Wer bin ich? von Fiamma ================================================================================ Kapitel 24: ------------ Kapitel 23   Rasch eilte sie den Flur herunter, entdeckte ihre Schuhe im Eingangsbereich und schlüpfte hinein. Grübelnd wanderte ihr Blick zu der Garderobe. Sie brauchte eine Jacke. Draußen wurde es immer kälter. Ohne nachzudenken, griff sie einfach nach einem Mantel und klemmte ihn sich unter ihren Arm. Sie konnte ihn draußen anziehen. Erst ein Mal musste sie raus. Flink steuerte sie die Haustür an, legte ihre Hand über die Klinke und drückte diese leise herunter. „Bitte … bitte geh nicht“, ertönte es plötzlich hinter ihr und erschrocken ließ sie den Mantel fallen. „Bitte … Bleib hier.“ Starr stand sie einfach schweigend, mit der Hand auf der Klinke, da und drehte sich nicht zu ihm herum. „Ich weiß nicht, was du durchgemacht hast, oder wo du warst. Offenbar erinnerst du dich auch nicht an mich, … aber bitte, ich kann dich nicht schon wieder verlieren … Jetzt, wo ich dich endlich wiedergefunden habe …“, flüsterte er leise und sie merkte, wie er sich direkt hinter sie stellte. Noch immer regungslos sah sie weiterhin auf die Tür. „Usako“, hauchte er ins Ohr und sein warmer Atemhauch auf ihrer Haut ließ sich ihre Nackenhaare aufstellen. Ein Kribbeln breitete sich in ihrem Körper aus. Usako? Ein ungeahntes Glücksgefühl breitete sich in ihrem Innerem aus. Schwer sog sie die Luft in ihre Lungen. In ihrem Kopf herrschte das reinste Chaos. Sie wollte ihrem Impuls folgen und abhauen, aber irgendetwas in ihrem Herzen sagte ihr auch, sie konnte ihm vertrauen, sie könnte hier bleiben. Langsam nahm sie die Hand von der Klinke herunter und senkte ihren Kopf. „Wer bist du?“ „Erinnerst du dich denn gar nicht? Ich bin es doch. Mamoru. Wir sind schon sehr lange ein Paar.“ Mamoru? Sie sollen schon lange ein Paar sein? Sofort stiegen ihr die Tränen in die Augen. Sie kannte keinen Mamoru. Sie konnte ihm nicht vertrauen. Dass sie mit jemandem schon lange ein Paar gewesen sein soll, genau das hatte man schon ein Mal zu ihr gesagt und es war einfach nur eine Lüge gewesen. „Was ist denn nur passiert? Wo warst du die ganze Zeit?“ Kopfschüttelnd griff sie wieder nach der Klinke. Das alles war doch nur wieder ein abgekartetes Spiel von Mamiko und Kenta. Schluchzend öffnete sie die Tür. „Glaubt ihr ernsthaft, dieses dumme Spiel klappt ein zweites Mal? Glaubst ihr wirklich, ich falle erneut darauf rein, dass ich mit dir zusammen bin? Ich habe niemanden. Ich bin ganz alleine. So war das schon immer.“ Sie merkte, wie er unruhig wurde. Mit einem Ruck warf er die Tür wieder zu und stellte sich ihr demonstrativ in den Weg. Erschrocken zuckte sie zusammen. Tauchten nun etwa gleich Mamiko und die anderen hier auf? Panisch versuchte sie erneut die Tür zu öffnen, doch er hielt sie einfach weiterhin zu. „Die ganzen Monate dachte ich, ich hätte dich verloren. Ich würde dich nie mehr wiedersehen. Nach deinem Sturz saß ich, so oft es nur ging, an deinem Bett und habe so gehofft, dass du wieder aufwachen würdest. Ich mache mir immer noch selber solche Vorwürfe, dass ich nicht mit dir zusammen die Treppe hinunter gelaufen bin und es-“ „Was sagst du da? Meinen Sturz?“, fiel sie ihm ins Wort und drehte sich schwungvoll zu ihm herum. Zitternd ballte sie ihre Hände zu Fäusten. Woher wusste er das? Und dann fiel ihr wieder etwas ein. Da war doch noch jemand, den sie nicht erkennen konnte in ihrer Erinnerung. War etwa er dieser jemand gewesen? Wenn er es aber war, warum ging sie mit ihm die Treppe hinunter? Gehörte er zu Mamiko und lenkte sie ab, damit sie sie überhaupt unbemerkt schubsen konnte? Mit großen Augen sah sie ihn an, doch dann entdeckte sie plötzlich etwas, was sofort ihre komplette Aufmerksamkeit bekam. Bevor er ihr antworten konnte, drückte sie sich an ihm vorbei und eilte zu einem kleinen Regal. Zitternd griff sie nach einem Bilderrahmen, lief damit wieder zu ihm und hielt ihm das Foto jetzt direkt vor die Nase. Wild tippte sie dabei auf ein Kind. „Wer ist das?“ Ohne ein Wort zu sagen, nahm er ihr das Bild aus ihrer Hand. „Das ist unsere … Das ist Chibiusa.“ Immer größer wurden ihre Augen. Sie hatte Kenta damals gefragt, wer diese Chibiusa sei, aber er kannte sie angeblich nicht. Und nun hatte dieser Mann ein Bild von ihr? Nein von ihnen zu dritt? Sagte er vielleicht doch die Wahrheit? Es sprach sehr viel dafür und diese seltsamen Gefühle, die sie in seiner Nähe verspürte. Bei Kenta hatte sie diese nie gehabt. Krampfhaft kniff sie ihre Augen zusammen. Konnte sie einfach hier bei ihm bleiben? Sagte er auch wirklich die Wahrheit? Wenn es so war, warum konnte sie sich dann einfach nicht an ihn erinnern? Kopfschüttelnd drückte sie ihre Hände gegen ihre Ohren. Es war fast so, als würde ihr eine innere Stimme zu flüstern, dass sie ihm vertrauen konnte und hier bei ihm bleiben sollte. Auch wenn sie sich geschworen hatte, niemanden mehr zu vertrauen, der Wunsch hier bei ihm bleiben zu können wurde immer größer. Ein weiteres Mal atmete sie tief ein, nahm langsam ihre Hände wieder herunter und sah zu ihm. „Und ich kann dir auch wirklich vertrauen? Du sagst auch wirklich die Wahrheit?“, schluchzte sie.   Zu gerne hätte er sie jetzt in den Arm genommen, sie ganz nah an sich gedrückt und getröstet. Sie war nur noch ein Schatten ihrer Selbst. Blass und kraftlos war sie und tiefe Augenringe zierten ihr Gesicht. Ganz geschweige von der Verletzung an ihrem Arm. Was hatte sie nur durchmachen müssen? Was war nur passiert? Doch er wusste, wenn er sie nicht verschrecken wollte, musste er behutsam vorgehen. „Du kannst mir vertrauen.“   Gedankenschwer sah sie ihm direkt in die Augen. Diese Augen. Ihr wurde wieder so warm ums Herz. Doch kurz darauf wurde ihr einfach nur schwindelig und ihre Knie wurden weich, wodurch sie auch prompt das Gleichgewicht verlor. Sie hatte einfach keine Kraft mehr. Sie sah, wie er direkt auf sie zu geeilt kam. Bevor sie den Boden berührte, fing er sie auf und hob sie in seinen Armen hoch. „Du solltest dich lieber ausruhen.“ Sie konnte deutlich die Sorge, die in seiner Stimme mitschwang, fühlen. Stumm nickte sie also und ließ es zu, dass er sie ins Wohnzimmer brachte. Behutsam setzte er sie auf dem Sofa ab. „Bleib bitte sitzen, ich hole dir etwas zu trinken.“   Schnell war er wieder zurück und reichte ihr ein Glas. Schwach lächelnd nahm sie es entgegen, wodurch sich kurz ihre Fingerspitzen berührten. Schon wieder traf es sie, wie ein Blitz. Ihr Herz machte sich schon wieder selbstständig und schlug wie verrückt. Ratlos starrte sie ihn einfach nur an. Wie schaffte es dieser Mann nur, sie mit einer winzigen Berührung so durcheinanderzubringen? Stimmte es tatsächlich, dass sie ein Paar waren? Warum um Himmelswillen konnte sich dann nur nicht erinnern? Als ihr auffiel, dass sie ihn immer noch anstarrte, bedankte sie sich rasch und nippte verlegen an dem Wasser. Sie konnte genau sehen, wie er sie beobachtete und ihm ein Lächeln übers Gesicht huschte. „Was gibt es denn da zu lächeln?“ „Ich bin einfach nur überglücklich, dass du hier bist. Auch, wenn du dich wohl nicht an mich erinnern kannst …“   Zu gerne hätte er sie gefragt, wo sie war und was passiert war. Aber er wollte sie nicht überfordern. Sie sah so verängstigt und zerbrechlich aus. Zu groß war seine Angst, dass sie nachher weglaufen würde. Sie musste zuerst vertrauen zu ihm gewinnen. Dass sie sich nicht an ihn erinnerte, war zunächst zweitrangig. Die Hauptsache war, dass sie lebte. Der Rest würde schon noch wieder kommen. Zumindest hoffte er das. Nachdenklich kratzte er sich an seinem Kopf. „Möchtest du, möchtest du vielleicht etwas essen? Du hast doch bestimmt Hunger. Immerhin hast du fast einen ganzen Tag geschlafen. Ich könnte uns schnell etwas kochen.“ „Einen ganzen Tag?“ Geschockt riss sie ihre Augen auf, doch mit einem Mal senkte sie plötzlich räuspernd ihren Kopf, als sich ihr Magen lautstark zu Wort meldete. „Das würde ich sehr gerne … Ich habe schon seit Tagen nichts mehr gegessen.“ Sie hatten schon seit Tagen nichts mehr gegessen? Das erklärte zumindest zum Teil ihre körperliche Verfassung. Schwer schluckte er. Er wollte unbedingt wissen, was mit ihr geschehen war, aber im letzten Moment biss er sich auf die Zunge. Er musste das Thema ganz sachte angehen. „Dann mach ich uns schnell etwas. Ruh dich einfach in der Zeit etwas aus.“ Lächelnd stand er auf und verließ schnellen Schrittes das Zimmer.   Nachdenklich blieb sie auf dem Sofa sitzen und drehte ihr Glas in ihren Händen hin und her. Es fühlte sich für sie richtig an hier zu bleiben. Sie hatte sich zwar geschworen niemanden mehr zu vertrauen, aber dieser Mann schaffte es, ohne groß etwas zu machen, dass sie sich geborgen und sicher fühlte. Wie machte er das nur? Seufzend schloss sie ihre Augen und ließ sich nach hinten an die Sofalehne fallen. Sie vergaß dabei allerdings, dass sie das Glas noch in ihren Händen hielt. Kaum hatte sie sich angelehnt, rutschte ihr es auch schon aus den Fingern und das Wasser schwappte über sie. Es musste natürlich ausgerechnet direkt über dem Verband landen. Sofort verzog sie schmerzhaft ihr Gesicht, als sich dieser vollsog. Leise fluchend stand sie auf und suchte die Küche. Warum musste sie auch so tollpatschig sein. Erleichtert hörte sie ein Klappern und so folgte sie dem Geräusch, bis zur Küche. Mamoru stand gerade vor dem Herd und rührte in einem großen Topf herum. Er hatte sie noch nicht gesehen und so konnte sie ihn einen Moment unbemerkt beobachten. Sie konnte es sich nicht erklären, aber sie fühlte sich so zu ihm hingezogen. Am Liebsten wäre sie jetzt zu ihm gegangen, hätte sich an seinen Körper geschmiegt und sich in von ihm halten lassen. Er strahlte so etwas Beruhigendes für sie aus. Sie fühlte sich in seiner Nähe irgendwie richtig wohl. Dabei kannte sie ihn überhaupt nicht. Oder besser gesagt, sie konnte sich nicht an ihn erinnern. Grinsend musterte sie von oben bis unten. Dazu sah er auch noch verdammt gut aus. „Was gibt es denn da zu grinsen? Etwa die Schürze?“ Lachend deutete er auf ein weißes Stück Stoff, welches er sich um seinen Bauch gebunden hatte. Ertappt merkte sie, wie sie anlief, wie eine reife Tomate. Er hatte bemerkt, wie sie ihn gemustert hatte. War das peinlich. Sie musste schnell das Thema wechseln und deutete dazu auf den Verband. „Mir ist ein kleines Missgeschick passiert, … nun ist er leider nass.“ Schlagartig veränderte sich seine Miene. Ohne groß etwas zu sagen, kam er zu ihr und bugsierte sie auf einem Stuhl. „Warte kurz.“   Besorgt holte er den Verbandskasten heraus. Die Wunde sah nicht gut aus. Hier zu Hause konnte er sie aber nur notdürftig versorgen. Was hatte sie nur gemacht? Warum war sie damit nicht gleich zu einem Arzt gegangen? Sie musste wahnsinnige Schmerzen haben. Schnell nahm er auf dem Stuhl neben ihr Platz und griff nach ihrem Arm. „Zeig mal her.“ Vorsichtig wickelte er den nassen Verband ab. „Vielleicht sollten wir lieber kurz in die Klinik fahren. Hier kann ich deinen Arm nur notdürftig versorgen.“ Ruckartig zog sie ihren Arm weg und sprang regelrecht auf. „Nein, auf keinen Fall! … Das geht nicht.“ Panisch begann sie in der Küche auf und ab zu laufen. „Da wird sie mich nur finden. Nein, das geht nicht. Gehörst du etwas doch zu denen und willst mich zu ihr locken? Willst du mich etwas ausliefern?“ Sofort stellte er sich vor sie, legte sanft seine Hände auf ihre Schultern und versuchte sie zu beruhigen. „Ich weiß zwar nicht, von wem du da sprichst, aber ich gehöre zu niemandem … außer zu dir.“   Stumm sah sie ihn seine Augen und beruhigte sich langsam. Wie schaffte er das nur? Er brauchte sie nur ansehen und sie hatte das Gefühl, alles würde gut werden. „Komm, wir versorgen schnell deine Wunde und dann essen wir.“ Vorsichtig kümmerte er sich um ihren Arm. Doch egal, wie behutsam er auch war, sie hatte wahnsinnige Schmerzen dabei. Doch sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen und biss bei jeder Berührung die Zähne zusammen. Sie wollte unter allen Umständen verhindern, dass er nachher doch in ein Krankenhaus mit ihr fahren wollte.   Schwer atmete er ein und aus. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie gerade wahnsinnige Schmerzen haben musste. Er hielt es jetzt einfach nicht mehr aus. „Sag mal Usagi … erzählst du mir, wie das passiert ist?“ Schweigend saßen die beiden einfach nur da und er verband behutsam ihre Wunde. Nach kurzer Stille, er hatte die Hoffnung schon aufgeben, dass sie etwas erzählte, räusperte sie plötzlich. „Ich … Ich bin in einen Scherbenhaufen gefallen …“, flüsterte sie leise, „Woher kannst du das eigentlich so gut? … Ich meine … das verbinden und so …“ Ihm war klar, dass sie das Thema wechseln wollte, doch sagte er nicht dazu und konzentrierte sich einfach weiter auf ihren Arm. Wenn er sie drängte, ihm etwas zu sagen, kam er auch nicht weiter. Also stieg er lieber auf ihre Frage ein. „Naja, wenn ich es nicht könnte, wäre ich in meinen Job bestimmt fehl am Platz.“ Grinsend sah er kurz auf. „Ich arbeite im Krankenhaus.“ „Ach so. Also bist du so ein richtiger Arzt?“ Nickend klappte er den Verbandskasten wieder zu und stand auf. „Komm, lass uns essen.“   Schweigend saßen die beiden am Tisch und aßen. Sie ahnten nicht, dass genau in diesem Moment, jemand verborgen vor dem Haus stand und es beobachtete … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)