As time goes on von Ouzomania ================================================================================ Kapitel 2: Showeinlage ---------------------- 31. Dezember 2002 Für einen Augenblick hielt das junge Mädchen inne und lauschte dem Lachen ihrer Freunde, als sie den Flur entlang zurück zum Wohnzimmer geschritten war. Ihr Blick ging durch den Raum und sie musterte die einzelnen Gestalten, die im Laufe der letzten Stunde hier zusammen gekommen waren. Es war gerade einmal einen Tag her, dass sie in der Digiwelt waren und dort MaloMyotismon besiegt hatten. Es war der erste Tag, an dem wieder Normalität in ihr Leben einkehrte, nachdem die Kinder von der Saat der Finsternis befreit worden waren und wieder Frieden zwischen ihrer und der Digiwelt herrschte. Die meisten von ihnen hatten die Hälfte des Tages damit verbracht, eine ordentliche Portion Schlaf nachzuholen. Niemand von ihnen hatte angesichts der Umstände Pläne für den bevorstehenden Silvesterabend geschmiedet. Umso überraschter war sie gewesen, als ihre Mutter heute den ganzen Tag hektisch durch die Wohnung gehuscht war und ihrem Vater eine ellenlange Einkaufsliste in die Hand gedrückt hatte. Offensichtlich hatten ihre Eltern am Vortag alle gemeinsam beschlossen, den Kindern ein kleines Silvesterfest zu organisieren. Nun, nachdem sie alle von dieser anderen Welt wussten und stolz darauf waren, dass ihre Kinder versuchten, diese und ihre eigene Welt zu beschützen. „Aber Mama“, hatte sie vor einigen Stunden eingeworfen, als ihre Mutter ihr eine Girlande zum Aufhängen in die Hand gedrückt hatte, „wir feiern doch Silvester sonst immer mit der Familie?“ Doch Yuuko Yagami hatte ihren Einwand mit einem schlichten „Tust du doch“ abgewunken und war ins Badezimmer davongeeilt, um die Tischdecke aus dem Trockner zu holen. Sie erinnerte sich an diese Unterhaltung, als sie beobachtete, wie Davis und Yolei sich darüber stritten, welche Sorte von Chips sie als erstes öffnen sollten, und gleichzeitig sah, wie Ken etwas unbeholfen daneben stand und vorschlug, einfach zu mischen. Unweit von ihnen entfernt half Cody Sora Teller und Besteck am ausgezogenen Küchentisch zu verteilen. Am anderen Ende des Zimmers waren Izzy und Joe bemüht, Izzys neue Spielkonsole an den alten Fernseher der Yagamis anzuschließen. Ihr Bruder Tai ließ sich währenddessen auf das Sofa fallen und beobachtete das Tun seiner Freunde – offensichtlich ungeduldig, weil es immer noch nicht funktionierte. An der Wand neben dem Sofa lehnte Matt und unterhielt sich angeregt mit seinem kleinen Bruder. TK hatte dabei zwei Fotos in der Hand und es sah aus, als würde er Matt hinsichtlich einer Auswahl beratschlagen. Wenn sie ihre Freunde so betrachtete und sah, wie ausgelassen sie miteinander umgingen, verstand sie, was ihre Mutter gemeint hatte. Ihre Erlebnisse, ihre gemeinsamen Abenteuer und gemeinsame Verantwortung, hatten sie und die anderen so sehr zusammen geschweißt, dass sie wie eine Familie geworden waren. Sicherlich führten sie alle ihr eigenes Leben und wenn die Schule irgendwann einmal vorbei war, würden sie sich vielleicht auch etwas aus den Augen verlieren. Aber sie würden doch immer irgendwie zusammen gehören, egal wie weit sie voneinander entfernt waren. Sie dachte dabei an Mimi, die einzige die heute Abend nicht da sein konnte, aber doch auch heute Teil dieser etwas anderen Familie war – egal ob sie nun gerade in Amerika lebte oder ihre Freunde in Japan besuchte. Sie alle vermissten sie. „Kari!“, Davis laute Stimme brachte die junge Yagami weg von diesen Gedanken, als ihr Klassenkamerad auf sie zu gestiefelt kam, „was ist, hast du die Karten gefunden?“ Sie lächelte und hob demonstrativ die Kartenschachtel mit ihrer rechten Hand in die Höhe. „Aber klar doch!“, bestätigte sie und ging sogleich mit Davis zurück zu Ken und Yolei. ____________________________________ Eine Stunde später saßen die elf Freunde etwas aneinander gepfercht, aber dafür zusammen um den Esstisch der Yagamis, den Cody und Sora liebevoll hergerichtet hatten. Die Teller vor ihnen waren voll mit Krümeln, die Schüsseln mit Essen, die ihre Eltern im Laufe des Tages zusammengetragen hatten, größtenteils leer und ihre Mägen überfüllt. Takeru beobachtete wie sein Gegenüber etwas mit dem Stuhl nach hinten rückte und sich mit beiden Händen über den Bauch rieb. „Ich hab‘ das Gefühl, ich platze gleich!“, gab Tai entsprechend seiner Geste lautstark bekannt und sprach damit aus, was jeder andere auch dachte. „Tai, du solltest aufhören zu essen, wenn du satt bist, nicht, wenn du platzt“, tadelte Joe zu Tais Linken den Brünetten und warf einen altklugen Blick in die Runde. „Das Geheimnis ist es, langsam zu essen“, erklärte er wissend den völlig erschlagenen Schlemmermäulern, „damit das Sättigungsgefühl schneller ein–“ „Blablabla“, fiel Tai dem Ältesten der Runde augenrollend ins Wort und hielt ihm einen Teller mit Dorayaki unter die Nase. „Sag bloß, du kannst da aufhören zu essen?!“, ungläubig zog er eine Augenbraue in die Höhe. Doch bevor Joe darauf reagieren konnte, lehnte sich Davis quer über den Tisch und griff nach dem Teller. „Also ich nicht!“, erklärte er grinsend, nahm eines der Teilchen und biss ein großes Stück ab. „Das war klar! Dass du ein Fresssack bist, wissen wir alle, Davis!“, seufzte Yolei verzweifelt und schüttelte über Davis betragen den Kopf. Der streckte ihr nur mit vollem Munde die Zunge raus, so dass alle anderen anfingen zu lachen. „Sag mal, Matt“, ergriff schließlich Yolei wieder das Wort, um ein neues Thema anzuschneiden, „wird euer Konzert von Weihnachten eigentlich irgendwann nachgeholt?“ Takerus Blick wandte sich zu Yamato, der zu seiner Linken saß. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Matt hastig seine linke Hand zu sich zurückzog, als Yolei die Aufmerksamkeit auf ihn lenkte und die anderen auf seine Antwort warteten. Nanu? Statt seinem Bruder zuzuhören – die Antwort kannte er ohnehin schon – beobachtete er stumm, wie Soras Hände sich in ihrem Schoß verkrampften. Sie saß einen Platz weiter und richtete den Blick nach unten. Ihre Wangen waren leicht rosa gefärbt. Hatte er da vor lauter Chaos mit den Digimon vielleicht etwas nicht mitbekommen? Nun gut, sein Bruder würde schon mit der Sprache herausrücken, wenn er das wollte. „Oh, das ist schade!“, gab Yolei ihr Bedauern kund, als Yamato berichtete, dass das Konzert ersatzlos gestrichen war, „es wäre so schön gewesen, wenn wir alle zusammen hätten hingehen können!“ „Seit wann stehst du denn auf Rockmusik?“, fragte Daisuke argwöhnisch und hakte neckend nach. „Oder stehst du mehr auf den Musiker?“ „Ach, quatsch nicht so blöd!“, maulte Yolei den Jüngeren an, wurde aber etwas rot, „nur weil du keine Ahnung von guter Musik hast, stimmt’s Kari?“ Izzy, der Yolei und Davis noch kurz zugehört hatte, wandte sich wieder an Matt und begann mit ihm ein Gespräch über eine Onlineanzeige für einen Bandcontest, die er vor ein paar Tagen zufällig gesehen hatte. Die anderen klinkten sich in die Unterhaltungen mit ein, lediglich Sora erhob sich von ihrem Platz. Sie begann allmählich den Tisch abzuräumen und wenig später kam auch Cody ihr wieder zur Hilfe. Takeru beschloss seinerseits, ebenfalls den beiden etwas unter die Arme zu greifen, nahm seinen Teller und brachte ihn in die Küche, bevor er zurück zum Tisch ging und anfing, die leeren Schüsseln einzusammeln. Sie brauchten nicht lange, bis im Wohnzimmer alles soweit weggeräumt war, dass sie wieder genug Platz hatten, dort einen gemütlichen Abend zu verbringen. Während ein paar von ihnen abgeräumt hatten, waren die anderen schon dabei gewesen, die roten und weißen Mannschaften für ihren Real-Life Gesangswettbewerb aus zu losen, den Yolei und Kari unbedingt veranstalten wollten. Traditionell traten dabei zwar immer Männer gegen Frauen an, da die Frauen in ihrem Freundeskreis heute allerdings absolut in der Unterzahl waren, hatten sie sich für zusammengewürfelte Teams entschieden. Die Motivation für den Gesangswettbewerb war nicht bei allen gleichermaßen hoch, doch Kari und Yolei hatten ihre volle Überzeugungskraft eingebracht. Daisuke war natürlich sofort Feuer und Flamme und unterstützte Kari bei ihrem Plan. Takeru grinste etwas, als er sah, wie der Gleichaltrige seiner besten Freundin half, den ‚Sing-Plan‘ auf ein weißes Plakat zu zeichnen. Sie begannen damit, die einzelnen Gegner und die Reihenfolge des Aufeinandertreffens aus zu losen. Jeder durfte einen nummerierten Zettel aus einem Beutel ziehen und Kari trug die Namen an der entsprechenden Stelle ihres Plans ein. „WAS? NEIN! Das ist unfair!“, brach es plötzlich entrüstet aus Joe hervor, der als Drittletzter eine Nummer aus dem kleinen Beutel gezogen hatte und ungläubig auf den Plan starrte. Alle anderen sahen ihn irritiert an. „Wieso muss ausgerechnet ich gegen Matt antreten?“, fragte er niedergeschlagen und ließ geknickt Kopf und Schultern hängen. „Dann scheide ich ja direkt in der ersten Runde aus!“ Matt lehnte lässig mit verschränkten Armen neben der Balkontür an der Wand und sah den Oberschüler ungerührt an. „Entspann dich, Joe.“ Tai neben ihm grinste schief und tätschelte beruhigend Joes Schulter. „Ja, genau, entspann dich Kumpel“, munterte er den Brillenträger amüsiert auf, „wir werden sowieso alle gegen Matt rausfliegen. Du wirst eben nur der Erste sein.“ Takeru sah wie sein Bruder mit den Augen rollte, als er sich von der Wand abstieß. „Wer hatte noch einmal diese blöde Idee, einen Gesangswettbewerb zu veranstalten?“, fragte der junge Musiker gespielt genervt, ging an den anderen beiden vorbei und ließ sich neben Sora auf das Sofa fallen. Sie schenkte ihm ein kurzes Schmunzeln. „Sei kein Spielverderber“, mahnte sie ihn grinsend und zog schließlich auch einen Zettel aus dem Beutel, damit der Wettbewerb endlich beginnen konnte. ____________________________________ Der Gesangswettbewerb hatte den meisten mehr Laune bereitet, als erwartet. Tatsächlich lieferte die amüsante Musikauswahl, die das Singstar-Spiel bot, zahlreiche witzige und peinliche Momente. Yamato voller Hingebung Like a Virgin von Madonna singen zu hören, hatte nicht nur ihn, sondern auch alle anderen belustigt und über die Tatsache hinweg getröstet, dass der blonde Musiker dennoch am Ende alle geschlagen hatte. Insofern war der Wettbewerb recht kurzweilig gewesen und Taichi rechnete stark damit, dass das neu entdeckte Spiel noch häufiger auf der Tagesordnung bei gemeinsamen Abenden stehen würde. Denn offensichtlich waren die Mädels hellauf begeistert. Obwohl sie längst mit ihrem Wettbewerb durch waren, wählten Yolei und Kari immer wieder neue Lieder aus der Liste aus und stimmten sie an. Während er, T.K. und Davis ihnen dabei zusahen und sich hin und wieder zu einem Duett überreden ließen, saßen die übrigen Jungs seit einer Weile im Kreis zusammen und spielten Karten. „Wie spät ist es eigentlich?“, warf Yolei plötzlich ein, als sie dabei war ein neues Lied auszuwählen. Offensichtlich hatte sie die Zeit aus den Augen verloren und war damit nicht die einzige. Tai zuckte nur mit den Achseln und warf Davis einen fragenden Blick zu. Aber keiner von ihnen hatte eine Uhr an. „Hey Jungs, wie spät ist es?“, richtete Yolei deshalb etwas lauter ihre Frage an die Kartenrunde. Joe und Izzy blickten automatisch auf ihre Armbanduhren. „Oh, es ist gleich Mitternacht“, stellt der Rothaarige überrascht fest. „Gleich Mitternacht?“, wiederholte Cody fragend und sah seinen Sitznachbarn an. Dann stand er auf und ging einen Schritt auf die anderen zu. „Können wir ein Fenster aufmachen?“, erkundigte er sich höflich und warf dabei einen Blick in Taichis Richtung, der am nächsten zum Wohnzimmerfenster saß. „Ich würde gerne die Tempelglocken läuten hören“, erklärte der Jüngste seinen Freunden und wirkte dabei etwas schüchtern. Wahrscheinlich hatte er mehr Traditionsbewusstsein als alle anderen zusammen. „Oh, ja, Tai, mach das Fenster auf!“, pflichtete Kari dem Grundschüler bei, um ihn in seinem Anliegen zu unterstützen. Auch Yolei und die anderen pflichteten der Idee bei und Taichi blieb nichts anderes übrig, als ihnen den Gefallen zu tun. Es war ihm ohnehin egal. Wenn der Kleine seine 108 Klänge hören wollte, die die Menschen von ihren Sünden befreiten, dann würde er ihn sicherlich nicht davon abhalten. Ohne jegliche Widerworte stand der junge Fußballer auf und tat wie seine Schwester ihm geheißen. Er nahm den längst geschlossenen Vorhang und schob ihn mit einem kurzen Schwung auf. Als er dann jedoch das Fenster öffnen wollte, hielt er mitten in der Bewegung überrascht inne und starrte hinaus. Auch die anderen machten große Augen, als sie an Tai vorbei aus dem Fenster sahen. Statt einen direkten Blick in die Nacht und über die Dächer der benachbarten Häuser zu erhalten, konnten sie nicht übersehen, wie im Vordergrund Matt und Sora eng umschlungen auf dem Balkon standen und heftig miteinander knutschten. Ertappt! Im ersten Moment war Tai so perplex, dass er sich nicht rühren konnte. Im zweiten Moment drehte sich sein Magen um. Im dritten Moment versuchte er, den zweiten Moment zu vergessen, weil alle anderen ihn beobachten konnten. „Das glaub‘ ich ja nicht...“, hörte er Yoleis erstaunte Stimme leise hinter sich. „Ich wusste es!“, ließ dagegen Takeru triumphierend verlauten. Tai, noch immer gegen den zweiten Moment ankämpfend, konnte seinerseits nicht glauben, dass irgendwie niemandem in den letzten Minuten aufgefallen war, dass Sora und Yamato nicht mehr hier waren. Vor allem, dass es ihm selbst nicht aufgefallen war, dass sich sowohl sein bester Freund als auch seine beste Freundin heimlich auf den Balkon geschlichen hatten, um dort in aller Seelenruhe rumzuknutschen. Sichtbar für alle anderen, aber verborgen für ihre Freunde in diesem Raum. Sie waren so vertieft dabei, sie merkten nicht einmal, dass alle anderen sie gerade sehen konnten. Taichi fasste sich schließlich ein Herz und klopfte etwas lauter an die Scheibe. Mit einem schiefen Grinsen sah er sie durch das Fenster an und winkte ihnen zu, als sie aufschreckten wie wilde Hühner und augenblicklich voneinander abließen, spürbar peinlich berührt. Taichi, froh darüber, dass der Anblick ihm nicht mehr weiter den Magen umdrehte, öffnete nun endlich das Fenster und räusperte sich. „Nette Showeinlage“, kommentierte er scherzend die Situation und versuchte, seine eigenen Gedanken zu überspielen, „seid ihr vorher schon häufiger aufgetreten oder war das die Uraufführung?“ Vorhang auf, Bühne frei. Und das Theater ging los, als Tai ihnen die Wohnzimmerbalkontür öffnete und die beiden zurück zu den anderen nach drinnen kamen. „Ich wusste gar nicht, dass ihr euch trefft!“, stellte Kari überrascht fest. „Wie lange geht das denn schon?“, erkundigte sich Yolei neugierig. „Seid ihr jetzt etwa zusammen?“, fragte Daisuke verwirrt. „Das hättest du ruhig mal erzählen können, großer Bruder“, klagte Takeru den jungen Musiker grinsend an. „Das muss ich unbedingt Mimi schreiben!“, merkte Izzy weiter hinten im Raum an. Tai beobachtete stumm, wie die anderen Matt und Sora noch keine wirklichen Gelegenheiten boten, um ihnen auf ihre Fragen zu antworten, während er selbst einfach nur versuchte, das Bild von den beiden einander im Arm haltend wieder aus seinem Gedächtnis zu verbannen. Hatte er sich nicht vor ein paar Tagen schon einmal solche Bilder ausgemalt? Sein Favorit sah anders aus. „Leute! Jetzt kriegt euch ‘mal wieder ein! Ihr könnt die zwei noch die ganze Nacht ausfragen. Lasst uns erst einmal das neue Jahr begrüßen!“ Danke, Joe. Die übrigen stimmten ihm zu und kaum zehn Sekunden später ertönten überall in der Stadt die Tempelglocken, die das neue Jahr einleiteten. Zwischen den ganzen Neujahrswünschen und Umarmungen, die sie daraufhin freundschaftlich miteinander austauschten, ging das andere Thema zu Tais Zufriedenheit deshalb erst einmal unter. ____________________________________ Gut, der Abend war dann doch etwas anders gelaufen als geplant. Als er vorhin stumm einige Blicke mit Sora ausgetauscht hatte und ihr dann unauffällig und etwas später in Taichis Zimmer gefolgt war, wollte er einfach nur ein paar ungestörte Momente mit der Rothaarigen verbringen. Es machte ihn irre, den ganzen Abend in ihrer Nähe zu sein, ohne sie berühren zu dürfen, und offensichtlich war es ihr genauso ergangen. In den letzten Tagen hatten sie sich so oft sie konnten getroffen und Zeit miteinander verbracht. Was zwischen ihnen gerade passierte, war so neu, so spannend und so aufregend, dass es jede freie Minute des Tages vereinnahmte, auch in seinen Gedanken. Sie ließ ihn nicht einmal mehr richtig schlafen. Sie machte ihn verrückt. Allerdings stand es heute keinesfalls auf der Agenda, alle ihre Freunde mit der Nase auf das zu stoßen, was sich zwischen ihm und der jungen Miss Takenouchi abspielte. Sie hatten sich eigentlich dazu entschieden, die Sache ganz langsam anzugehen und ihre Freunde vorerst noch nicht einzuweihen. Deshalb durfte er sie ja den ganzen Abend nicht anfassen. Ein völlig unmögliches Unterfangen. Als er sie in Tais Zimmer entdeckte hatte, hatte alles in ihm darauf gedrängt, förmlich danach geschrien, sie sofort zu küssen. Er liebte es zu sehr, ihren süßlichen Geruch in sich aufzunehmen und ihre weichen Lippen zu schmecken, als dass er auch nur eine Gelegenheit dazu auslassen könnte. Sie hatte gelacht und ihn nach einem ersten Kuss mit raus auf den Balkon gezogen. Sie fand es romantisch, mit ihm an einem klaren Abend in die Sterne zu sehen. Rückblickend vielleicht nicht die beste Idee. Aber es war ihm egal, wo sie waren, Hauptsache er konnte in ihrer Nähe sein. Wenn er sich darin verlor, nahm er seine Umgebung ohnehin nicht mehr wahr. Kein Wunder also, dass er gar nicht gemerkt hatte, wie die anderen sie entgeistert anstarrten. Inzwischen war schon über eine halbe Stunde seit ihrer ungewollten Showeinlage vergangen und das Thema setzte sich glücklicherweise allmählich. Natürlich war ihnen klar gewesen, dass ihre neue Verbindung im Freundeskreis erst einmal Aufmerksamkeit erregen würde, weil vermutlich niemand damit gerechnet hatte und das alles in ihrem Alter ohnehin noch neu für sie war. Das erste Pärchen. Sensation. Dass es für ihn alles sehr aufregend war, erschien ihm ganz natürlich, aber dass die anderen neugierig nach Informationen haschten, war ihm doch etwas zu viel des Guten. Normalerweise beobachtete er solche Dinge lieber vom Rand aus und er mochte es nicht sonderlich, wenn sein eigenes Privatleben plötzlich im Mittelpunkt des Interesses stand. Glücklicherweise konnte Sora etwas besser mit den interessierten Fragen ihrer Freunde umgehen. Sie erzählte gerade mit geröteten Wangen Yolei und Kari von ihrem Weihnachtsgeschenk an Yamato und ihrem späteren Treffen an diesem Abend, als er sie zum ersten Mal geküsst hatte. Yamato saß schweigend neben ihr und zeichnete gedankenverloren kleine Kreise auf ihre Handfläche. „Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet du der erste von uns bist, der eine Freundin hat!“, merkte plötzlich Joe nachdenklich und scheinbar verwundert an, „eigentlich sollte ich das ja sein, schließlich bin ich der Ältere.“ Yamato wandte den Blick zu dem Oberschüler und runzelte die Stirn. „Wirklich, Joe?“, hakte er nach. „Du hast gedacht, du wärst der erste mit einer Freundin?“ Yamato meinte diese Nachfrage keinesfalls abwertend gegenüber seinem Freund. Aber er kannte seinen Freund eben auch schon lange genug und wusste, dass er nicht der Typ war, der gut mit Mädchen reden konnte. Vielmehr war Joe jemand, der sich äußerst schusselig anstellte und in jedes Fettnäpfchen treten würde. Er war noch viel zu zurückhaltend, unsicher und schüchtern, obwohl er der Älteste von ihnen war. Joe wusste das selbst auch. „Du hast recht“, seufzte er geknickt und nippte an seinem Glas Limonade, „aber es wäre trotzdem schön gewesen.“ „Also ich dachte eher, es wäre Tai“, mischte sich schließlich T.K. in ihre Unterhaltung ein, der mittlerweile wieder begonnen hatte, mit Cody, Ken und Izzy eine Runde Karten zu spielen. Yamato wandte sich überrascht seinem Bruder zu. „Vielen Dank, dass du mir so viel zutraust, Brüderchen“, warf er sarkastisch ein und beäugte den Jüngeren mit hochgezogenen Augenbrauen. Der lachte nur kurz auf. „Nichts für ungut, großer Bruder. Aber Tai ist eben viel offener als du und hat eine ganz andere Art, auf Leute zu zu gehen und Menschen kennenzulernen“, erklärte Takeru seine Einschätzung, „du bist eben mehr der einsame Wolf und lässt keinen an dich ran.“ Yamato bedachte seinen jüngeren Bruder mit einem längeren Blick. Er konnte ihm nicht widersprechen. T.K. hatte Recht. Er und Tai glichen sich in dieser Beziehung keinen Meter und Taichi war sicherlich der kontaktfreudigere, offenere und freundlichere von ihnen beiden. Wenn er es recht bedachte, war es vielleicht ungewöhnlich, dass Tai ihm noch keine besondere Bekanntschaft vorgestellt hatte. „Du hast einfach Glück, dass manche Mädchen voll auf diese ‚einsamer Wolf‘ Nummer stehen. Und dass Sora dich schon vorher kannte“, ergänzte der Blonde ganz beiläufig, als er eine neue Karte aus dem Stapel zog und zwischen denen in seiner Hand einsortierte. Was sollte er darauf groß sagen? Er verstand ja selbst noch nicht so ganz, wieso dieses umwerfende Mädchen ausgerechnet für ihn eine kleine – okay, ganz so klein war sie wohl nicht – Schwäche entwickelt hatte. Andererseits dachte er dann aber auch daran, dass Sora und er sich schon seit Jahren wortlos verstanden und die gleichen Dinge dachten. Sie war diejenige, die mit seiner Art der Zurückhaltung und Reserviertheit gegenüber anderen am besten umgehen konnte. Sie war diejenige, die als einzige immer hinter seine Fassade sah und wusste, was er fühlte und dachte. Sie war diejenige, die ihn manchmal besser verstand, als er sich selbst. Sie war seine beste Freundin, auf eine ganz andere Art und Weise als Tai sein bester Freund war. Der Gedanke an Tai ließ ihn aufblicken. Er hatte vor ein paar Minuten gesehen wie der Brünette aufgestanden war und das Wohnzimmer verlassen hatte, wahrscheinlich um kurz das Badezimmer aufzusuchen. Als Yamato sich umsah und bemerkte, dass sein bester Freund noch nicht wieder zurückgekehrt war, nahm er das zum Anlass, das laufende Gespräch für sich selbst erst einmal zu beenden. Deshalb legte er nur ein schiefes Lächeln auf und zuckte mit den Schultern. „Tja, auch ein blindes Huhn findet mal einen Korn“, gab er seinem Bruder zur Antwort, ließ Soras Hand los und erhob sich von seinem Platz, um nach dem Brünetten zu sehen. Wahrscheinlich war es längst Zeit für eines ihrer ‚Männergespräche‘. „Hier steckst du“, mit diesen Worten macht der Blonde auf sich aufmerksam, als er Taichis Zimmer betrat und seinen Freund im Halbdunkeln auf dem Bett sitzen sah. Er hatte einen kleinen Ball in der Hand, den er scheinbar immer wieder durch die Luft warf. „Mhm“, brummte der Gleichaltrige und nahm Yamatos Anwesenheit zur Kenntnis. „Stimmungskanone“, kommentierte der die Reaktion seines besten Freundes. Er ging durch den Raum, nahm den Schreibtischstuhl und zog ihn in Tais Richtung. Die Rückenlehne zeigte nach vorn, als er sich mit einem Seufzen auf dem Stuhl niederließ und die Arme auf der Lehne abstützte. „Bist du sauer?“, mutmaßte er und warf Tai einen fragenden Blick zu, bevor er fortfuhr. „Sorry, ich wollte dich mit der ganzen Sache nicht so überfallen.“ Taichi zuckte mit den Schultern, möglichst ungerührt. „Passt schon, hab‘ ja irgendwie damit gerechnet“, bemerkte der Brünette knapp. „Echt? Hast du?“, fragte Yamato überrascht nach und legte die Stirn in Falten, „warum?“ Er konnte sich nicht entsinnen, dass er Tai gegenüber bisher irgendetwas angedeutet hatte. Oder war seine Fassade schlechter als er dachte? Er hatte noch auf einen ruhigen Moment gewartet, um das Thema ihm gegenüber anzuschneiden. Sein Freund seufzte und ließ sich mit dem Rücken auf sein Bett sinken. Er verschränkte die Arme hinter seinem Kopf, bevor er antwortete. „Ich hab Sora vor dem Konzert an Weihnachten getroffen. Als sie dir das Geschenk vorbei bringen wollte. Sie hat sich kaum rein getraut. Offensichtlich total verknallt“, erklärte er dem Musiker und betonte die letzte Feststellung mit einem Augenrollen. Er zog seine rechte Hand wieder hinter seinem Kopf hervor und begann erneut, den Ball immer wieder in die Luft zu werfen und aufzufangen. „Mir war klar, war sie will. Ich wusste nur nicht, ob du auch willst.“ Jetzt war es der Blonde, der die Antwort mit einem nachdenklichen „Mhm“ vernahm und den Kopf auf seinen Unterarmen ablegte. Sora hatte ihm nicht erzählt, dass sie Tai vor dem Konzert begegnet war. Es ärgerte ihn ein wenig. Hätte er gewusst, dass Tai bereits Wind von der Sache bekommen hatte, hätte er viel früher mit ihm darüber gesprochen. Am besten direkt am nächsten Tag. Er konnte sich schon vorstellen, dass diese neue Konstellation für seinen besten Freund reichlich seltsam und gewöhnungsbedürftig war. Wahrscheinlich war er auch nicht sonderlich begeistert. Aus diesem Grund hatte Yamato eigentlich auch vorgehabt, mit Taichi über das alles zu sprechen, bevor es überhaupt Spruchreif wurde und sie irgendwas davon ihren anderen Freunden erzählten. „Tut mir echt leid, man“, wiederholte er deshalb nur noch einmal seine Entschuldigung. „Ich wollt’s dir wirklich vorher sagen und dich fragen, was du davon hältst.“ Tai erwiderte darauf nichts. Es vergingen ein, zwei Minuten, in denen beide ihren Gedanken nach hingen. Dann ergriff der Blonde noch einmal das Wort. „Kommst du klar damit?“, er sah seinen Freund aufmerksam an. Tatsächlich war ihm die Antwort auf diese Frage verdammt wichtig. Er wollte nicht, dass seine Freundschaft mit Tai darunter litt, wenn er eine Beziehung mit dessen bester Freundin führte. Der Brünette hielt den Ball fest in seiner Hand und richtete sich wieder auf. Er sah kurz seinen Freund an, bevor er den Blick nachdenklich nach vorn richtete und mit den Achseln zuckte. „Keine Ahnung“, gab er ehrlich zurück. Yamato seufzte leise und erhob sich von Tais Schreibtischstuhl. Nicht die Antwort, die er erhofft, aber zumindest eine, die er erwartete hatte. Wahrscheinlich musste sein bester Freund nach diesem Überfall die neue Situation noch für sich selbst ausloten. „Okay,… wir warten es einfach ab“, resümierte der Musiker deshalb nur und Tai nickte knapp. „Ich lasse dich dann mal wieder in Ruhe grummeln und geh zurück zu den anderen“, verabschiedete sich Yamato schließlich schlicht und wollte gerade die Tür öffnen, als sich sein zurzeit äußerst schweigsamer Freund noch einmal rührte. „Matt sag …“, begann er langsam und hob den Blick in Yamatos Richtung. „Ist das sowas, wie die Sachen, die du mit den anderen Mädchen hattest? Das schien dir nicht besonders viel zu bedeuten.“ Taichi sah ihn prüfend an, aber Matt hielt seinem Blick problemlos stand. „Nein.“ Simpel und wahr. Wie kam Tai nur auf die Idee. Als ob er das tun würde. Mit Sora. Mit seiner besten Freundin. Er runzelte die Stirn. Was dachte sein bester Freund nur von ihm? „Gut. Sonst müsste ich dir wohl jetzt eine rein hauen.“ Tai überredete sich zu einem Grinsen und versuchte offensichtlich, die Stimmung aufzuhellen. Yamato sprang darauf an. „Ich verzichte. Deinen Kinnhaken kenne ich schon“, antwortete er mit einem schiefen Lächeln und verließ Taichis Zimmer. ____________________________________ Als Mimi an diesem Tag aufgrund der gestrigen Ereignisse äußerst spät aufwachte, fühlte sie sich zum ersten Mal seit Tagen wieder richtig ausgeschlafen. Sie freute sich auf den heutigen Tag und vor allem auf den heutigen Abend. Nach wochenlangem Betteln hatten ihre Eltern ihr erlaubt, gemeinsam mit ihren Freundinnen auf die riesige Silvesterparty am Times Square zu gehen und den Balldrop zu sehen. Unter Aufsicht ihrer Eltern natürlich – aber hey! Immerhin bekam sie endlich einmal diese Sensation live mit! Freudig und aufgeregt wollte die frisch gebackene Vierzehnjährige gerade einen Abstecher in die Küche machen, als sie sah, dass ihr Laptop blinkte. Sie hatte gestern offensichtlich vergessen, ihn vor dem Schlafen gehen auszuschalten. Kurzerhand wickelte sie sich in ihre Kuscheldecke und ließ sich im Schneidersitz auf ihrem Schreibtischstuhl nieder, um nachzusehen, von wem die Nachricht kam. „Oh schön! Von Izzy!“, lächelte sie breit, als sie ihre neue E-Mail öffnete. Die junge Japanerin – gut, zurzeit war sie Amerikanerin – freute sich immer total, wenn ihr alter Schulfreund sie über die Geschehnisse in Japan auf dem Laufenden hielt. Eine Aufgabe, die das junge Computergenie hingebungsvoll erfüllte. Es vergingen kaum drei Tage, an denen sie keine E-Mail von ihm bekam. Das mochte sie sehr, denn obwohl sie hier in Amerika ein tolles Leben führte und neue Freunde hatte, vermisste sie ihre alten Freunde in Japan doch immer sehr. Leider schaffte sie es nicht, mit allen im ständigen Kontakt zu bleiben, aber zumindest mit Izzy konnte sie sich oft austauschen und auch mit Sora und Yolei schrieb und telefonierte sie regelmäßig. Neugierig begann sie, Izzys Mail zu lesen. Liebe Mimi, ich hoffe, du hast dich nach der ganzen Aufregung mit den Digimon in unserer Welt und unserer letzten Reise in die Digiwelt wieder ordentlich erholt! Das war wieder ein Abenteuer! Hoffen wir mal, dass so etwas nicht so schnell wieder passiert! Ich habe erst einmal ewig geschlafen und musste dann meinen Computer komplett defragmentieren. Nach diesen ganzen Zwischenfällen hat er total herumgesponnen. Zum Glück konnte ich allerdings alle Daten als Backup im Netzwerk speichern und neu aufspielen. Aber genug davon, ich weiß, du willst das sowieso nicht hören! Mimi lächelte in sich hinein, als sie die letzten paar Zeilen gelesen hatte. Das war typisch Izzy. Wahrscheinlich würde er immer mit seinem Computer verheiratet bleiben. Es sei denn, sie suchte ihm eine ordentliche Frau. Vielleicht sollte sie das bei ihrem nächsten Besuch in Tokio endlich einmal in Angriff nehmen. Heute Abend waren wir alle bei den Yagamis zu Hause. Es war wirklich eine tolle Überraschung! Unsere Eltern haben beschlossen, für uns eine Art Party zu schmeißen. Du weißt schon, wegen der ganzen Sache mit den Digimon. Meine Mum hat mir erzählt, dass die Eltern von Davis und den anderen neuen Digirittern sie, Tais und T.K.s Mutter interessiert und neugierig über die früheren Geschehnisse mit ‚den kleinen Monstern‘ ausgefragt haben. Sie war ein wenig stolz, dass sie ihnen davon berichten durfte. Jedenfalls haben alle Eltern super viel Essen gekocht und ich habe zusammen mit Tai und den anderen Silvester in Tais Wohnung gefeiert. Stimmt. Wieso vergaß sie das nur immer? Automatisch wanderte ihr Blick auf den Funkwecker, der auf ihrem Schreibtisch stand. Er zeigte 12:13 Uhr an. Das bedeutete ja, dass es in Japan bereits wieder früh am Morgen war. Dort hatte das neue Jahr also schon begonnen. Diese 13 Stunden Zeitverschiebung machten sie noch irgendwann ganz kirre. Sie musste unbedingt nachher allen ihren Freunden noch ein frohes neues Jahr wünschen! Kari und Yolei waren ganz besessen davon, mit diesem neuen Singstar-Spiel einen Gesangswettbewerb zu veranstalten. Naja, ich war nicht sonderlich begeistert. Aber die meisten hatten ziemlich viel Spaß. Natürlich hat Yamato gewonnen, wir anderen hatten keine Chance. Es war wirklich schade, dass du nicht dabei warst. Du hättest ihn vielleicht schlagen können! Ach, da fällt mir ein … stell dir vor! Matt und Sora sind jetzt ein Pärchen! Wir haben sie vorhin zufällig dabei erwischt, wie sie auf dem Balkon standen und sich küssten. Es war ihnen echt peinlich, aber sie konnten es dann ja nicht mehr abstreiten! Ich glaube, Tai war ein wenig verärgert. Aber die anderen fanden es alle ziemlich cool. Mimis Kinnlade fiel herunter. Wie bitte, was? Sora und Matt? Mimi konnte kaum glauben, was sie da las. Vor allem konnte sie kaum glauben, dass sie nichts davon wusste. Sofort griff sie nach ihrem Handy und tippte eine SMS an Sora. Du und Matt ein Pärchen? Ernsthaft? Unglaublich, dass du mich schmoren lässt. Erzähl mir alles!!! Sofort!!! Mimi Da hatte sich ihre beste Freundin also ernsthaft den hübschen Musikerjungen geangelt, ohne ihr etwas zu erzählen. Das hatte sie ihr gar nicht zugetraut. Sie musste zugeben, ein bisschen neidisch war sie schon. Es war nicht zu leugnen, dass sie den jungen Ishida auch ziemlich attraktiv fand. Aber mit seiner stillen Art war Mimi noch nie wirklich warm geworden. Sie fand ihn oft ziemlich abweisend, obwohl Sora ihr immer beteuert hatte, dass er eigentlich ein sehr mitfühlender Mensch sei. Das konnte sie sich kaum vorstellen. Aber Sora hatte schon immer einen guten Draht zu dem schweigsamen Einsiedler. Vielleicht brachte sie ihn ja auch etwas zum Auftauen. Mimi freute sich für ihre Freundin, wenn sie damit glücklich war. Mit einem sachten Schmunzeln las sie deshalb Izzys Mail zu Ende. Wir hatten jedenfalls einen echt schönen Abend und einen guten Start ins neue Jahr. Bei dir hat das neue Jahr ja noch gar nicht angefangen. Aber ich hoffe, dass du ebenfalls eine tolle Zeit haben wirst und ohne Sorgen durchstarten kannst! Ich halte dich auf dem Laufenden! Bis Bald Izzy P.S. Ich habe dir ein paar Bilder von gestern angehängt. Und ein Video von Matt bei unserem Wettbewerb. Tai wollte unbedingt, dass ich dir das sende. Er sagt, das MUSST du dir ansehen! Mimi lächelte nachdem sie die E-Mail zu Ende gelesen hatte und das erste Bild öffnete. Es zeigte einen großen Tisch mit einem riesigen Berg Essen. Mimi bekam sofort Hunger, aber mutmaßte, dass Tai und Davis wahrscheinlich nichts übrig gelassen hatten. Die nächsten drei Fotos zeigten ihre Freunde beim Gesangswettbewerb. Joe wirkte etwas verzweifelt, als er an der Reihe war. Izzy dagegen stand hoch konzentriert vor dem Fernseher und las den richtigen Text ab. Typisch für ihn. Auf allen drei Fotos saß Tai skeptisch mit verschränkten Armen in der Ecke und beobachtete das Geschehen. Das letzte Foto war ein Gruppenfoto von ihnen allen zusammen. Ihr sprang sofort Davis ins Auge, der mit einer Tüte Chips in der Hand breit in die Kamera grinste und den Daumen nach oben reckte. Links neben ihm standen Ken und Cody, eher zurückhaltend wie immer, aber glücklich lächelnd. T.K., Joe und Izzy saßen halbrund im Vordergrund, Karten in der Hand. Offensichtlich wurden sie für das Foto beim Spielen unterbrochen. Hinter ihnen entdeckte sie Sora und Matt. Yamato hatte den Arm um Soras Taille gelegt und die Rothaarige lehnte ihren Kopf an die Schulter des Musikers. Beide lächelten. Sora sah glücklich aus. Süß, kam es Mimi sofort in den Sinn. Sie musste zugeben, dass sie ein hübsches Paar waren. Neben ihnen standen Tai, Kari und Yolei. Die beiden Mädchen hatten den Brünetten in ihre Mitte genommen und spannten vor ihm ein Plakat. Sie grinsten munter in die Kamera. Als sie genauer hinsah, erkannte Mimi, dass auf das Plakat in weibliches Gesicht gemalt war, mit langen braunen Haaren. Darunter stand in großen Buchstaben ‚Mimi‘. Sie musste sofort breit grinsen. Natürlich hatten ihre Freunde sie nicht vergessen. Wenigstens auf diese Art hatte sie mit ihnen den Silvesterabend verbracht. Sie freute sich so sehr über diese kleine Geste, dass sie sofort daran dachte, bald wieder nach Japan reisen zu müssen. Vielleicht konnte sie ja ihre Eltern überreden, dass sie in den Frühlingsferien ein paar Tage ihre Oma besuchen durfte. Je früher sie mal wieder nach Japan kam, desto besser! Sie dachte gerade daran, ihre neuen Pläne direkt in die Tat umzusetzen und ihre Eltern mit einem Bettelblick aufzusuchen, als sie sich an das Video erinnerte, das sie doch unbedingt sehen sollte. Erwartungsvoll klickte sie das Video an und drückte auf ‚play‘. Ihre Augen wurden groß, als das Bild erschien und der Ton begann. Sie starrte grinsend auf den Bildschirm. „Oh mein Gott!“, stieß sie nur aus und begann zu lachen. Tai hatte Recht. Das MUSSTE sie sehen! Eine geniale Performance. Sie schüttelte sachte den Kopf und erhob sich. Jetzt wollte sie erst recht ihre Freunde in Japan besuchen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)