Das ungeplante Blind-Date von Sensenmann (oder auch: wenn Peter Parker Matchmaker spielt) ================================================================================ Kapitel 2: Teil 2 ----------------- „Entschuldigen Sie bitte, aber können Sie das noch einmal wiederholen?“, sagte Tony Stark verdattert, nachdem er den Zauberer vor sich für ein paar Sekunden mit einem fragenden Blick bedacht hatte. „Ich glaube nämlich, dass ich mich verhört habe.“   Stephen konnte die Reaktion des anderen Mannes vollkommen nachvollziehen. Er konnte seinen eigenen Worten auch kaum glauben, doch eine anderer Erklärung gab es nicht. Peter Parker hatte ihn auf ein Blind-Date mit dessen Ziehvater geschickt – und Stephen hatte es absolut nicht kommen sehen. Jetzt war ihm auch klar, wieso Peter immer vehement von einer Person gesprochen und diese nie beim Namen genannt hatte...   „Nein, Sie haben ganz richtig gehört“, versicherte er dem Erfinder und holte tief Luft, um seine vorigen Worte noch einmal zu wiederholen. „Ich bin Ihre Verabredung für den heutigen Abend.“   Während Stephen sprach schenkte Tony ihm einen Blick, der einem Reh glich, welches gerade ins Scheinwerferlicht eines herankommenden Fahrzeuges starrte. Tonys große, braune Augen machten es ihm leicht, dessen Gedankengänge nachvollziehen zu können. Stephen konnte genau den Moment ausmachen, an dem auch der Ingenieur eins und eins zusammenzählte und realisierte, was Parker angestellt hatte. Dann, urplötzlich und für den Zauberer vollkommen unerwartet, brach Tony in schallendes Gelächter aus.   Ein paar der anderen Gäste fühlten sich durch das Lachen gestört und drehten sich flüchtig zu ihnen um, um die Ursache des Geräusches auszumachen. Genervt biss Stephen sich auf die Lippen. Im Gegensatz zum Milliardär fand er die Situation ganz und gar nicht witzig, zwang sich jedoch dazu ruhig zu bleiben.   Tony fing sich relativ schnell wieder und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. „Entschuldigen Sie“, begann er, immer noch mit einem Grinsen kämpfend. „Aber ich kann einfach nicht glauben, dass Peter mich ausgerechnet mit Ihnen verkuppeln wollte.“   Stephen kräuselte bei diesen Worten säuerlich die Lippen. Zugegeben, er hatte auch nicht damit gerechnet, dass der Knirps ihn mit Stark hatte verkuppeln wollen, aber die abschätzige Reaktion des Erfinders war kränkend. „Ich weiß, dass ich mit Sicherheit nicht die Person war, mit der Sie gerechnet haben, aber…“, setzte er an, besann sich dann aber eines Besseren. Alles Reden würde die Sache auch nicht besser machen. Stephen schüttelte schließlich den Kopf, rutschte mit seinem Stuhl zurück, in der Absicht dieser Farce jetzt ein Ende zu setzen und sich zumindest das letzte bisschen Würde zu wahren, welches ihm noch geblieben war. „Ach, vergessen Sie es. Das war ohnehin eine hirnrissige Idee.“   Bevor er jedoch aufstehen konnte, streckte Tony die Hand nach ihm aus. „Nein, warten Sie! Das klang jetzt irgendwie falsch! So war das nicht gemeint!“, entschuldigte dieser sich.   Der Doktor hob angesichts dessen überrascht die Brauen, kam seinem Wunsch aber nach und blieb – fürs Erste - auf seinem Stuhl sitzen.   Nachdem Stephen keine Anstalten mehr machte zu gehen, zog der andere Mann erleichtert die Hand zurück und versuchte sich zu erklären. „Es ist nur so, dass – Als Peter mich überredet hat, hat er gemeint, ich solle mich mit jemanden aus seiner Familie treffen.“, versuchte er sich vor dem Doktor zu rechtfertigen. „Haben Sie schon einmal seinen Hundeblick gesehen? Es ist fast unmöglich ihm etwas auszuschlagen.“   Stephen ließ sich nichts anmerken, aber er kannte den Blick mittlerweile nur zu gut.    „Na… Jedenfalls fielen da beiläufig auch die Worte groß, dunkelhaarig und gutaussehend. Nicht, dass Sie das nicht wären!“, redete der Ingenieur weiter und hob in einer beschwichtigenden Geste die Hände, bevor Stephen etwas sagen konnte. „Wirklich… Aber ich dachte bei seiner Beschreibung eher …na ja…“ Tony machte eine flippende Bewegung mit der Hand und ließ den Satz unbeendet.   „Seine Tante?“, entgegnete Stephen.   „Ja! Woher wissen Sie…“, antwortete Tony und als er in das Gesicht des Zauberers blickte, erübrigte sich seine Frage. „Oh Gott, Sie sind auch darauf reingefallen? Der Junge ist wirklich gut.“   Ja. Das ist er, stimmte der Arzt stillschweigend zu.   Eine Zeit lang sagte keiner der beiden etwas. Stephen wäre auch auf Anhieb nichts eingefallen, was er dazu überhaupt hätte sagen können. Deswegen war er insgeheim dankbar als Tony seine eigenen Gedanken in Worte fasste. „Okay… Das ist nun doch irgendwie peinlich.“   „Was Sie nicht sagen…“ Peinlich, fand Stephen, beschrieb die Situation momentan wirklich gut. In seinem ganzen Leben hatte sich Stephen noch nie in so einem Szenario wiedergefunden. Weder in seinem Studium, noch in seinem Beruf.    „Und irgendwie verrückt…“   „Verrückt?“   Tony zuckte mit den Schultern. „Peters Idee“, er zeigte dabei abwechselnd von sich zu Stephen. „Dass Sie und ich…“   „Oh… ja. Natürlich.“, pflichtete Stephen ihm bei.   „Lächerlich.“   „Vollkommen.“   Wieder trat für einen Moment eine unangenehme Pause ein, in der Stephen sich ein weiteres Mal fragte, ob es wirklich eine gute Idee war gute Miene zum Bösen Spiel zu machen oder ob er lieber hätte verschwinden sollen, als er Peters Lunte gerochen hatte.   Andererseits hatte er dem Jungen ja versprochen zu dieser Verabredung zu gehen… er hatte auch nicht den Eindruck gehabt, dass Peters Sorgen um diese gewisse Person gespielt gewesen sein soll. Nein, im Gegenteil. Die Sorge um seinen Mentor hatte den Teenager sichtlich mitgenommen. Nur habe ich schon irgendwie alles Mögliche versucht, aber nichts hat bisher geholfen, rief er sich die genauen Worte des Jungen in Erinnerung.   Auch wenn Stephen fälschlicherweise davon ausgegangen war, dass Peter von seiner Tante May redete, so änderte das jedoch keineswegs etwas an dem Problem an sich. Peter hatte Bedenken, dass sein Mentor sich abkapselte und isolierte. Ein Verhalten, welches selbst in seinen Augen äußerst atypisch für den sonst so geselligen Anführer der Avengers war. Andererseits… kannte er Tony Stark überhaupt genug, um so etwas beurteilen zu können?   Wenn er ehrlich war, dann kannte er seine neuen Mitstreiter, abgesehen von Peter Parker, alle nur äußerst flüchtig. Die meisten von ihnen hatte er nur kurz zu Gesicht bekommen, als er mit Lokis und Wandas Hilfe die Infinity Steine ein für alle Male aus dem Verkehr gezogen hatte. Aber selbst bei dieser Gelegenheit war ihm als Außenstehenden nicht entgangen, dass das Team in sich zerrüttet wirkte. Die Avengers als Team gab es so nicht mehr.   Die Person hat momentan nicht unbedingt so viele Freunde, hallten Peters Worte in seinen Gedanken wieder. Dunkel erinnerte Stephen sich daran, was der Ingenieur vor ein paar Wochen im Sanctum gegenüber Doktor Banner erwähnt hatte. Die Avengers hatten sich vor zwei Jahren getrennt, aufgrund eines Zwists zwischen Iron Man und Captain America. Stephen hatte der Bemerkung zu diesem Zeitpunkt nicht sonderlich viel Gewicht beigemessen. Doch nun begannen die Worte des Jungen sich langsam zu einem Puzzle zusammen zu fügen.   Tony Stark ging es ganz offensichtlich nicht gut. Gerade als Arzt war fühlte er sich verpflichtet sich ein genaueres Bild über Tonys Lage zu machen. Vielleicht war er selbst an Tonys Zustand gar nicht so unschuldig. Immerhin war Stephen es, der Tony vor vollendete Tatsachen gestellt und ihn ins kalte Wasser geschmissen hatte, ohne ihm Details seines Plans zu nennen.   Stephen wurde unsanft aus seinen Gedanken gerissen, als plötzlich eine Kellnerin mit einem kleinen Servierwagen an ihren Tisch trat und ihnen je einen Teller mit Gnocci und einem gemischten Beilagensalat servierte. Stephen tauschte einen kurzen Blick mit Tony, der von der Aktion mindestens genauso überrascht zu sein schien, wie er selbst.   „Entschuldigen Sie, aber wir hatten gar nichts bestellt?“, wandte Tony sich an die Kellnerin, die sich nun damit anschickte beiden Wein einzuschenken.   Die Kellnerin, eine junge blonde Frau, stellte die halb leere Flasche auf den Tisch, bevor sie auf die Frage antwortete. „Oh, keine Sorge, Sir. Das Essen wurde bereits im Voraus mit einem äußerst großzügigen Trinkgeld bezahlt.“   Tony stutzte. „… Von wem?“   Die Kellnerin lächelte und sah dabei bedeutungsvoll von Tony zu Stephen. „Von einem wirklich sehr charmantem, jungen Mann. Er wollte sichergehen, dass Sie sich um nichts zu kümmern brauchen.“ Sie wünschte ihnen noch einen guten Appetit und verschwand danach wieder in Richtung Küche. Die beiden sahen ihr einen Moment lang vollkommen verdattert nach und tauschten daraufhin erneut einen ziemlich überraschten Blick.  Nach einer Weile zuckte Tony resigniert mit den Schultern. „Sieht ganz so aus, als hätte Peter sich in der Tat um alles gekümmert“, meinte er und griff nach seiner Gabel, ehe er sich wieder an den Zauberer wandte. „Sie hatten doch sowieso vor, hier essen zu gehen. Oder nicht?“   „Zu einem gratis Essen sage ich ganz sicher nicht nein.“, entgegnete Stephen und tat es dem Anderen gleich, indem er nach der Gabel fasste. Insgeheim froh darüber, dass Peter wenigstens etwas bestellt hatte, das er - aufgrund seiner Hände- ohne große Probleme würde essen können.   „Gibt es in Oz keine Küche?“, fragte Tony und sah zu Stephen, während er sich daran machte ein paar Gnocci mit seiner Gabel aufzuspießen.   „Eine Küche schon. Aber Lebensmittel erweisen sich als teuer, wenn der Großteil der Meister und Schüler sich den materiellen Werten entsagt haben“, entgegnete Stephen wahrheitsgemäß, während er sich bemühte die Finger seiner Hand möglichst ruhig zu halten, um die Kartoffelbällchen gezielt aufpicken zu können. Der Lebensstandard im Sanctum begrenzte sich auf das Nötigste. Verwöhnt durch seinen luxuriösen Lebensstil hatte Stephen selbst lange gebraucht, um sich dem anzupassen. So etwas wie Luxus gab es in den Tempeln nicht.   „Ich dachte immer Zauberer könnten sich prinzipiell alles aus dem Hut zaubern?“, wandte Tony ein, nachdem er einen Bissen hinuntergeschluckt hatte. Zu Stephens Überraschung wirkte er tatsächlich interessiert. Der Größere schüttelte daraufhin den Kopf, während er mit der Gabel ein Blatt seines Salates aufspießte. „Das würde einiges erleichtern, aber Nahrungsmittel können nicht magisch aus dem Nichts heraufbeschworen werden.“, erklärte er. „Gamps Gesetzt der Transfiguration.“   „Und wie arrangieren Sie sich dann? Sie können sich ja schlecht von Luft und Liebe ernähren.“   „Im Kamar Taj, unserem Tempel für die Ausbildung, bauen wir selber Gemüse und Obst an. Denn wie Sie sich vorstellen können sind unsere finanziellen Mittel begrenzt.“   „Wow“, machte Tony. „Es gibt mehrere von diesen Zauberschulen?“   Stephen seufzte. „Tempel. Keine Schulen.“   Tony schmunzelte daraufhin. „Aber Sie unterrichten doch, wie man diese orangen Fünkchen macht, die aus Ihren Händen kommen, oder nicht?“   „…“   Stephen antwortete darauf nicht, sondern starrte den Ingenieur an. Er biss sich auf die Lippe. Es fuchste ihn, dass er sein Argument mit seinem Einwand zu Nichte gemacht hatte.   Das Grinsen des Anderen wurde breiter, als Stephen ihm nichts entgegenzusetzen hatte. „Also?“, fragte er amüsiert. „Wie viele Schulen gibt es?“   „Es gibt vier große Tempel.“, erklärte Stephen und betonte dabei das letzte Wort.  „Im Kamar Taj bilden wir neue Anwärter auf die mystischen Mächte aus und lehren sie mit Magie umzugehen – die orangen Funken, wie Sie sie nennen. Die drei anderen drei Tempel, das Sanctum, London und Hong Kong, dienen im Wesentlichen dazu das Kräfte-Gleichgewicht zu wahren, Artefakte und Wissen vor Dritten zu schützen und zu verhindern, dass es in die falschen Hände gelangt.“   „Und nach welchen Kriterien wählen Sie diese Anwärter aus? Gibt es eine Art Zeremonie…?“ Tony machte dabei eine flippende Bewegung mit der Gabel und sah den Arzt abwartend an.   Dieser nahm einen Schluck von dem Wein, den die Kellnerin Ihnen zuvor eingeschenkt hatte, bevor er antwortete. „Wir wählen Sie nicht aus. Sie kommen von sich aus zu uns, wenn Sie keine andere Option mehr sehen.“   „Und aus welchem Grund haben Sie sich diesem Orden angeschlossen?“   Stephen wollte das Glas wieder abstellen, hielt jedoch angesichts dieser Frage in seiner Bewegung inne. Er wusste nicht Recht, ob Tony die Frage ernst gemeint hatte oder einfach nur höflich sein wollte. Immerhin hatte Stephen sich damals seinerseits einen großen Namen in der Neurochirurgie gemacht. Sein Autounfall hatte damals die Titelseiten einiger Zeitschriften geziert. Er war sich ziemlich sicher, dass Stark von seinem Schicksal gelesen oder es nach ihrem ersten Zusammentreffen zumindest gegoogelet hatte.   „Für jemanden der mit Magie nichts am Hut haben will, stellen Sie ziemlich viele Fragen“, erwiderte er und musterte Stark abwägend.   Tony schenkte ihm ein kurzes Lächeln, ehe er sich erneut ein paar Goccis in den Mund schob. „Ich dachte, nachdem Peter anscheinend unseren gemeinsamen Lebensabend plant, wäre es angebracht ein wenig mehr über Sie zu wissen“, erklärte er, nachdem er geschluckt hatte und versenkte die Gabel bereits wieder in seinen restlichen Gnocci. „Also?“   Stephen schnaubte amüsiert. Der Milliardär nahm die ganze Situation gelassen hin, ganz so als sei es nicht unüblich, dass er in so etwas landet. Stephen beschloss seinem Beispiel zu folgen und das Beste daraus zu machen. „Nach meinem Autounfall hatte ich gehofft eine Heilung für die Nerven in meinen Händen zu finden.“ Ihm entging nicht, wie Tony bei diesen Worten einen flüchtigen Blick zu seinen Händen warf. Unwillkürlich verkrampfte Stephen diese, als er den Blick bemerkte. Doch das leichte Zittern in seinen Fingern hörte auch jetzt nicht auf. Würde es nie, dachte Stephen bissig.   „Oh.“   Das Zittern seiner Hände war dem Erfinder wohl ebenfalls nicht entgangen. Tony wandte seinen Blick schließlich wieder von Stephens Händen ab. In seiner Mimik lag etwas Verständnisvolles, ganz so, als würde Stark tatsächlich verstehen, was er durch diesen Unfall verloren hatte.    „Vermissen Sie Ihr altes Leben?“, fragte Tony nach einer Weile, der sonst so spielerische Ton aus seiner Stimme verschwunden, stattdessen klang er mitfühlend und verständnisvoll.   Stephen sah ihn einen Moment lang an und dachte nach. Die Frage kam für ihn nicht wirklich überraschend.  Er rief sich in Erinnerung, dass Stark vor einigen Jahren Ähnliches durchgemacht hatte. „Man lernt sich zu arrangieren, wie Sie sicher selbst wissen.“, entgegnete er schließlich und deutete fasste sich selbst mit einer Hand an die Brust, an der Stelle, an der Tonys Arc Reaktor saß.   „Wieso haben Sie sich eigentlich dazu entschlossen sich wieder einen Arc Reaktor einsetzen zu lassen?“, fragte Stephen nun seinerseits, einerseits froh eine Gelegenheit zu haben das Gespräch von sich wegzulenken, andererseits auch wirklich interessiert. „Ich habe damals den Bericht über die Entfernung der Schrapnel-Stücke gelesen.“   Tony blinzelte, offensichtlich überrumpelt durch den Themenwechsel. Dann, für einen kurzen Moment, trat ein bedrückter Ausdruck in seine Augen. Unbewusst ließ der Ingenieur die Gabel sinken und umklammerte mit seiner rechten seine linke Hand. Eine Geste, die Stephen unwillkürlich an eine posttraumatische Belastungsreaktion erinnerte und dem Arzt zeigte, dass er offenbar ein Thema angeschnitten hatte, welches den Ingenieur belastete.   Großartig, dachte er sarkastisch und schalt sich selbst dafür, dass er nicht nachgedacht hatte. Der Reaktor in Tonys Brust war eine Folge dessen Entführung in Afghanistan. Es war also ganz und gar nicht verwunderlich, dass die Erinnerung daran den Ingenieur belastete.      „Tut mir leid. Sie müssen nicht darüber reden, wenn Sie nicht wollen“, lenkte Stephen ein, sobald er seinen Fehltritt bemerkte.   Tony schüttelte den Kopf. „Nein, nein. Ist schon gut. Es ist nur ein wenig frisch, wissen Sie?“, meinte er.   „Wissen Sie wie ein Elektromagnet funktioniert?“   „Ja.“   Tony nickte. „Der Reaktor diente ursprünglich als Energiequelle für den Elektromagneten in meiner Brust. Er hielt zwar die Granatensplitter von meinem Herzen weg, aber dadurch, dass ich für meinen Iron Man Anzug die Leistung des Reaktors entsprechend erhöhen musste…“   „Eine Palladium-Vergiftung“, unterbrach Stephen ihn ohne Probleme seinem Gedankenganz zu folgen. Auch davon hatte er in dem Bericht gelesen. „Deswegen das neue Element?“   „Exakt. Keine Vergiftungen mehr“, meinte Tony. „Ein paar Jahre später war die Medizin dann endlich soweit, dass ich mir die Splitter entfernen lassen konnte, ohne dauerhaft mit einem Loch in meiner Brust rumrennen zu müssen oder fürchten zu müssen, dass man mir den Arc Reaktor herausreißt.“   Stephen nickte.  Er hatte die Forschungsberichte zu Extremis eine Zeit lang verfolgt. Aus medizinischer Sicht war dieses Projekt bemerkenswert und erschreckend in gleichem Maße.   „Ich nehme an sie haben Extremis weiterentwickelt?“, äußerte Stephen seine Vermutung und sah zu dem Fleck auf Tonys Brust, an dem ein hellblaues Licht leicht durchschimmerte. Etwas anderes machte in seinen Augen keinen Sinn. Wieso sonst sollte Stark sich wieder einen Reaktor in seine Brust setzen lassen, wenn er keinen Vorteil daraus zog?   „Ganz genau. Ich konnte Extremis so umfunktionieren, dass es mir in Verbindung mit meiner Nano-Technologie möglich ist, meinen Anzug jederzeit, von einer Sekunde auf die andere, zu aktivieren. Die Wirkungsweise sorgt dafür, dass sich die Rüstung bei einem Schaden sofort selbst repariert. Der Anzug ist also jederzeit vollkommen funktionstüchtig. Allerdings benötigt Extremis für die Regenerierung eine nahezu unendliche Energiequelle.“ Tony tippte sich dabei auf den Reaktor.   Stephen hatte auf Titan selbst gesehen, zu was Tony dank seines Anzuges im Stande war. Wenn er nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, wie die Rüstung sich ein ums andere Mal neu zusammengesetzt hatte, hätte er es nicht für möglich gehalten. Starks technischer Fortschritt war beachtlich.   „Bemerkenswert“, räumte Stephen nach einer Weile ein.   „Ja. Aber alles hat seinen Preis, nicht wahr?“, meinte Tony betrübt.   Stephen brauchte nicht lange um darauf zu kommen, was Tony meinte, Er hatte aus den Zeitungen bereits von dessen Trennung erfahren. Stephen gab nicht viel auf Klatsch und Tratsch, aber wenn man den Schlagzeilen Glauben schenken mochte, dann war Tonys Doppelleben als Iron Man mit ein Grund für den Bruch zwischen ihm und Pepper Potts.   „Das mit Ihrer Verlobung tut mir leid.“   „Das muss es nicht. Ich bin ja selbst nicht ganz unschuldig daran“, sagte Tony. „… Tja… Die Sache mit Pepper war schon immer ein einziges Hin und Her. Wir hatten schon immer unsere Differenzen. Ich dachte eigentlich, dass ich mich zusammenraufen könnte, dass wir es vielleicht doch irgendwie hinbekommen, doch nach der Sache mit Thanos… und dem hier.“ Tony tippte sich dabei auf den Arc-Reaktor. „Waren die wohl einfach zu groß…“   Stephen hörte dem Anderen aufmerksam zu. Er verstand Tonys Dilemma nur allzu gut, hatte er mit Christine Palmer, seiner ehemaligen Kollegin aus dem Metro-General Krankenhaus, doch Ähnliche durchgemacht. Allerdings war es dem Zauberer rückblickend nie so ernst mit ihr gewesen, dass er auf die Idee gekommen wäre ihr einen Antrag zu machen.   „Entschuldigen Sie, das wollten Sie bestimmt gar nicht hören.“   „Nein, ist schon gut“, entgegnete Stephen. „Wie sagten Sie vorhin? Wenn Ihr Junge unseren gemeinsamen Lebensabend plant, wäre es angebracht ein wenig mehr übe einander zu erfahren.“   Tony lächelte angesichts Stephens Bemerkung, dann legte er den Kopf leicht schief, als wäre ihm gerade etwas eingefallen. „Hey, wie genau hat Peter eigentlich Sie hierzu überredet?“    „Er kam gestern Nachmittag ziemlich gehetzt in das Sanctum und hat mich um einen medizinischen Rat gebeten.“   „Um einen medizinischen Rat?“, wiederholte Tony, dieses Mal sichtlich besorgt. Der Ingenieur beugte sich kaum merklich nach vorne. „Ist er krank?“   „Nein. Keine Sorge. Ihm fehlt nichts.“ Bei diesen Worten konnte Stephen förmlich sehen, wie die Anspannung aus Tonys Körper wich und der Erfinder sich wieder in den Stuhl lehnen konnte. „Ich dachte zuerst es ginge um seine Tante, aber anscheinend macht er sich viel größere Sorgen um Sie.“ Tony stutzte ungläubig. „Um mich?“   Stephen starrte ihn ungläubig an. War das sein Ernst? Der Junge hatte all das inszeniert und Stark fragte sich, wie er zu dem Schluss kam der Teenager mache sich um ihn Sorgen? Tony mochte zwar als einer der hellsten Köpfe des Landes gelten, doch manchmal war der Mann einfach blind. Gerne hätte Stephen ihm genau das an den Kopf geworfen, doch er entschied sich dann doch für die diplomatischere Variante. „Ich weiß nicht, ob Ihnen das bewusst ist, aber Peter sieht sie als eine Art Vaterfigur.“   Der Andere wirkte nach dem Gesagten etwas perplex und schien für einen kurzen Augenblick aus der Bahn geworfen. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. „Denken Sie das wirklich?“, fragte er etwas zögernd, der sonst so gelassene Ton wieder aus seiner Stimme verschwunden.   „Ja, definitiv“, entgegnete Stephen ohne zu zögern und wunderte sich ernsthaft, wie der andere Mann das hatte übersehen können. „Tony, Sie müssten Mal hören, in welch hohen Tönen er von Ihnen spricht.“ Er kannte Peter zwar noch nicht so lange wie Stark, doch brauchte es nicht viel um zu erkennen, wie sehr der Teenager zu ihm aufsah – ganz so als hätte Tony Stark den Mond und die Sterne persönlich erschaffen. Selbst auf dem Planeten Titan hatte Peter stets die Bestätigung von Stark gesucht und alles getan um diesen stolz zu machen. Stephen hatte keinen Zweifel daran, dass Peter auch diesen Abend mit dem Hintergrund inszeniert hatte, Tony glücklich zu machen. Auch wenn Stephen immer noch nicht hundertprozentig sagen konnte, wieso Peter gerade ihn dabei um Hilfe gebeten hatte.   „Er ist ein guter Junge“, meinte Tony nach einer Weile und Stephen meinte den Hauch eines Lächelns auf dessen Gesicht zu sehen.   „Ja das ist er“, stimmte er zu.   ……………………..       Erstaunlich, dachte Stephen, nachdem sie eine knappe Stunde später aus dem Restaurant an die frische Luft traten. Es war schon lange her gewesen, dass er mit jemandem so unbefangen hatte reden können. Abgesehen von der absurden Situation, in die Peter sie hineinmanövriert hatte, hatten sie sich den Rest des Abends gut verstanden. Vielleicht hatte Peter Recht und sie waren sich doch ähnlicher, als er zuerst angenommen hatte.   „Und? Wie kommen Sie nach Hause?“, meinte Tony, als sie auf den gepflasterten Bürgersteig vor dem Lokal traten. „Apparieren Sie sich oder benutzen Sie einen alten Gummischuh als Portschlüssel?“   Stephen schmunzelte und schlüpfte in seinen Umhang, welcher immer noch als Jacke getarnt war. Jetzt wo die Sonne weg war, wurde es doch ein wenig kühl. Fast augenblicklich schmiegte sich der weiche Stoff wieder an seine Form und vermittelte ihm das gewohnte Gefühl von Sicherheit. „Weder noch. Ich benutze meinen Sling-Ring.“   Auch Tony zog nun den Reißverschluss seiner Jacke bis nach oben, die Sonnenbrille überflüssigerweise wieder auf seinem Nasenrücken. „Ihren was?“   „Meinen Sling-Ring“, wiederholte Stephen und zog den besagten Ring bei diesen Worten aus seiner Jackentasche hervor, um ihm dem anderen Mann zu zeigen.   Tony nahm ihm den Ring ab und hob mit der anderen Hand seine Sonnenbrille an, um bei dem spärlichen Licht besser sehen zu können. Er ließ ihn zwischen den Fingern hin und her gleiten und betrachtete ihn eingehend. „Das sieht aus wie so ein Ding aus einem von diesen Kaugummi-Automaten.“   Die stumpfe Bemerkung kam so überraschend, dass Stephen sich ein Lachen nicht verkneifen konnte. „Ich versichere Ihnen, dass ich es garantiert aus keinem Kaugummi-Automaten habe“, erklärte er. „Genauso wie mein Umhang gehört der Sling-Ring zu unserer Artefakten-Sammlung. Er gehört zur Grundausstattung bei der Ausbildung. Nur in Verbindung mit ihm ist es uns möglich Portale zu anderen Orten zu öffnen.“   „Egal wo hin?“, hakte Tony nach und reichte ihm den Ring, ehe er sich die Sonnenbrille wieder auf die Nase setzte.   „Solange es auf der Erde ist.“   „Das ist definitiv praktisch.“   Stephen nahm den Ring zurück und zog diesen sachte über Mittel- und Ringfinger seiner linken Hand. „Und? Was ist mit Ihnen? Sind Sie in Ihrer Iron Man Rüstung hergeflogen?“   „Nein. Man hat mir gesagt, dass es Passanten nur beunruhigt, wenn Iron Man ohne Grund in der Stadt rumfliegt“, entgegnete Tony und zeigte mit einem Finger in die Richtung der Straße. „Mein Auto steht da vorne.“   Stephen blickte in die Richtung, in die Tony gerade gezeigt hatte – und staunte nicht schlecht, als er den gelben Sportwagen sah, der seitlich am Straßenrand parkte.   „Ein Audi R8 Spyder“, meinte Stephen fasziniert und schloss eilig die letzten paar Meter zu Tonys Wagen auf. „Welche Motorvariante ist das?“   „Ein V10 Plus“, entgegnete Stark ein wenig überrascht, als er dem Größeren folgte. „Dafür, dass sie wie ein Einsiedlerkrebs leben, kennen Sie sich erstaunlich gut aus, Doc.“   Stephen war immer noch damit beschäftigt das Auto zu bewundern. Vorsichtig und ein wenig wehmütig fuhr er mit den Fingern über den Lack. Abgesehen von der quietschgelben Lackierung war das Modell großartig. Sogar ohne Überdachung stromlinienförmig gebaut um den Luftwiderstand beim Fahren und im Umkehrschluss auch den Verbrauch möglichst gering zu halten. „Ich hatte selbst einige Sportwagen, als ich noch Neurochirurg war.“, erklärte er und warf einen kurzen Blick über die Schulter zu Stark, bevor er sich wieder dem Neuwagen zuwandte. Für ihn fühlte es sich so an, als wäre seine letzte Fahrt schon Ewigkeiten her. Beim Fahren hatte er das Gefühl grenzenloser Freiheit immer geliebt. Etwas, das er seit seinem Unfall sehr vermisste. „Mein letzter war einen Lamborghini Huracán Coupé.“   Tony trat neben ihn und beobachtete ihn einen Moment. Durch die Sonnenbrille war es Stephen allerdings unmöglich dessen Mimik zu lesen. Für einen Augenblick dachte er schon, dass er sich, angesichts seiner Begeisterung für den Sportwagen, vor dem Millionär wie ein kleines Kind aufgeführt haben musste, doch der Andere hielt ihm lediglich die Autoschlüssel hin. „Die Nacht ist noch jung. Hätten Sie Lust auf eine kleine Spritztour?“   „Bitte?“ Stephen glaubte sich verhört zu haben.   „Eine Spritztour. Mit dem Wagen. Die Autobahn ist nicht weit“, meinte Stark und zuckte mit den Schultern. „Sie können fahren, wenn Sie wollen. Nur sagen Sie es nicht Rhodey, sonst darf ich mir nächstes Mal eine noch längere Reihe an Vorwürfen anhören.“   Stephen warf einen flüchtigen Blick auf die Schlüssel, die Tony ihm nach wie vor hinhielt, als wäre es keine große Sache jemanden ein Auto fahren zu lassen, dass mehrere Hunderttausend Doller wert war. „Das Angebot ist wirklich sehr nett. Aber ich fürchte es ist mir nicht möglich mit denen hier zu fahren“, entgegnete Stephen und hielt seine Hände kurz hoch.   Tony zuckte nonchalant mit den Schultern. „Ich habe mir sagen lassen als Co-Pilot mache es sogar noch viel mehr Spaß. Außerdem hat man mir beigebracht, dass es sich für einen Gentleman gehört sein Date nach Hause zu bringen.“ Tony ging auf die Beifahrerseite und öffnete dort demonstrativ die Tür. „Also? Wie wäre es mit einem kleinen Abstecher auf den Highway?“   Stephen wollte gerade etwas erwidern, als Tonys Sonnenbrille plötzlich hellblau aufblinkte.   „Boss?“, klang die mechanische Stimme der KI aus einem Lautsprecher an der Brille. „Es geht um Peter Parker, Sir.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)