Kurai Kage von Soraja_Shiki ================================================================================ Prolog: -------- Der Geruch von frischem Kaffee drang in seine Nase und ließ ihn zufrieden aufseufzen. Er liebte es, von diesem herrlichen Aroma geweckt zu werden, womit sogar die frühe Uhrzeit, jedes mal aufs neue entschuldigt wurde. Sich dieser duftenden Verführung ergebend, begann er seinen müden Körper langsam und genüsslich zu strecken und schälte sich kurze Zeit später aus dem schützenden Laken. Verschlafen und so nackt wie Gott ihn schuf machte er sich, nach einem kurzen Zwischenstopp im Bad, auf den Weg, um die noch müden Lebensgeister mit dem koffeinhaltigen Heißgetränk zu neuem Leben zu erwecken. Also betrat er, herzhaft gähnend, die Küche und ein kleines Lächeln schlich sich bei diesem Anblick auf seine feinen Gesichtszüge. Da stand er. Der Mann, welcher an seiner Seite war seit er denken konnte, in lediglich eine Boxershorts gehüllt. Der einzige Mensch, der ihn so akzeptierte wie er nunmal war. Mit all seinen Macken und Fehlern. Welcher immer hinter ihm stand, ihm den Rücken gestärkt und ihn niemals aufgegeben hatte. Wäre dieser Mann nicht, würde er nicht mehr leben, hätte damals eigenhändig, seiner einst jämmerlichen leeren Hülle, den alles beendeten Todesstoß versetzt. Doch er wurde gerettet. Aus der endlosen Tiefe, Leere und Einsamkeit befreit, lernte er die dunklen Geister der Vergangenheit hinter sich zu lassen und erreichte damit sogar einen amnesieähnlichen Zustand. «Vergangenheit ist Vergangenheit und hat in meinem neuen Leben nichts mehr zu suchen. Das einzige was zählt bist du.» Im Stillen dem anderen dankend, überbrückte er die letzten Meter und schmiegte sich von hinten an den warmen Körper, atmete dessen verführerisch herben Geruch ein und fuhr mit seinen Fingern über den leicht muskulösen Oberkörper. Ein leises genießerisches Brummen drang an sein Ohr, während das Objekt seiner Liebe, den Kopf zu ihm nach hinten fallen ließ und mit der Hand an seinen Hintern fasste. Weshalb er aufhörte den Oberkörper zu verwöhnen, und mit seiner Hand in tiefere Regionen rutschte, während er lasziv über den ihm so provokant dargebotenen Hals leckte und immer wieder leicht hinein biss. Der Griff an seinem Gesäß wurde fester und das Kneten hastiger, als er kurz darauf schon geschickt vor den anderen geschoben und zwischen dessen Körper und der Anrichte eingeklemmt wurde. Wunderschöne tiefbraune Augen starrten in die seinen und kurze Zeit später fühlte er weiche Lippen auf seinen eigenen. "Du schmeckst so gut.", raunte er in den Kuss und erhöhte langsam den Druck, leckte dabei mit seiner Zunge über das weiche Lippenpaar, um Einlass in die Mundhöhle des anderen zu erlangen, welcher ihm kurz darauf auch gewährt und er sofort von der anderen Zunge freudig in Empfang genommen wurde. Gekonnt schob er dem anderen das letzte störende Stückchen Stoff von den Beinen, hiefte sich auf die Küchenanrichte, umschlang danach den ebenfalls willigen Körper mit seinen Beinen und zog ihn so an sich. Als sie sich abermals berührten, spürte er wie sein eigener Körper von einem erneuten Schwung Hitze erfüllt wurde und konnte sich ein Stöhnen nicht mehr verkneifen, als kurz darauf auch schon ihre Unterleiber aufeinander trafen. «So kann jeder Tag starten.» Nach ihrem kleinen früh morgendlichen Tête-à-tête sprang er zufrieden von dem Möbelstück, küsste seinen Partner nochmal liebevoll, nahm sich grinsend, die für ihn bestimmte Tasse Kaffee und machte sich auf den Weg, um mit einer Dusche den Sexgeruch los zu werden. Eine Stunde später ging er fröhlich, der Musik aus seinen Kopfhörern lauschend, durch die morgendlichen Straßen Tokyos und erfreute sich an seinem absoluten Lieblingslied. «Kann dieser Tag denn noch besser werden?» Diese Frage wurde im selben Moment beantwortet, als er ein mittelgroßes, hübsch zurecht gemachtes, rotes Paket mit schwarzer Schleife vor dem Eingang seines Ladens entdeckte. «Oh ja. Er kann!» Möglicherweise hatte ihn ja sein Liebster überraschen wollen? Zufrieden schloß er sein Geschäft auf, ging erstmal seinen Pflichten als Ladenbesitzer nach und stellte das Präsent vorerst auf dem Verkaufstresen ab. Nachdem alle Lichter angeschaltet waren, die Musik leise aus den Lautsprechern drang und er sich vergewissert hatte, dass seine Ware auch perfekt in Szene gesetzt wurde, schlich er sich langsam an das eigentliche Objekt seines Intresses heran und zurrte ungeduldig an der schönen Schleife. "Guuuten Morgen, Chefchen!" Bei der lauten, fröhlichen Begrüßung seines Angestellten und zugleich guten Kumpels, fuhr er erschrocken hoch und blickte den Störenfried finster an. "Mensch Kazuki! Willst du, dass ich einen Herzanfall krieg?" "Sorry, Alter. Was hast du denn da? Ist ja echt schick verpackt!" Der Braunhaarige beäugte das Paket ebenfalls sehr interessiert. "Na los! Mach schon auf!" «Die alte Nervensäge!» Um den anderen schnellstmöglich los zu werden, meinte er deshalb lediglich mit einem fiesen Grinsen auf den Lippen "Sag mal, hast du nicht's zu tun? Wenn nicht, dann ist deine Stelle vielleicht überflüssig. Oder was meinst du?" Der junge Mann verzog gespielt beleidigt seine, mit Snakebites dekorierten, Lippen "Ist ja gut. Bin schon weg." Keine Sekunde später fing sein Kumpel an die neuen Muster zu beäugen und alle dafür benötigten Utensilien aus dem Keller zu holen. Ein erleichtertes Schnaufen entkam dem Ladenbesitzer, welcher sich nun endlich wieder in Ruhe seinem Paket widmen konnte. «Was da wohl drin ist?» Sobald die störende Schleife entfernt war, hob er vorsichtig den Deckel an und warf voller Nervosität das störende, sich darin befindende Papier, auf den Boden. Was jedoch dann zum Vorschein kam, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren und jegliche Farbe wich aus seinem ohnehin schon blassen Gesicht. Mit zittrigen Fingern griff er nach dem Inhalt, während er bemerkte dass sich alles um ihn herum zu drehen begann und er seine letzte Chance, dem sicheren Aufprall zu entkommen, verwirkt hatte. Das letzte was er noch wahrnahm, war Kazukis panische Stimme "Fuck! Taka, was ist lo...", und schon tauchte alles in dunkle, alles verschlingende Leere, auf welche der, zuvor prognostizierte, laute und schmerzvolle Aufprall folgte. Kapitel 1: ----------- Blitze zuckten über den nächtlichen Himmel und ließen den kleinen Körper in seinen Armen, immer wieder aufs Neue zusammenzucken. Das Schluchzen wurde immer lauter, welches er versuchte mit beruhigenden Worten und dem Streicheln über den Kopf des anderen, zum Ersterben zu bringen. „Ta-chan. Ich hab Angst. Es war nicht...“ Ein weiterer Donner ließ das Persönchen ängstlich zusammenfahren und sich fester an ihn pressen. „Schon gut.“ Zu mehr war er selbst im Moment nicht mehr im Stande, denn nicht allzu weit entfernt drangen bereits wütende Schreie, welche die Laute des Unwetters bei weitem übertönten, zu ihnen herüber. Kurz darauf machten schnelle, energische Schritte vor ihnen Halt und nach einem kurzen „Wie konntest du nur!“, spürte er schon wie seine Wange zu brennen begann. Langsam öffnete sich ein braunes Augenpaar und blinzelte ein paar Mal, um wieder eine klare Sicht zu erlangen und allmählich erkannte er auch die Umgebung wieder. Er war in seinem Laden und lag auf dem Sofa. „Taka! Taka! Alles okay? Mensch, jag uns nie wieder so einen Schrecken ein. Hast du verstanden?“ Vor ihm tauchte ein besorgtes, ihm nur allzu bekanntes Gesicht auf. „Y-Yutaka...“, war das Einzige, was er aus seiner trockenen kratzigen Kehle heraus pressen konnte, während er von diesem auch schon einen Kuss auf die Wange gedrückt bekam. Bei dem rügenden Ton des Dunkelhaarigen, sowie dem immer noch besorgten Gesichtsausdruck Kazuki‘s, konnte er ein Lächeln nicht mehr unterdrücken und schloss kurz noch einmal zufrieden die Augen. «Danke, dass ich euch hab... Aber wo ist...?» Wie aufs Stichwort spürte er in der selben Sekunde, wie er leicht hoch gehievt und an einen anderen Körper gezogen wurde. Wieder stieg ihm der herbe Geruch in die Nase und ein zufriedenes und wohliges Seufzen verließ seine Lippen, während er sich fester an die starke Brust schmiegte und seine Arme um Akira schlang. Wortlos hielt dieser ihn fest, bis Takanori langsam die Augen öffnete, sich etwas streckte und seinem Freund einen Kuss auf die Lippen hauchte. „Dein Nasenband ist verrutscht, Schatz.“, zog er den Größeren, welcher sich wortlos leicht von ihm löste, um das besagte Accessoires wieder zu richten, auf. „Also was ist jetzt eigentlich passiert? Yutaka und ich sind sofort hergekommen, nachdem Kazuki uns angerufen hat.“, drang die tiefe Stimme Akira‘s zu ihm durch. „Gute Frage. Da war dieses hübsche Päckchen und als Taka es aufgemacht und hinein gesehen hatte, wirkte er wie unter Schock, bis er kurz darauf einfach umgekippt ist.“, erinnerte sich sein Mitarbeiter stirnrunzelnd. Währenddessen wurde Kazuki von seinem Freund Yutaka liebevoll in den Arm genommen, welcher sich eine Vermutung nicht verkneifen konnte. „War da denn irgendwas Schlimmes drin, das dich erschreckt hat?“ Der Kleinere begann zu grübeln. „Ich weiß nicht, mir wurde plötzlich schwindelig und mein Körper hat angefangen zu zittern.“ „Okay, das ist krass. Aber sag mal, was war denn nun eigentlich in dem Päckchen? Oder willst du nicht darüber reden?“, musste Kazuki nun doch nachhaken. Zur Antwort schüttelte Takanori nur den Kopf. „Darf ich es sehen?“, kam es nun mit ruhiger angenehmer Stimme von seinem Freund, woraufhin er nur mit den Schultern zuckte und Akira damit dazu veranlasste, sich von ihm zu lösen, um das vermeintliche Präsent genauer zu inspizieren. Vorsichtig wurde der Deckel hochgehoben und beiseite gelegt, als auch schon interessierte Augen in das Päckchen lugten und nach einigen Minuten Bedenkzeit resignierend wieder geschlossen wurden. Was sollte das bedeuten? Wieso sagte ihm der Inhalt gar nichts? Akira kannte den Kleineren doch fast sein ganzes Leben! Kannte die Wahrheit hinter dem wirklichen Takanori, weshalb dieser zu diesem Menschen geworden ist, der er heute war und ebenso wusste der Nasenband-Träger über viele unschöne Details aus seiner Vergangenheit bescheid. Dinge die sein Freund verdrängt hatte, also warum zum Teufel klingelte es bei ihm gerade nicht? Verheimlichte sein Freund ihm vielleicht etwas? Kannte er in doch nicht so gut, wie er eigentlich immer geglaubt hatte? Nachdenklich und etwas gekränkt drehte Akira sich wieder zu dem anderen um und schwieg vorerst. „Und? Was sagst du dazu?“ Takanori schien tatsächlich ein Statement von ihm zu erwarten, was dem blonden Mann mit dem Nasenband gerade gar nicht passte und er somit bei seinen nächsten Worten nur desinteressiert mit den Schultern zuckte. „Ein Foto, ein Stein und roter Nagellack.“, mehr fiel ihm dazu nun wirklich nicht ein, was sein Partner nur mit einer eindeutigen Geste quittierte: Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Ohne Worte...“, und mit dieser Aussage verließ Takanori genervt sein Geschäft. Zurück blieben nur Takanori´s Freunde und ein, über die Reaktion seines Partners sichtlich geschockter Akira, welcher die Neugier der beiden anderen förmlich spüren konnte. „Sag mal. Da sind wirklich nur die drei Dinge drin? Klingt ja eigentlich ziemlich uninteressant. Ist auf dem Foto wenigstens etwas Heißes drauf?“, bei dem letzteren Gedanken fingen Kazuki‘s Augen leicht an zu leuchten, was ihm von Yutaka einen unsanften Knuff in die Rippen einbrachte. „Guck halt selbst.“, und mit diesen Worten gab der Blonde das Päckchen seines Freundes nun zum allgemeinen Begutachten frei. Sofort stürzten sich die zwei Neugierigen auf das besagte Objekt. „Kazu, schließt ab wenn ihr geht. Ich suche mal meine kleine Diva.“ Und mit diesen Worten überließ Akira die Jungs sich selbst. *********** Gefrustet nippte Takanori an seinem Glas Rotwein und schmollte vor sich hin. Es wollte ihm einfach nicht in den Kopf gehen, weshalb Akira alles so runter spielten musste. Fast so, als wäre das völlig egal und er hätte ein völligs Rad ab. Der Kleinere konnte es sich ja selbst nicht erklären, warum ihm der Inhalt so den Boden unter den Füßen weggezogen hatte und verstand im Moment auch nicht die Bedeutung hinter dem Ganzen, aber es musste sich um etwas aus seiner Vergangenheit handeln. Etwas, was er bislang gekonnt verdrängt hatte und somit vermutlich besser niemals wieder ans Tageslicht kommen sollte. Also wollte er tatsächlich die Büchse der Pandora öffnen und der Bedeutung hinter den Objekten auf die Spur kommen? Irgendwie machte es ihm Angst und er wollte das Ganze viel lieber verdrängen, was einem Menschen wie ihm, der immer alles bis in das kleinste Detail zerdachte, extrem schwer fallen würde. Die Bilder aus seinem Traum, welchen er hatte nachdem er die drei Utensilien sah, schossen ihm wieder ins Gedächtnis. Jedoch sagten sie ihm rein gar nichts, was in ihm gemischte Gefühle hervorrief. Einerseits ärgerte es ihn, nichts zu verstehen und andererseits wollte er es auch gar nicht. Takanori war natürlich klar, dass sein Freund manche Dinge aus seiner Vergangenheit nicht so genau kannte, erinnerte er sich doch selbst an einige Ereignisse aus früheren Tagen nur schemenhaft bis gar nicht. Aber wenn er schon auf Grund dieses Präsents so zusammenbrach, sollte Akira doch den Ernst der Lage verstehen und sich zumindest um ihn sorgen! Oder war das zu viel verlangt? War ihm womöglich sein Wohlergehen mittlerweile egal? War ihre Beziehung vielleicht durch all die Steine, welche ihnen in der Vergangenheit immer wieder in den Weg gelegt worden waren, wirklich schon so kaputt? Womöglich war Akira auch einfach nur ein Holzkopf, der mal wieder gar nicht verstand, wie sehr ihn seine desinteressierte Reaktion verletzt hatte? Was wenn...? „Bist du dir sicher, dass du nichts essen willst? Ich kann dir was leckeres zaubern!“, angewidert verzog der Kleine das Gesicht und wetterte wild drauf los. „Sag mal, willst du mich killen? Reicht es dir nicht, deine Gäste zu vergiften?“ Ein paar Sekunden später, spürte er jedoch schon wie ihn das schlechte Gewissen beschlich. „Es tut mir leid. Ich weiß, du hast das nur lieb gemeint, Yuu.“ Der traurige, zu Boden gesenkte Blick des anderen hob sich schlagartig und das Gesicht wurde sofort wieder von einem kleinen wehmütigen Lächeln geziert. „Schon gut, Taka. Du hast wahrscheinlich einfach nur mega Stress. Ich meine, einen eigenen Laden zu haben ist nicht so einfach wie es sich anhört. Und ich weiß wovon ich rede. `Survival´ läuft zwar sehr gut, aber ich war seit zwei Jahren nicht mehr im Urlaub und dieser ständige Druck killt mich. Immer muss alles passen! Ich darf nichts vergessen, muss ständig auf die Haltbarkeit und Lagerung bei jedem einzelnen Lebensmittel achten, die Termine koordinieren, meine Mitarbeiter einteilen und so weiter. Ich sags dir. Irgendwann dreh ich noch völlig durch!“ «Die Zutaten sind nicht abgelaufen? Schmeckt aber so...» „Nein, `Shady Catharsis´ läuft super und seit Kazuki mit von der Partie ist und mir die kleineren Aufgaben abgenommen hat, kann ich mich voll und ganz auf meine Designs konzentrieren. Ich hab mich schon lange nicht mehr so erfüllt gefühlt, was meine Kreativität betrifft.“ „Das Freut mich zu hören, denn ich wollte dich bitten für meinen Laden einzigartige Dienstuniformen zu entwerfen.“ , Yuu wusste einfach immer womit er ihn ablenken konnte. Vergessen waren das Päckchen, seine Sorgen, die Gedanken daran, ob etwas mit seiner Beziehung nicht stimmte und seine fehlenden Erinnerungen. Jetzt war er völlig in seinem Element und fing sofort an, seine Ideen zu skizzieren und diese mit dem Restaurantbesitzer zu besprechen, weshalb er auch nicht bemerkte, dass jemand vor dem Laden stand und ihn beobachtete. Als er einige Zeit später aus dem Restaurant trat, bemerkte er, dass es bereits dunkel geworden war. «Scheiße! Ich hab wohl völlig die Zeit vergessen! Aki macht sich sicher schon Sorgen!» Bei diesem Gedanken beschleunigte er seinen Schritt und stieg auch kurze Zeit später in die Bahn. Nachdem er einen Platz gefunden hatte, kramte er in seiner Tasche nach seinem Handy. Als er die Anzeige auf dem Display sah, weiteten sich jedoch sofort die braunen Augen in Schock. Null Anrufe in Abwesenheit. Akira hatte nicht einmal versucht ihn zu erreichen. Also stand es doch schlecht um ihre Beziehung? Je mehr er über alles nachdachte, desto klarer wurde es ihm. Eigentlich war er gar nicht sauer auf seinen Freund. Sondern lediglich auf sich selbst. Er war so schwach und ein emotionales Wrack mit extremen Hang zur Dramatik. Akira musste immer für sich selbst, ihn und sie beide als Paar stark sein. Er war immer seine Stütze und trug all die Last alleine. Und als ob das nicht schon schlimm genug war, lief der Designer auch noch vor der eigenen Vergangenheit davon und ließ seine ständigen Launen an seinem gutmütigen Partner aus. Bestes Beispiel dafür war die heutige Situation. Wenn selbst er die Bedeutung des Päckcheninhalts nicht verstand, wie zum Teufel sollte es dann jemand anderes, besonders sein Freund, der in solchen Dingen nicht gerade eine Leuchte war, können? Wieso pflaumte er Akira, der für das alles am wenigsten was konnte, an? «Typisch. Toll gemacht, Takanori. Ich bin so ein Hornochse. Kein Wunder, wenn Aki-shi irgendwann die Schnauze voll von mir hat und in die Arme eines anderen flüchtet!» Bei diesen Gedanken erfüllten den jungen Mann Traurigkeit und Verzweiflung, während er weiterhin das Telefon hypnotisierend musterte, in der Hoffnung, dem ollen Ding so doch noch, zumindest eine kurze Nachricht seines Freundes, entlocken zu können. Jedoch blieb es weiterhin stumm. Gefrustet wollte er das elektronische Gerät wieder in seiner Tasche verstauen, um bei der nächsten Haltestelle auszusteigen, als es plötzlich klingelte. Euphorie überflutete ihn und er nahm sofort ab, während er aus dem Abteil stieg. „Hey Schatz. Es tut mir so leid. Ich war ein absoluter Vollidiot! Ich mache es wieder gut! Was hältst du von einem erotischen Mitternachts-Picknick auf unserer Dachterra-?“ Er hielt plötzlich inne, als er am anderen Ende seltsame Geräusche vernahm. Es klang wie ein hektisches Schnaufen, gefolgt von einem seltsamen monotonen Tropfen. Eine verzerrte, unheimliche, ihm unbekannte Stimme war kurz zu hören „...Taaakaaa...“ „A-Akira?“ Die blanke Panik erfüllte ihn mit einem Mal und mit zitternden Händen entfernte er das Handy von seinem Ohr. Er hoffte auf dem Handy den Namen von Kazuki zu lesen, denn dem Scherzkeks würde er es durchaus zutrauen, ihm solch einen makabren Streich zu spielen. Jedoch blieb diese Hoffnung ebenfalls vergebens. «Unbekannte Nummer» Nun stand er da. Zitternd, voller Panik und Sorge um seinen Freund und sich selbst. Versuchte irgendwie das ungute Gefühl zu verdrängen, welches ihn von innen heraus zu erfassen versuchte. Alles passierte gerade genau hier. Hier, an der Haltestelle, an welcher er schon so oft ausgestiegen war und voller Vorfreude, kurz darauf wieder bei seinem Schatz sein zu können, die letzten zehn Minuten bis nach Hause angetreten hatte. Heute jedoch war alles anders. Heute wirkte der Ort kalt, dunkel und fremd. Wie unter Trance setzte er seinen Körper in Bewegung, ging die Stufen nach unten, auf welchen er den ersten Kuss seines allerbesten Freundes bekommen hatte und ihre Liebe seinen Lauf nahm. Die Sonne stand bereits tief am Himmel, gewillt sich für diesen Tag endgültig zu verabschieden. Akira hatte ihn den Abend zuvor erwischt, wie er Miyavi geküsst hatte und das stand den ganzen darauffolgenden Tag zwischen ihnen. Takanori verstand damals das Problem des Blonden nicht. War doch eigentlich Akira es, nach dem sein Herz schrie! Jedoch hatte er schon lange seine Hoffnungen aufgegeben, da der Größere seit er ihn kannte nur Frauen gedatet hatte, was zu seinem Glück selten vorkam. Er selbst wetterte wie immer, wegen dem Verhalten des anderen herum und mache seinem Spitznamen `Rumpelstilzchen´, welchen er von Kazuki bekommen hatte, alle Ehre. Sein Gegenüber hatte ihn nur ausdruckslos angestarrt, bis es ihm wohl zu bunt wurde und er einfach wortlos die Treppen nach oben stiefelte. „Du dummer Idiot! Glaubst du für mich ist es toll, dich mit Frauen zu sehen? Denkst du mir gefällt das? Meinst du tatsächlich, dass es mich kalt lässt wenn du neben mir im Bett liegst, ich jedoch weiß, dass du niemals Mein sein wirst? Glaubst du tatsächlich, dass...?“ Weiter kam er damals nicht, denn schon hatte der Nasenband-Träger kehrt gemacht und seine Lippen verlangend auf die seinen gepresst. Dies war ihr gemeinsamer Anfang. Für sie war es der Beginn von etwas ganz Großem. Ein neues Leben. Für Takanori selbst, stellte es einfach alles dar. Die Beziehung zu Akira war seine Katharsis. Und auch drei Jahre später waren sie noch so verliebt wie damals. Zumindest galt dies für Takanori... Die Tränen sammelten sich, bei dieser schönen Erinnerung und den wehmütigen Gedanken, in seinen Augen, ließen ihn nur noch schemenhaft seine Umgebung wahrnehmen und zugleich halfen sie ihm, wieder die Kontrolle über seinen Körper zu gewinnen. Sein Schritt wurde schneller und kurz darauf wechselte er in einen Sprint. Zu groß war die Angst um seinen Freund, dessen Nummer er mittlerweile zum dritten Mal angewählt hatte und wieder nur in die Mobilbox kam. Was war da bloß los? War bei Akira alles in Ordnung? «Kami-sama! Bitte lass es ihm gut gehen!» Die Panik ließ ihn immer schneller werden und so schaffte er es binnen fünf Minuten bei dem Hochhaus, welches ihre gemeinsame Wohnung beherbergte, anzukommen. «Bitte sei zu Hause, Aki! Bitte! Ich flehe dich an lieber Gott! Auch wenn ich nicht an dich glaube, aber bitte lass es Akira gut gehen...» Und mit diesen Gedanken hechtete er in den Fahrstuhl und sprintete wenig später den Weg zu ihrem Apartment im obersten Stock entlang. Kapitel 2: ----------- Unbeirrt sprintete er den dunklen Gang weiter entlang, welcher seit gestern nur noch durch das Licht vor dem Fahrstuhl beleuchtet war, da die Leuchtstoffröhre auf dem langen Flur bereits eine Woche lang flackerte und nun wohl endgültig den Geist aufgegeben hatte. Währenddessen tauchten immer wieder der Inhalt der Box, sowie die seltsamen Erinnerungsfetzen vor seinem inneren Auge auf, was jedes mal einen heftigen stechenden Schmerz in seinen Kopf nach sich zog. Es schien fast so, als wollte sich sein Körper massiv dagegen wehren, die Erinnerungen und möglichen Indizien für Geschehnisse aus seiner Vergangenheit zu einem Gesamtbild zusammen zu fügen. Jedoch war ihm diese Tatsache im Moment egal. Das Einzige was gerade zählte war die Gewissheit, dass es seinem Freund gut ging, weshalb Takanori nicht umhin kam, die unheimliche Stimme und die seltsamen Geräusche am Telefon geistig nochmal in Dauerschleife abzuspielen. Wenn der Verursacher alldessen sich keinen Scherz erlaubt hatte, und ihm tatsächlich schaden wollte, war weder er, noch sein Partner, welcher ihm natürlich die Welt bedeutete, weiterhin sicher. Und wo würde man zuerst jemanden Heimsuchen? Entweder, auf dem Nachhauseweg abfangen, oder eben diesem zu Hause auflauern. Wie man es drehte und wendete. Akira befand sich, ebenso wie er selbst, in höchster Gefahr! Was ist wenn der oder die Täter seinen Freund bereits in ihrer Gewalt, ihn verletzt, oder gar getötet hatten? „Nein! Sowas darf ich garnicht erst denken!“, rief er sich selbst zur Ordnung, während er endlich an der Wohnungstür angekommen war und nervös seinen Schlüssel aus der Hosentasche friemelte. Plötzlich vernahm er ein Hecheln und etwas kratzte leicht über den billigen Laminatboden, was ihn sofort wieder an den unheumlichen Anruf denken ließ. Mit zitternden Fingern, führte er den Schlüssel zum Schloss und versuchte diesen in die Öffnung zu stecken, während das Geräusch immer lauter wurde und ihn die blanke Panik ergriff. «Komm schon. Geh endlich rein!» Verzweifelt versuchte er den widerspenstigen Schlüssel zu seiner Aufgabe zu zwingen und endlich die Tür zu seinen eigenen vier Wänden zu öffnen, als er auch schon etwas um seine Beine streifen spürte und ein ihm nur allzu bekanntes Geräusch vernahm. „Wuff.“ „Ach du Scheiße, Koron! Hast du mich erschreckt!“ Ein klein bisschen erleichtert schloss er das flauschige Hündchen in den Arm, als er von der anderen Seite etwas leicht gegen die Wohnungstür schlagen hörte. «Fuck! Was war das?» Voller Angst drückte er das kleine Fellknäuel fest an seine Brust, während er es nun endlich geschafft hatte, den Schlüssel in das Schloss zu stecken und die normalerweise über alles geliebte Barriere zu seiner Wohnung, mit einem Klicken zu entriegeln. „Wir schaffen das mein Kleiner. Wir rett-“ Die Tür schwang auf und vor ihm stand ein Eis schleckender, mit einer Leine bewaffneter Akira. „Da bist du ja! Koron und ich wollten dich jetzt, im Zuge seiner abendlichen Gassitour, suchen gehen. Aber der kleine Frechdachs ist einfach abgehauen, als ich die Tüte vergessen hatte!“, und bei diesen Worten schwang sein Freund locker eine grüne Plastiktüte in der eisfreien Hand. „Was zur Hölle? Dir geht es also gut?“, der Kleinere traute seinen Augen nicht. „Na, das ist doch hoffentlich eine positive Nachricht für dich. Oder etwa nicht?“, kam es grinsend und mit einer hochgezogenen Augenbraue von dem anderen. Nun konnte Taka sich einfach nichtmehr zurückhalten und ließ seinen Gefühlen freien Lauf, weshalb er sich, mit Tränen in den Augen, dem anderen an den Hals warf, was Koron sofort panisch aus seinem Arm springen ließ. „Aber klar, du Idiot! Man, ich hab mir solche Sorgen gemacht!“ Vergessen waren all die Wut und Zweifel, als die Erleichterung die Oberhand übernahm. Überglücklich und seinen Freudentränen freien Lauf lassend, krallte sich der kleine Japaner an seinem Freund fest, welcher ihn zwar leicht verwundert, aber trotzdem liebevoll in die Arme schloss und ihm einen Kuss auf den ebenfalls blonden Haarschopf drückte. „Taka-chan, was ist denn passiert? Hilf mir das Ganze zu verstehen, okay?“ Der Jüngere sah, immernoch bei offener Wohnungstür an den Größeren gepresst, zu diesem hoch und lächelte glücklich. „Hai! Lass uns rein gehen und dann erkläre ich dir alles.“ „Mach es dir schonmal gemütlich. Ich gehe nur schnell mit Koron Gassi und dann können wir uns unterhalten. Okay?“, bei dieser Antwort, wich Takanori jegliche Farbe aus dem Gesicht und die Panik kehrte wieder zurück. Akira wollte echt DA raus? Was wenn sein potenzieller Stalker, falls man ihn denn überhaupt so nennen konnte, ihm nun doch noch auflauerte? „N-nein! Geh bitte nicht!“ „Taka, was soll denn das? Koron muss raus! Ich geh auch nur kurz auf die kleine Grünfläche neben dem Haus. Also dauert es keine zehn Minuten!“ Doch der Kleinere krallte sich weiterhin an Akiras Lederjacke fest, unfähig ihn gehen zu lassen. Dieser wurde langsam etwas ungeduldig und kaute leicht genervt auf seinem hölzernen Eisstäbchen herum. „Irgendwie verhältst du dich seit heute Morgen mega seltsam! Entweder du wartest hier auf mich, oder du kommst mit. Aber ich gehe jetzt mit dem armen Hund raus.“ Vorwurfsvoll sah Akira seinen Freund an, schob diesen leicht von sich, und hob stattdessen das Hündchen auf den Arm. „Also hast du dich entschieden?“ Schmollend und ein bisschen gekränkt, nickte Takanori ihm zu. „Ja, ich komm mit.“ «Als ob ich euch zwei nach dem ganzen Scheiß alleine rausgehen lasse! Keine Sorge eurer starker Takanori weicht nicht von eurer Seite.» Und mit diesen Gedanken, folgte er seinen zwei Liebsten zum Aufzug, um die kurze spät abendliche Gassirunde zu überleben. Etwa eine halbe Stunde später, saß der kleine Japaner frisch geduscht auf seinem Sofa, mit einem zufriedenen und erleichterten Hündchen auf dem Schoß. Im Moment kam er sich sichtlich dämlich vor, dass er so einen Aufstand gemacht hatte, weil Akira mit Koron raus gehen wollte. Aber er hatte sich einfach Sorgen um die zwei gemacht. Nach allem was heute passiert war, sollte das ja wohl auch nicht allzu verwunderlich sein. Oder? „Also, was ist los mit dir, Babe? Seit dem Vorfall in deinem Laden heute Morgen benimmst du dich total seltsam.“ Der Angesprochene nickte kurz, starrte auf seinen, von Koron eingenommenen Schoß, welchen er leicht kraulte, und fing mit einem tiefen einleitenden Seufzen an, alles zu erzählen. Von dem Öffnen des Päckchens, über den Anruf, bishin zu seinen Sorgen, Ängsten und Gedanken. Er ließ nichts aus und machte seinem, ihm aufmerksam lauschenden Partner klar, dass er das ganze selbst nicht verstand und wie sehr es ihm an die Substanz ging. Als er geendet hatte, blickte er wieder hoch und sah seinem Freund ins Gesicht. Er hatte gehofft dieser würde ihn beruhigen. Ihm sagen, dass das sicher nur dumme Scherze von einem Neider, möglicherweise jemanden aus der Modebranche, waren. Doch sein Blick sprach eine andere Sprache und führte ihm wieder vor Augen, dass kein Zweifel daran bestand, dass ihm jemand immensen Schaden zufügen wollen könnte. „Du musst zur Polizei gehen! Das hier geht weit über Spaß hinaus! Und die Sorge, dass dir was passieren könnte, macht mich schon jetzt völlig wahnsinnig!“ „Das geht nicht! Ich meine. Was soll ich denn sagen? Bis auf den Anruf ist ja nichts wirklich heftiges passiert. Und das in dem Packet sieht ja nun nicht wirklich nach einer Morddrohung aus! Auch wenn der Inhalt mir so sehr den Boden unter den Füßen weggerissen hat, was ich übrigens selbst immer noch nicht verstehe! Und dass ich mich nach dem Anruf ab und an beobachtet, gar verfolgt gefühlt habe, würden sie darauf schieben, dass ich mich dadurch bedroht fühlte und auf Grund dessen hypersensibilisiert, möglicherweise gar paranoid war.“ Ja er hatte tatsächlich zwischenzeitlich das Gefühl jemandens Blicke auf sich zu spüren, jedoch niemanden gesehen. Akira biss sich angespannt auf die Unterlippe. „Ja du hast recht. Aber so geht es auch nicht weiter. Ich werde dich jeden Tag bevor ich in die Werkstatt gehe zur Arbeit bringen und am Abend abholen. Du wirst NICHT mehr alleine rumlaufen. In deinem Laden ist ja Kazuki bei dir und falls ich mal Überstunden machen muss, soll er dich heim bringen! ..... Nein, Taka! Hör auf so zu gucken! Es ist ja nicht für immer. Nur so lange bis sich alles hoffentlich wieder gelegt hat, oder wir zumindest den oder die Täter gefunden haben. Bitte! Spiel mir zuliebe mit. Ich komme sonst noch um vor Sorge!“ Der flehende und sorgende Blick Akira's ließ Takanori's Abwehrhaltung sofort in sich zusammen fallen. „Okay, Chef.“ Erleichtert über die Einwilligung Takanoris, lächelte sein Herzblatt und wählte Kazuki's Nummer um ihn als seinen neuen Bodyguard anzuheuern. *********** Andernorts zog sich der Dunkelhaarige, noch immer keuchend und gierig nach Luft schnappend, aus seinem Partner zurück, welcher komplett fix und fertig in den Laken lag. Dieser Anblick alleine ließ ihn gedanklich schon wieder die baldige zweite Runde einläuten, was er jedoch sofort verwarf, als das Handy seines völlig ausgelaugten Freundes klingelte. „Kazu-shi, das ist deins.“, versuchte er den anderen zum Aufstehen zu animieren. „I-ich...kann g-grade echt nicht, Babe.“ Oh Schande. Hatte er ihm grade tatsächlich so sehr zugesetzt, dass der Dunkelhaarige nichtmal mehr in der Lage war, seinen heißen Körper hoch zu hieven? Bei dem Gedanken stahl sich sofort das altbekannte Lächeln auf seine Lippen. „Okay, ich geh für dich ran.“, und mit diesen Worten erhob er sich glückselig, um das nervige elektronische Gerät zum Schweigen zu bringen. „Moshi Moshi, Yutaka desu?“, gespannt lauschte er der Stimme am anderen Ende der Leitung. „Hai. Warte ich reich dich weiter.“ Er ging zum Bett zurück und reichte seinem Freund mit einem entschuldigendem Lächeln dessen Handy, welcher langsam wieder zu Kräften zu kommen schien. „Mosh-..... Hey! Hey! Ganz ruhig mit den jungen Pferden. Was ist denn passiert? So aufgebracht kenne ich dich ja gar nicht, Akira! .... Okay. .... Verstehe. Ja, aber glaubst du nicht, dass du etwas zu voreilig bist und leicht überteibst? ........ Alter! Bleib cool und keiff mich nicht gleich an! War ja nur eine Frage und außerdem willst du was von mir, also solltest du mich nicht anblaffen! Aber ja. Ich mach es. Trotzdem will ich eine vernünftige Erklärung für den Aufstand! .... Hai. Matane!“ Er wartete bis Kazuki das Gespräch beendet hatte, bevor er seiner Neugier freien Lauf ließ. „Um was ging es denn?“, während seiner Frage rieb sich der Jüngere angespannt die Schläfen. „Er will, dass ich Taka's Bodyguard spiele, weil Cheffe Paras schiebt, dass ihm jemand was antun will. Und sein Göttergatte scheint wohl ebenfalls davon auszugehen. Oh man! Akira benimmt sich grade wie die schlimmste Glugge!“, genervt verdrehte er die Augen, jedoch machte es Yutaka schon stutzig, wenn selbst Akira solche Schritte einleiten wollte. In der Vergangenheit hatte Takanori öfters gerne mal übertrieben, weshalb Kazuki´s Reaktion durchaus angebracht war, aber wenn sogar Akira sich so sehr sorgte, ist, der Meinung des Älteren nach, höchste Vorsicht geboten. „Hat Akira im Namen von Takanori angerufen, oder aus eigenem Antrieb heraus?“, dies war für Yutaka wirklich eine der wichtigsten Fragen. „Das ging ziemlich sicher von ihm aus, da Taka im Hintergrund rumgezickt hat, dass er kein kleines Kind wäre und somit keinen Sitter bräuchte. Und das obwohl er sich selbst doch sowieso öfters wie das größte Baby benimmt!", er lachte bei seinen eigenen Worten freudlos auf. «Was ist mit dir los, Kazuki? Warum bist du gerade so bissig im Bezug auf Taka? Hast du ihm denn nicht eine Menge zu verdanken?» Geschockt über die Reaktion seines Freundes erhob sich der Dunkelhaarige kopfschüttelnd. „Auch wenn du keinen Bock auf das Ganze hast. Bitte pass auf Taka auf. Kümmere dich um ihn. Nicht nur wegen Akira, oder Takanori. Auch wegen mir. Er ist einer meiner -UNSERER- besten Freunde, Schatz. Vergiss das nicht.“, und mit diesen Worten verließ er den Raum, um eine Dusche zu nehmen. *********** Die nächsten vier Tage vergingen ohne große Vorkommnisse. Jedoch nervte es ihn zusehends immer mehr von Akira bemuttert zu werden. Normalerweise war er es selbst, der diese Aufgabe übernahm, wenn der Ältere mal wieder eine seiner berühmt berüchtigten Männergrippen hatte und deshalb natürlich bereits mit einem Bein im Grab stand. Zumindest benahm sein Freund sich dann immer so, während er wieder zwischen ein paar Hustern, mit Sprüchen wie diesem ankam: „Es *hust* geht schon. Lass mich nur hier liegen und lebe dein Leben. *hust* Ich schaffe das, obwohl ich das Gefühl habe zu sterben. Falls ich das hier überleben sollte, dann *hust hust* verspreche ich dir, dass ich mit dir schick Essen und nachher auf ein Konzert deiner Wahl gehen werde *nies*.“ «Ein Glück ist Akira NICHT theatralisch, wenn er krank ist!» Bei dem Gedanken an diese zerbrechliche Seite seines Freundes, wurde ihm ganz warm ums Herz und ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen, welches sich bei der Erinnerungen an den derzeitigen gluggenhaften Akira, sofort zu einer Grimasse verzog. Der momentane Akira ließ ihn nicht mal alleine zu den Besprechungen mit seinen Kunden, oder einkaufen gehen. Er rief alle paar Minuten an, ob alles okay war, wenn er nicht binnen fünf Minuten, eine Antwort von Takanori, via Whatsapp bekam. «Ich halt das langsam nicht mehr aus.» Aber nicht nur sein Freund nervte ihn. Auch Kazuki ging ihm mittlerweile mächtig auf den Zeiger, da er sich jetzt auch noch tatsächlich in den Kopf gesetzt hatte, ihn bis vor das Klo zu begleiten! « So ein Spinner! Langsam wird mir das echt zu blöd.» Da seit diesem besagten Tag sowieso nichts weiter beunruhigendes passiert war, fand Taka, dass es an der Zeit war Akira dazu zu bringen seinen Wachhund wieder aus seinem Dienst zu entlassen und selbst wieder zu dem Mann zu werden, in den er sich verliebt hatte. Denn langsam kam ihm Akira nicht mehr wie sein starker, mit Motoröl verschmierter, sexy Macho-Mechaniker vor, sondern eher wie eine ängstliche alte Oma! Vielleicht sollte er ihm Stricknadeln und Wolle kaufen? Stricken wirkt ja bekanntlich beruhigend und würde auch das derzeitige Verhalten seines Liebsten unterstreichen. „Kazuki, hol mir bitte noch schnell die rote Kordel und den schwarzen Tüll aus dem Lager, danach können wir für heute Feierabend machen.“ Sein Mitarbeiter nickte und machte sich sofort an die Arbeit, während er selbst zum Verkaufstresen ging, um die heutigen Einnahmen zu zählen. Als er jedoch gerade die Kassenlade öffnete, bemerkte er daneben ein Foto, welches er, neugierig wie er nunmal war, sofort beäugen musste. Im Grunde war es eine idyllische Schwarz/Weiß-Aufnahme. Eine Klippe, an welcher ein kleiner Wasserfall in die Tiefe schnellte und dessen Anfang von einigen Bäumen gesäumt war. Es hatte etwas beruhigendes und schrie förmlich nach Freiheit. Jedoch erreichte keine dieser Empfindungen Takanori. Er hielt es nur in seinen zitternden Händen und konnte seinen Augen nicht trauen. «Wie kommt das hier her? Aki-shi und ich haben es doch zerrissen? Und den kompletten Inhalt samt Päckchen, welches vor vier Tagen ankam, weggeworfen! Also wieso ist es hier? Und unversehrt!» Vor seinem inneren Auge, begannen sich die Bäume im sanften Wind zu wiegen und er konnte das stetige Plätschern des Wasserfalls hören. Er sah eine dunkle Gestalt, konnte diese jedoch nicht weiter ausmachen. «Was hat die Person da zu suchen? Warum stört sie diese Idylle mit ihren hektischen Bewegungen? Was-...?» Immernoch wie paralysiert und in der Fotografie gefangen, stand Taka am Verkaufstresen und bemerkte garnicht, wie jemand von hinten an ihn heran trat, bis er plötzlich eine Hand an seinem Gesicht vorbei schnellen sah, sich seine Augen in Panik weiteten und er mit einer Attacke rechnete. „Das ist doch wohl ein schlechter Scherz, oder? Was zur Hölle macht denn das beschissene Foto aus dem Päckchen hier? Ich dachte ihr habt das ganze „Präsent“ am nächsten Tag gleich entsorgt!“, rief ihn eine aufgebrachte Stimme wieder zur Besinnung, während Takanori das Bild aus der Hand gerissen und erneut zerfetzt wurde. „K-Kazuki... S-seit wann ist das Foto hier?“ „Keine Ahnung. Mir wäre es bis jetzt nicht aufgefallen. Alles okay mit dir?“, auf diese besorgte Frage hin, nickte der Kleinere. „Die anderen beiden kommen gleich. Bitte versprich mir, dass das mit dem Foto unter uns bleibt. Wenn Aki DAS hört, dreht er wahrscheinlich wieder völlig durch, dann wird er uns sicher während der Arbeit mit Handschellen aneinander ketten und ich liebe meine Privatsphäre!“, kam es fest, jedoch mit einem kleinen flehenden Unterton von dem Blonden. Der Jüngere nickte ebenfalls zustimmend, als schon die Ladentür aufgerissen wurde, was den Gepiercten schnell dazu veranlasste, das zerrissene Bild in den Mülleimer zu verfrachten. „Na, Jungs? Ich hoffe ihr habt Hunger? Ich hab für uns einen Tisch im `Survival´ reserviert. Yuu freut sich schon uns alle mal wieder zu sehen. Ach ja und Taka? Er fragte ob du an den Entwürfen für seine Dienstkleidung gearbeitet hast. Und ehe ich es vergesse. Akira meinte er schafft es vorher nicht mehr hier her, weshalb wir ihn im Restaurant treffen werden.“ Takanori blickte in das strahlende Lächeln von Kazuki´s Freund, während er versuchte den Schwall an Informationen zu verarbeiten und sich langsam auf den Weg in den hinteren Bereich des Ladens machte, wo er auf seinem großen Arbeitstisch die Skizzen suchte und sofort in seiner Tasche verstaute. Irgendwie war er etwas erleichtert, noch eine kurze Regenerationszeit nach der Foto-Aktion zu haben. Denn für Akira war er ein offenes Buch und wenn er das eben Geschehene vor ihm verbergen wollte, konnte eine kurze Cooldown Phase definitiv nicht schaden. Was ihn aber ebenfalls beschäftigte, war wiederum die Frage, warum sie ausgerechnet ins `Survival´ zum Abendessen gehen mussten? Nicht, dass er den Laden hassen würde, aber er war ein großer Skeptiker des Essenskonzepts, welches den Laden so einzigartig machte. Noch dazu war er hochgradig wählerisch wenn es um seine Mahlzeiten ging. Also wie sollte er, um alles in der Welt, Essen zu sich nehmen, dass er zuvor nicht akribisch, anhand der Zutaten, auswerten konnte? Und noch mehr beschäftigte ihn die Tatsache, dass Leute, die nicht mit dem jungen Restaurantbesitzer befreundet waren, wirklich freiwillig Geld dafür bezahlten sich anhand von zwei Lieblingszutaten einfach irgendein Überraschungsgericht zaubern zu lassen. Was dann zusätzlich noch alles in Yuu´s Hexenkessel landete, oblag diesem selbst und seinen zwei Chef-Köchen. Natürlich konnte man bei der Bestellung auch mit angeben welche Lebensmittel man verabscheute und gegen welche man allergisch war, damit diese auch ja nicht den Weg in das georderte Gericht finden würden. So weit hatte Yuu zum Glück gedacht, aber trotzdem war es jedes mal aufs Neue eine Herausforderung! Weiters zahlte man, wenn man seine Überraschungsportion brav aufgegessen hatte, die `Survival-Pauschale´ von rund 2.000 Yen und bekam noch ein Digestif, wobei Takanori vermutete, dass dieses nur dazu diente den Magen wieder zu beruhigen. Wenn man seine Speise jedoch nicht aufgegessen hatte musste man die `Death-Pauschale´von rund 3.000 Yen zahlen. Akira schaffte es jedes mal sein Essen aufzufuttern, da er sofort immer Gemüse und Süßes von der möglichen Zutatenliste streichen ließ und ansonsten nicht wirklich wählerisch war. Takanori jedoch, musste jedes mal die `Death-Pauschale´ zahlen, welche natürlich etwas billiger ausfiel, da sie alle bei Yuu sowieso zu Sonderkonditionen Essen konnten, aber trotzdem war es ihm unangenehm und unterstützte seinen Ruf als Diva. Aber seis drum. Yuu´s Kunden schien das Essen meistens zu schmecken und auch das Ambiente war sehr ansprechend, weshalb es ihn nicht wunderte, dass auch seine Freunde gerne den Laden aufsuchten. Alle bis auf Kazuki und, wenn es ums Essen ging, ihm selbst, wobei der Jüngere seine eigenen Gründe zu haben schien, das Restaurant zu meiden. Als er wieder zurückkam, stand Yutaka dicht an die Wand, mit dem schwarz-grauen viktorianischen Tapetenmuster, zwischen Eingangsbereich und Schauraum gepresst. Die Hände des Älteren waren durch eine Hand Kazuki´s über seinen Kopf gepinnt, während die andere unter Yutaka´s Shirt geschlüpft war und sie beide, zwischen den gierigen Küssen, seufzten. „Jungs! Ich weiß, dass der Laden geil aussieht, ist ja auch mein Werk, und ich weiß auch, dass die düstere Atmosphäre und die roten Samtvorhänge plus roten Lichtakzente meine jetzige Aussage nicht wirklich unterstützen werden. ABER DAS HIER IST KEIN PUFF!“ Erschrocken lösten sich seine Freunde von einander, während sie eine kleine undeutliche Entschuldigung murmelten. „Wir sollten los. Aki wartet sicher schon im Restaurant.“, mit diesen Worten scheuchte er die Turteltauben aus seinem Laden, schloss daraufhin ab und folgte den beiden zu Yutaka´s Wagen, welcher immernoch sichtlich peinlich berührt, war. Nach einer knappen viertel Stunde erreichten sie das Restaurant ihres guten Freundes und wurden auch gleich von einem fröhlichen Yuu überschwänglich begrüßt und persönlich an den besten Tisch geführt, der nicht nur wegen dem sexy Mann, welcher bereits an diesem auf sie wartete, so besonders war, sondern ihr Platz befand sich im hinteren Teil des schummrig beleuchteten Restaurants und zwar im Wintergarten, welcher einem Bambushain nachempfunden war und einen kleinen rot beleuchteten Wasserfall, als weiteres Dekoelement aufzuweisen hatte. Innerlich quietschte Takanori vor Freude auf, denn das war genau der Tisch an dem er immer schon sitzen wollte, welcher jedoch jedes mal bereits reserviert war. „Hey, da seit ihr ja. Habt euch ja ganz schön Zeit gelassen.“, meinte Akira tadelnd, während Takanori ihm einen zarten Begrüßungskuss auf die Lippen hauchte. „Sag das nicht mir, sondern lieber den beiden da. Die haben fast einen Porno in meinem Laden veranstaltet!“, schimpfte der Kleinste in der Runde auch gleich drauf los. „Ist das so...?“, kam es plötzlich knapp und emotionslos von dem, bereits mit den Getränkekarten bewaffneten, Restaurant-Chef. „Sucht euch schon mal was zu trinken aus. Ich komme gleich wieder.“, und mit diesen Worten zog er keine Sekunde später von Dannen. «Was zur Hölle?» Takanori´s eigentlicher Plan war es heute alkoholfrei zu machen, da er selbst nicht wirklich viel vertrug. Das Gleiche galt für seinen Freund, zu welchem er unter dem Tisch immer wieder die Nähe, durch die Berührung ihrer Beine, suchte. Jedoch hatte Yuu andere Pläne. Er servierte, ohne auf ihre eigentliche Bestellung zu warten, sofort eine Flaschen Rotwein für Takanori, einen Pitcher Bier für die anderen und fügte mit den Augenbrauen wippend hinzu, dass er die Vier nicht gehen lasse, ehe sie die anderen drei, für sie reservierten Pitcher und Takanori seine Flasche, geleert hätten. Oh man, dieser Abend würde wieder ein absolutes Besäufnis werden und der Designer sehnte sich bereits jetzt schon nach der morgendlichen Kopfschmerztablette. Jedoch, wenn er zu diesem Zeitpunkt schon gewusst hätte, was noch alles an diesem Abend passieren würde, wäre er vermutlich bereits jetzt schon schreiend aus dem Lokal geflüchtet. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Vorsichtig und unbemerkt schlich eine Gestalt durch das Restaurant. Stetig darauf bedacht nicht aufzufallen, war sie auf dem Weg zu ihrem Ziel. „Das Essen für Tisch 13 ist fertig!“, durchbrach die gehetzte Stimme des Küchenchefs den Lärm des Arbeitsplatzes. Es war Freitagabend und das Restaurant gerammelt voll, was zur Folge hatte, dass das Personal auf Hochtouren arbeitete und chaotisch herum wuselte. Der perfekte Zeitpunkt für die Person, ihr Vorhaben unbemerkt in die Tat umzusetzen! Unauffällig trat sie, in einem unbeobachteten Moment, an den Tresen mit dem fertigen Essen und beäugte die Gerichte vor sich, als auch schon der Blick an der Shrimps-Pasta hängen blieb. Grundsätzlich sah die Speise sehr gut aus und auch der davon ausgehende Duft sprach für sich, aber ihrer Meinung nach fehlte noch ein ganz besonderes Detail um das Ganze abzurunden. Etwas, mit dem der kleine Kunde garantiert nicht rechnen und was seinen heutigen Besuch im `Survival´ unvergessen machen würde. Bei diesem Gedanken stahl sich ein kleines Lächeln auf die Lippen der Person, welche sich nun geschwind daran machte eine weitere Zutat hinzuzufügen. Vorsichtig wurde ein bisschen Püree unter die Nudeln gemischt und keine Sekunde später verschwand die Gestalt wieder aus der Küche. Fast so, als wäre sie niemals dort gewesen. Als hätte es diesen Moment nie gegeben. Das Einzige, was für ihre Anwesenheit sprach, war das Gericht, welches bald dem hungrigen Gast serviert werden, und diesem Abend eine ganz besondere Note verleihen würde. «Itadakimasu, Takanori-chaaaan! Lass es dir schmecken, Kleiner...» ****** In der Zwischenzeit verließ Takanori, sich immer noch über seine eigene Dusseligkeit ärgernd, die Toilettenräume. Warum war er nur so blöd gewesen und hatte seine Tasche in seinem Laden vergessen? Das passierte ihm ja sonst auch nicht. Die ganzen Vorfälle schienen wohl deutlich mehr Spuren hinterlassen zu haben, als er es sich bei der Entdeckung des Fotos vorhin hatte eingestehen wollen. Resigniert schüttelte er den Kopf und wollte sich gerade wieder auf den Weg zu seinem Tisch machen, als er zwei, ihm nur allzu bekannte, Stimmen vernahm und sich in ihre Richtung bewegte. „Hey, nun reg dich wieder ab. Er hat es ja nicht mitgekriegt!“ „Trotzdem war diese Aktion ziemlich verräterisch! Was ist wenn er es rausgefunden hätte?“ „Hat er aber nicht!“ „Ja, ganz toll, Yuu! Aber wenn du so weitermachst, wird er es früher oder später raffen! Niemand ist so blöd!“ «Was raffen? Wovon redet ihr?» „Kami-sama! Das Spiel mit dem Feuer wird immer heißer und ich muss gestehen, dass mich das absolut an macht. Aber DU mein Lieber, solltest schleunigst einen Gang runter schalten und wieder zu dem süßen, nervösen, peinlich berührten, kleinen Jungen von früher werden!“ Bei seinen Worten leckte sich Yuu anzüglich über die Lippen. „Wenn es Karma wirklich geben sollte, wird uns der Blitz irgendwann beim Scheißen treffen“, funkelte der Jüngere den Restaurantchef böse an. «Worum geht es hier bitte gerade?» „Tja, er hat es verdient. Von daher... Und Karma war sowieso schon immer eine Bitch!“, lachte der Ältere. Bei diesen Worten schlug Takanori erschrocken beide Hände vor den Mund. «Meint ihr wirklich mich? Was habe ich euch getan?> „Hat er das? Ich glaube eher, dass wir die wahren Monster sind...“ Bei dieser Aussage konnte Takanori Kazukis traurigen Blick vor seinem inneren Auge sehen, doch anstelle von Mitleid, empfand er eher Wut. «Kazuki und Yuu? Was zur Hölle habt ihr getan?» „Deshalb wolltest du uns alle heute auch abfüllen, richtig?“ Der junge Mann mit den Snakebites starrte zu Boden und tippte bei seinen eigenen Worten mit der linken Schuhspitze auf den Boden. «Also steckt ihr hinter dem Ganzen? Aber warum?» Wenn man jetzt eins und eins zusammen zählen würde, könnte man davon ausgehen, dass er gerade seine Peiniger gefunden hatte, was an sich ja positiv sein sollte, aber nicht wenn es sich dabei um seine besten Freunde handelte. Die Menschen, denen er, nach Aki, am meisten vertraut hatte! Er versuchte in dem Gespräch der beiden doch noch etwas Entlastendes zu finden. Aber da war nichts. So sehr er es sich auch gewünscht hatte, er fand keine andere Erklärung. AUs diesem Grund begann er alles Geschehene nochmal zu rekapitulieren und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. «Wie konnte ich nur so blind sein?» Erstens: Kazuki war keine zehn Minuten, nachdem er das Päckchen gefunden hatte, ebenfalls in den Laden gekommen. Wer sagte, dass er wirklich erst von zu Hause kam und nicht bereits früher da war, um das Präsent zu drapieren? Zweitens: Der Erste, an den er bei diesem unheimlichen Anruf gedacht hatte, war Kazuki, auch wenn er es zuerst für einen Scherzanruf hielt und er diesen Punkt wohl nicht als Indiz verwenden würde. Aber möglicherweise hatte ihn sein Unterbewusstsein bereits versucht vor seinem Freund zu warnen? Drittens: Während sein Mitarbeiter, in Auftrag von Akira, seinen Wachhund spielte, war nichts passiert. Viertens: Heute lag dann plötzlich das Foto aus dem unheilvollen Päckchen, mit dem sein Martyrium begonnen hatte, gegen Feierabend auf dem Tresen. Noch dazu heil und unversehrt! Und wer war noch als Einziger mit ihm im Laden? KAZUKI! «Nein... Nein! Das- das darf nicht wahr sein! Wie konntest du mir das nur antun, Kazuki? Nach allem was Akira und ich für dich getan haben? Und was zur Hölle sind DEINE verdammten Gründe mich fertig machen zu wollen, Yuu?» Tränen traten langsam in seine Augen, die er sofort weg zublinzeln versuchte. Nein! Wenn seine Freunde ihm wirklich SOWAS an taten, hatten sie keine einzige Träne verdient! Was musste er bitte für ein schrecklicher Mensch sein, dass seine besten Freunde versuchten ihn zu bedrohen, oder in den Wahnsinn zu treiben? Was bezweckten sie damit? «Wer bin ich denn für sie? Ihr Freund oder ihr Feind? Wer bin ich für mich selbst?» Langsam an seinem Umfeld, sich selbst und seinem Leben zweifelnd, verpasste er zwar den weiteren Gesprächsverlauf, aber das war ihm im Moment egal. Er hatte genug gehört und wollte nur noch weg. Takanori hat sich schon immer alles zu Herzen genommen und nun war es nicht anders. Er suchte den Fehler bei sich und was er getan haben könnte, um den Hass seiner Freunde auf sich zu ziehen. «Was ist bloß falsch mit mir? Warum tun mir meine besten Freunde so etwas an?» Ihm fiel nur eine Person ein, mit der er über alles reden könnte. Nur einer, den er um Rat fragen konnte. Akira. Vielleicht konnte ihm dieser mit seiner klaren Denkweise und gelassenen Art helfen, seinen Freunden nicht sofort den schwarzen Peter zuzuschieben? Was, wenn es bei dem Gespräch der beiden doch um etwas ganz anderes ging und er das Ganze einfach nur auf sich und seine Situation bezog? Was, wenn seine ganzen Indizien, was Kazuki anging, nur Zufall waren? Da gab es jedoch ein Problem: Takanori glaubte nicht an Zufälle und tat sich somit schwer ein Missverständnis in Erwägung zu ziehen. Aus diesem Grund entschied er sich, während diesem Essen, erstmal gute Miene zum bösen Spiel zu machen und Kazuki nicht mehr aus den Augen zu lassen. „...Sieh dir doch mal an, was er aus seinem eigenen Freund gemacht hat!“, wetterte Yuu, wild gestikulierend, weiter drauf los, während Kazuki daraufhin nur nachdenklich aus dem Fenster, in die dunkle Nacht, hinaus starrte. Diese Worte waren zuviel für den Blonden, weshalb er sofort seinen Blick von den beiden abwandte, sich in Richtung Speiseraum umdrehte und verzweifelt nach seinem Freund Ausschau hielt. Sein Blick schweifte kurz über das geschäftige Treiben, als er auch schon an seinem Partner hängen blieb, der an ihrem Tisch saß und gerade mit Yutaka über irgendetwas zu diskutieren schien. Und zum ersten Mal, seit er den Mechaniker kannte, traf ihn, bei seinem Anblick, eine erschütternde und herzzerreißende Erkenntnis. Dieses Mal würde er Akira vorerst lieber mit seinen Sorgen in Ruhe lassen. Nicht, weil er ihm nicht vertraute, aber er hatte sich in der Vergangenheit immer an Akira geklammert, sobald er seine Kraft und Stärke gebraucht hatte. Er hatte seinem Liebsten so viel Energie und Nerven gekostet. Hatte sich immer nur auf ihn verlassen und nie gemerkt, wie sehr er Akira damit zur Last gefallen war. Aber die letzten Tage zeigten dem jungen Designer nun das wahre Bild seines Freundes. Das, was er aus ihm gemacht hatte. Was aus ihm geworden war. Was er ihm angetan hatte. Auch wenn er ihm nie im Leben hatte schaden wollen! Aber das hatte er! Durch seinen Egoismus und seiner eigenen Schwäche! Weil er nicht in der Lage war allein mit seinem eigenen Leben fertig zu werden und immer vor allem davon lief! Er war wie eine Zecke oder besser gesagt wie ein Vampir, der dem anderen Stück für Stück das Leben aussaugte! Der Akira, der einst so voller Leben und Leidenschaft für seine Motorradwerkstatt gewesen war. Der das Leben liebte und selten negativ dachte. Der starke, durchtrainierte Mann mit der wunderschönen, nur ganz leicht gebräunten Haut und den glänzenden, braunen, alles in seinen Bann ziehenden, Augen war fort. Übrig blieb eine leere, traurige und verzweifelte Hülle. Kein Feuer lodert mehr in ihm. Seine Leidenschaft für den Motorsport war weg. Es ging nur noch darum seinen Laden zu schmeißen, um Takanori finanziell zu unterstützen und nach getaner Arbeit sofort zu ihm nach Hause zu kommen, damit der Designer nicht alleine mit seinen inneren Dämonen kämpfen musste. Akiras straffe, gebräunte Haut, hatte mit der Zeit jeglichen Teint verloren und wirkte blass und ausgezehrt. Seine Augen, leblos und leer. DAS war es, was er aus seiner großen Liebe gemacht hatte! DAS und nichts anderes! Akira gab ihm so viel und er hatte immer nur genommen, ohne auf die Wünsche und Bedürfnisse des anderen einzugehen! Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr keimte der Selbsthass in ihm auf! Warum ihm das gerade jetzt bewusst wurde? Weil ihm die Vorkommnisse und die Worte von Yuu und Kazuki nur allzu schmerzlich die rosarote Brille heruntergerissen und sie kaputt getrampelt hatten! Er wusste im Grunde schon immer, dass etwas in ihm schlummerte. Etwas, dass anderen schaden könnte und sie geradewegs ins Verderben rennen ließ. Aber er wollte es nicht wahrhaben und hatte es verdrängt. Ihm war wohl die ganze Zeit bewusst gewesen, dass seine selbst herbeigerufene Amnesie nur eine Flucht war. Flucht vor dem, was damals geschehen war. Flucht vor unschönen Dingen. Flucht vor der Gewissheit, zu schlecht für Akira zu sein. Ihn durch seine Anwesenheit zu beschmutzen. Und zu guter Letzt: Die Flucht vor sich selbst... Es gab wohl nur eine einzige Möglichkeit Akiras emotionale Gesundheit zu retten und niemandem mehr Schaden zuzufügen. Und diesen Weg musste er alleine beschreiten. Ohne Akira. Ohne seinen Freunden. Er ganz allein war der Schlüssel dazu... „Ich muss jetzt gehen, Yuu! Yuta-chan fragt sich sicher, wo ich so lange bleibe.“ Diese Worte rissen den kleinen Japaner aus seinen Gedanken und veranlassten ihn dazu, schleunigst das Weite zu suchen. Die direkte Konfrontation, wenn seine Freunde ihn beim Lauschen ertappten, wäre im Moment sicher unvorteilhaft gewesen. Mechanisch ging er wieder zum Tisch zurück, ließ sich auf seinen Stuhl neben Akira fallen und exte sofort sein Rotweinglas. Die eben erlangte Erkenntnis tobte wie ein Orkan in seinem tiefsten Inneren und er brachte es auch nicht übers Herz, seine große Liebe anzusehen. Zu sehr schämte und hasst er sich selbst für das, was er ihm angetan hatte. «Wieso habe ich nicht schon viel früher gemerkt, dass ich dir nur Schaden zufüge?» „Alles okay, Schatz?“, drang sofort die flüsternde und besorgte Stimme seines Freundes zu ihm durch. Takanori wollte im Moment nicht reden und drückte somit, zur Bestätigung, lediglich die Hand seines Partners. Es tat so gut an seiner Seite zu sein. Doch zugleich war es auch genau das, was, wie ein Messer, immer und immer wieder in sein Herz stach. So, als würde es jedes mal aufs Neue quälend langsam herausgezogen, um dann wieder mit einem schmerzvollen, alles erschütternden Stoß hinein gerammt werden. «Ich bringe alles wieder in Ordnung. Versprochen, Aki-shi!» Noch einmal drückte er fest die Hand des anderen und versuchte sich soweit zu sammeln, dass er seinen inneren Untergang vor der Außenwelt verbergen konnte. „Na endlich gibt es was zu Mampfen!“ Beim Klang von Kazukis fröhlicher Stimme brach beinahe seine Fassade, die er mit letzter Kraft vor dem sicheren Einsturz retten konnte, während sich Beklemmung zu seinem Gefühlscocktail hinzu gesellte. Gleich darauf wurde ein Teller vor ihm abgestellt und er musste zugeben, dass das Gericht nicht nur extrem gut aussah, sondern auch hervorragend duftete, was seinen Magen sofort wie einen Wolf knurren ließ. Jedoch fand er diese körperliche Reaktion, anhand der neuen Erkenntnisse, mehr als unangebracht. „Du mieser Verräter!“, rügte er seinen Bauch im Stillen. «Ich habe so einen schönen Abend, mit euch, gar nicht verdient.» Keine zwei Sekunden später gellte es „Itadakimasu!“ im Chor und alle, selbst der sich bis zu Letzt selbst kasteien wollende Takanori, machten sich daran das Essen zu genießen. Wider allen ursprünglichen Erwartungen, schmeckte das Essen hervorragend. Auch wenn Takanori sich nicht sicher war, was dieser leicht fruchtig süße Geschmack war. «Oishii!» Er hatte bereits die vierte gehäufte Gabel verschlungen, als plötzlich sein Hals zu kratzen anfing und ihn ein Hustenanfall ereilte. Er konnte gar nicht mehr aufhören, spürte förmlich wie sich sein Hals zusammen zog und er panisch versuchte Luft zu bekommen. „Taka! Taka was ist los?“, rief Kazuki panisch auf. „Kami-sama! Er kriegt keine Luft mehr!“ Yutaka versuchte dem Kleinsten Wasser einzuflößen, und ihn mit sanftem Streicheln über seinen Rücken zu beruhigen. Währenddessen hatte Akira wohl einen Gedankenblitz und inspizierte Takanoris Essen genauer. «Kami-sama! Das Essen! Das sieht aus wie...» „Arzt! Wir brauchen sofort einen Arzt! Er hat eine allergische Reaktion!“ ****** Ab diesem Moment ging alles extrem schnell und nach nicht mal fünfzehn Minuten war Takanori bereits auf dem Weg ins Krankenhaus. Mit ihm kam natürlich sein Freund. Der kleine Designer tat Yutaka wirklich leid, denn kurze Zeit befürchteten sie wirklich, dass dieser das Zeitliche segnen würde. Seinen Gedanken weiter nach hängend, nahm er ebenfalls die Penne unter die Lupe und probierte davon. Jeder seiner Freunde wusste, dass der Kleinste von ihnen hochgradig allergisch auf Erdbeeren reagierte, doch noch nie hatten sie seine körperliche Abwehrreaktion auf die Frucht live miterlebt. «Oh man! Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock, dass da Erdbeeren drin sind und es schmeckt auch extrem danach! Also warum hast du das nicht gemerkt?» Ein bitteres Lächeln stahl sich auf das sonst so fröhliche Gesicht. «Selbst Schuld, wenn du DAS isst! Vielleicht wolltest du mal wieder nur im Mittelpunkt stehen. Und dafür war dir ja immer schon jedes Mittel recht!» „Wir... Wir sollten dann mal Akira anrufen, wie es Taka geht, oder?“, riss ihn die Stimme seines Freundes aus seinen zynischen Gedanken, woraufhin Yutaka nur nickte. Kazuki zückte schon mal sein Handy und ging vor die Tür um dabei eine zu rauchen, als Yuu wieder zu ihm an den Tisch trat. Er war immer noch kreidebleich und man sah ihm an, dass er sich für alles die Schuld gab. „Ich hab in der Küche nachgefragt. Niemand hat das Erdbeerpüree in Takas Essen getan! Ich hab auch ausdrücklich geschrieben, dass KEINE Erdbeeren rein dürfen! Also wie zur Hölle konnte das passieren?“ Der Schwarzhaarige massierte sich mit seiner Hand die Nasenwurzel, als Yutakas Handy klingelte. „Moshi Moshi, Yutaka desu? .... Ah hey! .... Hört sich cool an, aber Taka ist im Krankenhaus wegen einer allergischen Reaktion und ich werde mit Kazu nachher nach ihm sehen. ... Nein, das erkläre ich dir mal in aller Ruhe. ...... Okay, warte mal. Ich frag ihn kurz!“ „Yuu? Kou fragt, ob du nachher bei ihnen im `Black Heart´ vorbei schaust?“ „Nein, ich sollte echt nach Taka sehen. Immerhin ist die ganze Misere in meinem Laden passiert.“ „Wegen Taka mach dir mal keine Sorgen. Kazu und ich besuchen ihn später und ich glaube dir tut etwas Ablenkung grade echt gut. Du machst dich doch nur selbst unnötig fertig. Es war nicht deine Schuld. Bitte hör auf dir immer das Gegenteil einzureden. Ich denke es wäre gut, wenn du heute zu den Jungs in die Bar schaust.“ Yutaka beobachtet die Reaktion des Älteren, auf seine Worte hin, genau. Er wusste, dass ein emotional angeschlagener Yuu gerade das Letzte war, was der Designer gebrauchen konnte. Denn dann müsste Takanori womöglich auch noch in seiner schlechten Verfassung seinen Freund beruhigen. Also keine gute Idee. „Okay. Du hast vielleicht recht. Ich werde jetzt Feierabend machen und Miv soll den Laden für heute alleine schmeißen. Sag Taka bitte, dass mir das alles fürchterlich Leid tut und ich Morgen, wenn ich bisschen runter gekommen bin, nach ihm sehen werde.“ «Gut, dass er es einsieht!» „Alles klar! Hey, Kou? Yuu kommt nachher. .... Ja klar. Ich werde es unserem Kleinen ausrichten. Und bitte lenkt Yuu ein bisschen ab. .... Nein, du Ferkel! SO war das nicht gemeint! Maaan! ... Okay, alles klar. Matane!“ Im selben Moment in dem er aufgelegt hatte, kam auch sein Freund mit einem etwas erleichterten Gesichtsausdruck zurück. „Akira meinte, dass es Taka wieder ein bisschen besser geht, sie ihn aber zur Beobachtung heute Nacht noch im Krankenhaus behalten wollen. Und, dass da noch was ist, was er uns aber persönlich und in Ruhe erzählen will.“ Bei diesen Worten, machte sich einerseits Erleichterung in ihm breit, jedoch beschlich den jungen Japaner auch ein ungutes Gefühl. «Was will Akira ihnen bloß persönlich sagen? Ist noch etwas schlimmes passiert?» „Dann fahren wir mal ins Krankenhaus, Schatz!“, meinte Yutaka und erhob sich von seinem Stuhl. „Taka braucht jetzt erstmal Ruhe, weshalb wir ihn heute nicht mehr besuchen können. Aber Aki hat mich gebeten, dass wir noch schnell im Atelier vorbeifahren und Cheffe´s Tasche holen. Er scheint sie vorhin dort vergessen zu haben, weshalb wir sie ihm ins Krankenhaus bringen sollen.“ Der Ältere nickte. „Okay, das verstehe ich natürlich. Hoffentlich ist er bald wieder fit. So Yuu, ich wünsche dir einen schönen Abend und grüß die Jungs von uns.“ „Alles klar! Mach ich und haltet mich auf dem Laufenden!“Mit diesen Worten machte sich der Restaurantchef auf die Suche nach seinem Stellvertreter. „Na komm, Yuta-chan. Wir sollten langsam auch echt los.“ Ein kleines Lächeln zierte die Lippen des Angesprochenen, welche er kurz mit denen seines Freundes verschloss. Händchenhaltend verließen sie den Laden und fuhren geradewegs zu Kazukis Arbeitsplatz. ****** Die Musik wummerte in dem einzigartig wirkenden Lokal und die dunkle Beleuchtung mit den ständig wechselnden Lichtakzenten ließ die Atmosphäre surreal und diese, wie auch jede andere Nacht in dem Etablissement, unvergesslich erscheinen. Fast so, als wäre sie etwas ganz besonderes. Als wäre es die Nacht der Nächte. Es wirkte so, als würde die Zeit hier für sie arbeiten und dieser Moment unendlich sein. Die Gäste waren, wie immer, gut drauf und einmal mehr wusste er wieder, weshalb er sich für diesen Job entschieden hatte. Okay, dafür gab es noch ein paar weitere Gründe, aber trotzdem: DAS hier war seine Welt! Das war das, was ihm Spaß machte und wo er wusste, dass er einer der Besten war. Er war nicht mehr irgendwer. NEIN! Wenn er hier im `Black Hearts´arbeitete, war der Mensch außerhalb dieser Bar nicht mehr existent. Alle Sorgen und Probleme hatten ihre Daseinsberechtigung verloren und er erhob sich jedes Mal, sobald die Lichter ausgingen und der Laden seine Pforten öffnete, wie ein Phönix aus der Asche. Hier gab es nur einen Namen auf den er ernsthaft hörte... „Uruha! Da bist du ja, mein Hübscher! Ich hab dich schon überall gesucht!“ Diese Stimme würde er unter hunderten wiedererkennen. „Hinamori-san! Schön, dass Sie auch heute wieder den Weg zu uns gefunden haben.“ Sie war damals eine seiner großzügigsten Kundinnen gewesen und wollte sich immer noch nicht mit der personellen Veränderung, welche vor eineinhalb Monaten in Kraft getreten war, abfinden. „Los, leiste mir ein bisschen Gesellschaft. Nur der guten alten Zeiten wegen!“, versuchte sie die Musik zu übertönen und ihn aus der Reserve zu locken. „Tut mir sehr leid, Hinamori-san, aber ich bin nun Barchef und als solcher muss ich leider hinter der Theke arbeiten. Aber kann ich Ihnen vielleicht etwas zu trinken anbieten?“ Er wollte sie keineswegs vergraulen oder verärgern, jedoch waren seine Zeiten als Host Geschichte und er hatte keine Lust auf Stress mit seinem Chef. Bei diesen Gedanken blickte er zur Tribüne hinüber, wo dieser ihn bereits eindringlich musterte. „Ich weiß. Ich hatte nur gehofft, dass dich eventuell ein großzügiges Trinkgeld umstimmen könnte.“ Um ihren Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen, wedelte sie mit einem kleinen Bündel Scheine herum. Als er damals im `Black Hearts´ angefangen hatte, war er extrem auf die Großzügigkeit der Besucherinnen angewiesen und hätte wohl fast alles für so eine Menge Extrabonus gemacht. Aber nun war das anders. Vieles hatte sich verändert. ER selbst hatte sich verändert. „Vielen Dank, für Ihr großzügiges Angebot, aber ich muss leider ablehnen.“ Die Unzufriedenheit war ihr, bei seinen Worten, deutlich auf das Gesicht geschrieben. Nichtsdestotrotz öffnete er eine Flasche des teuersten Sekts, den sie hatten, und goss ihn in ein dafür vorgesehenes Glas, in welchem sich bereits eine Kirschblüte befand. Sie nahm das Friedensangebot dankend an und schenkte ihm ein besänftigtes Lächeln, als er auch schon unsanft in die Rippen gepiekst wurde. „Ruuuhaaa-sensei! Die junge Dame da hinten hätte gerne Sex on the Beach von mir! Wie geht das?“ Uruha wollte Hiroto gerade antworten und ihm sagen, dass er ihn nicht Sensei nennen sollte, als Hinamori bereits statt ihm antwortete: „Bei diesem Wortlaut würde ich erst einmal fragen, ob sie auch wirklich den Cocktail meint, mein Süßer!“ Bei diesen Worten konnte sich der Barchef sein spitzbübisches Grinsen doch nicht mehr verkneifen. «So ist das nun einmal in Japan. Sobald du Geld hast, es dunkel wird und du dich in gewissen Kreisen bewegst, ist jegliche Hemmung und Zurückhaltung vergessen und unwichtig. Dann ist das einzig Wichtige du und was du willst! Das gilt für Männer, ebenso wie für Frauen.» Das war es, was er an der, bereits in die Jahre gekommenen, gut betuchten Frau so mochte. Sie sah keine Notwendigkeit mehr sich als verletzlich oder schüchtern zu zeigen. Sie machte klar wer sie war und was sie wollte. Wem sie dabei auf den Schlips trat, war ihr egal. Sehr erfrischend, bei dem ganzen falschen und scheinheiligen Getue, welches seine eigene jahrelange Arbeit ausgezeichnet hatte. „So, aber jetzt mal ehrlich, Uruha. Ich bin nicht hier um die ganze Zeit Sekt zu trinken. Welchen jungen Mann kannst du mir empfehlen?“ Er ließ seinen Blick durch die Menge schweifen und zeigte dann in die entsprechende Richtung. „Ich denke Shou könnte Ihnen zusagen. Seien Sie jedoch gewarnt: Er ist sehr beliebt!“ „Das wird für mich kein Problem darstellen. Ich danke dir. Und wir sehen uns später wieder, Hübscher.“ Und mit diesen Worten tänzelte sie schon davon, was ihn erleichtert aufatmen ließ. Er brauchte dringend eine kurze Pause, weshalb er zu seinem Kollegen und Stellvertreter ging. „Saga, ich brauche kurz eine Raucherpause. Bitte übernimm mal eben für mich und kümmere dich um Hiroto. Er ist scheinbar noch immer ziemlich unbeholfen und unsicher.“ „Okay, mache ich.“ Und schon schlängelte sich der Goldblonde durch die Menge. Draußen angekommen atmete er erstmal erleichtert die kühle, klare Nachtluft ein, während er bereits seine Zigaretten zückte und sich eine ansteckte. Der erste Zug seines Lasters war wie immer der Beste und ließ ihn zufrieden die Augen schließen. Plötzlich wurde er von hinten gepackt und an einen warmen Körper gezogen. Lippen strichen hauchzart über seinen Nacken und bereiteten ihm Gänsehaut. „Shinji...“, durchbrach sein Seufzen die nächtliche Geräuschkulisse Tokyos. „Sie wollte immer noch nicht akzeptieren, dass du ihr nicht mehr zur Verfügung stehst, was?“ Die raue angenehme Stimme seines Chefs prickelte auf seiner Haut, weshalb er brav mit einem Nicken antwortete. „Du gehörst mir, Kou. Mir alleine.” „Dir allein.“ Und bei diesen Worten drehte er sich in dessen Armen um und zog den Dunkelhaarigen in einen langen, leidenschaftlichen Kuss. Das hier war der eigentlich Grund, warum er diesen Job, in genau diesem Laden mehr liebte als alles andere. Dieser Mann! „Eigentlich bin ich gekommen, um dir zu sagen, dass Yuu gerade eben aufgetaucht ist. Aber als du hier so standest, konnte ich mich einfach nicht mehr zurückhalten.“, kam die schwer atmende Erklärung Shinjis. „Und vergiss nicht. Hier, wenn wir alleine sind, bin ich für dich Shinji. Aber sonst nenn mich bitte nach wie vor Tora. Okay, Kou?“ Der Kleinere grinste „Ja klar. Das hast du mir schon so oft gesagt. Und immer ist es die gleiche Antwort.“ „Na warte, du freches Ding. Wir sehen uns nach Feierabend in meiner Wohnung, Süßer. Sei gewappnet!“ Mit diesen Worten und einem breiten Grinsen auf den Lippen, ging sein Freund wieder zurück in seine Bar. Shinji und er waren nun seit knapp sechs Monaten offiziell ein Paar und nur Kou selbst wusste, wie sehr es Shinji belastet hatte, mitansehen zu müssen, wie sein Freund tagtäglich den Kundinnen schöne Augen machen musste. Selbst wenn außer ein paar Drinks und langen Gesprächen nichts passiert war. Als dann jedoch Yuu Miyavi abgeworben und zu seinem Stellvertreter gemacht hatte, wurde der Posten als Barchef frei und spielte dem schönen Lokal-Besitzer natürlich voll in die Karten. Kou kannte die meisten Gäste bereits beim Namen. Er war beliebt, schon über vier Jahre hier tätig, hatte Charm und stach durch sein Engagement heraus. Zum Glück war Saga noch nie der Boss-Typ gewesen, weshalb er ihn als seinen neuen Chef von Anfang an Willkommen hieß und wohl sehr dankbar dafür war, nicht selbst in das Amt erhoben worden zu sein. Automatisch drängten sich die Bilder von Shinjis und seinem ersten Kuss wieder auf und wie sie, über Monate hinweg, ihr Verhältnis zueinander geheim gehalten hatten. Kou hätte ihre Beziehung gerne sofort offiziell gemacht, jedoch war Shinji zuerst dagegen gewesen. Er befürchtete, dass Kous Kollegen ihm möglicherweise eine bevorzugte Behandlung vorwerfen würden und noch dazu wollte er einfach abwarten, wie sich alles zwischen ihnen beiden entwickelte. Als Nao die Zwei jedoch vor knapp einem halben Jahr wild knutschend in Shinjis Büro vorgefunden hatte, musste der Lokalbesitzer Farbe bekennen. Kou war seinem Kollegen bis heute sehr dankbar dafür, dass er sie erwischt und auch, dass keiner der anderen Mitarbeiter einen Aufstand gemacht hatte. Sie waren nach wie vor eine Familie und kümmerten sich umeinander. Als er wieder seinen Arbeitsplatz betrat, suchte er sofort die Gäste nach seinem besten Kumpel ab und blieb dann an einem schwarzen, durch das Licht eher bläulich wirkenden, Haarschopf hängen. „Na, Yuu? Alles klar bei dir?“, begrüßte er den anderen, welcher ihn mit einem abwesenden Blick und kurzem `Hey, Kleiner...´ bedachte. Er wirkte tatsächlich sehr mitgenommen und es schmerzte Kou, seinen Freund so zu sehen. „Hey, Saga! Bitte gib uns zwei Bier und für ihn hier noch zwei Tequila. Das hat er jetzt dringend nötig!“ Der Kleinere nickte lediglich und machte sich sogleich an die Arbeit. „Hey, Jungs. Kommt zu mir auf die Tribüne. Da könnt ihr etwas ungestörter reden. Ist dann doch etwas privater.“ Auch wenn Shinji manchmal gerne den Coolen und Selbstverliebten raushängen ließ, war das alles nur Fassade. Im Herzen war er einer der liebsten und verständnisvollsten Menschen überhaupt. „Danke dir.“ Und so schnappten sie sich ihre Getränke und folgten dem Größeren nach oben. Dort angekommen erzählte ihnen der Neuankömmling erstmal, zwischen seinen beiden Tequilas, warum genau Takanori nun im Krankenhaus war. „Man Yuu. Jetzt mal von Chef zu Chef! Es war wirklich nicht deine Schuld. Man gibt natürlich sein Bestes, dass in seinem Laden keine negativen Vorkommnisse passieren, es den Kunden gut geht und sie zufrieden und gesund später wieder das Lokal verlassen. Aber wenn dann doch mal was passiert, dann darf man sich nicht fertig machen, sondern sollte sich besser mit Präventivmaßnahmen beschäftigen! Also Kopf hoch, Kumpel. Es ist zum Glück nochmal gut ausgegangen“, redete Shinji Yuu gut zu, während er ihm beschwichtigend eine Hand auf die Schulter legte. Der Schwarzhaarige nickte nur abwesend, schien den Worten des Schwarzhaarigen aber trotzdem Glauben zu schenken. Beim Anblick Yuus, beschlich Kou jedoch das Gefühl, dass da noch etwas anderes war, was den Älteren belastete. „Sag mal, da ist doch noch was. Irgendwas beschäftigt dich noch! Hab ich recht?“ Geschockt starrte ihn der andere an und versuchte sofort vom Thema abzulenken. „Yuu! WAS IST LOS, VERDAMMT?“, brüllte er gegen die Musik an. „Nein, d-da ist nichts...“ „Alter! Muss ich dich erst abfüllen, damit du mit mir redest? Man! Ich bin dein bester Freund! Wir kennen uns seit dem Kindergarten! Also verkauf mich nicht für blöd!“ Shinji erhob sich bei diesen Worten. „Ich lass euch mal alleine.“ Nachdem sein Freund in der Menge verschwunden war, rückte Yuu endlich mit der Wahrheit raus. „ A-also da gibt es was, das ich dir nicht erzählt hab. Ich weiß nicht, wieviel du über die Vorgeschichte dazu weißt und meine Beweggründe nachvollziehen kannst, aber versprich mir, dass du mich danach weder hassen noch verachten wirst. Okay?“ Er nickte und drückte zur Bestätigung die schlanke Hand des anderen. „Okay. Also die Sache ist die...“ Die Musik wummerte in dem einzigartig wirkenden Lokal und die dunkle Beleuchtung mit den ständig wechselnden Lichtakzenten, ließ die Atmosphäre total surreal und diese, wie auch jede andere Nacht in dem Etablissement, unvergesslich erscheinen. Nur Einer wünschte sich, dass jegliche Erinnerung an diesen Abend, aus seinem Gedächtnis gelöscht werden würde. Dass sein bester Freund ihn gleich auslachte und ein „Verarscht!“ entgegen brüllte. Doch nichts dergleichen passierte. Der andere blieb ernst und konnte Kou nicht mal mehr in die Augen schauen, welche ihn nur schockgeweitet und ungläubig anstarrten. Er konnte es nicht fassen, welches Geständnis er von dem anderen gerade erhielt. Es war eine neue Erkenntnis, die seine kleine fröhliche Welt in seinen Tiefsten erschütterte. «Wer bist du? Und was hast du mit meinem lieben, aufopfernden Yuu gemacht?» In dieser Nacht verlor der junge Barchef so vieles. Seinen besten Freund, seinen Glauben an das Gute im Menschen und Uruhas Welt als Rückzugsort, um allem Bösen und Negativen zu entfliehen…. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)