Das ungeplante Blind-Date von Sensenmann (oder auch: wenn Peter Parker Matchmaker spielt) ================================================================================ Kapitel 3: Teil 3 ----------------- Stephen Strange hatte mit vielen Ausgängen seines Blind-Dates gerechnet, zu welchem Peter Parker ihn überredet hatte. Doch ganz sicher nicht damit, dass er sich am Ende des Abends zusammen mit seiner Verabredung und besagtem, von Kopf bis Fuß durchnässten, Teenager in der Eingangshalle des Sanctoriums wiederfinden würde. Als der ehemalige Arzt endlich überrissen hatte, dass es sich bei der „ominöse Person“, über die Peter sich sorgte, nicht etwa um Tante May sondern um keinen geringeren als dessen Zieh-Vater handelte, hatte Strange sich bereits darauf eingestellt den ganzen Abend über gute Mine zum bösen Spiel zu machen um dem Teenager einen Gefallen zu tun.  Doch überraschenderweise hatte sich das Date mit Tony Stark als weitaus weniger katastrophal entpuppt, als er angenommen hatte.   Stephen hatte zum ersten Mal bewusst erkannt, dass der Ingenieur und er sich in vielerlei Hinsicht ähnelten. Beide wussten um ihre Fähigkeiten und ihre Stärken, beide waren die Besten in ihren Fachgebieten und beide hatten, aufgrund ihres Hochmuts, zu einem Zeitpunkt ihres Lebens alles verloren und waren sprichwörtlich am Tiefpunkt angelangt. Aber auch keiner von ihnen hatte aufgegeben, sondern gelernt ihr Schicksal anzunehmen und das Beste aus dem zu machen, was ihnen zur Verfügung stand.   Er musste sich eingestehen, dass es nett und erfrischend war sich mit jemandem austauschen zu können, der Vergleichbares hatte durchmachen müssen. Mit jemandem der wusste, wie schwer die Bürde war, die auf den eigenen Schultern lastete und welche Verantwortung es mit sich brachte, wenn das Leben von Millionen von Menschen in den eigenen Händen lag.  Ja, alles in allem konnte man sogar sagen, dass er und Stark sich, den gegebenen Umständen entsprechend, erstaunlich gut verstanden. Sogar so gut, dass der Milliardär im Begriff war ihn auf eine Spritztour in dessen neuen Sportwagen einzuladen, als Tonys KI sich plötzlich zu Wort gemeldet hatte.    „Hast du etwa einen unterschwelligen Todeswunsch von dem du mir noch nichts erzählt hast?!“, donnerte Tonys Stimme von den hohen Wänden wider, als Stephen wieder die Stufen zur Eingangshalle hinunterstieg. Angesichts von Tonys Tonfall verharrte Stephen einen Moment in seiner Bewegung und warf einen Blick über das Geländer.   Der Ingenieur stand mit dem Rücken zu ihm. Seine Körperhaltung wirkte angespannt und er gestikulierte betont mit den Händen, um das Gesagte zu unterstreichen. Der Grund für Tonys Nervenzusammenbruch stand keine zwei Meter vor ihm und hatte die Arme um sich selbst geschlungen, versuchte durch das Auf- und Abreiben seiner Hände wieder etwas Gefühl in seine Glieder zu bringen.   „N-Nein…?“, mühte dieser sich nun zu antworten. Seine Zähne klapperten dabei leicht.   „Bist du dir sicher? Denn Ertrinken wäre dein drittes Kreuz auf dem Bingo-Zettel. Direkt in einer Reihe mit Von einem Gebäude zerquetscht und Vom Winde verweht werden.“, entgegnete Tony gereizt.   F.R.I.D.A.Y. oder wie Stark sein Programm auch betitelte, hatte Tony und ihn vor ein paar Minuten darüber informiert, dass Peter sich in einer brenzligen Situation befand und dringend Hilfe benötigte. Allem Anschein nach war der Teenager, nicht unweit ihres Lokals, in den Hudson River gefallen -bei dem misslungenen Versuch einen Handtaschendieb dingfest zu machen. Nachdem die KI ihnen Peters genauen Standort übermittelt hatte, öffnete Stephen kurzerhand ein Portal zum Ufer des Riverside-Parks. Doch bevor einer von ihnen auch nur die Gelegenheit hatte einen Fuß durch die Öffnung zu setzen, spürte Stephen einen abrupten Ruck an seinen Schultern, als sein Umhang sich von ihm löste und schnurstracks durch das Portal schoss um den Jungen aus dem eisigen Wasser zu ziehen.   Der Meister des Sanctoriums warf einen flüchtigen Blick zum Kamin, vor welchem sich mittlerweile eine beträchtliche Pfütze auf dem Boden gebildet hatte. Der Umhang der Levitation war immer noch damit beschäftigt das aufgesogene Wasser aus seinen Fasern zu pressen, indem er sich erst der Länge nach in die Schwebe brachte um sich dann der Breite nach auszuwringen.   Stephen schüttelte amüsiert den Kopf. Der Umhang musste wirklich eine Schwäche für den Jungen haben, wenn er sogar riskierte nass zu werden. Denn er wusste aus eigener Erfahrung, dass das rote Artefakt alles andere als begeistert war, wenn es darum ging mit Wasser in Berührung zu kommen -geschweige denn Flecken herauswaschen zu lassen. Er machte sich eine mentale Notiz bei Gelegenheit nach einem imprägnierenden Zauber zu suchen, den er in die Fasern des Umhangs hineinweben konnte.   „Wofür denkst du eigentlich, dass ich dir deinen Anzug gegeben habe?! Damit er sich schön macht als Deko in deinem Kleiderschrank?“, redete Tony weiter, die Hände mittlerweile in die Hüften gestemmt.   Stephen wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinen Gästen zu. Er konnte sich nicht daran erinnern den Milliardär jemals so aufgebracht erlebt zu haben. Selbst bei den wenigen Avengers-Treffen, denen Stephen im Zuge der Zerstörung der Infinity-Steine beigewohnt hatte, hatte Tony immer lässig gewirkt. Doch Peters Aktion schien einen wunden Punkt getroffen zu haben.    „N-Nein! I-Ich dachte n-nur nicht, dass ich ihn h-heute brauchen w-würde. I-Ich wollte S-Sie nicht s-stören“, entgegnete Peter. Seine Zähne klapperten immer noch vor lauter Kälte. Selbst von seinem Platz auf der Treppe aus konnte Stephen sehen, wie stark der Teenager mittlerweile fröstelte.   Tony seufzte und rieb sich mit der rechten Hand über die Augen, ehe er sich wieder an Peter wandte. „Was hattest du um diese Uhrzeit überhaupt in der Gegend zu suchen?“   Peter zuckte bei dieser Frage unweigerlich zusammen und er begann an zu stammeln. „I-Ich… a-also…“ Stephen konnte den Jungen mittlerweile genug um zu wissen, dass das Stammeln ein klares Anzeichen dafür war, dass Peter nervös war.   Langsam dämmerte es ihm, was Peter tatsächlich in dieser Gegend gesucht hatte. So sehr er Tony auch beipflichtete, was Peters Leichtsinnigkeit anging, so hatte er jedoch auch ein wenig Mitleid mit dem Teenager.  „Ich störe nur ungern euren Vater-Sohn-Moment, aber Peter sollte dringend aus seinen nassen Klamotten raus, bevor er sich noch etwas zuzieht“, unterbrach er den Dialog der beiden und stieg die letzten paar Stufen hinunter. „Hier“, sagte er ruhig an Peter gewandt und reichte ihm das Bündel frischer Kleidung, welches er aus seinem Zimmer geholt hatte. „Sie werden dir wahrscheinlich zu groß sein, aber immerhin sind sie trocken und warm.“   „D-Danke M-Mister D-Doktor“, entgegnete Peter, ganz offensichtlich froh über einen Ausweg aus dem Gespräch und hastete die Stufen nach oben in Richtung des Badezimmers. Auf seinem Weg hinterließ er eine Spur aus kleinen Pfützen.   Tony seufzte frustriert sobald Peter aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Er fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht und ließ sich dann auf das Sofa in der Nähe des Kamins sinken. „Ich schwöre… eines Tages ist dieser Junge noch der Auslöser für meinen Herzinfarkt“, sagte Tony und beobachtete dann den Umhang dabei, wie dieser sich an der Feuerstelle trocknete.  „Können Sie ihn nicht einfach in den Trockner werfen, oder so?“, fragte er nach einer Weile.   Der Umhang erstarrte bei diesen Worten und hielt mitten in seiner Auswindbewegung inne. Er entwand seinen Saum und richtete seine Kragenspitzen in Richtung Tony. Dann machte der rote Stoff einen schwerfälligen Satz zu Stephen und hielt sich vor diesem in der Schwebe. Der Stoff schüttelte panisch seine Kragenspitzen von einer zur anderen Seite und besprenkelte den Doktor dabei mit Wasser aus dem Hudson River.   „Uh! Lass das!“, meinte Stephen tadelnd und tat sein Bestes um den Umhang weit von sich weg zu schieben, doch der Stoff nutzte die Gelegenheit und wickelte einen seiner Säume um Stephens Arm. „Lass mich los! Du bist nass!“ Stephen versuchte seinen Arm aus dem Griff des Umhangs zu lösen, doch das Artefakt dachte gar nicht daran ihn loszulassen. „Ist ja gut! Ich stecke dich nicht in den Trockner, versprochen!“   Erst bei diesen Worten ließ der Umhang von Stephen ab, offenbar beruhigt und warf dann einen – für einen Umhang – sehr vorwurfsvollen Blick in Richtung Sofa, auf welchem Tony nicht umhin konnte angesichts dieses Spektakels laut zu lachen. Tony hob beschwichtigend die Hände. „Hey, ganz ruhig! Ich lache mit dir, nicht über dich.“   Der Umhang fixierte ihn einen Augenblick lang mit seinen Kragenspitzen, dann klappte er diese empört nach oben und schwebte eingeschnappt in Richtung Bibliothek von dannen.   „Ich glaube Ihr fliegender Teppich hasst mich.“   „Nein… Er hegt nur eine große Antipathie gegen Trockner.“ Und Waschmaschinen, fügte Stephen gedanklich hinzu. Er erinnerte sich noch bildlich an das eine Mal, als er versucht hatte den Umhang in die Waschmaschine zu stecken. Seitdem wehrte dieser sich mit Händen und Füßen sobald Stephen ihn auch nur in die Nähe der Waschküche brachte. Stephen seufzte und wischte seinen nassen Arm an seinem Shirt ab. Ja, er musste wirklich dringend nach einem wasserabweisenden Zauber suchen.   „Woher wusste ihre KI, dass Peter in Schwierigkeiten war, wenn er doch den Anzug nicht bei sich trug?“, fragte Stephen.  „Sein Starkphone“, erklärte Tony. „Nachdem Peter das Baby-Protokoll in seinem Anzug gehackt hat, habe ich F.R.I.D.A.Y. auf seinem Smartphone installiert. Es zeichnet in regelmäßigen Abständen seine GPS-Position auf und sendet sie an mich weiter, falls eine potentielle Gefahr besteht.“   „Zum Beispiel, wenn sein Standort sich im Fluss befindet“, schlussfolgerte Stephen.   „Exakt“, meinte Tony. Helikopter-Dad, dachte Stephen und schmunzelte angesichts dessen leicht.   „Es ist nur so… frustrierend, wissen Sie? Gerade wenn ich denke, dass der Anzug jetzt absolut bombensicher für einen sechszehnjährigen Teenie ist, findet er eine neue Möglichkeit mir graue Haare zu verpassen“, sagte Tony.    „Ich bin mir sicher, dass das nicht seine Absicht war“   „Ich weiß. Es ist nur… ich kann das nicht noch mal. Ihn sterben sehen“   Er konnte gut nachempfinden, wie Tony sich fühlte. Er kannte Peter zwar noch nicht so lange, wie Tony, doch auch ihm war der Teenager mit seiner unverdorbenen und aufrichtigen Art mittlerweile ans Herz gewachsen. Zudem war Stephen selbst nicht ganz unschuldig an den vergangenen Ereignissen.  Schließlich war er es gewesen, der Tony dies zugemutet hatte. Er hatte lange nach anderen Möglichkeiten, nach Alternativen für ihren Sieg gesucht. Doch dies war die einzige Chance gewesen, die sie hatten.    „Es tut mir leid, dass ich Ihnen das zumuten musste, Tony. Aber Ihr Schmerz über Peters Verlust war der ausschlaggebende Katalysator für unseren Sieg.“   Tony sagte nichts, nickte stattdessen nur. Nach einer Weile meinte er schließlich: „Ich verstehe nur nicht, wieso er seinen Anzug zu Hause lässt, wenn er auf Patrouille geht.“   „Tony, ich bin mir ziemlich sicher, dass Peter war nicht auf Patrouille war.“   „Sondern?“, hakte Tony nach und musterte den Zauberer fragend.   Stephen zuckte nonchalant mit den Schultern. „Finden Sie es nicht auch merkwürdig, dass er sich ausgerechnet in der Nähe unseres Restaurants aufhält, wenn er doch am anderen Ende von New York wohnt?“   Tony runzelte angesichts dessen die Stirn. Es dauerte einen Moment bis es Klick bei ihm machte. „Er hat uns nachspioniert“, schlussfolgerte er. „Aber wieso?“   Stephen stutzte und schenkte Tony einen verwunderten Blick. Hatte der Ingenieur nach all dem immer noch nicht begriffen, was das Hauptmotiv hinter Peters Plan war? Dabei war es doch ganz offensichtlich. „Der heutige Abend war gedacht um sie aufzuheitern. Ich schätze er wollte sicher gehen, dass alles glatt läuft“, erklärte er. „Er macht sich Sorgen um Sie.“   Nach einer Weile stand Tony auf. "Nun, es hat funktioniert.“   Stephen hob daraufhin fragend eine Augenbraue.     „Die Sache mit dem Aufheitern. Es hat funktioniert", wiederholte Tony.   Oh.... Oh! "Hat es das?" fragte Stephen überrascht.   Tony schenkte ihm ein Lächeln. "Na ja… Das war zwar mit Abstand das schlimmste Date, auf dem ich bisher war – und ich war auf vielen – und Sie sind zwar nicht Tante May, aber Peter hat nicht unbedingt gelogen, wissen Sie?“, meinte Tony. „So von einer Zehn zur Anderen…  sind groß, klug und wir bewegen uns auf der gleichen Wellenlänge, was den Humor angeht und sind ähneln uns vielleicht doch mehr als gedacht.“   Stephen schmunzelte und verschränkte gespielt theatralisch die Arme vor der Brust. „Ich bin mindestens eine Zwölf. Aber reden Sie ruhig weiter.“   „Außerdem mag ich Ihre Wangenknochen."   "Meine Wangenknochen?"   Tony zuckte mit den Schultern und grinste. "Ja. Sehr markant. Steht Ihnen in Kombination mit dem Bart und dem hochgeklappten Kragen Ihres magischen Capes wirklich gut. Wirkt sehr … mystisch."   Der Angesprochene schüttelte hinsichtlich dieser Bemerkung amüsiert den Kopf, gespannt was jetzt kommen würde. Doch er konnte nicht umhin dem Anderen zuzustimmen. Es war nett gewesen einmal rauszukommen und etwas anderes als die Wände des Sanctoriums zu sehen. Und es war ja nicht so, als hätten sie sich nicht verstanden... Vielleicht schwebten sie tatsächlich auf derselben Wellenlänge.   "Lassen Sie mich Sie zum Essen ausführen.“, meinte Tony schließlich.   Stephen blinzelte verwirrt und auch etwas überrumpelt. "Da kommen wir gerade her.“   "Nein, nicht jetzt“, räumte Tony ein. „Ich dachte viel mehr an nächsten Freitag? Ich kenne da einen sehr guten Griechen, wissen Sie."   "Nein", antwortete Stephen knapp.   "Nein?" Tony blinzelte daraufhin perplex und ließ die Schultern kaum merklich sinken. Offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, dass sein Angebot abgelehnt wurde.   "Nein“, wiederholte Stephen und lächelte nun seinerseits – erfreut darüber, dass er den Anderen offensichtlich mit seiner Reaktion verblüfft hatte. „Ich mag kein griechisches Essen. Aber in der Nähe ist ein guter Japaner, der ganz annehmbare Ramen macht."   An seinem Platz auf der obersten Stufe der Treppe, eingehüllt in trockene Klamotten und außerhalb des Blickfeldes von Tony und Stephen, konnte Peter sich ein Grinsen nicht verkneifen, als ein Lächeln Tonys Gesicht umspielte. Vielleicht war sein Plan doch nicht so schief gegangen, wie er befürchtet hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)