte sie förmlich voller Begeisterung an; wieder einmal hatte sie ihn mit ihren gemeinsamen Interessen nicht enttäuscht. Aus der Ferne beobachtete Robin das Szenario mit einem Lächeln, und einem Gewicht an ihrem Herzen. △ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)