Zyklon von ShindaHotaru ================================================================================ Kapitel 3: Leichte Winde ------------------------ „Nehmt euch in Acht vor der Bestie!”   Endlich allein am Rande des Waldes drehten sich die zwei Männer zur Weite der Natur, die sich über das unebene Terrain erstreckte. Auf ihren Rücken geschultert, befanden sich Taschen gefüllt mit Ausrüstung, die sie brauchen würden, aber niemals gebrauchten. Das außergewöhnlich schwache Wild in dieser Gegend zu jagen war keine große Anstrengung für keinen der beiden, ob mit oder ohne Waffen. Und sollten sie welche benutzen, dann nur ihre Eigenen.   „Ich frag mich, was diese Bestie sein soll”, grübelte einer von ihnen laut, während sie über die Wurzeln der riesigen Bäume am Waldesrand stiegen. Zwar gab es vorbestimmte Wege für Wanderer und die Anwohner, doch sie bevorzugten das Training.   „Vielleicht du”, antwortete der andere und schritt schneller voran, seine Motivation auf die Reaktion des anderen einzugehen war ihm abhandengekommen. Als allerdings keine sein peripheres Blickfeld störte, drehte er sich zu seinem Kameraden um: „Mach schneller!”   „Kommandier mich nicht herum!”, keifte er zurück und eliminierte den Abstand zwischen ihnen. „Diese Situation macht dich nicht automatisch zum Boss.”   „Doch. Das ist genau meine Aufgabe in der Crew.” Seine Stimme wurde leiser, sanfter, wie immer wenn Erinnerungen hochkamen.   Beide hatten sie die Veränderungen bemerkt; die Erinnerungen, die sie mieden, die Nächte, die sie fürchteten, die Namen, die sie nicht aussprechen konnten. Keiner von ihnen traute sich, diese Erkenntnis gegen den Anderen zu verwenden. Schon immer hatte es Respekt zwischen ihnen gegeben, eins der wenigen Dinge, die der Ozean ihnen nicht nehmen konnte.   Würden sie Schwankungen in der Laune des anderen merken, Dunkelheit in des anderen Augen und Worten, so würden sie ihre Verspottung verstummen lassen. Es war ein Schmerz, den sie schließlich beide in ihrer Brust trugen, und es fühlte sich wie Wasser in ihren Lungen an, das nicht verebbt war. Eine Kraft, die sie abermals versuchte zu ertränken, sie um Fragen zu erleichtern –wie sollte es weitergehen? wo sollten sie hingehen?–, indem sie ihren Geisteszustand verkorkste. Ihre Willenskraft nicht aufzugeben, weiter zu suchen, würde zerbröckeln, würden sie sich nicht aufeinander einlassen.   Diese Last gemeinsam zu tragen, machte sie für beide leichter.   —————   „Aber das kann kein Fake sein!” Ruffy saß am Esstisch, Emotionen brachen aus ihm heraus, die er seit Monaten nicht mehr gespürt hatte.   Robin hatte ihm den Rücken zugewandt, sie war nicht dazu in der Lage, ihm ins Gesicht zu sehen. „Aber ein Zufall. Ich sage lediglich, dass wir unsere Hoffnungen nicht auf dünne Informationen wie diese aufbauen sollten.” Wie sollte sie mit der Schwere seiner Enttäuschung umgehen? Wie sollte sie ihn wieder auffangen, wenn es schon alles von ihr abverlangte, ihn zu halten?   „Dann müssen wir eben mehr herausfinden!” Ruffy wollte standhaft bleiben, doch all seine Überzeugung wurde ihm entrissen, als Robins Schultern sich senkten; sie hatte bereits aufgegeben. „Bitte, willst du nicht auch endlich von hier abhauen?”   Die Stille, die darauf folgte, war nicht das Schlimmste, mit dem Ruffy klarzukommen hatte; es war ihr Schweigen. Von all den Dingen, die sie für sie beide tat, der Mut, den sie jeden Tag aufbrachte, um das Dach über ihren Köpfen, das Essen auf ihren Tellern und den Optimismus in seinem Denken zu behalten, er wusste, dass all das nur ein Mittel für sie war, um sich vor ihrem eigenen Schmerz zu verstecken. Einmal hatte er versucht, es in Worte zu fassen: Sie wirkte wie ein Geist, umhüllt von einem Heiligenschein aus Kummer.   Und wie sehr die Strahlung von diesem Kummer auch ihn ergriff, er würde es ihr niemals sagen können.   Denn sie baute ihr Selbstbild auf der Fürsorge für ihn auf. Eine ihrer Lebenssäulen, damals wie heute, war es, sich um ihn zu kümmern und ihn zu beschützen, hingleich der Konsequenzen und Kosten. Und nicht nur aus Dankbarkeit wollte er sich genauso um sie kümmern.   „Ähm… Ich hab heut’ nichts geschrieben”, gab Ruffy etwas beschämt zu, um die negativen Gefühle zu verscheuchen. Keinen schriftlichen Nachschub zu bringen passierte selten, denn er hatte angefangen es zu genießen, Robin mit Unterhaltung für ihren Feierabend zu versorgen. „Ich weiß einfach nicht, was ich für den Wettbewerb machen könnte. Was ich bisher gemacht habe, ist irgendwie nicht so passend. Ich will mal was Neues versuchen.”   Es wurde wieder still, doch diesmal fühlte sich die Atmosphäre lebhafter an. Nach einem Moment Bedenkzeit, ihrer Körpersprache nach zu urteilen, hob Robin ihren Blick und sah aus dem Fenster. „Wie wäre es mit Fiktion?” Sie drehte sich zu ihm herum, endlich abgewandt von den Pflanzen auf der Fensterbank, gegen die sie lehnte. „Du müsstest dir beibringen, wie man zusammenhängende Plots und authentische Charaktere schreibt. Das braucht seine Zeit, bis man es beherrscht.”   „Das klingt nach einem Haufen Arbeit”, stöhnte Ruffy auf. „Und es sind nur noch drei Wochen bis zur Deadline.”   „Aber was stimmt denn nicht mit deinem jetzigen Schreibstil? Er ist ausbaufähig und anwendbar auf andere Emotionen und Situationen”, fragte sie und setzte sich ihm gegenüber an den Esstisch. Die Tischplatte war kaum groß genug, damit sie beide auf ihr essen konnten. „Anstatt über die Gefühle durch deine Erinnerungen zu schreiben, könntest du über Gefühle schreiben, die du an unproduktiven Tagen hast.”   Ruffy sah sie ungläubig an. „Wer sollte das denn lesen wollen?”   „Das kannst du dir nicht vorstellen”, lächelte Robin amüsiert. „Was besonders wichtig ist, ist, wie du es ausdrückst. Werde nicht zu persönlich, aber auch nicht zu oberflächlich und vage. Lass dich über das Gefühl der Unproduktivität aus und sehr viele Leute werden es auf sich beziehen.”   „Hmmh.” Ruffy versuchte sich vorzustellen, dass sich jemand für die banalen Gefühle einer fremden Person interessieren könnte, aber beließ es schnell dabei, dass Robin sicher recht hatte. „Ich versteh’s nicht.”   „Dann solltest du mich morgen zur Bibliothek begleiten”, lächelte Robin mit einer Begeisterung in der Stimme, die sich Ruffy ebenso schwer vorstellen konnte.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)