Scars from Past von SilverDragonoid ================================================================================ Kapitel 14: Chapter 14 - Bis zum Horizont ----------------------------------------- ,,Und was sollen wir hier?", fragt Levi genervt, als Erwin ihn endlich auffordert, das Pferd zum Stehen zu bringen. Es scheint dem Blonden so wichtig zu sein, dass er unterwegs wohl keine Sekunde mit Erklärungen verlieren wollte. Er ist nur zum Stall geeilt und auf sein Pferd gesprungen, ohne etwas zu sagen. Und Levi fühlte sich verpflichtet, ihm zu folgen. Sie sind geradewegs durch die Stadt geritten und stehen nun vor der Mauer Rose.   Erwin springt von seinem Ross ab und hängt sich die Satteltasche um die Schulter, die voll bepackt scheint, dann bindet er sein Pferd an einem Pfosten an, der für die Tiere der Garnison gedacht ist. Mit hochgezogener Augenbraue tut Levi es ihm gleich. Erwins Augen strahlen wie der Mittagshimmel, was Levi einen ellenlangen Vortrag à la Hanji befürchten lässt.   ,,Du hast jetzt aber nicht vor, alle Titanen der Welt im Alleingang zu töten, oder?", scherzt er grimmig, mit der großen Hoffnung, dass es bei einem Scherz bleibt. Doch Erwin schnaubt nur amüsiert. ,,Ich mach da nicht mit, nur damit du es weißt", macht Levi seinen Standpunkt deutlich. Diesmal lässt Erwin ein Kichern hören. Normalerweise würde Levi diese emotionalen Regungen des Blonden genießen, wenn er im Moment nicht ernsthaft besorgt um dessen Psyche wäre.   Zielstrebig geht Erwin auf einen der Aufzüge zu, die Einen hoch auf die Mauer bringen. Sofort kommt ein Soldat der Mauergarnison angerannt. ,,Was wollen Sie?", fragt er misstrauisch an Erwin gerichtet. Doch dieser ist die Ruhe selbst: ,,Wir wollten auf die Mauer für...", er blickt zu Levi, ehe er weiterspricht, ,,nennen wir es mal eine Lehrstunde"   ,,Auf wessen Befehl?", fragt er weiter und mustert die beiden vom Aufklärungstrupp von oben bis unten. ,,Auf den des Kommandanten des Aufklärungstrupps", antwortet Erwin ernst, aber immer noch gelassen. ,,Beweis?", damit meint der Soldat wahrscheinlich eine schriftliche Erlaubnis. ,,Er steht vor Ihnen. Mein Name ist Erwin Smith, 13. Kommandant des Aufklärungstrupps", gibt er sich endlich zu erkennen.   Die Augen des Soldaten weiten sich. ,,Erwin Smith?", haucht er zu sich selbst, dann fasst er sich, ,,Verzeihung. Ich wusste nicht, dass Sie es sind. Natürlich können Sie hoch" Er winkt einen Kollegen herbei und sie bereiten den Aufzug auf den Aufstieg vor.   Dieser Soldat muss aber auch hinterm Mond leben, um weder mich, noch Erwin zu erkennen, auch wenn er neu in der Branche ist, denkt sich Levi. Währenddessen betritt Erwin die hölzerne Plattform.   Levi hüpft ebenfalls auf, stellt sich rechts neben Erwin und flüstert, ohne sich ganz zu ihm zu drehen: ,,Nutzen wir etwa unsere Macht aus, die wir erst seit einer Stunde haben?" Im Augenwinkel kann er Erwin schmunzeln sehen. ,,Vielleicht ein bisschen", gibt der Kommandant zu, was sogar Levi amüsiert.   Dann presst er zwischen den Zähnen hervor: ,,Wäre es nicht langsam Zeit für Erklärungen?" Doch Erwin schweigt abermals. Es ist zum Wahnsinnigwerden. Levi spielt mit dem Gedanken, Erwin einfach von der Plattform zu stürzen, sobald sie hoch genug sind.   Da setzt diese sich endlich in Bewegung. Langsam erheben sie sich über die Menschen, die Häuser die Stadt. Die halbe Stadt ist in den kalten, grauen Schatten der Mauer gehüllt, der Rest wird noch mit einem sanften Orange-Gold bestrahlt. Die Sonne geht unter. Der Tag neigt sich rapide dem Ende. Und was macht Levi? Wird von seinem Kommandanten auf die Mauern entführt.   Sie nähern sich der oberen Kante der Mauer. Ein flüchtiger Blick darüber reicht, um die auf den Mauern herrschende Leere zu erkennen. Die Mauergarnison bereitet sich auf den Feierabend vor. Wenn Erwin und Levi den steinigen Grund betreten, besteigen die Soldaten sogleich den Aufzug, um wieder zum Boden zu kommen. Die anderen Aufzüge sind ebenfalls sofort voll.   Da bei Nacht die Titanen nicht aktiv sind, muss man auch nicht aufpassen. Die handvoll Männer, die zum Nachtdienst verdammt sind, nutzen die Zeit meist trotzdem zum Schlafen oder Schwänzen, ansonsten sterben sie vor Langeweile.   Erwin kennt die Dienstzeiten der Garnison zumindest ungefähr, da ist Levi sich todsicher. Nichts, was Erwin Smith tut, geschieht zufällig, das ist dem Jüngeren längst aufgefallen. Bei dem Gedanken könnte er sich nur wieder aufregen, doch ist es auch das, was ihn an Erwin so beeindruckt... neben allen seinen anderen beeindruckenden Eigenschaften.   ,,Warum so angespannt, Levi?", holt Erwin ihn aus seinen Gedanken und lächelt ihn an. Ja, Erwin ist in ungewöhlich guter Stimmung. Ungewöhlich angesichts dessen, wie der Tag eigentlich begonnen hat. Der Kleinere starrt ihn nur stumm an. Erwins Lächeln wird breiter. Levis Blick wirkt so offen und unschuldig, der Blick, den er nur Erwin zuwirft, doch keine seiner wahren Emotionen preisgibt.   Es überkommt ihn plötzlich, sodass Erwins seine Hand hebt und damit sanft Levis Wange streicht. Sofort schnellt Levis eiserne Rückhand hoch und schlägt die von Erwin weg, mit den Worten: ,,Wir sind unter Menschen. Du sorgst noch für Gerüchte" Wieder ist er da, der grimmige Giftzwerg, welchen die Anderen zu oft zu Gesicht bekommen.   ,,Dann lass uns weitergehen", meint Erwin nur halbbeschwichtigend und läuft im Spaziergängertempo weiter, als sei die Welt im Gleichgewicht. Wieso kann dieser Frieden nicht echt sein? Zumindest für ihn... Levis Brauen ziehen sich zusammen. Doch er folgt ihm ohne Widerworte. Bis ans Ende der Welt. So wird es auch immer sein...   Nach ungefähr hundert Metern bleibt der Hüne stehen. Mittlerweile ist von der Garnison kaum jemand übrig. In wahrscheinlich fünfzehn Minuten wird nur alle dreihundert Meter das Licht einer Fackel auf ein bis zwei dort positionierte Soldaten hinweisen. Die Sonne berührt gerade erst den Horizont, doch schon in Kürze würde alles dunkel sein. Erwins blonden Haare scheinen wie flüssiges Gold, während Levis braun anstatt schwarz aussehen, dafür sind sie in den Schatten pechschwarz.   Jetzt nimmt Erwin die Tasche vom Rücken und stellt sie auf dem Boden ab. Dann holt er eine Decke hervor und breitet sie über dem Gestein aus. Levi beobachtet ihn perplex dabei, wie er noch in ein Tuch gewickeltes Fleisch und Brot herausholt, dazu noch eine Weintraube und als i-Tüpfelchen eine Flasche Rotwein. Diese hält er einladend in den Händen und zeigt Levi ein breites Lächeln, die Brauen etwas angehoben.   ,,Leider habe ich keine Gläser mitgenommen. Hoffentlich stört es dich nicht zu sehr", sagt Erwin, als hätte er nicht gerade ein Picknick auf der Mauer vorbereitet, die die Menschheit von ihrer größten Angst trennt. ,,Was wird das hier!?", lässt Levi seine Empörung und Ungeduld hören.   Aber Erwin macht es sich auf der Decke bequem und zeigt auf den Platz neben ihm. ,,Setz dich einfach und lass den Tag ausklingen" Entnervt schließt der Angesprochene die Augen und nimmt mit einem Seufzen Platz. Endlich liegt auch auf seinen Lippen ein warmes Lächeln. ,,Bist du nicht zu alt für ein Date?", stichelt er und stößt Erwin seinen Ellenbogen in die Seite. ,,Hey, das ist hart", entgegnet dieser gespielt beleidigt und hält sich dabei ans Herz, woraufhin beide etwas lachen können.   ,,Findest du ihn nicht auch schön?", sagt Erwin verträumt auf den Sonnenuntergang schauend. Levi folgt seinem Blick und, ja, er findet ihn schön, doch ist es für ihn nichts bemerkenswertes. Es ist so alltäglich und unvermeidbar, wie dass es Jahreszeiten gibt.   Zuletzt hat er bewusst auf die Abendsonne geachtet, als er mit Furlan und Isabel den weiten Himmel genossen hat. Auch damals hat er es als schön und erwärmend empfunden, doch hieß für ihn damals das Untergehen des Lichtes auch die Wiederkehr in die gewohnte ewige Nacht, ähnlich dem Untergrund. Jetzt ist es für ihn etwas zu banales, um explizit darauf zu achten.   ,,Wenn die Sonne langsam hinterm Horizont verschwindet", beginnt Erwin, als er Levis konzentriertes Schweigen bemerkt, ,,verbinde ich es mit einer Lebensspanne. Wir messen unsere Zeit an der Sonne, da sie den Anfang und das Ende darstellt. Ein Leben kann auch als glühendes Licht gesehen werden, dass irgendwann schwächer wird, bis es ganz erlischt. Doch in den letzten Stunden erstrahlt es in seiner vollen Pracht, in all den Farben, die die Früchte des Lebens mit sich bringen, weil man dann erst mit all der Weisheit auf sein ganzes Leben zurückblickt."   ,,Erwin", versucht Levi ihn zu unterbrechen, doch der Blonde spricht einfach weiter: ,,Und wenn die Sonne untergeht, ist das Leben natürlich vorbei. Doch ist es nicht vielleicht genauso ein endloser Kreislauf? Vielleicht... wenn unsere Sonne oft genug auf- und untergegangen ist, begegnen wir uns an einem ganz anderen Ort wieder, zu einer ganz anderen Zeit..."   Levi schnalzt mit der Zunge, doch ist es keineswegs abwertend, er ist amüsiert und berührt. ,,Wie viele Bücher muss man gelesen haben, um ebenfalls so eine verworrene Philosophie zu haben?", neckt der Schwarzhaarige ihn mit einem schwachen, erfüllten Lächeln. Die Sonne, welche nur noch einen Halbkreis darstellt, spiegelt sich als goldener Lichtpunkt in seinen grauen Augen. Er glaubt nicht an Wiedergeburt, denn sonst sei das Leben weniger einzigartig und wertvoll, dennoch findet er den Gedanken schön, sich zu einer friedlicheren Zeit wieder in den blonden Riesen zu verlieben.   Nach einem herzhaften Lachen öffnet Erwin den Wein. Er weiß, dass Levis Kommentar keine Kritik ist. ,,Wer trinkt zuerst?", fragt er nach, Respekt als oberstes Gebot. ,,Derjenige, der den ersten Tost spricht", erklärt Levi und schnappt sich sofort die Flasche, um seine Absicht klar zu machen. Erwin hebt erwartungsvoll seine buschigen Brauen.   ,,Also, sehr geehrter Kommandant", leitet er überschwänglich ein, ,,der Tag, auf den du schon lange hingearbeitet hast, ist endlich gekommen. Und ich spreche sicher für Viele, wenn ich sage, dass sich niemand diesen Posten mehr verdient hat als du. Wenn ich bisschen für die Zukunft deuten darf, denke ich ehrlich, dass du den Aufklärungstrupp in eine neue Ära führen wirst. Unter deiner Führung werden große Dinge geschehen, die Flügel werden sich entfachen, das spüre ich ganz deutlich", mit der Flasche in der linken Hand und die rechte zum Salut, beendet er seinen Tost, ,,Auf Erwin Smith, den 13. Kommandanten des Aufklärungstrupps" Mit diesen Worten nimmt er einen großzügigen Schluck aus dem Flaschenhals.   ,,Danke, Levi", sagt Erwin schlicht, doch sein breites Lächeln zeigt, wie wichtig ihm diese Worte sind. ,,Wie schmeckt der Wein?" ,,A, a!", hält Levi ihn davon ab, ihm einfach die Flasche zu entreißen, ,,das musst du selbst herausfinden. Aber vorher will ich auch von dir etwas hören" Tatsächlich entspannt der Alkohol Levis viel zu angespannten Nerven, auch wenn nur einige. Er hatte es nie leicht, betrunken zu werden. Irgendwie hält er ungewöhnlich viel aus. Genauer gesagt, kann er sich nicht mal daran erinnern, jemals ernsthaft angeheitert gewesen zu sein. Vielleicht ein Segen, vielleicht ein Fluch. Aber zugegeben, hat er auch nie wirklich ausprobiert, seine Grenze zu finden - er hatte auch nicht die Möglichkeiten.   Mit einem kleinen Seufzen nimmt Erwin nun endlich den Wein. Es ist eine Seltenheit, aber er weiß nicht, was er sagen soll. Kommt ja nicht jeden Tag vor, dass man zum Kommandanten bestimmt wird, und eine Rede vor den Anderen zu schwingen ist auch etwas anderes. Er wirft Levi noch einen Blick zu, welcher ihm mit einem Lächeln und vollständig geöffneten Augen Mut machen will. ,,Ich bedanke mich bei dir, Levi. Du hast mir in den letzten Monaten mein Leben gerettet, und damit meine ich nicht nur draußen vor den Titanen. Ich bin nicht der Typ, der die Hoffnung jemals aufgibt, doch du hast sie definitiv wieder in mir geweckt. Vielleicht bin ich nun Kommandant, aber ich kann nichts alleine machen. Es ist mir eine große Ehre, mit dir auf einer Seite zu kämpfen, und ich hoffe, dass du mir dabei hilfst, den Aufklärungstrupp voran zu bringen. Auf eine bessere Zukunft"   ,,War das ein Antrag?", macht Levi sich leicht über Erwins überhebliche Rede lustig, während jener das rote Getränk genießt, doch rechnet nicht mit der Antwort. Anstatt eines einzigen Lachens, verspricht Erwin: ,,Nicht heute, aber irgendwann bestimmt- Au!" Ein dumpfer Schmerz macht sich in seinem linken Bein breit, da Levi ihn getreten hat, sobald er verstanden hat, was Erwin meint. Mit roten Wangen, aber energischer Stimme ruft er Erwin bei seinem Namen. Erst jetzt tritt das erwartete, herzhafte Lachen ein, das Levi so beruhigend findet, doch jetzt lässt es ihn nur röter werden.   ,,Der Wein tut Ihnen nicht gut, Sir", sagt Levi geschäftlich und stellt die Flasche außerhalb von Erwins Reichweite ab. Doch das stört den Blonden wenig, er tut es nur mit einem Schmunzeln ab. Nun machen sie sich auch an das Essen, wo die Sonne nun endgültig hinter den Rand der Welt gerutscht ist und alles der Gnade der Nacht überlassen hat. Im Osten flimmern schon längst die ersten Sterne, die sich nun nicht mehr mit Anstrengung durch das Sonnenlicht kämpfen müssen. Der Wind wirkt präsenter, aber nicht frostig. Er ist schwach und jagt nur im Minutentakt übers Land.   Nachdem sie endlich zu Abend gegessen haben - was Levi eigentlich geplant hat auszulassen - legen sie sich auf ihre Rücken und betrachten den Himmel. Nicht zu Levis Überraschung, kennt sich Erwin auch mit den Sternbildern aus und erklärt Levi mit ausreichender Gestik das heutige Himmelsgewölbe. Ganz fasziniert steigert er sich in die Bedeutungen der Sternzeichen herein, doch findet die unbekannteren Sternbilder umso beeindruckender. Auch wenn der Schwarzhaarige nicht alles versteht, was Erwin von sich gibt, hört er ihm interessiert zu. Generell weiß Erwin viele interessante Dinge, über die sich das gewöhnliche Volk kaum Gedanken macht.   Levi hat bisher nicht viel über die Sterne gehört. Im Untergrund galten sie genauso als eine lebende Legende wie der hellblaue Himmel und Wolken, die aussehen wie Schäfchen. Sterne kamen eher in Märchen vor, die er als Kind mal gehört hat. In vielen davon wurden sie als die Seelen, die nach dem physischen Tod emporsteigen, symbolisiert.   Als Erwin es für genug hält, summt Levi unbewusst eine Melodie. ,,Ist das ein Lied?", fragt Erwin, der interessiert lauscht. Erst jetzt hat der Angesprochene bemerkt, dass die Musik nicht nur in seinem Kopf spielte. ,,Ehm", er ist überrumpelt, ,,ja. Das ist eine Ballade, die unsere Gemeinschaft im Untergrund oft gesungen hat" ,,Kannst du es mir vorsingen?" Mit dieser Frage hat Levi natürlich gerechnet, doch er seufzt dennoch und rauft sich zusammen. Einen Moment lang erinnert er sich an den Text der ersten Strophe, dann fängt er an, die Melodie zu summen. Nach vier Takten spricht er die Worte mit einer sanften Stimme:   ,,Die Stühle liegen sehr eng Wir reden die ganze Nacht lang Dieser niedrige Raum ist nicht schlecht Wir können uns gut verstehen So ist es immer, unser Licht ist nur das Trinken und singen, wir begrüßen morgen So ist es immer, unterm riesigen Himmel Leben wir zusammen, die Nacht ist lang Da die Sterne nicht leuchten Kann der Mond auf diese Stadt nicht scheinen Schauten wir das Licht selbst an Singen wir unter dem Sternenmeer"   Dann summt er wieder die Melodie, doch mittlerweile etwas lauter und selbstsicherer. Langsam lässt er sich mitreißen. Es ist einfach zu lange her. Ein Lächeln umspielt seine entspannten Gesichtszüge.   ,,Du singst wirklich schön, Levi" Kurz stockt Levi, doch dann setzt er fort, ohne weiter drauf einzugehen. Seine Augen sagen bereits alles, was er dazu denkt, und Erwin sieht es ihm alles an, weswegen er schmunzelt. ,,Du hast zwar keine Sängerstimme, ich bin Realist, aber ich kann mir nichts beruhigenderes vorstellen, als bei einem nächtlichen Lagerfeuer dieser Stimme zu lauschen" Doch bevor er - nach Levis Meinung - noch mehr unnötiges Süßholz raspeln kann, setzt der Kleinere zur zweiten Strophe an.   ,,Stühle so nah und der Raum so klein Du und ich reden die ganze Nacht lang Dieser Raum ist spärlich, aber es ist uns genug Wir Kameraden haben Geschichten zu erzählen Und so ist es immer in der Abendzeit Wir trinken und singen, wenn unser Kampf vorbei ist Und so ist es immer, dass wir unter diesen verbrannten Wolken leben Erleichtere unsere Last, lang ist die Nacht Gerade, als man keine Sterne sehen kann Sind wir die Sterne und wir erleuchten unsere Stadt Wir müssen uns zu Einem machen Singe mit Hoffnung und die Angst wird verfliegen"   Nachdem er fertig ist, streckt er seine Hand zu den Sternen aus, in einem schwachen Versuch, nach ihnen zu greifen. ,,Isabel, Furlan, eines Tages werden wir wieder alle vereint sein. Wartet bitte noch etwas auf mich" Er lächelt. Erwin setzt sich ruckartig auf und stützt sich mit einer Hand am Boden ab, wenn er sich zu Levi dreht. ,,Levi", er versucht den Befehlston anzunehmen, doch ist seine Stimme nicht kraftvoll genug, ,,bitte, denk nicht daran, zu früh zu gehen. Wir haben doch gerade erst über die Zukunft gesprochen. Willst du sie nicht miterleben?" Levi schweigt. Er weiß nicht, was er antworten soll.   ,,Ich verstehe ja, dass du deine Freunde vermisst", fährt er fort, ,,doch sollte es kein Grund sein, den Tod herbeizusehen. Sie würden doch auch nicht wollen, dass du zu früh gehst. Ich kannte sie nicht gut, aber was ich von ihnen gesehen habe, zeigte mir, dass du ihnen genauso wichtig warst, wie sie dir es sind, also wollen sie auch das Beste für dich. Tu uns allen den Gefallen...", er ergreift Levis deutlich kleinere Hand, ,,nein... lass mich noch ein einziges Mal egoistisch sein und verlass mich nicht zu früh. Es wäre doch viel zu schade, seine eigenen Früchte nicht ernten zu können..." Dann rutscht er zu Levi, der sich auch aufgesetzt hat, und versteckt sein Gesicht in dessen Bauch. ,,Außerdem würde ich es einfach nicht ertragen", ergänzt er schwach. Bei seinen schweren Atemzügen inhaliert er Levis Duft und genießt die Wärme des kleinen Körpers.   ,,Erwin", setzt der Schwarzhaarige nicht hart, aber dennoch bestimmt an, ,,ich werde schon nicht so schnell draufgehen. Hätten die Titanen so etwas wie Gefühle, würden sie alle nur bei meinem Anblick davon rennen. Um mich musst du dir keine Sorgen machen. Ich komme gegen die Titanen gut an. Und was meine Freunde betrifft... ja, da hast du Recht. Das war respektlos ihnen gegenüber, so etwas zu sagen, als hätte ich die Hoffnung aufgegeben. Doch so ist es nicht. Ich werde immer weiterkämpfen, bis zum letzten Moment werde ich ums Überleben kämpfen. So habe ich es mein ganzes Leben lang gelernt und das lässt sich auch nicht einfach so abstellen. Du kannst dich auf mich verlassen" Seine schlanken Finger finden ihren Weg zu Erwins samtweichem Haar und spielen mit einigen Strähnen, dann streichelt er den Kopf der wertvollsten Person seines Universums.   ,,Es tut mir so leid", brummt der Blonde in Levis Kleidung, ,,es war meine Schuld. Es gab so viele Möglichkeiten, es zu verhindern. Nur wegen mir musst du so leiden - und auch alle Anderen. Ohne mich-" ,,Ohne dich wären noch viel mehr Menschen den Titanen zum Opfer gefallen" unterbricht Levi ihn in seinem Selbstmitleid und hebt seinen Kopf an, sodass sie sich in die Augen sehen. Die von Erwin glänzen gläsern und seine Lippen sind leicht entzweit, während er wie ein Welpe zu Levi aufsieht. ,,Im Nachhinein kann man immer sagen, dass es einen besseren Weg gab, doch das kann man vorher einfach nicht wissen ohne die Zukunft vorhersehen zu können. Und keiner weiß, ob ein anderer Weg wirklich funktioniert hätte. In den meisten Fällen trifft man die Entscheidungen, die in diesem Moment am meisten der Richtigkeit entsprechen, gerade bei dir könnte die Anzahl auf so gut wie immer passen. Wir sind nicht allwissend, wir sind Menschen, aber von allen Menschen weißt du mit Sicherheit am meisten. Also gib dir nicht selbst die Schuld. Wir können diesen Krieg nicht ohne Opfer gewinnen, oder?" Erwin nickt leicht, als Levi ihn liebevoll anlächelt, selbst den Tränen nahe.   Vorsichtig zieht Levi Erwins Kopf weiter hoch und drückt ihre Lippen auseinander. Sofort schließen sie die Augen und genießen die sanfte Berührung. Nur einen Zentimeter von des Anderen Lippen entfernt, halten sie inne, nehmen einen Atemzug und kosten den Augenblick aus. Langsam lehnt sich Erwin wieder zurück auf seinen Platz, doch Levis Körper folgt ihm, als wären sie eines Fleisches, und beugt sich über ihn. Alles, was noch hätte gesagt werden können, ist nun überflüssig. Die schlanken Hände Levis krallen sich an Erwins Jackenkragen und sie küssen sich wieder, diesmal leidenschaftlicher.   Die Augen nicht ein einziges Mal geöffnet, spürt Erwin plötzlich ein Gewicht auf seinem Bauch. Levis Beine klemmen ihn ein, sodass dieser nun endlich über ihn herfallen kann. Sehnsucht plagt den Schwarzhaarigen, also nimmt er sich, wonach er sich verzehrt. Er braucht diese Wärme, diese Leidenschaft, das Gefühl von Haut auf Haut, welches unsichtbare Brände erzeugt. Erwin kann es gut nachvollziehen, denn er kennt dieses Gefühl zu gut, also hat er auch nicht vor, es seinem Liebsten zu verwehren. Völlig gehorsam bleibt er auf den Ellenbögen gestützt liegen und erwidert mit offenem Mund einen Kuss nach dem anderen.   Levi ist wie Feuer und Flamme, doch er will keine Dominanz zeigen, übt keinen Druck aus, es geht ihm nur darum, Erwin zu spüren. Sanft beißt er an Erwins Unterlippe, doch löst keinen Schmerz aus, und lässt seine Zunge endlich diese weichen Lippen passieren. Ihre Zungen kämpfen nicht, sie tanzen miteinander, schnell und hektisch, dann trennen sie sich wieder. Immer bedürftiger, nimmt Levi wieder Erwins Lippen in Beschlag und zieht kräftiger am Stoff der Jacke.   Doch dann unterbricht Erwin Levis Rausch und sie sehen sich einfach nur in die geweiteten Augen, nach Luft schnappend. Ihre Pupillen sind so groß, dass von ihren jeweils auf ihre Weise wunderschönen Augenfarben kaum etwas übrig ist. ,,Wir sollten das woanders fortführen", sagt Erwin mit einer rauen, tiefen Stimme, die seine Absichten absolut verrät. ,,Ja", keucht Levi nur hervor und sie springen auf. Blitzschnell sind die Elemente des Picknicks wieder in der Satteltasche verschwunden und sie laufen im Eilschritt zum Aufzug, auf jeden Fall nicht mit der Idee, die Pferde gemütlich laufen zu lassen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)