Von Sündenböcken und roten Schafen von LockXOn ([Oneshot-Sammlung]) ================================================================================ Deeper Underground ------------------ Red Hood hatte keine Erzfeinde.   Bei den gewöhnlichen Drogenbaronen, selbst wenn sie sich im Pack zusammenrauften, bedarf es normalerweise nur einiger leichter Stupse mit mittlerer Artillerie, um sie sich freiwillig hinter ihm einreihen zu lassen.   Die Sache mit Black Mask war gegessen.   Wenn die Leichen in seinem Keller nicht gerade akut zum Himmel stanken – oder die Outlaws nicht gerade dringend die eine oder andere Million benötigten – ließ er den Pinguin gewähren, solange sich dieser nicht zu nachdrücklich in den Alltag von Crime Alleys Bürgern einzumischen drohte.   Mit Great White Shark kreuzten sich seine Wege nur sehr selten, obwohl er fest damit rechnete, dass sich das schon bald änderte, nun, nachdem er ein Mitglied ihrer illustren Wohngemeinschaft ausgeschaltet hatte. Was er nicht glaubte, war, dass sich diese Konfrontation zu einer glühenden Feindschaft entwickeln würde, denn dazu war er in Warren Whites Augen ein viel zu kleines Licht.   Selbst der Joker war immer eher eine persönliche Vendetta gewesen – der wahnsinnige Clown konnte sich nicht weniger für ihn interessieren, solange er nicht gerade ein willkommenes Mittel zum Zweck darstellte, Batman gegen sich aufzubringen.   Die Al Ghuls? Talia hatte ihn wahrscheinlich vergessen im selben Moment, in dem er seine Aufgabe erledigt hatte, Ra’s Übernahme der Unbenannten zu verhindern. Und Ra’s hatte ihn verdrängt, soviel stand fest, immerhin hatte er ihn gewarnt, ihn beim nächsten Aufeinandertreffen zu töten und er stand trotz zahlreicher Gelegenheiten noch immer fest im Leben.   Nein, Red Hood hatte keine Erzfeinde und ging es nach ihm, sollte das auch immer so bleiben.   Aber wenn, dachte Jason innerlich brodelnd bei sich, wenn jemand tatsächlich so nachdrücklich lebensmüde war, um jeden Preis auf seine Abschussliste zu gelangen, dann war der beste Weg dorthin, einen seiner Brüder gefangen zu nehmen, ihn tagelang hungern und verprügeln zu lassen und ihn dann darauf hinzuweisen, dass das nur der Anfang gewesen sei.   Sie hatten Timothy zeitnah finden und befreien können und Jason hatte dem suizidalen Entführer eine eigene, unmissverständliche Nachricht hinterlassen wollen – aus den abgehackten Fingern der Handlanger zurechtgelegt, die sie im Versteck gestellt hatten und die in maßloser Selbstüberschätzung nicht sofort das Weite gesucht hatten. Batman hatte ihn leider gewaltsam davon abgehalten.   Später hatte Timothy versichert, schon weitaus Schlimmeres durchgestanden zu haben und seine beruhigenden Worte hatten den ersten, alles vernichtenden Zorn reduziert, doch die relative Gesundheit änderte nichts an der Tatsache, dass Jason die Schuld am „relativ“ traf und dass es nicht das Ende bedeutete, solange er seinen Herausforderer nicht hinter Schloss und Riegel gebracht hatte, auch wenn er, wenn Bruce gerade nicht zuhörte, eher für ein gepflegtes „unter die Erde“ plädierte.   Und nun hörte Bruce nicht zu.   Gothams Unterwelt war kein Ort, an dem sich die Fledermaus ungestört bewegen konnte. Es war seine, Red Hoods Welt und Jason wusste, dass er bei diesem Fall auf sich allein gestellt war. Weder die Bats noch die Outlaws wussten, dass er in die Tiefen der verdorbensten Abgründe der Stadt abgetaucht war und selbst Bizarro und seine Predictive Analysis würde ihm für eine Weile nicht auf die Spur kommen – der Klon war schlau, aber unerfahren.   Das war ihm recht, auf diese Weise konnte sich niemand in seine Methoden einmischen und diejenigen, die er gerade auf dem Weg war zu konsultieren, waren mit besagten Methoden mehr als einverstanden. Letzten Endes würde dieser Schmalspur-Ganove lernen, was es hieß, seine Familie zu attackieren – auf die sanfte Tour oder die harte.   Jason hoffte inständig, reichlich Gelegenheit für die Harte zu bekommen.   Mit quietschenden Reifen brachte er sein Motorrad mit einer Vollbremsung direkt vor dem Eingang seines Zielorts zum Stehen, schwang sich vom Sitz und marschierte schnurstracks auf die edel glänzende Drehtür des Nachtclubs zu.   Einer der rechts und links positionierten Wachposten drückte sich augenblicklich von der Wand ab, an der er lässig gelehnt hatte und trat ihm mit imposant geschwellter Brust entgegen: „Hey hey, Moment mal, Freundchen. Erstens: Da kannste nicht einfach stehen bleiben. Und zweitens: Hier kommste nur mit Einladung rein und ich bezweifle, dass du eine hast.“   Jason legte den Kopf schief und verschränkte die Arme: „Okay, Kumpel. Erstens: Es bin nicht ich, der da stehen bleibt, sondern mein Bike. Und zweitens: Du hast recht, ich habe keine Einladung. Aber drittens: Das ist völlig irrelevant, denn ich werde trotzdem reingehen.“   Der Riese schaffte es tatsächlich, sich noch etwas mehr aufzupumpen und ihm einen drohenden Zeigefinger in die Brust zu bohren, doch ehe er auch noch ausfallend werden konnte, klinkte sich sein Kollege energisch ein und fauchte: „Oh, verdammt nochmal, Bert, halt dich zurück!“ Und an Jason gewandt nickte er einen höflichen Gruß: „‘tschuldigung deswegen, er hat erst vor zwei Wochen angefangen, kennt sich mit den Gesichtern hier noch nicht richtig aus.“ „Kein Problem“, Jason zuckte nur gleichgültig mit einer Schulter und musterte seinen Gegenüber, der sichtlich irritiert zwischen ihnen hin und her blickte, „So, du bist Bert, hm? Hab gehört, du hast praktisch am ersten Tag des Jobs einen der Zuhälter am Ende der Straße krankenhausreif geprügelt, weil er seine Mädchen zur Sau gemacht hat.“ Er erntete einen misstrauischen Blick: „... Ja. Haste ‘n Problem damit?!“ Jason grinste und auch, wenn die Männer es nicht sehen konnten, verriet seine Stimme die Anerkennung: „Kein bisschen. Es ist der einzige Grund, warum ich gerade davon absehe, dir das Hüftgelenk auszurenken. Gute Arbeit, weiter so.“   Damit klopfte er Bert mit den Fingerknöcheln ein paarmal auf die muskulöse Brust und wanderte leger an ihnen vorbei. Durch die Tür hörte er die beiden noch einige hitzige Worte miteinander wechseln.   „Kannste mir mal erklären, was das sollte?! Wofür hält der Typ sich?!“   „Für deinen verdammten Arbeitgeber, du selten dämlicher Wichser!“   In der Eingangshalle versuchte man ihm die Jacke abzunehmen, die Lederjacke, zweifellos hervorragendes Material, vielfach verstärkt und modifiziert und an seine ganz speziellen Bedürfnisse angepasst, aber letztendlich doch nur eine simple Lederjacke, wie sie ein rebellierender Jugendlicher trug, kein feiner Herr, dem man sie in einem Club abnehmen musste!   Gerade als er dem Garderobier – heilige Makkaroni, ein waschechter Garderobier – sehr nachdrücklich klarzumachen versuchte, dass er mitnichten vorhatte, irgendetwas abzulegen, herzlichen Dank, nein, auch nicht die Waffen, gerade die Waffen nicht, nein, gar nichts, Himmelherrgott, kam ihnen die Inhaberin des Clubs entgegengelaufen und scheuchte den aufdringlichen Angestellten ungeduldig von ihm weg. Jason atmete diskret auf und begrüßte sie mit den Worten: „Hab nicht gemerkt, dass wir demnächst mit der Iceberg-Lounge konkurrieren können. Wann hast du deine lauschige, verruchte Bar zu einem solchen Edelschuppen aufgerüstet, Finality?“ „Man muss mit der Zeit und den Ansprüchen der Kundschaft gehen“, schmunzelte Sevin, praktisch seine rechte Hand in Sachen Unterweltsgeschäften, strich sich ihr dunkelrotes Haar zurück und wies mit einer einladenden Geste in die Richtung, in der er den Durchgang zum Großen Büro wusste.   „Ich frage mich, wie du den Umbau hast durchführen lassen, ohne Black Mask zum Eingreifen zu nötigen. Kann mir nicht vorstellen, dass er die zusätzliche Konkurrenz wohlwollend geduldet hat.“   „Black Mask hatte nicht die geringste Ahnung, was unter seiner Nase vorging. Wir sind das Hoodwink Cluster. Wir würden unserem Namen kaum Ehre machen, wenn wir uns nicht ein bisschen mit Schwindel und Betrug auskennen würden.“   „Okay, Finality, wegen dieses Titels. Ich denke nicht, dass-“   „Der Titel ist nicht verhandelbar. Wir haben darüber diskutiert und wir haben es satt, als ‚Red Hood Gang‘ bezeichnet zu werden. Wir sind keine pubertierenden Teenager mehr, Boss. Gewöhn dich endlich dran, er ist nicht erst seit gestern im Umlauf!“   „Hm ... Aber ich muss ... Also, wie hast du ... Fuck, ich komm einfach nicht über den Garderoben-Fuzzi hinweg.“   Sie lachte, erheitert über sein verzweifeltes Kopfschütteln, was ihm ebenfalls ein amüsiertes Schnauben entlockte. Wenn sie gewusst hätte, dass sie unter einem Neunzehnjährigen diente, wäre sie wahrscheinlich aus der Haut gefahren. Aber sie hatte wohl recht. Er hatte sich damals, als er die Mitglieder seines Syndikats „rekrutiert“ hatte, keine sonderlichen Gedanken um einen eingehenden Namen gemacht und schon bald hatten die Bewohner Park Rows von selbst damit begonnen, Anhänger Red Hoods als seine Gang zu bezeichnen. Er musste zugeben, dass es sich mehr nach einer Gruppe halbwüchsiger Schläger anhörte, aber es hatte trotzdem den erwünschten Effekt erzielt und so hatte er es nie für nötig erachtet, daran etwas zu ändern.   Bis sich die acht Männer und Frauen unter seiner Geißel dazu entschlossen hatten, sich stattdessen unter sein Kommando zu stellen.   Er machte sich nichts vor, nichts anderes als Selbsterhaltungstrieb hatte zu dieser unerwarteten Union geführt. Sie waren einst die größten Gangsterbosse Gothams gewesen, doch inzwischen hätten sie längst erst Roman Sionis, später Warren White oder Oswald Cobblepot, der seinen Einflussbereich stetig ausdehnte, weichen müssen – wenn es nicht ihn gegeben hätte.   Red Hood war nicht nur prädestiniert dafür, Schwergewichte wie die Blacks & Whites aufzumischen, sein Ruf hielt auch kleinere Aufsteiger davon ab, sich in seinem Gebiet überhaupt erst zu sehr aufzuspielen.   Red Hoods Verbindung zum Bat-Clan sorgte für eine gewisse Sicherheit vor dem Zugriff diverser Vögel und Fledermäuse, in Erweiterung sogar der Polizei, auch wenn die vor allem in Crime Alley kein sonderlich großes Hindernis darstellte.   Und letztendlich bedeutete eine Allianz mit Red Hood selbstverständlich auch Schutz vor Red Hood.   Und das alles nur zum Preis einiger einfacher Regeln, die den Geschäften wesentlich weniger schadeten als ein Bad mit betonierten Füßen im Sprang River. Nun, das, und fünfzig Prozent der Einnahmen. Ihr Vorschlag, nicht seiner. Und wer schaute einem geschenkten Gaul schon ins Maul, vor allem, wenn es sich dabei um Moneten handelte?   Jason traute diesen Leuten nicht weiter, als er sie werfen konnte und diese Einstellung beruhte auf Gegenseitigkeit. Worauf beide Seiten vertrauten, waren Professionalität und geregeltes Einkommen. Außer vielleicht Sevin. Sie hatte er im Laufe der Zeit schätzen gelernt. Nicht dass er ihr das jemals gestanden hätte – für den Fall, dass es sich für sie anders verhielt.   Besagte Dame öffnete ihm die Tür und ließ ihn zuerst ins Büro eintreten, wo es sich bereits alle bekannten Gesichter auf der großräumig gestalteten, u-förmigen Sitzkombination gemütlich gemacht hatten. Bei seinem Anblick saßen sie umgehend ein wenig strammer, standen jedoch nicht auf. Bereits früh in ihrer Beziehung hatten sie feststellen müssen, dass es sich als ungesund erweisen konnte, in Red Hoods Anwesenheit eifrig aufzuspringen, so respektvoll die Absichten auch immer sein mochten. Stattdessen nickten die meisten nur, einige reagierten auch überhaupt nicht, außer dass sie ihm mit den Blicken folgten.   Jason marschierte schnurstracks an ihnen vorbei, ließ sich in Sevins Ledersessel fallen und hievte die Füße auf eine Ecke des riesigen Bürotisches – sie hatte sogar ein Stück freigeräumt, da sie seine Anwandlungen bereits gewohnt war und verhindern wollte, einmal mehr Papiere durcheinandergebracht zu bekommen – während sie selbst Platz am unteren Ende des Sofas nahm, welches auch von Tyler und Conrad okkupiert wurde. Ihnen gegenüber saßen Kinsey und Robert. Frederic, Chilton und Frank hatten jeweils einen der dazwischen angeordneten Sessel besetzt.   Eine kleine, aber feine Runde, mehr auf Qualität als auf Quantität ausgerichtet, denn so tiefschwarz ihr Gewissen auch sein mochte, verstanden diese Leute doch eine ganze Menge von ihrem Handwerk. Ein Monopol war vollkommen überflüssig – solange Red Hood überhaupt Einfluss auf Gothams Drogenhandel hatte, konnte er ihn auch kontrollieren. Diese Leute halfen dabei, Ordnung zu bewahren, wenn auch über höchst illegale Umwege und mit Sicherheit nicht selbstlos.   Genau Jasons Stil. Und von all dem wusste Bruce exakt ... nichts.   „Guten Abend, Ladys und Gentlemen“, grüßte er sardonisch, nachdem sich für seinen Geschmack genug Spannung aufgebaut hatte, „Da mir bewusst ist, eure Zeit zu verplempern, komme ich sofort auf den Punkt. Ihr könnt euch denken, warum ich euch heute hierher beordert habe, oder?“ Tyler zuckte mit den Schultern: „Ich geh mal aus, wegen der Entführung.“ Zwei oder drei von ihnen nickten stumm, von Frederic gegenüber kam nur ein abfälliges Schnauben, während er seelenruhig weiter an einem Apfel herum schnitzte und sich ab und zu ein Stückchen zwischen die Zähne schob. Jason schwenkte dem dicken Drogenbaron einen Zeigefinger zu: „Goldrichtig, Bramford. Diese Pissbirne, die sich seit einigen Wochen in der Stadt einzunisten versucht, geht mir langsam aber sicher auf den Sack. Ich hatte in der Nacht einen Deal mit Red Robin auszuhandeln und jetzt kann man nicht mal behaupten, dass der geplatzt ist, weil er nie zustanden gekommen ist! Ich kann’s nicht leiden, wenn man mir in meine Pläne grätscht.“   Natürlich gedachte er nicht, ihnen auf die Nase zu binden, dass er die Entführung als persönliche Beleidigung auffasste. Und mehr als das wähnte er sie sowieso als Beschädigung seines Eigentums, ein Vergehen, das er nicht ungesühnt wissen wollte.   In der irrigen Ansicht, die Lage durchschaut zu haben, schüttelte Frank missbilligend den Kopf: „Weißt du, Hood, deine Schwäche für Kinder wird dir eines schönen Tages deinen hübschen Kopf kosten, eher früher als später.“ Sofort visierte Jason ihn mit einer Schärfe an, die durch die Ausdruckslosigkeit seines Helms eigentlich nicht übertragen hätte dürfen sollen, und doch verspannte sich nicht nur der Schwätzer, sondern auch alle in unmittelbarer Nähe befindlichen Kollegen.   Die Ironie in der Aussage entging ihm nicht, wenn auch allen anderen. Sie wussten schließlich nicht, dass die Abkömmlinge des Bat-Clans die wahrscheinlich einzigen „Kinder“ auf der Welt waren, die er einst nicht nur hatte tot sehen wollen, sondern für die er sogar bereit gewesen war, den Fährmann zu spielen.   „Und du weißt sehr genau, wie ich Spaßvögel in die Schranken weise, die meine Geduld strapazieren, oder, Carp?“, zischte er drohend, rhythmisch mit den Fingern auf einen Bizeps trommelnd. Franks chronisch angeschwollene, bläuliche Unterlippe schnappte zwei, drei Mal nach Luft, wie es immer geschah, wenn er zurechtgewiesen wurde. Jason traute dem Mann noch weniger über den Weg als jedem anderen von ihnen, und so beendete er den Dialog, ehe er sich überhaupt entfalten konnte, indem er sich abrupt an einen seiner angenehmeren Partner wandte: „Chichi. Der Überfall fand in deinem Revier statt, weißt du was darüber?“   Chilton stellte einen Daumen auf: „Ja, Mann, allerdings fürchte ich, dass es dir nicht sonderlich gefallen wird.“ „Oh~oh“, stieß Frederic despektierlich hervor, „Ich hoffe, du hast Hood am Eingang die Waffen abgenommen, Finality, sonst können wir uns gleich auf ein paar zusätzliche Nasenlöcher gefasst machen.“ Die Frau entgegnete nur mit einem abschätzigen Blick; „Ich vertraue darauf, dass er sein Temperament soweit im Zaum hat, Freund von Feind zu unterscheiden. Im Gegensatz zu dir habe ich deshalb wohl kaum etwas zu befürchten.“ Noch während Frederic das Schälmesser auf sie ausrichtete und mit einem pikierten Stirnrunzeln den Mund öffnete, stampfte Jason einmal kräftig mit Fuß auf die Tischplatte: „Klappe halten, alle beide! ... Chichi.“   Als ob sie die Zeit hatten, sich in sinnlosen Rivalitätszankereien zu verlieren. Außerdem war er neugierig darauf, was ihn nach Chiltons Meinung noch mehr verärgern konnte, als der Angriff auf Timothy selbst.   Der Mann räusperte sich, als er den unbeirrten Blick auf sich fühlte und gestikulierte verlegen mit beiden Händen: „Ja, nun, von der Entführung selbst haben wir nichts mitgekriegt, das musst du mir glauben, Boss ...“   „Tu ich. Weiter.“   „Okay ... Also einem meiner niederen Leute wurde gesteckt, dass es im Hafenviertel ein heftiges Gerangel gegeben hat, das aber nur knapp ʼne Viertelstunde ging, ehe ʼne ganze Horde schwarz gekleideter Typen aus einem der Lagerhäuser gestürmt kam und in Rekordzeit mehrere Kisten geklaut hat.“   Und in einer von ihnen hatte Timothys bemitleidenswerter Hintern gesteckt, bewusstlos geprügelt und handlich verschnürt. Die Täter hatten ihn überrascht, wie er der Familie später gestanden hatte. Und sich an Red Robins Sicherheitsmaßnahmen vorbei zu mogeln, war kein Pappenstiel. Diese Leute waren Profis gewesen, entweder unter dem Kommando des Störenfrieds oder eigens dazu angeheuert, eine Fledermaus zu fangen. Letzteres gefiel Jason besser, waren Söldner doch nicht so spontan einsetzbar wie die eigenen Handlanger, aber selbst wenn, hatte sein obskurer Konkurrent bewiesen, zur Not auf fähige Mitarbeiter zurückgreifen zu können.   Nun hing alles davon ab, ihm nicht noch einmal genug Zeit zum Planen zu geben – solange er nicht sowieso schon einen nächsten Plan in petto hatte.   „Wir haben uns durchgefragt und tatsächlich die Spur zu einem dieser vermummten Gestalten zurückverfolgen können. Mussten ihn uns fast zwei Tage zur Brust nehmen, ehe er überhaupt irgendwelche Töne ausgespuckt hat. Natürlich gingʼs uns zu der Zeit nur um unsere Ware, die wir zurückhaben wollten. Hatten ja keine Ahnung, dass sie was mitgeschleppt haben, das uns gar nicht gehört.“   Verständlich. Ihr Treffen hatte erst nach der Patrouille stattfinden sollen. Timothy hatte einen Waffendeal unterbinden wollen, ohne zu wissen, dass es eine von Jasons geheimen Operationen war – bei der Ware handelte es sich unter anderem um hochmoderne und ebenso explosive Brandgeschosse, die er auf jeden Fall für einen geplanten späteren Einsatz benötigte – und hatte zu spät begriffen, in einen Hinterhalt geraten zu sein. Zum Glück hatte er in letzter Sekunde ein Notsignal senden können, ansonsten wäre die Sache nicht so glimpflich ausgegangen.   Jason hatte nicht vor, ein solches Risiko noch einmal einzugehen.   „Auf jeden Fall hat das der Typ wohl nicht ganz geschnallt. Hat nix rausgerückt über den Verbleib unserer Munition, sondern lieber die ganze Zeit über einen Gefangenen gefaselt, den sie in dem verfallenen Bowlingcenter Ecke Pheasant-Street festhalten würden. ʼtschuldige, das hat uns an dem Punkt noch immer reichlich wenig gejuckt, deshalb haben wir uns nicht weiter drum gekümmert.“   Chilton hatte recht behalten. Jason gefiel es nicht, wie seine Leute die Sache gehandhabt hatten. Allerdings konnte er ihnen auch keinen Vorwurf machen, es war nicht ihr Job, entführten Bürgern zurück in die Freiheit zu verhelfen – dafür war Batman da. Dafür war Nightwing da. Dafür waren Red Robin, Batgirl, Batwoman, Robin, Spoiler und Orphan da. Und dafür war letztendlich auch Red Hood da. Es war sein Job gewesen, er hatte in nicht gut gemacht und Timothy hatte die Zeche zahlen müssen, und so schluckte er den Ärger, der in ihm aufstieg und winkte die Konversation nur ungeduldig weiter.   „Aber irgendwann ist uns dann die Hutschnur geplatzt. Haben uns gedacht, wenn dieser Arsch nicht reden will, vielleicht kriegen wir was aus dem anderen raus. Wir wollten also fleißig Bowlen gehen, aber als wir angekommen waren, hatte die Polente schon die ganze Gegend verseucht. Und unser Zeug natürlich eingesackt, ganz zu schweigen von irgendwelchen potenziellen Zeugen.“   „Also habt ihr den Schwanz eingekniffen und seid ergebnislos zurückgekehrt“, Jason schnalzte missmutig mit der Zunge, obgleich er von allen am besten wusste, dass es seine Schuld gewesen war, dass dieses spezielle Gebäude in Flammen aufgegangen war. Die überhastete Suche nach Timothy hatte ihn vielleicht ein bisschen zu wütend gemacht.   Die Polizei war wie immer Bruces Idee gewesen – bevor er sich um seine gestohlene Lieferung hatte kümmern können. Wäre er sich nicht sicher gewesen, dass Bruce keine Ahnung von seinen heimlichen Aktionen hatte, hätte er es als einen Akt reinster Zurechtweisung empfunden. Sie mussten unbedingt einen Weg finden, sich ihre Ware zurückzuholen, denn wie schon erwähnt – wichtig.   Chilton zog eine Grimasse, als hätte er in eine Zitrone gebissen: „Hey. Keine Ladung, kein Geld, keine Spur. Wir hatten dir nichts vorzuweisen und jede Minute Rumlungerei bedeutete ein höheres Risiko, von den Batsys auf Grundeis gesetzt zu werden. Und du weißt wohl selbst am besten, wie wenig duʼs leiden kannst, einen von uns ins Kittchen wandern zu sehen. Wollten wir nicht drauf ankommen lassen, Mann.“ Jason faltete die Hände und lobte ironisch: „Und dafür bin ich so dankbar! Eine durchwachte Nacht weniger, in der ich mich panisch im Bett umher wälze in der Sorge, dass Gordon euch dazu bringt, zu singen wie ein Vogelschwarm im Frühling.“   „Das würden wir nie tun! Chill mal, Boss, wir sind nicht erst gestern ins Geschäft eingestiegen!“   Das „Wenn hier jemand noch Windeln trägt, bist du das“ sparte sich sein Untergebener, aber nicht nur Jason war vermutlich feinfühlig genug, den stummen Vorwurf mitzuhören.   Doch anstatt sich zu verteidigen, brütete er nur eine Weile mit geschlossenen Augen, die Informationen geduldig sacken lassend. „Und das war alles?“, fragte er zur Sicherheit nach. Chilton kratzte sich mit einem verlegenen Nasenrümpfen im Nacken: „Ja, nun, hier wird die Angelegenheit unangenehm.“ Seine Hand fuhr in eine Brusttasche und förderte ein kleines Stück Papier zutage, das er nur kommentarlos auf den schmalen Tisch zwischen den Sofas schnippte, anstatt es pflichtgetreu seinem Vorgesetzten zu überreichen.   Er musste sich die Mühe nicht machen. Jason erkannte selbst aus der Entfernung das in verschiedenen Blautönen gehaltene Logo der Iceberg-Lounge.   „Die haben wir von unserem Informanten erhalten, der uns den Tipp vom Hafen gegeben hat. Die und noch ein paar andere, die wir von findigen Pennern gesammelt haben, die sich in der Hektik Zeug zusammengerafft haben, ehe die Coppers angerückt waren. Eigentlich nichts besonderes, im Trubel ist durchaus das eine oder andere Paket zu Bruch gegangen, wenn nicht der Typ, den wir erwischt haben, auch so eine im Gepäck gehabt hätte. Allerdings hat er uns absolut gar nichts dazu verraten, egal wie überzeugend wir nachgefragt haben. Keine Ahnung, ob es überhaupt was bedeutet. Vielleicht wollten sie im Anschluss auf einen erfolgreichen Clou einfach nur eine Weile relaxen? Aber wenn sich wirklich rausstellen sollte, dass der Pinguin seine Finger im Spiel hat, könnte das alles echt kompliziert werden.“   Jason brummte nur geistesabwesend: „Wo haben die Karten gelegen?“ Chilton schnaubte ratlos: „Jesses, Boss, du fragst Sachen ... Keine Ahnung. Meine Jungs haben sich allerdings beschwert, dass sie das ganze Gelände abgrasen mussten, um sie zusammenzukriegen. Ob es nun alle sind, kann ich nicht versichern, wir haben zumindest sechs Stück gefunden.“   Mindestens sechs Lounge-Tickets, verloren im Scharmützel einer größeren Gruppe gut geübter, organisierter Kämpfer gegen Red Robin, dessen Abwehrmaßnahmen legendär waren, verteilt über das gesamte Schlachtfeld und so, dass jeder schnüffelnde Obdachlose sie finden konnte. Hätten sie sie nicht aufgesammelt, wäre bald darauf mit hoher Wahrscheinlichkeit die polizeiliche Spurensicherung darauf aufmerksam geworden. Und alles, was in die Hände der Polizei geriet, fand sehr schnell den Weg zur Presse – und damit an die Öffentlichkeit.   Absolut unwahrscheinlich.   Es war absolut unwahrscheinlich, dass die Karten – Indizien und vielleicht sogar spätere Beweismittel – aus Versehen zurückgelassen worden waren. Nicht von Profis, die Timothy in relativ kurzer Zeit überwältigen konnten. Es musste sich um einen manipulierten Tatort handeln. Die Frage war nur, wen der Initiator auf sich aufmerksam machen wollte – die Polizei, den Bat-Clan ... oder den Besitzer der gestohlenen Kisten.   Jason entfaltete die Hände und fragte nur zur Sicherheit an die anderen gewandt: „Hat sonst jemand was gesehen oder gehört?“ Kopfschütteln ging durch die Reihen und er nickte nur: „Na schön, ich werde mich um diesen Scheiß-Bastard kümmern und ihm wärmstens empfehlen, sich einen anderen Turf zu suchen – so weit wie möglich weg von hier. Euch überlasse ich es selbst, wie ihr bis dahin verfahren wollt. Ihr könnt alle Operationen auf ein nötiges Minimum beschränken, was ich euch übrigens sehr nahelegen möchte. Oder ihr macht weiter wie bisher und schaltet zwischendurch so viele von seinen Leuten aus wie möglich. Aber ich bin nicht bereit, Verluste hinzunehmen, schon gar keine unnötigen, verstanden? Sollte ich erfahren – und das werde ich, verlasst euch drauf – dass einer von euch seine Leute auf Himmelfahrtskommandos schickt, nur um das Gesicht zu wahren, kann ich nicht garantieren, das nächste Mal beherzt einzugreifen, wenn euch jemand ans Leder will. Kapisce?“   Diesmal wurde er mit größtenteils Kopfnicken belohnt, nur Frederic rutschte muffelnd in seinem Sessel herum und reagierte mit einem leisen Zungenschnalzen. Jason sprach ihn darauf an und der Mann breitete willkommen die Arme aus, als wenn er regelrecht auf die Aufmerksamkeit gewartet hatte: „Nah, Hood, mit mir ist alles in Ordnung, kein Grund für Misstrauen.“ Seine Stimme quoll von Sarkasmus und Vorwurf praktisch über, sodass Jason unter dem Helm eine irritierte Augenbraue hob. „Ich frag mich nur“, höhnte Frederic weiter, „warum du deine Meinung plötzlich geändert hast. Ich meine, als dieser Pisser ʼne ganze Reihe unserer Leute untergepflügt hat, hast du nicht mal mit der Wimper gezuckt, aber kaum gerät einer der Batsys ins Visier, springst du von deinem verlogenen Arsch auf und fährst endlich mal Geschütze auf. Zahlt dir Batman mehr als wir?“ „Freddie“, zischte Sevin warnend und erntete einen hitzigen Blick ihres Kollegen, der ihr ein deutliches „Halt dein Maul und dich besser raus“ sendete. Bevor ein handfester Streit ausbrechen konnte, winkte Jason lässig ab: „Nein nein, er hat recht. Ich schulde euch wohl wirklich eine Erklärung. Und die ist sogar herzlich einfach.“   Mit grazilem Schwung stand er auf, marschierte schweigend und sich in aller Ruhe die Handschuhe zurecht zupfend an der Couch-Kombination vorbei auf Frederic zu, wohlwissend, welch einschüchternde Wirkung sein Gebaren erzielte.   Dieser Mann allerdings war immer der dominanteste der Gruppe gewesen, selbst damals, als sie noch nicht einmal zusammengearbeitet hatten, und so begegnete er ihm nur mit einem starren, missbilligenden Ausdruck, als er einen stahlkappenbewährten Fuß zwischen seine Oberschenkel rammte und sich ein Stück weit zu ihm hinunter beugte. Was die Drohung nicht bewirkte, brachten jedoch seine Worte zustande, von jeher mindestens so scharf gewesen wie seine Waffen.   „Ich habe schlichtweg nicht damit gerechnet, dass langjährige Veteranen sich von einen Scheiß Anfänger überrollen lassen, ohne ihm auch nur das geringste Maß an Renitenz entgegenzusetzen“, zischte Jason ihm zornig ins Gesicht und bekam zufrieden das pikierte Zucken mit, das dem Mann infolgedessen durch die Glieder fuhr, „Kurz gesagt, Freddie: Ich habe tatsächlich angenommen, ihr wäret dem Problem gewachsen. Verzeih bitte vielmals, dass ich eure Fähigkeiten als Lieutenants ein klein wenig überschätzt habe. Diesen Fehler werde ich nicht noch einmal begehen, ihr könnt also ganz beruhigt sein – ich bin jetzt bei euch, um eure Patschhändchen zu halten.“ Hinter ihm wechselten die anderen verstohlene Blicke miteinander, Sevin hingegen schüttelte achselzuckend den Kopf, als wollte sie sagen: „Was habt ihr erwartet?“   Jason richtete sich wieder auf und sah durchdringend in die Runde, ehe sein Blick auf ihr ruhen blieb: „Okay, nachdem wir das geklärt haben, verabschiede ich mich hiermit. Keine Umstände, ich finde den Weg schon selbst raus. Und nochmal: Fordert es nicht heraus. Dieser neue Spieler hat mehrmals bewiesen, dass mit ihm nicht zu scherzen ist. Also zieht am besten eure Birnen ein und wartet auf Entwarnung.“ Damit ergriff er die auf dem Tisch liegende Karte, steckte sie beim Herumschwenken ein und verließ ohne weiteres Wort das Zimmer.   Nachdem die schweren Schritte auf dem Gang eine Weile verklungen waren, schlug Frederic wutentbrannt auf die Tischplatte, dass die Regale an der Wand erzitterten: „Gottverdammt, wie ich diesen Mistkerl hasse! Irgendwann werde ich-“ Sevin unterbrach ihn abfällig schnaubend: „Du wirst einen Scheißdreck, Freddie, denn wenn einer von uns könnte, hätten wir schon längst. Siehʼs ein, Red Hood ist dir so haushoch überlegen, dass er dir das Genick bricht, ehe du überhaupt seine Anwesenheit bemerkst! Niemand zwingt dich zur Allianz mit ihm, also hör auf, deinen Schwanz herum zu paradieren und steh zu deiner grenzenlosen Feigheit!“ Damit erhob auch sie sich und ging, ihnen allen noch einmal einen warnenden Blick zusendend, ehe sie die Tür hinter sich zuzog.   Frederic schnalzte verschnupft mit der Zunge und wies mit dem Daumen hinter sich: „Sagt mal, Leute, wird Finality euch nicht langsam auch suspekt? Wenn die könnte, würde sie diesem Wichtigtuer in den knochigen Arsch kriechen! ... Obwohl es schwer werden dürfte, noch Platz neben dem verdammten Stock zu finden. Richtig, Bramford?“ Er lachte laut und zwinkerte Tyler verschwörerisch zu.   Doch sein Kollege ließ sich entgegen jeder Annahme nicht auf das Spiel ein: „Dieser stockscheißende Wichtigtuer hat mir meinen knochigen Arsch gerettet, bevor mich Black Masks Spießgesellen bei lebendigem Leib rösten konnten. Und wenn ich mich richtig entsinne, warst du damals der erste, die vor ihm zu Kreuze gekrochen ist. Also nimmʼs mir nicht allzu übel, wenn ich dir deine Ansicht der Dinge allein überlasse.“ Mit einem nervösen Richten seiner Krawatte stand er auf und wandte sich der Tür zu: „Keine Ahnung, wieʼs mit euch steht, aber ich für meinen Teil schnapp mir meine Jungs und geh für ʼne Weile auf Kreuzfahrt – auf unbestimmte Weile. Man sieht sich.“   ---   Jason tat so, als ob er das beunruhigende Zittern der Hände, die die Handfeuerwaffen auf ihn gerichtet hielten, nicht bemerkte und ließ sich widerstandslos durch die Flure der Iceberg-Lounge führen. Natürlich wäre es auch eine Möglichkeit gewesen, unbemerkt einzudringen und so der strengen Bewachung des Clubs zu entgehen, doch dieser Plan hätte den Pinguin mit höchster Wahrscheinlichkeit gegen ihn aufgebracht und die Krux war leider, dass er ihm einen Gefallen aus den Rippen leiern musste – ihn aufzuregen, wäre deshalb der falsche Weg gewesen. Der Richtige bestand darin, in aller Förmlichkeit um eine private Unterredung zu bitten. Mit vorgehaltenen Waffen zwar, aber das eigene Temperament ließ sich halt nur bis zu einem gewissen Grad zügeln.   Vor ihm zogen Oswalds Handlanger eine schwere Doppeltür auf und nickten mit einem Schwung ihrer eigenen Pistolen in den Raum dahinter und er hätte beinahe gelacht ob ihrer sichtlichen Erleichterung, sich endlich von ihm entfernen zu dürfen.   Drinnen erwartete ihn kein richtiges Büro, eher ein Besuchszimmer, das die Blacks & Whites offenbar zum Aushecken allerlei finsterer Machenschaften nutzten, denn zu seiner gelinden Überraschung traf er nicht nur Oswald an, sondern auch Warren White, der ihn aus seinem sehr bequem wirkenden Ledersessel mitten im Raum heraus misstrauisch begutachtete.   Eins musste er diesen Koryphäen der Unterwelt lassen: Sie hatten Nerven aus Stahl, Red Hood zu empfangen, ohne sich mit mindestens dreieinhalb Dutzend schwerbewaffneter Hochleistungssöldner zu umgeben. Im Moment war die Geißel Gothams zwar weniger letal – aber es war unmöglich, dass sich diese beiden dieser Tatsache dermaßen gewiss sein konnten, um sich in völliger Sicherheit zu wiegen. Er konnte ihnen das Hirn wegpusten, ehe sie ihre Nachlässigkeit bedauern konnten.   Kaum merklich schüttelte er den Kopf. Nicht hier, nicht jetzt. Es hieß, Prioritäten zu setzen.   Der Pinguin stützte sich demonstrativ auf seinen zerstörerischen Schirm und schnarrte säuerlich, ohne auch nur Anstalten zu machen, sich höflicherweise vom eigenen Sessel zu erheben: „Hood. Ich kenne dich natürlich nicht anders als als unverschämten Lümmel, aber denkst du wirklich, du kannst es dir erlauben, so kurz nach unserem letzten unschönen Stelldichein frei von allen Sorgen um die eigene Gesundheit hier aufzukreuzen?“ Jason schnaubte verächtlich, zwang sich, nicht den Kopf zu drehen, als sich die Türen hinter ihm schlossen und begann lieber damit, langsam und mit präzise kalkulierter Lässigkeit um die sitzenden Männer herumzuwandern: „Ich denke, ich kann mir noch ganz andere Dinge erlauben, Pingy.“ Und mit einem ironisch höflichen Nicken Richtung Warren: „Great White.“ „Lang nicht mehr aufeinander geschossen, Kleiner“, erwiderte der Mann ebenso unbefangen, während seine restlos angespannten Nackenmuskeln eine andere Sprache sprachen. Jason schenkte ihm ein Grinsen, das seinem entstellten in nichts nachstand: „Jepp, du hast meinen Knarren auch schon gefehlt.“ Oswald fletschte die Zähne und pochte mit dem Schirm warnend auf den Boden: „Schluss mit dem Smalltalk, Hood!“ „Oh, und da dachte ich, wir sollten auf den Bigtalk verzichten – du weißt schon, aus Rücksichtnahme“, Jason legte unschuldig den Kopf schief und wies mit einer Hand provokativ Oswalds zwergenhafte Statur hinauf und hinunter.   Den erhaltenen Blick war das Risiko definitiv wert.   „Komm auf den Punkt, bevor ich das letzte bisschen Geduld verliere und meine Leute dich zur Hintertür rauswerfen. Und vertrau mir, du möchtest nicht wissen, in welche Abwässer die Hintertür führt.“   In einer beschwichtigenden Geste hob Jason beide Hände: „Okay, kein Grund, gleich aggressiv zu werden! ... Noch nicht.“ Als ihn Oswald nur stumm und mit durchdringender Miene anstarrte, fuhr er achselzuckend fort: „Es würde mich wundern, wenn du es noch nicht mitbekommen haben solltest, aber in den letzten Wochen ist ein bedauerlich großer Teil meines Syndikats auf, sagen wir, recht tragische Weise in Rauch aufgegangen.“   „Kein so dolles Gefühl, die eigenen Methoden um die Ohren geschleudert zu bekommen, was?“   Er funkelte Warren missmutig an, doch die Bewegung war so minimal, dass dieser es kaum bemerkt haben durfte, denn er kicherte nur schadenfroh in eine Faust. Oswald hingegen blieb ausdruckslos, was Jason zum Weiterreden animierte, anstatt ausführlicher auf die Unterbrechung einzugehen.   „Und jetzt kommt der Hammer: Vor einigen Tagen hat jemand versucht, Red Robin zu entführen. Kannst du dir das vorstellen? Und weißt du, ich kann nicht anders, als diese Sache ein bisschen persönlich zu nehmen, vor allem, weil man ihn zusammen mit einigen meiner heißesten Waren abgeschleppt hat. Sowas kommt nicht gut an bei mir. Und jetzt rate mal, was meine Leute bei den Entführern gefunden haben. Es ist lustig, wirklich, du wirst dich totlachen! Aber versuch dich zu beherrschen, ich bin nämlich noch nicht fertig mit dir.“   Mit einem so schnellen Handgriff, dass die beiden Zuhörer nicht einmal damit beginnen konnten, einen Angriff zu befürchten, zog er die Eintrittskarte hervor und warf sie zwischen sie auf den kleinen, runden Kaffeetisch.   Oswald begutachtete sie schweigend, dann Jason, und schließlich hob er arrogant eine Augenbraue: „Also was, Hood? Glaubst du, ich hätte was damit zu tun? Hat dich Batman auf mich angesetzt?“ Jason rollte gereizt die Augen: „Meinst du echt, wenn ich das glauben würde, würde ich die Zeit verschwenden, mit dir zu reden? Ich kann dir versichern, ich bin der letzte, den Batman für saubere Verhandlungen einsetzen würde. Nein, das Modus Operandi stimmt mit keinem von euch oder irgendeinem anderen Boss in Gotham überein. Es ist ziemlich offensichtlich, dass ein neuer Spieler auf den Plan getreten ist. Und ich bezweifle, dass ich die einzige Konkurrenz bin, die er dermaßen gnadenlos auszulöschen versucht. Ich glaube, es wollte dich jemand als Sündenbock missbrauchen, Cobblepot. Ich habe in letzter Zeit zufällig ziemlich regelmäßig mit Red Robin verkehrt ... So oft sogar, dass man durchaus meinen könnte, mich mit ihm erpressen zu können. Und eine außerordentlich wichtige meiner Ladungen wird gleich mit ‚entführt‘. Außerdem finden bei der frühzeitigen Rettung die Ermittler dann am Tatort zufällig Karten zu einer deiner exklusiven Shows. Entweder ist der Initiator dieser Scharade ein nervliches Wrack, das auf Nummer sicher gehen wollte, dass seine Nachricht auch ganz bestimmt rüberkommt oder meine Intelligenz steht bei ihm in keinem besonders hohen Kurs.“   „Soll ich dir Beifall spenden? Was hat das noch mit mir zu tun, wenn du schon weißt, dass es nichts mit mir zu tun hat?“   „Verarsch mich nicht, Pinguin. Ich habe nachgeforscht. Ich bin nicht das einzige Ziel dieses Radaumachers. Seit letzter Woche hast du deine Sicherheit verdoppelt, gehst nur noch zu unbestimmten Zeiten aus dem Haus und deine Lieblingslimousine habe ich auch schon seit einigen Tagen nicht mehr bewundern dürfen.“   „...“   „Sie wurde irgendwie aus dem Verkehr gezogen, richtig? Aber ohne deine Zustimmung. Warʼs ’ne Bombe? Es war eine, hab ich recht? Nicht außerhalb, das hätte sich rumgesprochen. Irgendwo, wo du es eigentlich nicht erwartet hättest. In einem deiner Lagerhäuser bei einer Inspektion? Oder sogar in der eigenen Garage?“   Die Schatten auf Oswalds Gesicht verdunkelten sich, als er sich unbewusst ein Stück unter die Krempe des Zylinders zurückzog und Jason wusste, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. „Sieh es ein“, bohrte er nach, „jemand hat es auf uns und wahrscheinlich noch andere Bosse Gothams abgesehen und wenn er gefährlich genug ist, dich im eigenen Schlafzimmer zu erwischen, ist er es vielleicht wert, schnellstmöglich ausgeschaltet zu werden.“   „Was schlägst du also vor?“   „Zuerst mal muss ich rausfinden, wer er ist. Ich muss zugeben, am Anfang stand Sharky hier ganz oben auf meiner Liste-“   Warren entfuhr ein abfälliges „Pah, lächerlich“, zur selben Zeit wie Oswald ein typisches „Waaaaah?!“ ausstieß.   Jason hielt im Vortrag inne, verärgert über die weitere, sinnlose Unterbrechung und fuhr dann eindringlicher fort: „Danke. Genau das habe ich mir auch gedacht, so dicke, wie ihr im Moment miteinander seid ... Übrigens, tut mir wahnsinnig leid wegen des Dritten im Bunde – Habe ich das schon mal angesprochen? – aber ihr wisst ja, wie das ist: Unsereins kann sich nicht alles gefallen lassen, was man sich so tagtäglich gegenseitig an die Kimme wirft und ich hatte irgendwie das ungute Gefühl, Roman würde mich nicht ganz ernst nehmen. So ʼn eklatanter Mangel an Respekt ist doch nun wirklich unentschuldbar, das werdet ihr ja wohl einsehen, nicht wahr?“ Das nicht ganz diskrete Lidmuskelzucken in Oswalds Gesicht bereitete ihm diebische Freude. „Wo ist er?“, wollte der Mann wissen, echtes Interesse nur leidlich mit einem gleichgültigen Ton verdeckend. Jason winkte das Thema so schnell beiseite, wie er es eingeworfen hatte, um sie daran zu erinnern, dass er durchaus in der Lage war, Männer ihres Kalibers auszuschalten: „Wen interessiertʼs? Möglicherweise in einem Reich sehr weit weg von hier, voller rosafarbener Wattewolken und schillernden Einhörnern. Wo war ich?“   „Dabei, sich über unsere übrigens außerordentlich erfolgreiche Partnerschaft auszulassen.“   „Ah, natürlich! Genießt sie, solange sie noch andauert, denn wie ich euch kenne, werdet ihr euch schon sehr bald wieder gegenseitig an die Gurgel gehen.“   „Dein Mitgefühl ist wie immer bemerkenswert.“   „Ja, so bin ich“, seufzte Jason selbstzufrieden und erläuterte achselzuckend, „Auf jeden Fall, mit Great White aus dem Spiel, stehe ich jetzt leider vor ʼnem kleinen Problem: Mir sind die Verdächtigen ausgegangen.“ „Das wundert mich kein bisschen, Hood“, Oswald schüttelte kichernd den Kopf, doch es hörte sich nicht so an, als steckte tatsächlicher Humor dahinter, „du besitzt eine Intelligenz, die nicht mal ein Vater lieben kann.“ Jason musterte ihn durchdringend: „Cobblepot, ich schwöre dir, noch ein Wort aus deinem gehässigen Schnabel und-“   „Was und?!“, unterbrach ihn Oswald barsch und sprang auf wie ein Kastenclown, blitzschnell das Ende des Schirms auf sein Brustbein richtend, was jeder Eingeweihte mit der Gefährlichkeit einer Bazooka gleichsetzte, „Seit wann glaubt der Fischkutter, er könnte dem Eisberg drohen?! Ich habe mich schon unter dem allerletzten Abschaum der Gesellschaft bewegt, als du noch an Mamis Rockzipfel gemümmelt hast, Kind!“ Er spuckte das Wort so verächtlich aus wie andere Leute „Analfissur“, doch Jason hatte sich schon oft wesentlich schlimmer tituliert gefunden und ignorierte es deshalb, baute sich nur mit für ihn nicht ganz üblicher Ernsthaftigkeit vor ihm auf und zischte ihm mit sichtlich zusammengehaltener Contenance ins Gesicht: „Und wenn du dich auch weiterhin bewegen willst, hältst du endlich das Maul und lässt mich zu Ende reden!“   Einige Sekunden lang starrten sie sich brodelnd an, doch dann schnalzte Oswald mit der Zunge und ließ sich zurück in den Sessel sinken. „Danke“, presste Jason hervor, Tonfall zu gereizt, um tatsächlich dankbar rüberzukommen, „Also, ich habe einen Plan, aber zu unser aller großem Leidwesen brauche ich dafür ein bisschen Unterstützung. Deine.“   „Waaaah?!“   „Unser geheimnisvoller neuer Konkurrent hat dir ʼne Einladung zur Party geschickt – mit der Aussicht auf lange, gemütliche Abende ohne Körper. Jetzt liegt es an uns, was daraus zu machen.“   „Lass mich raten, du bist so um mich besorgt, dass du mein Bodyguard werden willst, damit dich meine Wenigkeit direkt zu diesem größenwahnsinnigen Schwachsinnigen führt, sobald er mir die erste Erinnerungsmahnung schickt.“   „... Es kotzt mich unendlich an, dass du es auf den ersten Versuch erraten hast, aber genau das ist der Plan.“   „Wah?! Bist du verrückt?! Wenn irgendjemand meiner Partner erfährt, dass ich Red Hood als Aufpasser engagiert habe, bin ich die Lachnummer der ganzen Stadt!“   „Aber das bist du sowieso schon!“   Jeden anderen mit weniger Mut oder mehr Selbsterhaltungstrieb hätte der Blick, den Jason erhielt, womöglich in die Flucht geschlagen – ihn hingegen veranlasste es zu einem provokant unschuldigen Schieflegen des Kopfs.   Es dauerte einige lange Minuten, in denen niemand ein Wort über die Lippen brachte oder in Warrens Fall über die Zähne, wie Jason belustigt bei sich dachte.   Und dann seufzte Oswald schließlich resigniert und zog den Zylinder tiefer ins Gesicht: „Du hast wahrscheinlich nicht vor, ein ‚Nein‘ zu akzeptieren, oder?“ Gespielt getroffen legte sich Jason eine Hand aufs Herz: „Oh doch, natürlich!“   „Tatsächlich?!“   „Aber sicher! Allerdings ... Wenn ich nicht persönlich für deine Sicherheit sorgen kann, solltest du dich nicht allzu sehr darauf verlassen, dass es andere schaffen. Man weiß schließlich nie, was so alles passieren kann, richtig?“   „... Merk dir meine Worte, Hood: Wenn das alles vorbei ist, wirst du niemals wieder deine Rückendeckung vernachlässigen dürfen.“   „Daran sollʼs nicht scheitern, Cobblepot. Haben wir einen Deal?“   ---   Sobald er diesen verdammten Grenzüberschreiter zur Hölle geschickt hatte, würde er dem Pinguin eine ganz besonders harte Zeit bescheren, das schwor sich Jason, nur um diesen zu kurz geratenen Mistkerl wissen zu lassen, dass man Red Hood nicht in einen verdammten Kellneranzug zwängte.   Wenigstens fiel er in der schwarzweißen Uniform unter den anderen Angestellten nicht auf und für die Verschleierung seiner Identität sorgte die weiße Domino-Maske, aber die Zweckmäßigkeit der Aufmachung trug nichts dazu bei, die heißen Wellen des Ärgers abzukühlen. Natürlich war es nicht so, dass sie ihm nicht traumhaft gut stand oder er mit dem Job überfordert war – Nein, er konnte definitiv ordinäre Handlangerarbeiten verrichten, ohne dass ihm gleich ein Zacken aus der Krone brach – aber für einen Gangsterboss zu buckeln war erniedrigend, zumal sich Oswald in der neugewonnenen Macht des Arbeitgebers suhlte und ihn zu seinem persönlichen Laufburschen auserkoren hatte.   Nun, zumindest Jay, Lark und Raven hatten ihren Spaß. Die Mädchen hatten ihn auffallend bereitwillig unter ihre Fittiche genommen und auch, wenn er in Sachen Flirten nicht den Verstand eines Dick Grayson besaß, wusste er doch, subtile Zeichen zu deuten. Nicht dass sie sonderlich subtil gewesen wären, mit dem ganzen Tuscheln und Kichern und Ins-Gesäß-Kneifen. Seine Rückseite musste inzwischen aussehen wie ... wie ... Nun, wie etwas, das innerhalb kurzer Zeit sehr oft gekniffen worden war. Aber er konnte es ihnen nicht verdenken – seine Rückseite war großartig. „Schöner Körper ist schön“, wie sich Jay ausgedrückt hatte. Standen sie auf derselben Seite, konnten seine Namensvetterin und die beiden anderen Furien richtig charmant sein.   Jetzt musste er nur lange genug durchhalten, im Beisein all der kriminellen Körperschaften nicht durchzudrehen und den Gästen anstatt der bestellten Speisen und Getränke mehrere Kugeln in den Kopf zu servieren.   Zum Glück waren zumindest die größten Schwergewichte derzeit sicher in Arkham und Blackgate verwahrt, ohne sichtliche Gefährdung, das in absehbarer Zeit ändern zu können, und so erkannte er nur kleinere Lichter, die seine Zeigefinger nur bei diversen Beschwerden über die Ungeschicktheit eines gewissen neuen Kellners relativ harmlos zucken ließen.   Aber im Allgemeinen war er zufrieden mit dem Fortschritt. Oswald war leichter zu überreden gewesen, als er befürchtet hatte und die Falle war gestellt – jetzt ging es darum, so einladend wie möglich zu wirken. Er musste allerdings auch damit rechnen, dass ihr erwiesenermaßen gewitzter Konkurrent sehr wohl mitbekommen hatte, dass Red Hood es sich im Nest des Pinguins bequem gemacht hatte mit der Absicht, ihm ein Beinchen zu stellen.   Oder besser gesagt beide.   Mit anschließendem Splitterbruch.   Die Spannung lag eher darin, herauszufinden, ob er dieses Wissen als Abschreckung oder als Herausforderung empfand. Alles hing davon ab, den Unbekannten den nächsten Zug machen zu lassen und um der Einfachheit willen hoffte Jason, dass es ein Zwei-zum-Preis-von-einem-Zug werden würde.   Und hoffentlich musste er nicht allzu lange darauf warten.   So dachte er mit einem überschwänglichen Augenrollen, als Oswalds quäkende Stimme über das Raunen der Menge an seine Ohren drang.   „Reese, bring uns eine Flasche unseres Teuersten! Lark wird wissen, welchen ich meine!“   Mühsam schluckte er ein aufkeimendes Stöhnen herunter, lächelte stattdessen entschuldigend den Gästen zu, deren Bestellung er an einen Kollegen weitergeben musste, um der Aufforderung seines Chefs umgehend Folge zu leisten.   Kurze Zeit später trat er mit einem als Lächeln getarnten Zähnefletschen an den Tisch, den Oswald mit drei ihm als mittelschichtige Geschäftsleute mit dubiosen Interessen bekannten Männern und zwei ihrer jungen Begleiterinnen okkupierte und rückte das Etikett mit dem Unterarm in den Blickpunkt.   Oswald brach den Monolog ab, mit dem er seine Gesprächspartner beglückt hatte und richtete sich sein Monokel: „Ah ja, sehr gut. Das nächste Mal geht das aber ein bisschen fixer, würde ich meinen.“ Jason bedachte ihn mit einem Das-nächste-Mal-bohr-ich-dir-ein-zusätzliches-Nasenloch-würde-ich-meinen-Blick, entkorkte die Flasche mit einer Leichtigkeit, mit der er in seinen besten Zeiten Genicke gebrochen hatte und begann höchst unenthusiastisch damit, den Inhalt auszuschenken. Einer der Gäste hob pikiert eine Augenbraue: „Werden wir gar nicht gefragt, ob wir überhaupt etwas davon trinken wollen?“ „Mister“, erwiderte Jason, ehe Oswald etwas einwerfen konnte, „dieses Zeug könnte in bestimmten Gegenden ein Mehrfamilienhaus finanzieren. Sie wären ein ganz schöner Idiot, diese Gelegenheit nicht wahrzunehmen.“ Der Mann blinzelte irritiert, als konnte er nicht glauben, dass ihm ein einfacher Kellner Paroli bot, während ein Kollege und die Frauen leise in ihre Fäuste kicherten. Die anderen zogen nur leicht die Mundwinkel hoch und hoben die Gläser an ihre Nasen, um den Ratschlag zu beherzigen und sich am Bouquet zu erfreuen.   Mit einem leidenden Seufzen wies Oswald auf Jason: „Bitte, fühlen Sie sich nicht beleidigt, diese große Klappe führt nichts dahinter. Das ist Reese, unser Neuzugang. Bisschen tollpatschig, aber angenehm fürs Auge, möchte ich behaupten.“   Wie es aussah, pflichteten die Frauen – und einer der Männer – dieser Einschätzung bei, bedachte man die kalkulierenden, aber sichtlich wohlwollenden Blicke, mit dem sie seine Gestalt auskundschafteten.   Jason wollte sich so schnell er gekommen war, auch wieder zurückziehen, zumindest soweit wie er ihrer Unterhaltung noch einigermaßen bequem lauschen konnte, doch Oswald sendete ihm ein Zeichen, schräg hinter seinem Stuhl stehenzubleiben. Auf die unsicheren Blicke der anderen versicherte er umgehend: „Bitte, keine Zurückhaltung, Freunde! Lassen Sie uns unsere Diskussion in aller Ruhe weiterführen. Reese mag neu bei uns sein, aber er ist verschwiegen wie ein Grab.“   ‚Oder zumindest weiß er, was gut für ihn ist.‘   Sie alle mussten diesen unausgesprochenen Zusatz verstanden haben, denn sie protestierten nicht und entspannten sich alsbald.   Interessant. Oswald schien tatsächlich um eine gute Zusammenarbeit bemüht zu sein. Offenbar wollte er die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen, sei es, weil das eigene Leben auf dem Spiel stand oder weil er das Beisein eines verhassten Gegners nicht länger dulden wollte. Jason war beides recht.   „Also“, begann der Mann rechts neben ihm mit einem kurzen Räuspern, „was meinen Sie mit ‚Gefahr für uns alle‘, Mr. Cobblepot? Ich kann mich nicht daran erinnern, jemandem mit meinen Operationen auf die Füße getreten zu sein. Wir vertreiben Nischenprodukte, keiner von uns könnte einem der großen Syndikate jemals ernstzunehmende Konkurrenz bieten.“ „Das mag schon sein – nach unserem Verständnis“, nickte Oswald wohlmeinend, „Aber offensichtlich kümmert sich unser Neuer nicht um Details. Und er hat ebenso eindeutig keinen besonders ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb. Er hat nicht nur zwei Aktionen von Great White unterbunden, einen Anschlag auf mich verübt und die Hoodwinks vollständig aufgerieben und mit eingekniffenem Schwanz flüchten – AUTSCH! – lassen, sondern hat sogar einige der Falcones und Maronis unter die Erde gebracht, zwei davon hat er sich nicht mal bemüht, vorher umzubringen und wir wissen wohl alle, dass sich die Familien seit Carmines und Sals unglücklichem Ableben kaum soweit erholt haben, als besonders einflussreich zu gelten. Es ist völlig egal, wie groß oder klein unsere Organisation ist – er scheint in uns allen nur lebendige Zielscheiben zu sehen.“   Seine Gäste wechselten verstohlene und höchst unschlüssige Blicke, bis derjenige auf der linken Seite sprach: „Ist es denn wirklich ein Konkurrent? Könnte es nicht stattdessen ein neuer Gerechtigkeitskämpfer sein? Ich meine, sowas hatten wir doch schonmal mit Red Hood. Vielleicht fühlt sich jetzt, wo er anscheinend nicht mehr wahllos bis ans Äußerste geht, ein anderer Verrückter dazu berufen, die Straßen vom Dreck zu befreien?“ „Red Hood geht nicht mehr ans Äußerte?!“, fuhr ein anderer aufgebracht dazwischen, „Erst vorigen Monat hat er ein Dutzend meiner besten Leute in die Notaufnahme befördert!“   „Und wäre er ans Äußerste gegangen, hättest du sie im Leichenschauhaus wiedergefunden! Ich sag nicht, dass ich dem Braten traue, aber ich hab schon länger keine Klagen von diversen Hinterbliebenen gehört. Seine Aktionen fanden bei einem Teil der Bevölkerung durchaus Anklang und jetzt heißt es plötzlich, er trifft Vereinbarungen mit Batman! Sowas könnte bei einigen spinneten Gerechtigkeitsfanatikern nicht gut ankommen.“   „Wenn eines der Abkommen tatsächlich ‚Du sollst nicht töten‘ ist, sollte ich die Gelegenheit wahrnehmen und einige meiner Handel vorantreiben.“   „Nicht töten heißt bei Typen wie Hood nicht viel. Er kann dich vielmehr dazu bringen, darum zu betteln.“   „Gentlemen, wir sind nicht hier, um über Red Hood zu diskutieren. Wir sollten uns wirklich erstmal auf einen Plagegeist konzentrieren, meinen Sie nicht?“   Sie hielten inne und verstummten, nahmen stattdessen lieber noch einige Schlucke Wein zu sich. Keiner von ihnen wollte es zugeben, doch Oswalds Worte hatten Hand und Fuß und sie hätten blind und taub sein müssen, um die Aktionen des mysteriösen Angreifers nicht zu registrieren. Der Fremde machte tatsächlich keine Unterschiede und wenn sie Pech hatten, konnte einer von ihnen bereits das nächste Opfer sein. „Scheiße“, fluchte der Mann gegenüber Oswald entrüstet und schlug mit der Faust auf die Tischplatte, „ich soll mich feige mit eingekniffenem Schwanz vor einem verdammten Anfänger verstecken?! Das ist entwürdigend! Wenn ich diese Missgeburt in die Finger kriege, werde ich-“   Weiter kam er nicht, da Oswald den Schirm auf ihn richtete und sich sein Kopf im nächsten Moment in Einzelteile zerlegte.   „Nicht mit eingekniffenem Schwanz, du Idiot“, schimpfte der Pinguin zornentbrannt, „deswegen sind wir ja heute hier zusammengekommen!“ Jason musterte mit erhobener Augenbraue die entstandene Sauerei: „Ich glaube nicht, dass er sich noch für eine Erklärung interessiert, Boss.“   Wohlwissend sah er sich um. Achtzig Prozent der Anwesenden waren aufgesprungen oder hatten sich zumindest mahnend erhoben – fast alle hatten, wenn sie sie nicht sogar schon gezückt hatten, die Hände auf diversen Waffen liegen.   Während Oswald einigen in der Nähe befindlichen Rausschmeißern ein Zeichen gab, die völlig aufgelöste und nahe am Panikanfall dümpelnde Begleiterin der Leiche hinaus zu eskortieren, wies Jason deshalb ausdruckslos auf die Überreste: „Hat das M-Wort benutzt.“   Sofort brach Nicken und Raunen aus und vermittelte ihm das allgemeine Verständnis, dass der Tote schlichtweg die Benimmregeln der Lounge nicht gekannt hatte. Und ziemlich weit oben auf der Liste stand: Man nannte, erwähnte und rief nicht einmal jemand anderen in Oswalds Nähe „Missgeburt“, denn das war ein außerordentlich sicherer Weg, sich ins eigene Grab zu befördern. Diese Leute hatten erwiesenermaßen keine Probleme mit Mord und Totschlag, also weshalb sollten sie sich sorgen wegen eines Selbstmords?   Normalerweise hatte sich Oswald, zumindest für die Verhältnisse eines selbstunsicheren Psychopathen, bei Verbündeten erstaunlich gut unter Kontrolle, ließ bei einem derartigen Fettnäpfchen vielleicht den einen oder anderen Freund eine Weile lang foltern, nichts Exzessives. Selbst seine Handlanger führten ein entschieden besseres Leben als jene anderer Oberschurken, wurden recht gut bezahlt und kaum ohne nachweisliche Gründe hingerichtet. Aber diesmal war die buchstäbliche Bombe wohl ein Stückchen zu dicht an den eigenen Schwalbenschwänzen geplatzt und nun lagen seine Nerven reichlich blank.   Es hätte Jason in jedem anderen Fall außerordentlich amüsiert, in diesen jedoch war er ein bisschen zu sehr involviert.   Oswald stöhnte entnervt und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Der eine seiner Gäste hatte nicht mal mit der Wimper gezuckt, schaute dem davon geschleppten Leichnam nur interessiert hinterher, während der andere zumindest den Anstand besaß, nervös am Wein zu nippen. Dessen Freundin hingegen lehnte nur gelangweilt auf einer Hand und kaute auf dem Strohhalm ihres Cocktails. „Wo waren wir?“, fragte Oswald, sich gedankenverloren Schweiß von der Stirn wischend, „Oh, natürlich. Verhandlungen. Über eine Allianz.“ „Ich kann mich nicht erinnern, so weit gekommen zu sein, Mr. Cobblepot“, warf der eine ein und Jason bewunderte den Mut, der in dem leicht störrischen Gesicht aufflammte. „Oh bitte“, sein Kollege kicherte belustigt ins Glas, „Denkst du wirklich, wir hätten eine Wahl?“   Kluger Mann. Konnte es weit bringen. Red Hood würde ihn gut im Auge behalten müssen.   Oswald nickte zufrieden und stützte seine knorrigen Finger auf den Schirmgriff. Alle meinten, das leise Klicken vom Entsichern einer Waffe zu vernehmen. „Gerade Sie sollten ein großes Interesse an mächtigen Verbündeten haben“, adressierte er Letzteren, „Ich habe gehört, dass Sie vor nicht langer Zeit eine einschlägige Drohung von unserem lästigen Freund erhalten haben, die sich noch nicht bewahrheitet hat. Ich denke, Sie könnten davon profitieren, uns einzuweihen.“   In erster Linie deshalb, weil ein Detektiv mithörte, nicht dass ihnen das bewusst war. Endlich führte Oswalds Verlangen nach Jasons Beisein zu etwas.   Erst sah es nicht so aus, als wollte der Mann seine Leiden mit der Gruppe teilen, doch vermutlich angespornt durch das Blut, welches die Angestellten in Windeseile, aber nicht schnell genug vom Boden wischten, begann er schließlich resigniert: „Anfang letzter Woche hat man mir ein Paket mit eindeutigen Fotos und ... Teilen meiner Verlobten zukommen lassen – und einer versteckten Giftfalle, der ich nur entkommen bin, weil einer meiner Leute das verfickte Ding geöffnet hat!“   ‚Deine Verlobte? Was ist dann das an deiner Seite?‘   „Der arme Teufel hat sich zwei Tage lang in Todesqualen gewunden, bis er endlich abgekratzt ist! Ich hatte verdammtes Glück, dass dieses Zeug mich nicht erwischt hat!“   ‚Ja, was für ein Glück.‘   „Keine Ahnung, warum überhaupt noch ’ne Nachricht drin gelegen hat. Wenn der Angriff erfolgreich gewesen wäre, hätte ich sie ja nicht mehr lesen können.“   ‚Der Täter wusste von Anfang an, dass es fehlschlagen würde. Keiner von uns wäre so dumm, ein suspektes Päckchen eigenhändig zu öffnen. Hier wollte jemand Panik verbreiten. Und offenbar ist ihm das vorbildhaft gelungen.‘   Es war wie beim Pinguin. Auch er war dem Anschlag nur knapp mit scheinbar unglaublichem Dussel entkommen. Aber Jason hatte sich die Vorkommnisse genau erklären lassen und den Tatort gründlich untersucht. Unter der Voraussetzung, dass man sich nicht gänzlich verhielt wie ein hirnloser Vollidiot, hätte die Bombe Oswald niemals erwischt. Auch sie war nur aus einem Grund gelegt worden – um der Zielperson zu zeigen, dass sie sich nirgends in Sicherheit wiegen durfte. Und Jason vermutete, dass, so wie die Anschläge den Gangsterbossen, Timothys Entführung ihm dieselbe Botschaft hatte vermitteln sollen. Er war heilfroh, dass sein Bruder nicht geendet hatte wie die Verlobte seines Gegenübers. Oder zumindest hoffte er, dass sie ihr Ende gefunden hatte und nicht irgendwo verstümmelt in einem verlassenen Lagerhaus auf Rettung wartete. Denn bei diesem Bastard würde sie das wohl lange tun können.   Er achtete genau darauf, wie Oswald den Mann zur Kooperation überredete, um ihn hinterrücks als Lockvogel für ihren Gegner zu missbrauchen. Die Regeln, die dabei aufgestellt wurden, enthielten auch ein absolutes Hausverbot – bis auf sehr spezielle Termine, an denen die Lounge mit ganz besonderen Sicherheitsvorkehrungen geschützt werden würde.   ---   Zwei Wochen später musste sich Jason der Frage stellen, ob er nicht selbst in eine Falle gegangen war.   Das erste wirklich einflussreiche Opfer des Neuen war nicht ihr Lockvogel, sondern ein kleineres Licht aus den Hinterhöfen Crime Alleys, vielleicht nicht die erste, aber doch eine der besten Adressen für illegale Boxkämpfe und nervenaufreibende Wetten. Um ihn tat es Jason sogar ein wenig leid, die Kämpfer kamen ausnahmslos freiwillig zu ihm, mehr oder weniger, blendete man die chronische Geldnot der meisten Bewohner seines Heimatviertels aus. Aber es wurden gute Gagen verteilt, Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt und die wenigen zu beklagenden Toten waren bemitleidenswerte Unfälle gewesen. Wenn nicht aufgrund eines Lizenzentzugs wegen Drogenabhängigkeit, hätte dieser Mann mit einem eigenen Studio redlich erfolgreich sein können. Warum erwischte es die wenigstens halbwegs Anständigen immer so früh und jegliche Schleimbeutel, wenn überhaupt, zuletzt?   Jason seufzte und dachte darüber nach, dass er, wenn er nicht seinem Job in der Lounge nachgegangen wäre, zum Tatzeitpunkt seine Runden gedreht hätte. Vielleicht hätte er den Überfall sogar bemerkt. Vielleicht hätte er sogar eingegriffen.   Hatte ihr Gegner diese Eventualität einberechnet? Hatte er hier anstatt in der Lounge zugeschlagen, weil er hier mit weniger Widerstand hatte rechnen können? Und war das Ganze ein Psychospiel oder reiner Zufall?   Es piepste in seiner Tasche und mit einem leidenden Seufzen zog er das Smartphone heraus. Stephanies grinsendes Konterfei lachte ihm entgegen und er brach den Anruf ab, ohne ihn angenommen zu haben, so wie er es schon mit allen anderen zuvor gemacht hatte. Unzählige verpasste Anrufe, Voicemails und Textnachrichten tummelten sich inzwischen im Speicher, ein Großteil davon von seinen ach so besorgten Familienmitgliedern, die sich nicht allzu wohl in ihrer Haut fühlten, wenn sie nicht genau wussten, wo sie ihn lokalisieren konnten.   Das ewige Gepiepe nervte ihn, und so schaltete er das Smartphone kurzerhand stumm und wählte „Allen antworten“. Zuerst tippte er ein von Herzen stammendes „Fuck off“ ein, gepaart mit seinen über Kreuz gehaltenen Mittelfingern als Anhang hätte dies wohl die Botschaft am eindeutigsten übermittelt. Doch dann dachte er daran, dass auch Anrufe von Leuten darunter sein konnten, denen er nicht vor den Kopf stoßen wollte, wie Alfred oder Bizarro, und entschied sich für ein nicht ganz so aussagekräftiges, aber dafür höflicheres „Bug off“ – denn Gott im Himmel, vor allem Artemis konnte ihm für weniger den Arsch aufreißen.   In der Ferne ertönten Polizeisirenen und er gab den zwei Schergen des Pinguins, die ihn angeblich zur Unterstützung begleitet hatten, obwohl sie alle wussten, dass es tatsächlich reiner Überwachung diente, das Zeichen zum Rückzug. Während sie zurück zum Wagen eilten, sah er ein letztes Mal in die Runde der zerstörten Umgebung und sein Blick blieb schließlich auf dem Opfer ruhen. In die Brust des Toten war ein blutiges „Für SS“ eingeritzt, ein scheinbar so dermaßen plumper, geistloser Akt, dass er zuerst beinahe auf einen anderen Täter, auf einen gewöhnlichen Bandenmord ohne kompliziertere Motive dahinter hatte schließen wollen. Gerade diese Initialen deuteten auch stark auf eine Aktion des rechtsradikalen Milieus hin – wahnsinnige Diktatoren übten weltweit auf gewisse Individuen starke Faszination aus – aber die Buchstaben hatten nicht die für das Emblem der nationalsozialistischen Schutzstaffel übliche zackige Form, obwohl gerade das es einfacher gemacht hätte, auf schwammigem Untergrund zu schreiben. Stattdessen waren die Buchstaben fein geschwungen, fast ins Fleisch zelebriert worden und das war alles, was ihm flüsterte, dass es sich bei diesem Mord nicht um etwas Simples wie Rivalitätskämpfe handelte. Dieser Täter hatte ein Zeichen setzen wollen. Ganz so wie es ihr Neuer zu tun bewiesen hatte.   Die Worte verrieten Groll. Ein Mord für jemanden.   Rache.   Rache für SS, dachte Jason auf dem Weg zurück zur Lounge bei sich, für eine Gruppe? Eine Organisation? Ein vergangenes, möglicherweise tragisches Geschehen? Oder eine Einzelperson?   Wofür standen die Initialen SS?   ---   ‚Er schließt dich nicht aus, weißt du? Schließt die Möglichkeit nicht aus, dass du nur einmal mehr auf den Straßen bist, um ordentlich durchzufegen, auf deine Art.‘   Oh, und wie er es wusste. Um darauf zu kommen, brauchte er nicht erst die warnende SMS eines überschlauen kleinen Bruders. Oder vielmehr hatte er sogar fest damit gerechnet, früher oder später auf Bruces Liste der üblichen Verdächtigen zu landen.   „Red Hood hat nie willkürlich getötet und vor allem nicht ohne genaue vorherige Ermittlungen! Drogenbarone, ja, korrupte Politiker und Geschäftsleute, Leute, die vom Gesetz nicht berührt werden, das genau wissen und deshalb darauf pfeifen! Maximal Handlanger, die bei Sichtkontakt das Feuer eröffnen, manchmal noch nicht mal bis zum Sichtkontakt warten und Unschuldige in Gefahr bringen ... Aber seit er dir das Versprechen gegeben hat, hält er sich an die Regeln!“   Vielleicht würde er Timothy einen kleinen Dank zukommen lassen, wenn das alles vorbei war. Er verteidigte ihn noch immer am vehementesten gegen die noch nicht sonderlich eindringlichen, aber doch latent präsenten Vorwürfe, die er aus den heimlich abgehörten Gesprächen der anderen heraushörte. Lag womöglich daran, dass es Timothy gewesen war, der stets den größten Einsatz für eine Annäherung gezeigt hatte. Offenbar kannte er ihn inzwischen gut genug oder zumindest besser als der Rest, um von seiner Unschuld überzeugt zu sein.   „Ich weiß. Aber er ist instabil. Leidet an zu vielen Traumen, um ihm eine felsenfeste Psyche bescheinigen zu können. Zu viele Auslöser. Wenn er meint, die Situation nicht anders in den Griff bekommen zu können ...“   So schwer er ihm auch fiel, es einzugestehen, Bruce hatte nicht unrecht.   Das Gute an aufklarendem Verstand war ... Nun, das Aufklaren. Das Schlechte? Zurückzublicken und feststellen zu müssen, dass man im Eifer des als gerechtfertigt erachteten Gefechts selbst die unentschuldbarsten Fehler begangen hatte.   Ruhig bleiben. Das Wichtigste im Moment war, die Enttäuschung nicht Überhand nehmen zu lassen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und das Wesentliche war, dass er sich an Bruces Stelle selbst ebenfalls verdächtigt hätte. Wenn er nicht er gewesen wäre, sondern nur irgendein unbekannter, verdächtiger Faktor.   „Nach seiner Wiederbelebung hatte er sich nicht mal selbst im Griff, Batman! Er lebte in andauernder Wut, Verwirrung ... Angst! Er war wahnsinnig, die Grube hat ihn ausflippen lassen, kein Wunder, dass er kaum Unterschiede gemacht hat! Aber später tötete er in den meisten Fällen aus Notwehr und nicht mal Gothams Gesetz hat dagegen was Entscheidendes einzuwenden! Es liegt nicht in unserer Verantwortung, ihn dafür zu verurteilen, eine etwas zu nachhaltige Selbstjustiz zu verüben!“   „Er ist mein Sohn! Natürlich liegt es in meiner Verantwortung! Willst du ihn unkontrolliert Chaos verbreiten lassen?!“   „Ich habe nie gesagt, dass wir ihn nicht davon abhalten müssen! Nur dass wir unsererseits nicht die Heiligkeit mit Löffeln gefressen haben! Deshalb sollten wir nicht einfach voreilige Schlüsse ziehen und Red Hood die Schuld zuschreiben, nur weil ein paar Verbrecher draufgegangen sind!“   Es war nicht so, dass sie sich bereits auf ihn versteift hatten. Doch Timothy witterte offensichtlich genug Gefahr, dass es früher oder später darauf hinauslaufen konnte, vor allem, weil Damian großes Interesse daran aufwies, gegen Jason vorzugehen und seinem Vater dies bei jeder sich auftuenden Gelegenheit unter die Nase zu reiben. Ob er es aus Antipathie, purer Gehässigkeit oder festem Glauben an seine Schuld tat, wusste Jason nicht, aber er durfte den Einfluss des Wayne-Erben auf die Ermittlungen nicht unterschätzen.   „Ich verabscheue es! Ich verabscheue es genauso wie du, dass er tötet! Und ich kann seine Methoden genauso wenig gutheißen, Batman! Aber das hier, das ist weder seine Handschrift, noch hat es irgendwas mit seinen Idealen zu tun. Was hat es mit den Botschaften auf sich? Du begreifst so gut wie wir alle, dass alles auf Racheverbrechen hinweist. Red Hood hat nur in wenigen Fällen aus Rachegelüsten gehandelt und ich gebe zu, dass er es mit unglaublich kindischem Gehabe unterstrichen hat-“   JASON WAR HIER!   Oh großer Gott, wo war ein Stein, wenn man sich denn unter einem verkriechen wollte?   „- aber das war in Zeiten seiner stetig wachsenden Psychose! Meine Güte, es gab eine Phase, in der er sich eingeredet hat, er wäre rothaarig und du hättest ihn dazu gezwungen, sich die Haare zu färben, um Nightwing ähnlicher zu sehen! Er litt unter vollkommenem Realitätsverlust!“   Stein.   Stein! Sofort!   „Das hier ist für das Erkenntnisvermögen, das wir inzwischen von ihm gewohnt sind, eindeutig zu viel des Guten! Selbst wenn wir seine letzten Opfer mit einkalkulieren, hat er sie erschossen, aber ihre Leichen danach nicht angerührt. Er würde keine Leichen verstümmeln, über diesen Grad der Gewaltbereitschaft ist er hinweg. Er zeigt noch immer reichlich cholerische Tendenzen, ja, aber das hier ... das hier ist schierer Hass. Nein, glaub mir, wenn Red Hood die Finger im Spiel hat, dann auf dieselbe Weise wie wir. Als Jäger.“   Manchmal fragte er sich, ob das noch stimmte. Ob er sich tatsächlich im Rücken des Mörders befand ...   Oder ob dieser schon lange in seinem Schatten lauerte.   ---   Sieben.   Sieben Opfer, leidlich einflussreiche Anführer kleiner bis mittlerer krimineller Organisationen, ausradiert mitsamt ihrer engeren Kommandostäbe.   Und jetzt das.   „Hast du’s?“   „Noch nicht.“   Ein weiterer Angriff auf den Pinguin, unter seinem eigenen Dach, entgegen jeden Heimvorteils. Und wahrscheinlich nur deshalb, weil sich ihr oberschlauer Lockvogel nicht an die verdammten Regeln gehalten hatte.   War an diesem Abend in Panik zum Vordereingang hereingestürzt, aufgelöst, hatte vollkommen ungehalten um Audienz verlangt und sie zu seinem Glück bekommen, ohne vorher das Leben zu verlieren. Eine Nachricht hatte ihn erreicht, eine weitere Drohung, die so persönlich, so voller Hintergrundwissen gespickt gewesen war, dass er gemeint hatte, die Meuchelmörder bereits in seinen Nacken hauchen gespürt zu haben. Kein Wunder also, dass er blindlings zu einem mächtigen Verbündeten geflohen war, der ausreichend Schutz zu bieten versprach.   Leider nicht Schutz genug, denn diesmal gab es keinen Zweifel – wäre Jason nicht in der Nähe gewesen, hätte er nicht die Zeichen erkannt, hätte er nicht die Gesten und die Mimik und den Schweiß im Gesicht eines ihrer Stammgäste korrekt gedeutet und sich stattdessen um seinen eigenen Kram gekümmert, wäre die Iceberg-Lounge mitsamt ihrer illustren Klientel mit einem Knopfdruck vom Angesicht Gothams gewischt worden.   „Hast du’s jetzt?“   „Noch nicht.“   Der unglückliche Täter in spe war kurz nach dem aufgelösten Geschäftsmann eingetreten, unauffällig, hatte mehrere hochprozentige Drinks hintereinander bestellt und sie auf Ex runtergekippt, ehe auch er in aller Bescheidenheit um eine Audienz beim Geschäftsführer gebeten hatte, mit einem nachvollziehbaren Anliegen sogar. Eigentlich hätte niemand Verdacht wittern brauchen, ein klein wenig Nervosität vor einem Gespräch mit dem Pinguin war grundsätzlich angebracht.   Aber er hatte Niagarafälle geschwitzt und Jasons Psychologie-Training hatte jeden nur erdenklichen Alarm geschlagen.   In Rinnsalen, Bächen, Strömen schließlich war er dem zitternden Mann übers Gesicht gelaufen und Jason hatte auf sein Bauchgefühl gehört und nachgesehen.   Er hatte die Leichen zweier Sicherheitsleute gefunden, die unerlaubte Waffen vorübergehend in Gewahrsam nahmen – nichts Grundlegendes, was wäre ein böser Bube ohne seine Knarre, nur Übertriebenes, wie Flammenwerfer oder Breitschwerter oder Bomben.   „Hast du’s jetzt endlich?!“   „Noch nicht.“   Ein dritter Mann, der gerade noch solange gelebt hatte, ihm mit einer halbwegs brauchbaren Beschreibung den dunklen Verdacht zu bestätigen, hatte ihn zurück in die Lounge geführt, mit gerade noch so viel Schonfrist, um blindlings über Gäste und Mobiliar zu hechten, mit einem beherzten Ruck das Handgelenk des Attentäters zu brechen und ihn so dazu zu bringen, den Auslöser für die Sprengstoffweste fallen zu lassen.   „Bitte lasst es mich tun! Ich muss es tun! Er hat meine Familie!“   „Du hältst das Maul, wenn du nicht willst, dass ich dir einen Lüftungsschacht durch den Hinterkopf baue! Reese, wenn du’s jetzt nicht bald hast, nehm ich diesen Kerl und schmeiß ihn über die Reling, verdammt nochmal! Ich verstehe nicht, warum wir das nicht von Anfang an gemacht haben!“   „Weil wir ihn als Zeugen brauchen, Mr. Cobblepot, Sir, ganz wie es Ihnen Ihr überlegenes Hirn sicher bereits eindringlich zugeflüstert hat.“   „Oh, es ist nicht so, dass ich das nicht begreife! Aber warum hier?! Warum in meinem verdammten Speisesaal?! Du könntest sie ganz bequem bei den Docks entschärfen!“   „Aber hier ist es doch viel spannender, Mr. Cobblepot, Sir! Und jetzt stören Sie mich nicht weiter, ansonsten könnte es sein, dass Sie in zwanzig Sekunden in einen neuen Speisesaal investieren müssen, Mr. Cobblepot, Sir.“   Zum Glück ließ diese Drohung Oswald verstummen, was Jason seinen äußert wichtigen Job, aus dem Stehgreif eine höchst komplexe Bombe zu entschärfen, wesentlich einfacher machte.   Vier Sekunden vor Ultimo lehnte er sich auf den Knien zurück und gestattete sich ein beherztes Aufatmen. Um ihn herum entspannten sich auch alle anderen Anwesenden, Oswald sowie einige seiner Handlanger, die das Pech hatten, nicht wie alle Gäste und der Großteil des Personals zur Sicherheit in die Freiheit entlassen worden zu sein.   Nur der verhinderte Attentäter heulte wie ein Schlosshund, wohl zur Hälfte aus schierer Erleichterung, zur anderen in furchtsamer Erwartung des durch sein Versagen in Bewegung gesetzten Grauens. Sie mussten sogar sanfte Gewalt einsetzen, um ihn von der trotzdem noch genügend gefährlichen Weste zu befreien. Jason war bedingt beeindruckt von der Ritterlichkeit, die die abgrundtiefe Feigheit immer wieder durchbrach. Der arme Teufel schien seine Familie wirklich aufrichtig zu lieben und für einen Nicht-Helden war die Opferbereitschaft, die sich gegen den Selbsterhaltungstrieb aufbäumte, bemerkenswert.   Wahrscheinlich veranlasste dieser Eindruck – das und auch die unangenehme Erinnerung an die Entführung des eigenen Bruders – Jason dazu, ein wenig schonender vorzugehen als gewohnt und ihm eine feste Hand auf die Schulter zu legen: „Beruhig dich, Kumpel. Ich sag dir was: Du erzählst uns alles, was du von dem Arschloch weißt, das dir diese Scheiße aufgehalst hat und wir bringen dir deine Lieben zurück. Wie klingt das?“ „Nein“, schrie der Mann jedoch verzweifelt aus und versuchte sich mit erneuerter Energie aus den Griffen der Leibwächter zu winden, „Nein, er wird es erfahren! Er wird es wissen, noch bevor ich Ihnen das wenige verraten kann, was ich weiß, Mr. Cobblepot! Er wird sie töten! Er wird sie töten, wenn ich nichts tue!“   „Und was soll ich tun, du Hornochse?!“, fuhr Oswald ihn zornentbrannt an, „Mich für eine Handvoll Rangen in die Luft sprengen lassen?! Auf die Knie, Kerl, und fang an zu reden, wenn du hier selbst lebend rauskommen willst, kapiert?! Ich hab schon mehr Leute für weniger ausgeschlachtet!“   Jason streckte einen Arm aus und hinderte ihn so am Nähertreten, der Attentäter war vor lauter Panik um seine Familie sowieso schon außer sich genug. Geistesabwesend blendete er Oswalds schnarrende Proteste aus, in aller Eile über die Umstände brütend.   Sie hatten nur wenig Zeit. Sollte die Bombe nicht bald aktiviert werden, würde der Initiator das Scheitern des Plans begreifen und die Geiseln wahrscheinlich umgehend töten. Aber aus ihrem unwilligen Zeugen halbwegs relevante Informationen zu extrahieren, würde unter diesen Umständen einige Zeit in Anspruch nehmen. Zeit, die sie nicht hatten, wenn nicht schon sehr bald irgendetwas in die Luft flog.   Sein sehr nachdenklicher Blick verankerte sich mit Oswalds bitterem und dieser benötigte nicht lange, das hauchfeine Schmunzeln zu deuten, welches sich auf seinem Gesicht manifestierte. Das Gesicht des Pinguins hingegen verzog sich zu einer angsteinflößenden Fratze: „Das kannst du vergessen, Junge, kapiert? Wenn du glaubst, ich würde mich abmurksen lassen für irgendwelche rotznäsigen Blagen, musst du realitätsferner sein als ich dachte.“ „Aber nicht doch, Mr. Cobblepot, Sir, das würde ich Ihnen niemals zutrauen“, versicherte Jason belustigt, „Was ich glaube, ist, dass Sie ein großes Interesse an der Auflösung dieses Falls haben und deswegen eine relativ hohe Einsatzbereitschaft zeigen sollten, um dazu beizutragen! Die entscheidende Frage ist jetzt nur, wie viel Sie einzusetzen bereit sind.“   Die Explosion, die die Nacht Gothams erfüllte, hätte einen kompletten Häuserblock fällen können, wäre die Iceberg-Lounge nicht glücklicherweise entfernt von dichterer Bebauung auf dem Gotham River stationiert gewesen. Die ausgebrochenen Feuer loderten noch bis tief in die Nacht hinein, die Berichterstattung sollte für über eine Woche die Nachrichten beherrschen. Offensichtlich war der Tod eines von Gothams größten Antagonisten inzwischen eine absolut aufregende Angelegenheit – immerhin geschah es durch Batmans Schutz nicht mehr so oft.   ---   „Du schuldest mir was, mein Lieber, du schuldest mir sowas von!“   „Aber Mr. Cobblepot, Sir, Sie haben heute sechs Unschuldigen ... Naja, fünf Unschuldigen und einem nicht ganz Unschuldigen die kümmerlichen Leben gerettet! Ist das nicht herzerwärmend, jeden Preis der Welt wert?! Fühlen Sie nicht die Rechtmäßigkeit durch Ihre Adern pulsieren?!“   „Verarsch mich und du gehst mit weitaus weniger Organen nach Hause als gesund für dich ist, ‚Reese‘! Du hast meine Lounge gesprengt! Meinen Club! Mein Leben! Du hast nicht den Hauch einer Ahnung, was für ein Vermögen gerade im Fluss ersäuft! Wie willst du das wieder gutmachen, wäääääh?!“   „Ich muss überhaupt nichts wiedergutmachen. Eine, zwei oder drei Lounges – das macht keinen Unterschied für Sie, ‚Mr. Cobblepot, Sir‘. Tun Sie nicht so, als hätte Ihnen dieser kleine Knall ein Loch in die Tasche gebrannt. Wenn Sie wollten, würde schon nächste Woche ein nagelneuer Club eröffnen. Also bitte, hören Sie auf zu jammern und fangen Sie an zu planen.“   Jason wandte sich mit einem sehr, sehr falschen Lächeln zu ihrem Bombenkurier um, der in morbider Faszination dabei zuschaute, wie ein Kellner Oswald Chesterfiel Cobblepot, dem Geschäftsführer, dem Boss, dem verdammten Pinguin eine Standpauke hielt. Eifrig ließ er die Fingerknöchel knacken: „Und wir werden uns in der Zwischenzeit gemütlich zusammensetzen und uns ausführlich über alles unterhalten, was du gesehen, gehört oder auch nur gedacht hast, Kumpel. Einverstanden?“ Am hervortretenden Angstschweiß erkannte er zufrieden, dass der Mann durchaus begriff, nicht unbedingt einverstanden sein zu müssen, solange er alles ausspuckte, was er in den letzten Tagen durchgemacht hatte. Und auch, dass er keine große Wahl hatte, als diesem seltsamen Kellner das Leben seiner Familie anzuvertrauen, denn das Ende der Lounge hatte gleichzeitig das Ende aller Hoffnung bedeutet, die Angelegenheit zur Zufriedenheit seines „Auftraggebers“ zu lösen.   „Okay“, presste er deshalb angsterfüllt hervor, „ich sage dir alles, was ich weiß, tue alles, was du willst, aber bitte, hilf ihnen!“ „Und wir ziehen uns jetzt lieber zurück“, ertönte es in Jasons Rücken und er sah zurück, um Oswald sich mit einem Nicken den Gang des U-Boots hinunter abwenden zu sehen.   Dieser Mistkerl parkte ein verficktes U-Boot unter seinem Club! Im Moment war Jason heilfroh darüber, hatten sie doch auf diese Weise erstens einem schmutzigen Tod und zweitens mit ziemlicher Sicherheit prüfenden Feindesaugen unerkannt entkommen können, aber heilige Schande, ein U-Boot! Diese Neuigkeit musste er auf dem schnellsten Weg Bruce zukommen lassen und wenn es auch nur als gehässiges Spiel von Ich-weiß-mehr-als-du angesehen werden würde.   Oswalds Leute schleppten den protestierenden Geschäftsmann, der die ganze Situation erst zum Eskalieren gebracht hatte, mit sich fort und Jason vermutete, ihn nicht so schnell im besten Zustand wiederzusehen. Töten würde man ihn wohl nicht, er schien noch immer ein halbwegs nützlicher Partner zu sein, aber nichtsdestotrotz trug seine Unbedachtheit eine erhebliche Mitschuld an der Zerstörung der Lounge, was ihn in Oswalds Augen derzeit nicht unbedingt sonderlich attraktiv machte. Doch er hatte seine Schuldigkeit getan.   Jetzt hieß es, die Spur nicht kalt werden zu lassen.   Das überließ ihm und dem eingeschüchterten Sprengstoffel den großen Lagerraum, in den sie den Gefangenen während des organisierten Rückzugs eingesperrt hatten, allein. „Okay“, flötete er gespielt gutgelaunt und lenkte die Aufmerksamkeit von den abrückenden Schurken auf das kleine Licht, das unter dem stechenden Blick noch kleiner wurde, „Leg los. Und lass ja keine Details aus. Ich steh auf Details, glaub mir.“ Der Mann nickte und entspannte sich endlich ein wenig, nun, da sich nicht mehr mehrere Schläger um ihn herumdrückten und sich der einzige andere Anwesende harmlos auf ein an der Wand stehendes Fass fläzte. „Okay“, murmelte er zu sich selbst und es klang, als wollte er sich selbst am meisten davon überzeugen, dass alles in Ordnung war, „Ja, okay. Ich ... Äh ... würd’s dir was ausmachen, wenn ich mich ein bisschen bewege? Meine ... meine Beine sind von der Anspannung eingeschlafen.“   Jason hob nur eine Augenbraue und machte eine ausladende Geste und der Mann taumelte in verzweifelte Gedanken versunken hin und her, unruhig an einem Fingernagel nach dem nächsten kauend, ehe er sich ihm zitternd wieder zuwandte und mit einem allzu hoffnungsvollen Blick bedachte: „Also ... also du wirst sie retten, nicht wahr? Ich ... ich meine ich kooperiere – Gott ist mein Zeuge, ich tue alles, was du verlangst – und ... und dafür holst du sie da raus, richtig? Du holst sie unversehrt raus, richtig?!“   Bei so viel Vertrauen wurde einem ja ganz warm ums Herz!   Jason hob beschwichtigend die Hände, „Hey, Mann, ich bin nur ein einfacher Angestellter“, und dann teilte ein finsteres Grinsen sein Gesicht, das dem Betrachter Gänsehaut über den Rücken jagte, „Aber ich bin sicher, unser guter ‚Mr. Cobblepot, Sir‘ wird dir jemand sehr Zuverlässigen zur Seite stellen, der diesen Wichsfiguren genau zu verstehen geben wird, dass Gotham kein geeignetes Pflaster für sie ist.“   Es stellte sich heraus, dass ihr Attentäter ... Opfer ... was auch immer ein gar nicht mal so kleines Licht war, wie Jason vermutet hatte, vielmehr hielt er sogar einen nicht unwichtigen Zweig des Sprengstoffschmuggels des Pinguins in der Hand, was im Nachhinein Sinn ergab, war er dadurch doch leicht an alle Zutaten für seine explosive Weste gelangt. Das war wahrscheinlich der Grund dafür, dass man ihm trotz der ganzen Affäre noch nicht die Rübe vom Hals getrennt hatte.   Somit hatte Oswald nicht nur seinen Club verloren, sondern auch noch die Mittel für dessen Zerstörung aus eigener Tasche bezahlt. Kein Wunder, dass er sich in seinem Grab umdrehte – zumindest im metaphorischen.   „- und wir waren schon bei den Preisverhandlungen und plötzlich Zack! Von einem verflixten Geschäftsessen weggeschleppt“, zeterte der Mann, der sich sehr schnell sehr intensiv in Rage geredet hatte, aufgeregt mit beiden Händen herumfuchtelnd, „einkassiert wie ein blutiger Anfänger! Noch nicht mal an einer unbelebten Stelle, geradewegs aus dem Restaurant! Aber sie konnten es sich leisten, diese räudigen Hunde haben absolut nichts zurückgelassen, was als Beweislast eingesammelt werden kann, nicht einmal Zeugen. Haben sie mit einem Schlag ausgeschaltet, Blendgranaten und WAMM! Absolute Profis, das sag ich dir! Und irgendwann an dem Morgen müssen sie auch meine Frau und Kinder entführt haben, nicht mal zwei Stunden davor hatte ich noch mit ihnen gesprochen! Wie zum Teufel ist es nur dazu ...“, mit einem Blick auf Jasons ungeduldiges Stirnrunzeln räusperte er sich energisch, „Oh ja, natürlich, entschuldige. Also, sie hatten mich in der Hand, das verstehst du doch, oder? Ansonsten hätte ich niemals Mr. Cobblepot ... Entschuldige. Sie hatten mich in der Hand und sie haben mich dazu gezwungen, eine unserer Werkstätten zu öffnen und sie haben unsere Teile benutzt und zu diesem Monstrum verbaut und dann haben sie mich vor die Wahl gestellt, mein Leben oder ihrs. Gott, mein Jüngster ist doch erst drei Jahre ... Du siehst es doch ein, oder, ich hatte keine Wahl, nicht wirklich zumindest, sie haben mir diese Bombe aufgezwängt und dann bin ich nur noch geradewegs ... Du verstehst es doch, nicht wahr?! Du wirst Mr. Cobblepot doch sicher ...“, erneut musste ein warnender Blick den aufsteigenden Vater im Feigling auf den Pfad des Wesentlichen zurückführen, „Ich weiß nicht, von wo aus sie operieren, aber sie haben uns in einer der Lagerhallen unweit der Werkstatt festgehalten, sie wussten also bereits, wo in etwa wir stationiert sind.“   „Und weißt du auch irgendwas, was wenigstens irgendwie Aufschluss auf ihr eigenes Versteck geben könnte?“, drängte Jason leicht gereizt, war doch bisher nichts dabei gewesen, was auf die Identität ihrer Gegner hinwies.   „Chinesen.“   Er hielt in seiner Beschäftigung, sich die Stirn zu reiben, inne und starrte den Mann durch die Finger hindurch an: „Was?“ „Chinesen“, wiederholte dieser, „es waren alles Chinesen. Und sie trugen alle dieselbe Farbe, ich meine, das ist auffällig, richtig? Zu einheitlich, um als Zufall durchzugehen! Es war nicht wie eine Uniform, das nicht, die Schnitte waren alle unterschiedlich, aber alle trugen wenigstens ein grünes Kleidungsstück. Und ihr Anführer-“   „Moment, du hast ihren Anführer gesehen?! Und das sagst du erst jetzt?!“   „Ich musste doch erstmal dorthin kommen! Und ich weiß doch nicht, ob er der oberste Anführer war, auf jeden Fall war er ziemlich großspurig, alle hatten sichtlich Respekt vor ihm und nachdem er auf den Plan getreten ist, hielten sie alle geflissentlich den Mund, also ...“   „Jepp, klingt nach ʼnem ziemlich hohen Tier. Wie sah er aus?“   „... Äh ... Nun, wie ein typischer Chinese halt.“   Jasons unbeeindruckter Blick ließ den Mann in Schweiß ausbrechen: „Es tut mir leid, aber für mich sehen die alle gleich aus! Typische Hautfarbe, Schlitzaugen, oh, aber ziemlich groß, würde sagen, in etwa wie du, nur nicht ganz, schwarzes Haar, halblang, so wie es diese gewissen Teenager heutzutage tragen, so halb übers Auge, verstehst du? Aber er war älter, so um die Fünfzig. Aber gebaut wie ein Schrank, Mann, und wenn der auch noch diese ganze Kung-Fu-Scheiße beherrscht ... Ich sag nur, so einem will ich nicht im Dunkeln begegnen.“   Und das kam von einem Handlanger eines Gothamer Oberschurken. Jason wurde neugierig.   Sein Informant zuckte die Achseln: „Der wirkte so bedrohlich, dass nicht mal diese alberne Blume den Eindruck schmälerte. Gibt nicht viele Kerle, die sowas tragen können, ohne sich lächerlich zu machen.“   „Blume?“   „Ja, hinten auf sein Jackett gedruckt. Riesiges Ding, ging über die ganze Rückenpartie. Gelb auf Grün. Kann dir aber nicht sagen, was für eine es war, bei uns interessiert sich niemand so sehr für Botanik.“   Doch dann überlegte der Mann angestrengt und hob blinzelnd einen Finger: „Oder vielleicht doch! Bevor ihr Boss eingetroffen war, haben sie geprahlt mit sowas wie ‚Mit Cobblepot ist die Orchidee komplett‘ oder so. Hab ich nicht ganz geschnallt, aber für die schien es ʼne wichtige Sache zu sein.“   Jason blinzelte.   Er ließ das Gesicht in die Handflächen sinken, damit sein Gegenüber seinen entgeisterten Ausdruck nicht mitbekam.   Unerwünschte Erinnerungen stiegen in ihm auf, Bilder von Tatorten, Tatorte selbst, aus der Entfernung, auf eine Karte gepinnt, losgelöst von aller Konkretheit, Verbindungen, die ihm zuvor nicht aufgefallen waren. Oder vielleicht waren sie ihm aufgefallen, unterbewusst, und es hatte nur nicht Klick machen können ohne den entscheidenden Hinweis.   Gelbe Orchidee.   Wenn er sich richtig erinnerte, bildeten die Tatorte die Form einer Blüte. Eine Orchidee, wenn auch keine gelbe, nicht in Gotham, einer der schmutzigsten, abgrundtief verdorbensten Städte des Landes. Wenn, dann höchstens eine dunkelgraue mit schwarzen und dunkelgrünen Flecken und zwar nicht die glänzende, edle Sorte, sondern die, die man in der tiefsten Kloake ausgrub, wenn man denn unbedingt musste, übertüncht von roten Spritzern der ungezügelten Gewalt.   Und stinken tat sie auch.   Trotzdem eine Orchidee, etwas unförmig vielleicht, doch es reichte, um ein Zeichen zu setzen, ein Zeichen wie eine heillos geschmacklose Signatur.   Oh nein.   Es war einer dieser seltenen Fälle, in denen er von ganzem Herzen hoffte, sich zu irren. Er hatte einen Schlussstrich gezogen, einen ziemlich drastischen Schlussstrich sogar, denn von diesem speziellen Teil seiner Vergangenheit hatte er beileibe nicht noch einmal verfolgt werden wollen. Aber jetzt, da ihm genügend Puzzleteile in die Hand gedrückt worden waren, gleichsam eines Pferdefußes direkt ins Gesicht, konnte er die naheliegendste Lösung nicht weiter ignorieren.   Die Familia de Flores.   Die Morde bildeten das Zeichen von Suzie Su.   ---   Er hätte es wissen müssen. Schon bevor er losgezogen war, um eine wenigstens halbwegs rechtschaffene Familie vor dem wirklich abgrundtiefen Abschaum der Gesellschaft zu retten. Bevor er sich seinen markanten Helm übergestreift hatte. Bevor er mit voll durchgeladenem Arsenal zu Oswalds Versteck zurückgekehrt war und ihren gemeinsamen Freund abgeholt hatte. Bevor er die anfängliche Erkenntnis und anschließende Panik im Gesicht des Mannes korrekt gedeutet hatte.   „Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid! Aber sie hätten sie getötet, wenn etwas schiefgelaufen wäre!“   Ja, im Nachhinein musste er sich eingestehen, dass er es hätte voraussehen müssen.   Ihr weinerlicher Bombenmeister hatte sich ein bisschen zu leicht überzeugen lassen, ein bisschen zu wenig Widerstand geleistet, war ein bisschen zu schnell eingeknickt beim Befehl, ihn zum Hauptquartier des Gegners zu führen.   Zumindest verstand er die Beweggründe, aber dass er sie verstand, bedeutete nicht, dass er nicht trotzdem kurz vorm Explodieren stand vor Wut.   Er bedachte seinen Führer mit einem so eiskalten Blick, wie er ihn von seiner kompromittierenden Position aus bewerkstelligen konnte und dieser ließ mühsam schluckend die Gitterstäbe der Kellertür los, die er wenige Minuten zuvor ohne jede Warnung hinter ihm zugestoßen hatte. Direkt im Anschluss waren die Neonröhren an der Decke des zuvor stockdunklen Raums aufgeleuchtet und hatten ein Dutzend gut gewachsene wie gerüstete Männer zum Vorschein gebracht, die mit einer Eindeutigkeit auf ihn gewartet hatten, die ihm den Magen umdrehte und sich sofort geschlossen auf ihn gestürzt hatten. Bruces hartes Training brachte nicht weniger als hervorragende Kämpfer hervor, nichtsdestotrotz war er auch nur ein Mensch – auf derart begrenztem Raum hatte er nur die Hälfte der Angreifer ausschalten können, ehe ihn der Rest überwältigen konnte.   Und nun ärgerte er sich, entwaffnet und von vier Kolossen in Bauchlage auf dem kalten Boden festgehalten, finster in sich hinein.   Eine Falle.   Wirklich, er hätte es voraussehen müssen.   Mit fast idiotischer Zuversichtlichkeit war er diesem Feigling zu einem Bürokomplex gefolgt, alt und etwas schäbig, aber nicht übermäßig verdächtig in der verfallenen Nachbarschaft, hatte eine erkleckliche, aber im Rückblick viel zu kleine Schar Wachposten kühl – nicht kalt, wohlgemerkt – gestellt und als Tüpfelchen auf dem I tatsächlich geglaubt, die Hauptzentrale der Organisation befände sich im Untergeschoss – dort, wo jeder Bösewicht, der was auf sich hielt, eher die Foltergeräte hortete.   ‚Jason, Jason ... Wann hast du so stark nachgelassen?‘   Bruces höhnische Stimme klang in sein Ohr, was ihm zumindest den ambitionierten Wunsch bescherte, alle Anwesenden möglichst bald, möglichst schmerzhaft in die ewigen Jagdgründe zu befördern. Batman hätte sich niemals auf seinem Ruf ausgeruht.   Und mit Red Hoods Ruf schien es auch nicht mehr weit her zu sein – sein Führer hatte nicht genug Angst vor ihm gehabt und auf der anderen Seite nicht genug Vertrauen.   Es war wirklich kein Wunder, dass er ihn verraten hatte, möglicherweise auf die Schnelle einem Notfallprotokoll gefolgt war, welches sie ihm eingetrichtert hatten, konnte er die Explosion aus irgendeinem Grund nicht auslösen. Ein Grund wie Entlarvung und anschließende Gefangennahme.   „Ich habe die Lounge zerstört! Der Pinguin ist fort und ich habe Ihnen sogar Red Hood gebracht! Ich habe mehr getan, als Sie von mir verlangt haben! Lassen Sie uns endlich gehen“, argumentierte sein ehemaliger Freund nun in Richtung der Treppe, die sie vorhin in trauter Zweisamkeit hinab geschlichen waren und die Jason nicht mehr einsehen konnte, weil ihn das Gitter daran hinderte. Doch auch er hatte oben eine Tür ins Schloss fallen gehört und vernahm jetzt dumpfe Schritte, die die steinernen Stufen hinabstiegen.   „Oh ja, du hast uns tatsächlich einen großen Dienst erwiesen. Natürlich werden wir so eine Einsatzbereitschaft entsprechend entlohnen.“   Die Anwesenden nahmen beim Ertönen der dunklen, mit schwerem Akzent angereicherten Stimme umgehend strenge Haltung ein. Jason erkannte den Mann, der gleich darauf von der Seite in sein Sichtfeld trat, von der Beschreibung seines Führers her, konnte aber nicht behaupten, das allzu katzenfreundlich lächelnde Gesicht einordnen zu können. Der Fremde erwiderte seinen Blick und murmelte, sich nachdenklich das Kinn reibend: „Ja, was für eine bewundernswerte Einsatzbereitschaft. Red Hood. Ich kann meiner Freude, dich wiederzusehen, kaum Ausdruck verleihen. Es ist lange her.“ Jason hob eine Augenbraue, nicht dass das jemand sah: „Offensichtlich so lange, dass du meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen musst.“   Verächtliches Schnaufen.   „Es wundert mich nicht, dass du dich nicht an mich erinnerst. Ich war damals nur ein gesichtsloser Handlanger, den du auf deinem Weg über den Haufen geschossen hast. Gao Ni. Ich stehe im Dienste der ehrenwerten De Flores.“   Also doch.   Nur mit viel Mühe unterdrückte Jason das Bedürfnis zu würgen. Suzie Su war anscheinend einfach nicht totzukriegen. Wie oft musste er dieser durchgedrehten Walküre wohl noch eins auf den Pelz brennen?   Sein Gedankengang wurde unterbrochen, als sich eine Nebentür öffnete und eine Handvoll weitere Männer eintrat, einige zappelnde Kinder und eine zerzaust aussehende Frau mit sich zerrend. Sie alle hatten offensichtliche Blessuren von allzu rüder Behandlung, bewegten sich aber nicht, als litten sie an gebrochenen Knochen. Sein Führer sackte erst kurz gen Boden, sodass er befürchtete, bei der unvermeidlichen Flucht den bewusstlosen Arsch dieses Verräters mit sich hinausschleppen zu müssen, aber er fing sich noch rechtzeitig und fiel stattdessen den auf ihn zustürmenden Kindern um den Hals, Stoßgebete an alle möglichen Entitäten ausstoßend. Nun, dachte Jason bei sich, selbst signifikant erleichtert, solange es die Geiseln auslöste, konnte er eine kleine Falle hier und da verzeihen. Es war nicht so, dass sie ihn lange festzuhalten schaffen würden, sobald die Luft rein von potenziellen Kollateralschäden war.   „Danke, danke“, hörte er den Führer wie ein Mantra brabbelnd und blind nach der Hand seiner Frau greifend, jedoch in Panik zusammenzuckend, als ihm Ni einen herzhaften Klaps auf den Rücken versetzte. „Schon gut, mein Lieber“, sagte er, als wäre die aufgelöste Danksagung an ihn gerichtet gewesen, „Keine schlechte Ausbeute für einen Plan, der so dermaßen aus dem Ruder gelaufen ist. Du hast dir deine Belohnung redlich verdient. Ich meine ... Den berüchtigten Red Hood zu uns zu bringen, der nicht einmal seinen eigenen Leuten über den Weg traut! Unglaublich!“ Er wanderte zum Gitter und begutachtete Jason wie ein exotisches Tier im Zoo, worauf dieser sich willkürlich verspannte, die Augen langsam zu einer der viel zu weit entfernt liegenden Waffen gleitend.   „Allerdings ... Das nicht zu unterschätzende Problem dabei ist, dass ich Red Hood nie hier haben wollte.“   Ni schwang herum und plötzlich hatte sich sein anbiederndes Lächeln in eine zornige Grimasse verwandelt. „Du hast in deiner unglaublichen Dummheit einen meiner Feinde direkt in mein Wohnzimmer geführt“, brüllte er mit Gesten der Frustration und die Familie zu seinen Füßen zuckte geschlossen zusammen, „und nicht mal den, den du herführen solltest, nein, den verdammten Red Hood, für den ich noch so viele Pläne hatte, die jetzt alle den Bach runter sind! Meine Anweisung lautete: Spreng die verdammte Lounge samt Pinguin oder töte wenigstens den Pinguin oder bring mir allerwenigstens den Bastard, den er mir so offensichtlich auf dem Silbertablett angerichtet hat, damit ich ihn endlich wieder mit seiner unglücklichen Verlobten zusammenführen kann! Mit keinem Wort habe ich erwähnt, dass ich stattdessen Red den verfickten Hood auf der Matte stehen sehen will! Und du gehst hin und verdirbst mir nicht nur den einen, sondern auch noch einen ganzen Scheißhaufen anderer Pläne! Gute Pläne! Spaßige Pläne! Oder denkst du tatsächlich, ich wüsste nicht, dass Cobblepot entkommen ist, du selten dämliches Schwein?!“ Damit trat er dem kauernden Mann mit aller Macht in die Seite und genoss einige Sekunden lang das Schreien und Schluchzen der Familie, bevor er wieder von ihr abrückte und sich entnervt die Nasenwurzel rieb: „Aber egal! Egal. Ich will mal nicht so sein. Du hast dein Bestes gegeben, Freund, und es ist nicht so, dass ich nicht hier und da flexibel bin. Cobblepot lebt, damit kann ich arbeiten. Red Hood kennt den Weg zu meinem Hauptquartier, nicht so wild, nicht so wild. Aber dafür befindet er sich in meiner Gewalt, überrascht, entwaffnet und zahlenmäßig unterlegen. Sagen wir, du hast die Hälfte deines Auftrags zu meiner Zufriedenheit erledigt und belassen wir es dabei, in Ordnung?“   Misstrauen, die brennende Klinge des Zweifels bohrte sich plötzlich in Jasons Magengrube, unvermittelt, als wollten ihn Instinkte vor einer Gefahr warnen, die seine oberflächlicheren Sinne noch gar nicht wahrgenommen hatten.   Er öffnete den Mund, um etwas zu rufen, was und weswegen wusste er selbst noch nicht, im nächsten Augenblick aber trat ein blankpolierter Schuh sein Gesicht in den unnachgiebigen Beton.   Ni lachte schadenfroh, lenkte die Aufmerksamkeit dann jedoch zurück auf die Gefangenen, mit einem Wink Richtung Treppe, als wollte er Gäste verabschieden: „Ihr dürft euch jetzt zurückziehen. Jungs, geleitet die Herrschaften hinaus, seid so gut. Natürlich nicht durch den Haupteingang, versteht sich, wir wollen ja keinen schlechten Eindruck hinterlassen.“   Zwei der Männer scheuchten sie auf und zur Treppe und Jason sah die Erleichterung in den zerschundenen Gesichtern aufleuchten.   „Oh, nur noch eins.“   Ni streckte die Hand aus und ein anderer seiner Schergen händigte ihm eine Pistole aus.   „Hälfte der Leistung – Hälfte der Bezahlung.“   Und er erschoss die drei jüngsten Kinder.   Weder das Schreien der Mutter, noch die entsetzten Versuche des Vaters, den eigenen Körper in die Schussbahn zu schieben, noch Jasons in Rage hinaus gebrüllten Todesdrohungen vermochten ihn daran zu hindern, einen nach dem anderen vor aller Augen zu töten, ehe er die Pistole zufrieden nickend zurückgab und den Mann mit einem freundschaftlich um die Schultern gelegten Arm zur Treppe schob: „Jetzt sind wir also quitt. Es war mir nicht gerade ein Freude, mit dir Geschäfte zu machen, aber immerhin ist letztendlich noch alles gut ausgegangen, nicht wahr? Einen schönen Tag, Freund. Mögest du noch ein langes, glückliches Leben führen.“   Seine Leute stießen die geistig vollkommen zerstörte Hülle mitsamt katatonischer Frau und wie Espenlaub zitterndem letzten Sohn fort. Ni hatte jene getötet, die bei richtiger Behandlung die Chance gehabt hatten, den erlebten Schrecken zu vergessen. Eltern, die ihre Kinder überlebten? Ältere Kinder, die ihre Geschwister gewaltsam verloren? Nicht so viel Glück.   Nicht viel, was Jason dagegen hatte tun können, herzlichen Dank auch, Herr Sprengstoffmeister. Zumindest im Moment nicht.   Aber später, schwor er sich mit einer vor Wut entstellten Fratze.   Später.   „Na schön, Hood“, auch Nis Ausdruck verfinsterte sich, kaum dass er sich ihm wieder zugewendet hatte, „Ich will ehrlich sein: Ich habe nicht so früh damit gerechnet, dich aus deinem Loch kriechen zu sehen. Ich brenne darauf zu erfahren, warum du dich mit dem Pinguin zusammengetan hast.“ „Ein gemeinsamer Feind ist das beste Freundschaftsgeschenk“, erwiderte Jason bissig und die ihn fixierenden Komparsen mussten ihr gesamtes Gewicht zum Einsatz bringen, um ihn zurückzuhalten. Ni lachte erneut: „Und was meintet ihr, mir entgegenzusetzen zu haben? Falls du es noch nicht gemerkt haben solltest – ihr seid wie Zielscheiben auf dem Schießstand. Ein Fingerzeig und ihr seid tot.“   „Mag sein. Aber weißt du ... Wir sind über den Fingerzeig schon hinaus. Ich rede nur noch aus Mitleid mit dir, da du offenbar noch nicht mitbekommen hast, dass du bereits tot bist. Hast die Arschkarte gezogen in dem Moment, in dem du mein Eigentum angegrabscht hast.“   „Du hältst immer noch eine ganze Menge auf dich. Wenn auch niemand sonst.“   Okay, es war eine Sache, sich die traurige Wahrheit selbst einzugestehen – sie aus dem Mund eines dahergelaufenen Tagediebs zu hören, eine ganz andere. Aber wenn der Mistkerl unbedingt Gruppendynamik ins Spiel bringen musste, würde sich Jason nicht zurückhalten. „De Flores also, was?“, grinste er provozierend, „Kann nicht behaupten, den Alten oder das Flaggschiff vermisst zu haben.“   „Bezeichne sie noch einmal so und ich schneide dir deine giftige Zunge mit einem verdammten Fischmesser heraus, du abendländischer Abschaum!“   „Und trotzdem weißt du genau, wen ich meine.“   „Schweig, du nichtswürdiger Hund! Sie ist schön, wunderschön, eine zarte Rose unter einem Heer aus Fledermausblumen!“   Erstens: Was zum Geier?   Zweitens: Fledermausblumen waren großartig!   „Hör mal, du abgehalfterter Gesundwokbräter“, seufzte Jason entmachtet und so lässig, wie es ihm mit relativ kurzgehaltener Luftzufuhr möglich war, „so gerne ich mich auch weiter mit dir über deine ... großformatige Chefin unterhalten würde, wir haben wohl heute beide noch Liebreizenderes vor, nicht wahr? Also komm zum Punkt und ich werde vielleicht nicht ganz so glücklich sein, wenn ich dir die Lungen filetiere ... Oder ... Nah, ich bin und bleibe angepisst. Richtig angepisst. Und du wirst das merken.“   Er drehte leicht den Kopf und stierte seine Häscher zornig von unten an und dass sie es des Helms wegen nicht sehen konnten, förderte nur das Unwohlsein. An den meisten jedoch glitt der Blick wirkungslos ab und er mahnte sich zur Vorsicht. So wenig Schwierigkeiten er bisher auch gehabt hatte, Suzie Su wiederholt auszuschalten, dieses Mal war er alleine und mit den chinesischen Tiraden scherzte man nicht. Entweder man war besser als sie – oder man war tot. Und diese Männer schienen erfahren.   Ein zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor gepresstes Lachen belohnte seine Mühen der Provokation. „Sollen wir uns jetzt etwa fürchten, Hood?“, schnarrte Ni sarkastisch und winkte betont ab, „Du kannst froh sein, dass der Mountain Master uns nur mit dem Auftrag nach Gotham geschickt hat, einen Teil des Handels zu übernehmen! Sonst würde ich dir zeigen, wie viel Angst genau mir ein halbwüchsiger Welpe macht.“   „Handel von was?“   „Von allem, Hood. Von allem.“   Plötzlich fuhr Ni ans Gitter und schlang mit aggressivem Rütteln die Hände um die Eisenstangen: „Wegen des verfluchten Handels! Geld! Geld, das ist alles, worum er sich kümmert! Nicht um die Ehre seiner Tochter wiederherzustellen, nein! Nicht um endlich und endgültig Rache zu üben an dem Schwein, das sie auf dem Gewissen hat! Und warum?! Weil er es nicht wagt, sich vor den anderen Köpfen bloßzustellen! Weil Miss Suzie Amok gelaufen sei auf fremdem Boden! PAH!“   Also war sie doch tot ... Noch tot. Wieder tot? Jason war es gleichgültig, solange diese durchgeknallte Abrissbirne nicht noch einmal auf die Idee kommen konnte, einen Haufen Kinder als Schutzschilde zu verwenden. Ein erleichtertes Kichern entfuhr seiner Kehle, was bei seiner Umgebung verständlicherweise auf Widerwillen stieß.   „Was ist so lustig, Aasfresser?!“, brüllte Ni ihn an und beinahe dachte er, dem Schauspiel beiwohnen zu dürfen, wie er sich im Versuch, den eigenen Körper durchs Gitter zu pressen, selbst zerquetschte. Nicht so viel Glück.   Vielleicht brauchte er noch ein wenig Ansporn, dachte Jason frivol bei sich und flötete deshalb gutgelaunt: „Hey, ich weiß schon, warum die gute Suzie ihren Alten nie absetzen konnte – wenn er davon absieht, Köpfe rollen zu lassen, weil seine missratene Göre ungeschriebene Regeln gebrochen hat, seid ihr mit dem weisen Shixin wesentlich besser dran! Meinen Respekt hat er!“ Mit einem Schlag wurde er wieder ernst: „Eure amoklaufende Kotzfotze hat sich die falschen Feinde gemacht, so einfach ist das. Dass sie sich in ihrem Wahn selbst einen Fahrstuhlschacht runter stürzt, nur um mich plattzumachen, ist doch nicht meine Schuld!“   Alles war still.   Ni war der erste, dem ein Laut entfuhr. Es handelte sich dabei um eine Mischung aus gewürgtem Meerschwein und verstopftem Abflussrohr.   „Du warst es. Du hast sie getötet.“   ... Das war nicht klar gewesen?   „Ich ... ich war nur ein bescheidener Untergebener ... Ich wusste nur, dass sie nach Gotham transportiert worden war, um besser versorgt zu werden nach einem Schusswechsel mit einem alten Feind ... Und dann ist sie dort gestorben ... Sie war tot und niemand wollte mir sagen, was geschehen war! Deswegen ... deswegen habe ich mich innerhalb so weniger Monate zu dieser Position hochgekämpft, habe darum gekämpft, herkommen zu dürfen, um endlich die Gelegenheit zu bekommen, eure minderwertigen Syndikate zu zerstören! Ich wollte Rache, aber ... Ich habe bei all meinen Mühen nie herausgefunden, wer genau sie auf dem Gewissen hat!“   Ups.   Zeit zu gehen.   Mit aller Kraft warf sich Jason auf die Seite und das war gut so, denn Ni, offensichtlich endlich aus dem Nebel der Ungläubigkeit herausgetreten, hielt sich nicht mit dem Wie und Warum auf, vor allem nicht mit einem fairen Prozess, sondern zückte eine wesentlich großkalibrigere Waffe, als er sie zum Abschlachten der Kinder verwendet hatte und schoss genau auf seinen Kopf. Durch Jasons Ausweichmanöver traf er den unter ihm liegenden Beton, doch die Kugel prallte daran ab und zischte durch das Metall des Helms, seine Schläfe – und das Herz des Komparsen, der rechts von ihm durch den unerwarteten Schwung das Gleichgewicht verloren hatte. Lautlos sackte der Mann zusammen und ließ Jasons Arm los, den er gerade noch felsenfest zu Boden gedrückt hatte. Jason kümmerte sich nicht um das Knacken seines Helms, auch nicht um die heißen Splitter, die sich in seine Haut gesenkt hatten, schon gar nicht um den stechenden Schmerz, der durch seinen Kopf fuhr, stattdessen drückte er sich mit dem nun befreiten Arm ab und mit voller Wucht zu anderen Seite, direkt gegen die Brust des zweiten Häschers, der mit einem Grunzen gegen die nahe Wand prallte und einige Sekunden orientierungslos dort hocken blieb, ohne jedoch das Bewusstsein zu verlieren. Unterdessen gab Ni einen weiteren Schuss ab, der aber glücklicherweise niemanden traf.   Oder vielleicht unglücklicherweise, denn es blieben nach wie vor die beiden Männer, die seine Beine festhielten – doch mit freiem Oberkörper konnte eine Fledermaus schon gut manövrieren.   Als spürte er, in welch unmittelbarer Gefahr sie schwebten, zuckte einer der Männer kurz eingeschüchtert zurück, ein fataler Fehler, der nicht nur ihm, sondern all seinen Kumpanen zum Verhängnis werden sollte, denn Red Hood war nicht dafür bekannt, eine Schwäche seiner Gegner ungenutzt zu lassen. Die unbeabsichtigte Entlastung gab Jason die Möglichkeit, ein Bein gewaltsam aus den klammernden Händen wegzureißen, anzuwinkeln und den Fuß mit aller Kraft, die er in der unvorteilhaften Position aufbringen konnte, in einen durch die Überraschung ungeschützten Unterleib zu rammen. Ebenfalls nicht bewusstlos, aber wenigstens für einige kostbare Augenblicke durch den überwältigenden Schmerz abgelenkt, ließ der Gegner von ihm ab und endlich, endlich konnte Jason sich um die eigenen Achse drehen, das freie Bein dem letzten Feind um den Nacken haken und wollte eben das im Entsetzen verzerrte Gesicht auf den unnachgiebigen Boden rammen, als ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief. Es war reiner Reflex, den massigen Körper stattdessen beidhändig am Kragen zu packen und ihn längs über den eigenen zu ziehen.   Nur Bruchteile von Sekunden später ertönte ein lauter Knall, der Mann zuckte heftig zusammen, weit aufgerissene Augen für einen langen, schrecklichen Augenblick fast anklagend ins Nichts starrend, bis ihm plötzlich ein Schwall dickliches Blut über die Lippen quoll und sich alle Muskeln entspannten, ehe er leblos über Jason zusammensackte.   Mist.   Dieser Kerl war mausetot. Abgeknallt von Ni zwar, aber Bruce würde das keinesfalls als bedauerlichen Unfall anerkennen oder gar als Schuld zahlreicher falscher Entscheidungen eines kaltblütigen Individuums aus Fernost. Nein, er würde es Jasons endloser Liste persönlichen Versagens zuschreiben und ihn hemmungslos zurechtweisen.   Mist, Mist, Mist!   Nicht dass er sich von Bruce beeindrucken ließ, das war nicht der Fall, keineswegs. Aber das zögerliche Vertrauen, das ihm seine feine Zurückhaltung in Sachen überschwänglicher Gewaltausübung eingebracht hatte, hatte ihm eine gute Portion Handlungsfreiheit erlaubt, ohne pausenlos den wachsamen Augen des scheinheiligen Bat-Clans ausgesetzt zu sein. Jeder Kollateralschaden beschnitt diese Freiheit und er meinte beinahe zu spüren, wie sich die Schlinge um seinen Hals zusammenzog. Fast hätte er gehustet, sich des beengenden Gefühls im Rachen entledigen wollend, doch stattdessen weckte ihn ein metallisches Geräusch aus der schockierten Trance.   In einem gewaltigen Kraftakt warf er die schwere Leiche von sich und sprang auf, sehr darauf bedacht, in der sich rasant ausgebreiteten Blutlache nicht direkt wieder auszurutschen. Ein hastiger Sprung rückwärts rettete ihn von dem gleichen Schicksal wie jenes des unglücklichen Handlangers, nämlich den gesamten Rücken aufgesprengt zu bekommen von einem der modernsten Schrotgewehrmodelle, welches er mit der kürzlich gestohlenen Waffenlieferung verloren hatte. Nun lag das formschöne Schätzchen in den Händen Nis, der einmal mehr beherzt durchlud und durch die Gitterstäbe hindurch direkt auf seinen Kopf zielte.   Jason erlaubte sich nicht weiter nachzudenken.   Alle Familienprobleme stellte er zurück, denn die Grübelei nutzte ihm nichts, sollte es ihm durch Gedankenlosigkeit eh nicht gegönnt sein, sich je wieder mit der Familie auseinanderzusetzen. Ein halbwegs tröstlicher Gedanke, den er allerdings nicht annähernd tröstlich genug empfand, um dafür eine Ladung Schrot ins Gesicht zu riskieren.   Also drehte er sich kurzerhand um und rannte blindlings ins hintere Dunkel des Kellerraums, aus den Augenwinkeln schon zuvor die Umrisse einer Tür ausgemacht habend, durch die er nun mit aller Kraft und der Schulter zuerst brach, in den Flur dahinter stürzte, sich blitzschnell wieder aufrappelte und in die einzig mögliche Richtung stürmte. Hinter ihm platzte der Putz von der Wand, getroffen von einem weiteren Fehlschuss Nis, den er nun lautstark nach dem Öffnen des Gitters verlangen hörte.   Er hatte keine Möglichkeit gefunden, seine Berettas wieder an sich zu nehmen und fasste sich nun im Lauf unter die Jacke, um das Militärmesser zu zücken. Es war besser als nichts und er war mehr als gefährlich genug damit, allerdings befürchtete er, dass die Übermacht des Gegners jedem Versuch, sich in einem direkten Kampf zu behaupten, tödliche Riegel vorschob.   Es dauerte kaum eine Minute, bis sich Geschrei und Gepolter rings um ihn herum erhob, ein weiteres Zeichen für Professionalität und ziemlich gute Organisation. Für ihn nicht von Vorteil, er durfte also nicht so kopflos vorgehen wie es ausgereicht hätte, wenn er es mit einfachen Straßenbanden zu tun gehabt hätte.   Aber bevor er sich überhaupt um die Zerschlagung des feindlichen Kartells kümmern konnte, musste er es lebend aus dem Gebäude schaffen.   Was Ni ihm offensichtlich so schwer wie möglich machen wollte, denn einige Meter vor ihm sprang eine Tür auf und eine Traube Handlanger drang in den Gang, Pistolen bereits im Anschlag und wachsendes Grinsen in den Gesichtern deutliches Zeichen ihrer empfundenen Überlegenheit.   Es erlosch, als sie sahen, dass er nicht zurück zu straucheln, nicht einmal anzuhalten gedachte.   Jene Bestürzung war durchaus nachvollziehbar, erwartete man doch nicht von einem einzelnen Mann, und war er noch so gut trainiert, sich Hals über Kopf auf eine Gruppe schwer bewaffneter Angreifer zu stürzen.   Man erkannte sofort, dass sie keine Ahnung von Gotham hatten. Und noch weniger vom Konzept „Batman“. Es war beinahe auf mitleiderregende Weise komisch.   Die beiden vordersten lagen schneller mit gebrochenen Armen am Boden als irgendwer begreifen konnte, was vor sich ging. Das aufkommende Schmerzensgeheul weckte die übrigen gerade noch rechtzeitig, um Jason etwas entschlosseneren Widerstand zu leisten. Er musste das Messer einsetzen, durchtrennte einem die Achillessehne, einem anderen musste er einige Zentimeter durchs Brustbein schneiden, um ihn zum Fallenlassen der Pistole zu überreden. Zwei weitere fielen ihm in den Rücken und schafften es, ihn mit einigen harten Schlägen zu traktieren, doch sie vermochten ihn nicht ernstlich zu verletzen. Auf derart engem Raum brauchte es einen außerordentlichen Profi, Schusswaffen adäquat einzusetzen, Profis wie einen bei den All-Caste ausgebildeten Assassinen, was jedoch offenbar keiner der Männer von sich behaupten konnte.   Jason war ihnen zu schnell, zu gewandt, zu gerissen.   Aber in einem schlauchartigen Gang konnte selbst er kaum etwas gegen den breiten Schadensradius einer Schrotflinte ausrichten.   Ni hatte die Gruppe erreicht und keine Vernunft der Welt konnte ihn daran hindern, blindlings in die Menge zu feuern, gleichgültig gegenüber Freund und Feind.   Bruce würde ihm ein bisschen Selbsterhaltungstrieb verzeihen müssen.   Und vielleicht geschahen Zeichen und Wunder und er würde sogar glücklich darüber sein, nicht seinen Sohn, so missraten er auch geraten sein mochte, mit vor Agonie verzerrtem Blick vorzufinden, aus dem rasch das Leben schwand, bis er ihn ein zweites Mal unter die Erde bringen musste.   Und so brachte er sich Schritt für Schritt mit flinken Bewegungen hinter immer neuen Gegnern in Sicherheit vor dem schießwütigen Verrückten und ein Schutzschild nach dem anderen ging in tonlosem Röcheln bis animalischen Schmerzensschreien zu Boden. Das allgemeine Panikgepolter wurde immer wieder unterbrochen von Nis hysterischen Ausbrüchen, größtenteils in seiner Muttersprache gehalten, was Jason im Chaos nicht zuverlässig zu übersetzen schaffte, aber auch ab und zu in Englisch.   „Du wirst bezahlen!“   „Ihr Tod soll deine Verdammnis sein!“   „Sie war eine Göttin!“   „Woah, woah, woah“, warf Jason frustriert über die ihm aufgezwungene Defensive ein, „reden wir hier immer noch über die Suzie Su?!“ Da die meisten Gegner im geistesgegenwärtigen Eigennutz frenetisch durch alle möglichen Ausgänge von ihm wegdrängten oder hinter irgendwelchen Möbelstücken abtauchten, ging ihm empfindlich schnell die Deckung aus und nur einige sehr schnelle Sprünge rückwärts retteten ihn vor direkten Treffern. „Du machst dich lustig?!“, brüllte Ni und fegte mit der Flinte in einer besonders heißen Welle des Zorns eine angetrocknete Topfpflanze, Reinigungsmittel und Autoschlüssel von einer schmalen Kommode, „Sie war einzigartig! Ihr liebliches Antlitz! Ihre wohlgeformte Statur!“   „Oh ja, und gleich so viel davon!“   „Ich habe sie geliebt!“   Das erklärte die übertriebene Psychomanie über einen Vorfall, bei dem andere Tiradenmitglieder vermutlich heilfroh gewesen waren, dass es nicht den amtierenden Drachenkopf erwischt hatte.   „Hat ihr Alter auch, aber wenn ich recht verstanden habe, hat Shixin Su kein grünes Licht gegeben für dein kleines Nebenprojekt hier. Hat wesentlich bessere Selbstbeherrschung als du, Mann!“   „Der Mountain Master kann vergehen, wenn’s nach mir ginge! Ein Vater, der die Tochter verrät, ist ein niederer Hund!“   Ob der beleidigenden Worte gegen ihr oberstes Haupt erwartete Jason bei den unweit lauernden Tiradenmitgliedern zumindest unwillig verzogene Grimassen, doch alles, was er aus den Augenwinkeln erkannte, waren trotz Nis andauerndem Eigenbeschuss fest entschlossene Gesichter. Erstaunlich, wie eine solch fanatische, egozentrische Frau selbst im Tod noch so viele treue Anhänger um sich zu scharen vermochte.   Am hintersten Ende des Gangs angelangt, wich er einem weiteren Schuss mit einem beherzten Satz in das letzte Nebenzimmer aus und zur Abwechslung war Fortuna mal auf seiner Seite, denn eine steinerne Treppe führte empor ins Erdgeschoss. Staub und Dreck in den Ecken der Stufen ließen auf fehlende Nutzung schließen, was gut für ihn war, bedeutete es doch zu einer bestimmten Wahrscheinlichkeit, dass am Ende keine Horden aufmerksamer Wachposten auf ihn warteten. Er ließ die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen, sondern hetzte ohne eine Sekunde zu verlieren hinauf, die zornigen Rufe Nis und seiner Komparsen hinter sich lassend.   Ja, die Tür am Ende der Treppe war verschlossen. Nein, das interessierte ihn nicht im geringsten, als er mit der Schulter voran dagegen stürmte und das Schloss mit einem lauten Krachen nachgab. Zum Glück hatte es sich nicht um eine Feuerschutztür oder ähnlich stabile Barriere gehandelt, sodass es beim ersten Anlauf geklappt und er sich dabei keine Knochen gebrochen hatte. Trotzdem pulsierte seine Schulter von dem Schlag unangenehm und die Erschütterung ließ ihn kurz die Orientierung verlieren.   Hinter ihm prasselten Schritte hinauf, Rufe von seiner Rechten warnten ihn vor feindlichem Aufkommen, und so warf er sich mit aller Kraft zur Linken, trat noch einmal kräftig die Tür zurück ins zerschmetterte Schloss und seinen Verfolgern damit schmerzhaft ins Gesicht, erfreute sich kurz an dem Gepolter fallender Körper und rannte durch jede auch nur halbwegs freie Schneise, wich angreifenden Händen aus und schlug zu, wo es gerade angemessen erschien.   Wie viele Anhänger hatte Ni nur? Es schien kein Ende nehmen zu wollen, immer wieder neue Gegner erschienen auf der Bildfläche, nur allzu bereit, sich ihm in den Weg zu stellen, unabhängig davon, wie viele Knochen er auf seiner heillosen Flucht bersten ließ. Wenigstens sahen die meisten davon ab, Schusswaffen einzusetzen, sodass er sich keine Sorgen um Treffer aus der Entfernung machen musste – leider fiel allerdings damit auch der Vorteil weg, dass sie sich gegenseitig über den Haufen schossen und ihm damit eine Menge Arbeit ersparten.   Ni hatte die Memo zum Glück noch nicht erhalten.   Ihr Anführer kam durch die ihm gegenüberliegende Tür gestürmt, kaum dass er im blinden Lauf in einen großen Saal, der offensichtlich die Eingangshalle darstellte, getrieben worden war, zielte ohne überhaupt über die Folgen nachzudenken direkt auf ihn und traf drei hinter ihm her hetzende Männer, weil Jason mit einem Hechtsprung seitlich aus der Schussbahn ausbrach. Zumindest würden sie wohl nicht an den Verletzungen sterben, waren sie doch ein Stück weiter weg gewesen und mussten sich deswegen keine Sorgen darüber machen, diverse Organe von der geballten Ladung Schrott zerfetzt bekommen zu haben.   Jason packte eine Topfpflanze von einem kleinen Ziertisch, die eine nahestehende Plastiksitzreihe verschönerte, das einzige, was im Moment einer Waffe am nächsten kam und schleuderte sie mit aller Macht Ni entgegen: „Du bist unbesonnen, Sojakeim, ist dir eigentlich klar, wie viele deiner Leute du in den letzten zehn Minuten ins Krankenhaus befördert hast? Kleiner Vorschlag vom Profi, Kumpel: Du musst DICKfelliger werden, darfst dich nicht mehr so leicht aufreiben lassen, verstehst schon. Nimm dir deine Ex-Chefin als Vorbild! Man kann ja über Suzie sagen was man will, aber sie war wenigstens ziemlich WEITsichtig!“ Die in Nis Gesicht aufsteigende Zornesröte war das Risiko allemal wert, den Hinterkopf in einem Anfall von Wut aufgesprengt zu bekommen.   „SCHWEIG! ICH LASSE SIE DEINE FRECHHEITEN NICHT LÄNGER ERDULDEN!!!“   Jason tauchte hinter einer Säule ab und einige Splitter streiften seinen Helm, glücklicherweise die noch völlig intakte Seite, als ein weiterer Schuss ein Stück vom steinernen Hindernis absprengte. Er hielt nicht an, blieb aber hinter der die Säulen verbindenden niedrigen Mauer geduckt: „Was heißt Frechheit? Das war ein Lob! Es gibt nicht viele Bosse, deren Interessen so BREIT gefächert sind, dass sie bis nach Gotham reichen! Respekt!“ Mit einem beherzten Sprungtritt fällte er zwei Angreifer gleichzeitig, die sich ihm von vorne entgegenzustellen versuchten, hastete gerade noch an einem weiteren vorbei, der direkt hinter ihm mit dem Gesicht zuerst zu Boden ging – und barst mit einem weiteren Hechtsprung durch die gläserne Doppeltür ins Freie hinaus.   Einige steinerne Stufen kullerte er zu einem Bündel zusammengekrümmt hinunter, ehe er das Gleichgewicht wiederfand und statt die Treppe hinunter zur Straße zu benutzen mit einem kleinen Hüpfer die steinerne Balustrade im Mittelteil erklomm und sie hinunterrannte. Sie war zu eng für weniger trainierte Kämpfer, sodass seine Verfolger entweder nach wenigen Schritten stolperten und schmerzhaft stürzten oder mit Vorsicht und somit Geschwindigkeitseinbußen die Stufen hinab balancieren mussten.   Auf jeden Fall hatte er einen großen Sicherheitsabstand gewonnen, als seine Füße endlich den Asphalt der nächtlichen Straßen Gothams berührten und er hielt sich nicht weiter mit den Gedanken an einen Kampf auf. Ohne Waffen bedeutete es ein sinnloses Unterfangen. Seine Pistolen würden sich ohne ein manuelles Update seinerseits schon bald selbst zerstören und vielleicht einige Hände mit sich ins Verderben reißen, um einen Missbrauch musste er sich also keine Sorgen machen.   „HOOOOOD!“   Er machte den Fehler, einen Schulterblick zu riskieren, als ihm Nis aufgelöste Stimme in den Ohren dröhnte und er konnte die Farbe praktisch aus seinem Gesicht sickern spüren.   Heilige Schande, war das ein Raketenwerfer?!   Ein kohärenter Gedanke bildete sich nicht mehr, eher bewegten sich seine Beine auf Autopilot, als er mit so kraftvollen Sätzen, wie ihm sein Körper erlaubte, zur Seite ausbrach und sich blindlings über die hüfthohe Mauer schwang, auf deren anderen Seite einige Meter tiefer einer der Flüsse der Stadt verlief, welcher davon, konnte Jason in der Hitze des Augenblicks nicht sagen.   Knapp über seinem Kopf fegte die Explosion mit ohrenbetäubendem Knall Trümmer, Steine und Metallteile quer durch die Luft   Er fiel und durch den Nebel seines Lärmtraumas hörte er nur noch dumpf den letzten Ausruf Nis, so voller Hass und Entschlossenheit, dass es ihm schauernd den Rücken herunter lief.   „Ich werde sie rächen, Hood! Merk dir meine Worte, ich werde alles tun, um sie zu rächen! Hörst du mich, du rotes Schwein?!“   ‚Heh ... Hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber von dem Kerl kann sich Batsy ‘ne Scheibe abschneiden.‘   Dann tauchte er ins Wasser ein und verlor für eine ganze Weile die Orientierung.   ---   Er erwachte zu Anarchie. Gedämpfte Schüsse verschiedenster Feuerwaffen, kleine Explosionen, Krachen, Klirren, Motorengeräusche und durchdringendes Geschrei rückte jedoch gegen das Stimmengewirr direkt in seinem Ohr in den Hintergrund. Zuerst wusste er sie ebenso wenig einzuordnen wie all das andere Chaos um ihn herum, doch nach einigen desorientierten Momenten erkannte er sie als jene seiner Familie.   „Ich weiß es nicht, Nightwing, okay?! Er redet mit mir genauso wenig wie mit dir!“   „Er hat das sinkende Schiff längst verlassen, Vater, warum glaubst du mir nicht endlich?! Es wäre eins zu eins Red Hoods Modus Operandi, das Fass zum Bersten zu bringen und uns die Sauerei aufwischen zu lassen! Wozu diesem Feigling nachhängen?!“   „Weil dieser ‚Feigling‘ nie im Leben eine Stadt verlässt, in der er auf der Hitliste ganz oben steht, du Vollidiot! Er würde nicht mal dann verschwinden, wenn wir ihn auf Knien darum bitten würden!“   „Ich stimme Red Robin zu. Ich mag ihn noch nicht so gut kennen wie ihr, aber nach dem, was ich weiß, lässt er sich so eine Show nicht entgehen.“   „Verdammt nochmal, Hood, melde dich endlich! Wo steckst du?! Hood, melde di-“   „Agent A, wie sieht es mit seinen Körperfunktionen aus?“   „Wo Sie mich darauf hinweisen, Sir, sie sind nicht mehr besorgniserregend niedrig. Ich wage zu behaupten, dass er das Bewusstsein wiedererlangt haben könnte, wo auch immer er sich gerade befindet.“   „Red Hood! Hörst du mich, Hood? Wach auf und erstatte Bericht!“   „HOOD!“   „Boss!“   „Wir wissen noch nicht mal, ob er überhaupt bewusstlos ist, B! Er könnte im Sterben liegen, Himmelnocheins!“   „Position beibehalten, Nightwing!“   „Nightwing, Schluss jetzt mit deinen Horrorvisionen! Er ist beileibe widerstandsfähiger als das, der stirbt nicht so schnell!“   „Und wenn, kommt er zurück. Praktisch.“   „Signal.“   „... Entschuldigung.“   „Hood, antworte! Bitte! Wir laufen hier auf dem Zahnfleisch, verdammt nochmal!“   „Boss!“   „Hood, wir brauchen dich hier, okay?! Das ist eine Sache, die du nicht einfach totschweigen kannst, aber was auch immer du angestellt hast, lass uns drüber reden!“   „Warum geht ihr alle davon aus, dass es seine Schuld ist?!“   „Wann ist etwas nicht seine Schuld?“   „Du hast ihm letzte Woche die Schuld am Massensterben der Zugvögel angedichtet, also komm mir nicht mit rhetorischen Fragen, du Arschlochkind!“   „Red Robin. Robin.“   „Aber Vater, er-“   „Robin.“   „... Tse.“   „Hood ... Bitte ... kommen! Das ist kein Spaß mehr!“   „Antworte uns, Hood. Komm schon. Bitte!“   „BOSS!!!“   Jason riss die Augen auf, als endlich zu seinem benebelten Hirn durchsickerte, dass eine der eindringlichen Stimmen nicht aus einer Leitung drang, deren andere Seite meilenweit von ihm entfernt war, sondern direkt neben seinem Kopf erklungen war. Seine Hand bewegte sich automatisch und umfasste einen schlanken Hals, den er mit Schwung zu sich herunterriss und sich im gleichen Zug halb herumdrehte, um den Aggressor unter sich zu begraben.   Zu Sevins Glück hatten sich schon die meisten seiner Synapsen ausreichend verbunden, um ihm entsprechende Signale zu senden, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden, bevor er ihre Luftröhre zerquetschte.   Sofort ließ er sie los und sprang auf die Füße, sich wild umsehend, während sie sich hustend die Gurgel massierte.   Sie befanden sich in einem Lagerhaus, dem Interieur nach zu urteilen an einem der Piere. Modriger Gestank lag schwer in der Luft, mehr Roststellen als gewöhnlich blühten an den Wänden aus Wellblechen. Die meisten der kleinen Fenster waren zerstört, in einem Großteil standen Sevins Leute, schwerbewaffnet und immer wieder Schüsse durch die entstandenen Luken auf einen unbekannten äußeren Feind abgebend.   Und in seinem Ohr überschlugen sich nach wie vor die Stimmen des gesamten Bat-Clans, aus irgendeinem Grund vollständig versammelt in den Straßen Gothams, was zweifellos von Ausnahmezustand zeugte.   Er schaltete seinen Kommunikator aus.   Ohne den Blick vom allgemeinen Geschehen abzulenken, streckte er eine Hand aus und fragte mit professioneller Autorität in der Stimme: „Was ist hier los?“ Mit einem abschließenden schwachen Husten packte Sevin zu und ließ sich von ihm auf die Beine ziehen: „Schön, dich wiederzuhaben, Hood. Wir haben schon befürchtet, dass dein Bad in der Gotham Bay ein paar Stündchen zu lang gedauert hat.“ Ein leichtes Neigen des Kopfs implizierte seinen genervten Blick und sie wies ihn an, ihr zu einem der Fenster zu folgen: „Es ist ungefähr zehn Stunden her, seit wir jeden Kontakt mit dir verloren haben. Um die gleiche Zeit kam der öffentliche Ausruf eines Kopfgelds von der chinesischen Mafia. Derjenige, der es schafft, ihnen deine verstümmelte Leiche zu bringen, kassiert drei Millionen Dollar.“ Mit heilloser Verblüffung pfiff er anerkennend durch die Zähne: „Stolzer Preis. Wundert mich, dass du die Gelegenheit nicht wahrgenommen hast.“   „Glaub mir, es war verführerisch genug.“   Sie wandte sich dem Schauspiel außerhalb der Halle zu, einen ihrer Handlanger zu sich winkend, der Jason wortlos zwei Pistolen aushändigte, poliert und gereinigt und zweifellos kompromittiert. Jason machte sich eine gedankliche Notiz, sie alsbald ausgiebig zu testen und wenn alles vorbei war zu entsorgen. Im Moment hatte er leider keine Zeit zum Besuch eines seiner eigenen Waffenlager und musste auf seine Alliierten vertrauen. Die Tatsache, dass er noch lebte und allem Anschein nach mit Zähnen und Klauen verteidigt wurde, sprach für ihre Zuverlässigkeit.   Sevin redete tonlos weiter: „Aber ich muss an die Zukunft denken. Und da bist du lebend um ein Vielfaches wertvoller als drei Mille, wohlgemerkt. Auf jeden Fall ist das Chaos ausgebrochen, als die Kunde rundgegangen war. Jeder kleine Scheiß Drogenpanscher ist auf der Suche nach dir, ganz zu schweigen von den einflussreicheren Banden und natürlich der Triade selbst. Unsere großen Namen, wie die Blacks & Whites, halten sich verdächtig im Hintergrund, aber ich schätze, für sie ist diese Summe kaum ein Ansporn, sich in diese gequirlte Scheiße einzumischen. Was davon sich vorher in den dunkelsten Löchern herumgedrückt hatte, ist jetzt hervorgekrochen und nimmt absolut jede Konkurrenz aufs Korn, die ihnen vor die Flinte taumelt. Und es ist eine Menge, Hood, weitaus mehr als womit wir gerechnet haben. Unser neuer Spieler ist in Gotham neu, sein Syndikat ist es aber nicht. Sie haben diesen Angriff seit Längerem geplant, daran besteht kein Zweifel. Sie sind überall und sie sind mächtig. Es ist ein Wunder, dass unsere Leute dich schneller gefunden haben als sie und es war verdammt knapp, das kannst du mir glauben. Wir waren noch dabei, deine unempfängliche Masse aus dem Wasser zu hieven, da flogen uns schon die ersten Kugeln um die Ohren! Hatten keine Zeit, Wiederbelebungsmaßnahmen anzuwenden, aber glücklicherweise bist du zäh wie gegerbtes Leder. Wie geht’s weiter, Boss? Wie gesagt, sie sind hervorragend organisiert und überraschend zahlreich.“   Natürlich, dachte er düster. Nis offizieller Auftrag lautete, sich in den Gothamer Handel von ... Nun, allem einzuklinken. Sowas war unmöglich mit weniger als einer kleinen Armee schusssicherer Offensive. Und diese Armee lief nun in der Stadt Amok, gegen Kartelle, Banden, die Polizei und Batman.   Shit. Batman.   Irgendwie musste er es schaffen, Bruce nicht nur von sich, sondern auch von Ni fernzuhalten.   Dieser Mistkerl gehörte niemand anderem als ihm.   Dieser kaltblütige Mörder verdiente die Gnade der Fledermaus nicht.   Dass Oswald auf ein Eingreifen verzichtete, wunderte ihn ebenfalls nicht sonderlich, wartete er doch mit ziemlicher Sicherheit darauf, dass sich Red Hood und der unbekannte Faktor gegenseitig die Köpfe einschlugen.   Nicht nur Sevin, auch ein Teil ihrer Leute beobachteten ihn erwartungsvoll und er kam nicht umhin, sich amüsiert vorzustellen, dass sie fast erleichtert wirkte, die Verantwortung abgeben zu können. Ob das daran lag, dass sie sich an das süße Pöstchen des Ratgebers gewöhnt hatte oder dass er die Verantwortung schlichtweg noch übernehmen konnte, weil er am Leben geblieben war, wusste er nicht. Aber im Moment war das auch nicht wichtig.   Jason gönnte sich einen Augenblick Kontemplation, ehe er nickte und blitzschnell einer Kugel auswich, die durch das Fenster hindurch jagte und sich in den Zementboden grub: „Zuallererst: Lass unsere Informanten in der ganzen Stadt Gerüchte ausstreuen, dass ich immer dort bin, wo ich gerade nicht bin. Ich will, dass sie mir Batman vom Hals halten. Das hat oberste Priorität. Und ich muss jederzeit wissen, wo er und sein Vogelschwarm sich befinden. Meinst du, du kriegst das hin?“ Er war froh darüber, dass sie einen Atemzug lang überlegte, verriet es ihm doch, dass sie sich tatsächlich bemühte zu helfen und nicht versuchte, mit möglichst positiven Antworten sein Vertrauen zu erschleichen. Der Bat-Clan war kein normaler und schon gar kein einfacher Gegner, ihn zu beschatten und nicht selbst beschattet zu werden, verlangte ein hohes Maß an Raffinesse.   Schließlich nickte sie aber zuversichtlich: „Wir haben tatsächlich Männer, die gut genug sein könnten.“ Jason hob erstaunt eine Augenbraue. Ihm fielen auf Anhieb mehrere Fragen ein, die diese Aussage auslöste, doch er entschied sich für das größte Mysterium: „Wir?“   „Ich, Chichi, Bobo und Hough.“   Er stutzte. „Diese drei Flachzangen sind in Gotham geblieben? Habe ich ihnen nicht die ausdrückliche Erlaubnis erteilt, dieses Match auszusitzen?“, fragte er perplex und im momentanen Zwiespalt mit sich selbst, dann blinzelte er und musterte sie betont, „Habe ich nicht euch allen die ausdrückliche Erlaubnis erteilt, dieses Match auszusitzen? Gerade dich hätte ich nicht mitten in einem Bandenkrieg erwartet ... Was habt ihr vor, Finality?“   „Ich weiß nicht, wie oft wir es dir noch verklickern sollen, aber jeder von uns wusste genau, in was für ein Geschäft er einsteigt. Wir haben keine Angst vor Gewalt und wir haben keine Angst vor dem Tod – solange er nicht vermeidbar ist natürlich. Dieser Scheißkerl hat nicht nur dich angegriffen, sondern uns alle. Wenn wir uns ihm nicht stellen, wird jeder halbgare Nachwuchs-Pate nach unserem Posten schielen. Wir spielen nach deinen Regeln, Hood, aber die Jungs haben Kameraden verloren. Sie sind angepisst – und sie lechzen nach Blut. Wo du hingehst, gehen wir auch hin. Wir werden diesen verfluchten Wichsern zeigen, wer in Gotham das Sagen hat.“   „... Schöne Worte. Der Rest?“   „Hat sich zurückgezogen. Zumindest Tyler hat’s auf freiwilliger Basis gemacht. Einige seiner Leute haben sich uns angeschlossen, statt zu flüchten. Von den anderen weiß ich nichts.“   Unter diesen Umständen war es unmöglich, die Angelegenheit ohne Tote zu lösen – oder zumindest ohne Tote, die nach Bruces Auffassung auf seine Kappe gingen. Innerlich seufzte er schon ob der unvermeidbaren Standpauke.   Noch insgeheimer hoffte er, dass es bei einer Standpauke bleiben würde.   Ein nachdenkliches Brummen war seine einzige Antwort, ehe er seine zweite, aber nicht minder wichtige Anweisung enthüllte: „Während die Fledermäuse beschäftigt sind, muss ich unter allen Umständen mit Gao zusammenkommen. Wenn Batman ihn zuerst erwischt, werden wir unsere Rechnung nie begleichen können.“   „Gao?“   „Gao Ni, der Anführer des Strangs der Tiraden. Wenn wir ihn erledigen, werden sich seine Leute zerstreuen und wir können sie gefahrlos ausschalten. Im Moment bin ich glücklicherweise sein persönliches Ziel, aber nachdem er mich fertiggemacht hat, will er Anteile am gesamten Handel.“   „An was?“   „Allem, Finality. Und ich weiß nicht, wie’s mit dir steht, aber das sitzt mir quer im Hals.“   „Ich muss zugeben, ich habe auch schon bessere Nachrichten gehört.“   „Zum Beispiel die, dass ich ihn heillos gegen mich aufgebracht und auf mich fixiert habe?“   „Wie hast du das nur geschafft?“   „Mit meinem einnehmend charmanten Wesen.“   „Kann ich mir bildlich vorstellen.“   Sie nickte verständig: „Okay, wir können euch zusammenbringen, zumal die Chinesen auf jede kleine Info über dich anschlagen wie ein Haischwarm auf rohes Fleisch – nicht dass ich bis jetzt kapiert habe, warum das so ist. Aber bist du sicher, dass du ihn erledigen kannst?“ Sie hob beschwichtigend die Hände, bevor er pikiert antworten konnte: „Reines Interesse. Du neigst dazu, mehr abzubeißen, als du schlucken kannst. Und du kannst nicht davon ausgehen, dass der Kerl fair spielt. Wenn er weiß, wo er dich finden kann, musst du mit einer Menge Gegenwehr rechnen. Apropos – ich schlage dringend vor, uns von hier zurückzuziehen. Inzwischen ist es so gut wie sicher, dass er auf dem Weg hierher ist und wenn du ihn an einem Ort konfrontieren willst, an dem dich die Fledermäuse nicht stören, müssen wir zuerst wieder abtauchen.“   „Triftiges Argument. Nach dir.“   Mit einem Zeichen zum Rückzug an alle Anwesenden machten sich Jason und Sevin durch einen Kanaleinstieg davon, den Deckel mit einer Sprengladung versiegelnd, ehe sie die Richtung zu einem sichereren Unterschlupf wies: „Ich weiß, ich sagte, dass unsere Leute Batman durchaus eine Weile beschäftigen können. Das ist aber nur der Fall, wenn sie weglaufen dürfen. In einem Kampf könnten sie eventuell ein paar Wimpernschläge lang ihren Mann stehen, aber diesem Monster gewachsen sind sie auf keinen Fall.“   „Nicht so schlimm, persönliches Eingreifen wird nur in bestimmten Fällen nötig sein. Bleibt auf Abstand. Ärgert die Fledermäuse, aber bestreitet keine unnötigen Kämpfe. Und falls ihr andere Banden in Konfrontation mit ihnen oder Gaos Leuten seht, greift auf keinen Fall ein. Das hier ist nicht nur ‘ne Sache zwischen den Chinesen und uns – gönnt dem Rest der Stadt auch ihren Spaß. Vielleicht sind am Ende der Nacht einige Kartelle so geschwächt, dass wir sie übernehmen können. Bedeutet für uns erweiterten Kundenkreis.“   „Wohin willst du ihn lotsen? Es gibt kaum ein strategisch vorteilhaftes Gebiet, auf dem dich weder der Feind noch das Gesetz vermuten wird.“   „Oh, ich glaube, ich habe da schon eine Idee.“   ---   „Hast du dir das auch wirklich gut überlegt?“ rief Sevin über das Brüllen der Motoren und das Quietschen dutzender Reifen hinweg, während sie den gestohlenen Camaro um eine Häuserecke schlittern ließ, „Was, wenn noch gar nicht alle abgerückt sind?!“ „Keine Sorge“, grinste Jason siegessicher zurück, seitwärts auf dem Beifahrersitz kniend und hin und wieder auf einen der zahlreichen Verfolgerwagen feuernd, die sich immer wieder zu nah an ihr Heck vorwagten, „solange sie bats- und bullenfrei bleibt, ist unsere Ausgangsposition im Moment unsere beste Anlaufstelle! Und jetzt denk nicht, fahr!“   Von der Seite ertönte Roberts vorwurfsvolle Stimme: „Gordon mag ja von Stümpern umgeben sein, aber er selbst ist kein Idiot! Und Batman scheint seine verdammten unheimlichen Augen auch überall zu haben! Was ist, wenn sie dich durchschauen?! Kennst du nicht den Spruch ‚Verbrecher kehren immer an den Tatort zurück‘?!“ Der blonde Gangsterboss bremste scharf und schlug so einen hinter ihm dicht auffahrenden Geely aus der Spur, was eine kleine, aber feine Massenkarambolage nach sich zog. Jason belohnte ihn mit einem aufgestellten Daumen und zerschoss einem weiteren Gegner beide Vorderreifen.   Von der anderen Seite geierte es schwer belustigt. „Das ist bei Red Hood aber ein weites Feld, Bobo“, erwiderte Chilton heiter, high vom Adrenalin, als Conrad neben ihm einen brachialen Schlenker einlegte, um einer gegnerischen Gewehrsalve auszuweichen. Jason rollte mit den Augen: „Vertraut mir, solange unsere Leute nicht völlig versagen und Batman wie versprochen beschäftigen, wird er nicht glauben, dass es so einfach ist!“   Nein, denn er hatte ihn besser trainiert. Und solange er keine Gelegenheit bekam nachzudenken, würde Bruce seinen Plan zu spät durchschauen. Nicht viel zu spät zwar, sie durften keine Sekunde verlieren, aber nichtsdestotrotz war er zuversichtlich, seine Angelegenheiten regeln zu können, bevor ihn das Schwert der Gerechtigkeit am Hinterkopf traf.   Irgendeines ihrer Mobiltelefone klingelte Sturm und Chilton drückte sich seins umgehend ans Ohr. Einen Moment lang sah Jason nur seine Lippen bewegen, ihre derzeitige Lage zu unbequem, als dass er sie lesen konnte, bis der Mann grinsend den Blick auf ihn richtete und zu ihm hinüberrief: „Ich glaube, darüber musst du dir keine Gedanken machen, Boss! Unsere Jungs scheinen die Gelegenheit zu nutzen, ihren ganzen aufgestauten Frust an den Fledermäusen auszulassen. Und ihre gesamte Kreativität! Du magst es vielleicht nicht glauben, aber ... Mir wurde soeben mitgeteilt, dass sie in trautem Teamwork zwei Batwings in die Luft gesprengt haben!“ Sevin prustete los, Roberts verdattertes „Waaas?!“ übertönend, während Jason sich ein nasales Grunzen nicht verkneifen konnte: „Verluste?“   „Keine Toten, weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Allerdings einige Knochenbrüche auf unserer, weil Nightwing eine Gruppe bei den Vorbereitungen erwischt hat. Zum Glück nur die, die zur Ablenkung abgestellt wurde! Ich finde, sie tun einen phänomenalen Job, die Batsys so gut es geht davon abzuhalten, uns zu folgen!“   Dem hatte Jason nichts entgegenzusetzen. Einen Batwing auszuschalten war beileibe kein Kinderspiel, selbst wenn man die Schwachstellen kannte, die er ihnen im Vorfeld verraten hatte. Das musste er Bruce bei nächstbester Gelegenheit eingestehen, bezweifelte aber nicht, dass der Multimillionär Mittel und Wege fand, sie auszumerzen.   Mit einem amüsierten Schnauben sagte er zu Sevin: „Erinnere mich daran, sie so schnell wie möglich aus dem Knast rauszuhauen ... Und ihnen einen saftigen Bonus zu überweisen!“ Sie wischte sich kichernd Lachtränen aus den Augen: „Ich werd’s mir merken.“   „Und da ist schon der nächste Brüller!“   Beide blickten erneut zu Chilton hinüber, dessen Grinsen in die Breite wuchs: „Einige von uns haben sich unbewaffnet ans Batmobil gekettet und greifen jeden an, der sie befreien will. Machen sich in die Hosen dabei, aber bis jetzt hat keiner sie loseisen können.“ Seine Chauffeurin brach erneut in schallendes Gelächter aus: „Oh mein Gott, sie scheinen sich gegenseitig an Einfallsreichtum übertrumpfen zu wollen! Es ist eine Ausnahmesituation, ich weiß, aber warum fällt ihnen sowas erst jetzt ein?!“   Jason blinzelte nur verblüfft, denn, okay, das war zugegebenermaßen ein Geniestreich. Bruces Ehrenkodex erlaubte ihm nicht, wehrlose Gegner anzugreifen und selbst wenn er sie mit Betäubungsgranaten außer Gefecht setzte, kostete ihn die Befreiung von den Ketten wertvolle Zeit, die andere nutzen konnten, um sich erneut an die Karosserie zu fesseln. Bruce würde Unterstützung benötigen und die anderen zusammenrufen müssen – was sie von ihren Posten abrücken ließ.   Wenn sie wollten, konnten seine Handlanger wirklich widerlich clever sein. War das ein willkommener oder ein beunruhigender Gedanke?   Ehe er eine Antwort darauf finden konnte, meldete sich Robert zu Wort: „Wir sind im Endspurt, Hood! Meine Informanten haben mich gerade darüber unterrichtet, dass Gao sich auf direktem Kurs mit uns befindet, voraussichtliche Ankunftszeit zwanzig Minuten! Wenn wir auf dieser Strecke bleiben, wird er schon sehr bald schnallen, wohin wir unterwegs sind. Ich hoffe nur, er macht keinen Rückzieher!“ Jason überlegte kurz, nickte dann jedoch wie zu sich selbst: „Wird er nicht. Es muss ihm klar sein, dass ich in dieser kurzen Zeit keine Falle habe arrangieren können. Und wenn ich ihn nicht völlig falsch einschätze, wird er sich alle zehn Finger lecken nach einer persönlichen Gegenüberstellung ohne lästige Unterbrechungen.“   „Hoffe, du hast recht! Und ich hoffe, seine Begleitung fällt nicht allzu groß aus! Wir sind gut, aber gegen eine halbe Armee können wir nichts ausrichten!“   „Das ist auch überhaupt nicht nötig. Kümmert ihr euch um die Straßenschlachten. Gao übernehme ich allein!“   Seine Lieutenants starrten ihn an wie einen demolierten Hochsicherheitssafe. „Soll das ein Witz sein?“, stieß Chilton schließlich hervor, „Denkst du, wir haben uns hier zusammengerottet, um beim ersten Anzeichen von Stress den Schwanz einzuziehen?!“ Jason seufzte gereizt: „Hat damit nichts zu tun. Ich brauche euch, um die Chinesen in der Stadt zu dezimieren, bevor sie schmerzhafte Schneisen in unsere Reihen ziehen! Ansonsten schaffen wir es nicht, die anderen Kartelle unter Kontrolle zu halten!“   „Hood, ob du’s glaubst oder nicht, wir sind nicht die letzte Bastion Intelligenz unseres Vereins! Lass die anderen sich um die Straßen kümmern, wir gehen mit dir!“   „Ja, Mann, wie willst du dich gegen ’ne ganze Gruppe von den Typen verteidigen, wenn du’s kaum aus dem HQ geschafft hast?!“   „Hey!“   „Versuch’s gar nicht abzustreiten! Himmelherrgott, du bist gut, okay, besser sogar, das bestreitet ja niemand, aber wir wissen nicht, wie viel Unterstützung die Quittenfresse mit sich anschleppt! Sei doch mal realistisch!“   „...“   „Schmollen wird dir einen Scheißdreck helfen! Wir bleiben hier und wenn du dich auf den Kopf stellst! Endlich gibt’s mal etwas andere Action außer Buchhaltung und Klinkenputzen und du kommst an und machst einen auf einsamer Rächer?! Dir fehlen sie doch alle!“   Jasons Blick traf auf Sevin, den diese mit selbstgefälligem Lächeln erwiderte: „Ich hab’s dir gesagt, oder? Du bist nicht der Einzige, der mit unseren werten Gästen eine Pekingente zu rupfen hat. Und Hough hat völlig recht. Es könnten Dutzende sein und selbst du kannst nicht gleichzeitig überallhin schießen. Du brauchst Rückendeckung!“   Ihm fehlten die Argumente, mit ihr zu streiten. Sie hatte recht, er brauchte Hilfe. Ni hatte sich fast jeden Vorteil gesichert – Überraschung, Erstschlag, Überzahl. Bis auf einen, den Heimvorteil. Jason ...   Nein, das Hoodwink Cluster würde dafür sorgen, dass Gotham ihn bei lebendigem Leibe verschlang.   „Heh. Na schön. Machen wir’s diesmal nach eurem Gusto.“   Die Attacken der Verfolger hatten nachgelassen, doch ihm fiel auf, dass, je näher sie ihrem Ziel kamen, mehr und mehr Nebenstraßen verbarrikadiert waren und ihm so ein Ausbrechen ins Stadtinnere unmöglich gemacht wurde. Ein Glück, dass er es gar nicht vorhatte. Er musste Ni aufhalten, ehe die ganze Situation eskalierte und die Bevölkerung noch weiter in Mitleidenschaft gezogen wurde. Entgegen Bruces offensichtlicher Meinung gab es nämlich genügend Einwohner, die auf Red Hoods Methoden vertrauten.   Die Red Hood vertrauten.   Und auch wenn sie nicht unbedingt die Zielgruppe aller anderen sogenannten Superhelden sein mochten, hatte er nicht vor, ihre Erwartungen zu enttäuschen. Er würde Gao Ni kein Stückchen Land von seinem Einzugsgebiet überlassen, solange noch widerstrebender Atem in ihm steckte.   Ein Viertelstunde Hochgeschwindigkeit später befanden sie sich auf der direkten Zuleitung zum Lagerhaus am Fluss, das sie nach seiner Rettung wenige Stunden zuvor Hals über Kopf hatten verlassen müssen und alle überprüften so gut es ging ihre Waffen.   Zeit, ein paar Ärsche aufzureißen, dachte sich Jason mit finsterer Vorfreude.   Kurz vor dem Tor zum Innenhof raste ein schwarzer SUV aus einer Seitenstraße, schlitterte um sie herum, sodass Conrad unter Fluchen ausweichen musste und fuhr wenige Sekunden später mit Sevin gleichauf. Ein abgedunkeltes Fenster senkte sich und Ni stierte blutgierig und rachedurstig hinüber in Jasons verdeckte Augen. Ein stummer Austausch von Feindseligkeiten fand statt, dann wandte sich der Triadenführer langsam ab und der SUV beschleunigte, um sich vor den Camaro zu setzen und ihn wie im Hoheitsanspruch das letzte Stück zu führen. „Arschloch“, murmelte Sevin missmutig, verzichtete auf ein Zeichen Jasons jedoch darauf, ihrerseits zum Überholen anzusetzen. Sollte Ni ruhig glauben, die Oberhand zu haben – er würde sich dieses Missverständnisses schneller als genug gewahr werden.   Die Wagen brachen einmal mehr durch die Überreste des Zauns, nun vermengt auch noch mit diversen polizeilichen Absperrbändern, zogen eine rasante Runde über den großen Hof und kamen mit qualmenden Reifen gegenüber einander zum Stehen. Keine der beiden Parteien verlor weiterhin Zeit, fast simultan sprangen sie aus den Fahrzeugen, rissen ihre Waffen hoch und verharrten dann in der jeweiligen Stellung.   Einige Sekunden lang war alles still, nur die etwas entfernten Kampfgeräusche der Stadt hallten durch die feuchte Luft. Dann entspannte sich Ni, senkte aber seine Pistole nicht und gab auch seinen Leuten keine entsprechende Anweisung. Vier davon hatte der SUV beherbergt, hinter Jason und seinen Lieutenants waren noch fünf weitere Wagen gefolgt, die sie nicht zeitnah hatten ausschalten können. Nun war er froh, Unterstützung zu haben – es wäre zwar nicht unmöglich gewesen, rund zwei Dutzend gut gerüstete Männer auszuschalten, doch gerade risikoarm war es auch nicht und er wusste Ni noch nicht einzuschätzen. Andererseits waren seine eigenen Leute eine Achillesferse. Sie waren gut, soviel wusste er, aber waren sie gut genug, um sich ohne seine Hilfe gegen diese Übermacht durchzusetzen?   Es war zu schade um sie, die Einnahmen aus dem Syndikat halfen den Outlaws über so manche Durststrecke hinweg, doch Jason war klar, dass er sich nicht die ganze Zeit um sie kümmern konnte. Nicht mit einem derart hasserfüllten Gegner, der sich für fähig genug hielt, die Geißel Gothams herauszufordern. Vielleicht hatte er Glück und dieser Narr wusste überhaupt nicht, auf was er sich einließ. Doch sein Körperbau, kräftig genug um durchschlagsfähig zu sein, aber schlank genug, nicht gleichzeitig Tempo einzubüßen, ließ ihm keine große Hoffnung.   „Hood“, flötete Ni provokant und breitete die Arme aus, als wollte er die Umgebung umarmen, „Ich bin so glücklich, dich endlich wiedergefunden zu haben! Nachdem du so ruhmlos mit eingekniffenem Schwanz aus unserem Hauptquartier geflüchtet bist!“ Um ihn herum lachten seine Leute pflichtbewusst, doch Jason zuckte nur die Achseln: „Tja, deine Gastfreundschaft hat einfach schwer zu wünschen übrig gelassen und ich fühlte mich irgendwie nicht so recht willkommen. Wenn ich etwas mit der guten Suzie gemeinsam hab, ist es das vorausschauende Wesen.“   „Du niederes Insekt erkennst an, wie vorausschauend sie war?“   „Klar, sie war sogar extrem vorausschauend! Nicht jeder ist so clever, das eigene Sixpack zu schützen! Mir reicht Kevlar, aber sie hat’s stilecht mit Fett gelöst!“   Zur Rechten ertönte ein prustendes Geräusch und Jason konnte gerade noch erstaunt erkennen, dass es sich dabei um einen von Nis Männern handelte, als plötzlich ein Knall ertönte und der Spaßvogel mitsamt Blutfontäne hintenüber fiel. Er hob perplex eine Augenbraue.   ‚Huh. Einer weniger.‘   Wenn Sevin und Co. schlau genug waren, den Mund zu halten und er den Rest der Anwesenden zum Lachen über Suzie Su anregte, würde Ni sich der Probleme wohl ganz von selbst entledigen?   Ni stand mit noch ausgestreckter Pistole da, am ganzen Körper zitternd vor Wut und mit einem Zähnefletschen, das jeden Dobermann beschämt in die Flucht geschlagen hätte. Mit einem angestrengten Laut atmete er tief durch und richtete den zornigen Blick dann wieder auf Jason: „Du wirst bezahlen für deine Unverschämtheiten, Hood, das schwöre ich bei den vier Wächtern!“ Ein gutes Stichwort, und so breitete Jason die Arme aus und setzte sich vorsichtig in Bewegung: „Kein Einspruch, aber wie willst du das tun? Ich kann dir versprechen, ich werde mich wehren und meine Freunde hier werden sich ebenfalls zu verteidigen wissen. Und was du ebenfalls absolut zuverlässig einplanen darfst, ist die schon sehr bald erfolgende Erstürmung unserer illustren Gesellschaft durch das GCPD. Ganz zu schweigen vom Eingreifen Batmans, der dir sicher nicht gänzlich unbekannt sein dürfte, oder?“ Ni schnaubte verächtlich: „Pah! Polizei. Überall gleich! Feige und unfähig! Als ob die Orchidee diese Versager fürchten müsste! Und Batman? Maskierter Wahnsinniger, voller überheblicher Arroganz! Aber es stimmt, eure Helden sind nicht zu unterschätzen.“   Nun, er hatte nicht ganz unrecht. Jason fragte sich, ob er in Hongkong schon einmal Cassandra über den Weg gestolpert war und deswegen nicht ganz so blauäugig an die Sache heranging wie andere Touristen.   „Aus diesem Grund ist es wohl tatsächlich von Vorteil, wenn wir nicht allzu lange hier verweilen“, auch Ni setzte sich in Bewegung und lief in Jasons Fußstapfen, sodass sie sich wie lauernde Tiger umkreisten, „Ich mache dir einen Vorschlag: Du wirst mich begleiten, ohne vorher einen unnötigen Aufstand zu machen, und ich lasse deine Leute gehen.“   Diesmal waren es Sevin und Robert, die sich ein Lachen nicht verkneifen konnten. Jason legte den Kopf schief: „Reicht das als Antwort? Sonst irgendwelche humorvollen Einfälle, Gao?“ Überzogen seufzend blickte er gen Horizont: „Weißt du, ich würde dir ja einen fairen Kampf, Mann gegen Mann anbieten, aber so wie ich dich kennengelernt habe, gehst du keine unnötigen Risiken ein. Das ist nicht der Stil der Sus, nein.“ Ein Lidmuskel in Nis angespanntem Gesicht zuckte: „Was willst du damit sagen, Köter?“   „Dass die Familia de Flores vornehm zurückzustecken weiß, wenn die Lage gefährlich wird.“   „Du meinst, wir seien feige. Du meinst, wir fallen auf eine so offensichtliche Provokation herein.“   „Nie im Leben. Ich sage es nur, wie es ist. Und wie es die anderen Triaden zu sagen pflegen.“   Sicherungen klicken und Leder knarzte, als sich Handschuhe zunehmend fester um Gewehrkolben strafften. Aus dem Augenwinkel sah Jason, wie sich seine Leute noch mehr verspannten, als wären sie auf ein Wort bereit zum Sprung.   Das Schöne war, dass er nicht log. Das war auch der Grund, warum sich ihre Gegner so sichtlich auf die Zungen bissen, um nicht Kontra geben zu wollen, wo keines möglich war. Denn die Su-Familie war reich, keine Frage, sie war mächtig, zweifellos, sogar einen gewissen Grad von Ehrenhaftigkeit konnte man ihr zugestehen – aber Mut, Tapferkeit, Kampfgeschick, das waren keine Eigenschaften, mit denen ihre Hongkonger Geschäftspartner sie rühmten. Nicht dass Ni sonderlich ritterlich war, aber er war deutlich vom eigenen Können überzeugt – was dazu führte, dass er nach jenen Würden strebte, die man ihm versagte. Und so, obwohl er wusste, dass es gegen ihn ausgespielt wurde, konnte er nicht anders, als den Köder zu schlucken. Nur noch ein letzter Tritt.   „Weißt du, ich kann mich ja Tag und Nacht über Suzie auskotzen, aber zumindest hat sie sich mir gestellt, ohne an jemandes Rockzipfel zu lutschen.“   Das stimmte zwar nicht, sie hatte eine ganze Abteilung kranker Kinder als Geiseln genommen, aber das musste Ni ja nicht erfahren.   „Das, wenigstens das macht sie zu einer wahren Größe. Nicht dass sie nicht vorher schon ziemlich ... Naja, groß war, aber wem sage ich das.“   Oh ja, genau diese Gesichtsfarbe stand dem unerwünschten Besucher. Wenn er Pech hatte, machte es ihn gefährlicher, aber darauf konnte er im Moment nicht achten. Er musste die Angelegenheit abschließen, bevor Gotham beschloss, dass Recht und Gesetz möglicherweise doch unterhaltsamer waren.   „Ich frage mich, was sie wohl sagen würde, wenn sie dich so sehen würde, geduckt, versteckt hinter deinen standhaften Mitarbeitern.“   Nis Pistole flog einige Meter von ihnen entfernt auf den Asphalt, der Mann selbst rot wie eine Verkehrsampel, Nackenmuskulatur angehoben wie bei einem schnaubenden Stier, der nur darauf wartete über, zum Beispiel, einen leuchtend roten Helm hinweg zu trampeln.   „Du dreckiges Vieh! Du nichtswürdiger Gossenabfall! Du hast ihren Namen das letzte Mal in den Schmutz gezogen!“   „Wovon redest du? Ich hab sie gelobt!“   „Und zuvor beleidigt! Zum wiederholten Male! Obwohl ich dich immer und immer wieder davor warne, du respektloser Flegel! Sie ... war ... nicht ... dick!“   „Natürlich war sie nicht dick, sie brauchte nur Platz für innere Werte!“   „Sie war ausgesprochen figurbewusst, sie hatte sogar eine vegetarische Phase!“   „Ah, Biotonne also.“   „Oh mein Gott“, hörte Jason Sevin von der Seite murmeln und grinste.   „GENUG!“   Ni riss sich das Jackett vom Leib und schmiss es mit so viel Nachdruck zu Boden, dass Staub, ein paar fleckige Federn und tote Fliegen in kleinen Wölkchen aufstoben: „Ich habe genug von deinem unflätigen Maul! Wenn du tatsächlich denkst, mit einem Duell eine Chance zu haben, dein kümmerliches Leben zu retten, SO SEI ES!“ Nun, da er einen besseren Blick darauf hatte, erkannte er, dass es sich bei seiner schwarzen Weste um einen hochwertigen Protektor handelte.   Fair. Immerhin gedachte auch er nicht, sich seines Oberteils zu entledigen, Entschuldigung, Ladys. Nur die Lederjacke ruckte er sich von den Schultern und warf sie Conrad zu, der sie leger mit einer Hand auffing und dann etwas überrascht mit der zweiten nachgreifen musste. Seine Pistolen legte er auf die Motorhaube von Roberts Wagen hinter sich.   Ni ließ die Knöchel knacken und brachte sich in eine lupenreine Ausgangsposition: „Ich werde dir die Haut vom Leib reißen, dir einen Muskelstrang nach dem anderen herausziehen und jeden einzelnen freigelegten Knochen zermalmen!“   „Hui, brutal! Klingt nach Menschenopfer. Aber ob ich da ausreiche? Immerhin hat deine Göttin ja einen großen Appetit.“   Er konnte sich selbst kaum in Position bringen, da kam Ni bereits auf ihn losgestürmt und eine Faust raste mit atemberaubender Geschwindigkeit seinem Gesicht entgegen. So viel also zur Frage zu Nis Kampffertigkeiten.   Jason begann mit dem eigenen Angriff, indem er Nis auswich, sich unter dessen Arm wegduckte und ihm ein Knie in den Magen rammte. Es gelang, war der Boss doch von den diskriminierenden Kommentaren viel zu aufgepeitscht, um klar zu denken. Allerdings war der Schmerz, den er sich in beachtlichem Maß kaum ansehen ließ, mehr als genug als Weckruf. Offenbar hatte er seinen Posten nicht nur durch Buckeln und Händewaschen erreicht, was auch die erstaunliche Loyalität seiner Truppe erklärte.   Ni wich nur zwei Schritte von ihm ab, biss jedoch buchstäblich die Zähne zusammen und stieß mit einer Schulter voran zu, was Jason aus dem Gleichgewicht brachte, hatte sein Fuß doch noch nicht ganz den Weg zurück zum Boden geschafft. Er ließ sich bereitwillig fallen, wechselte das Bein und schwang es mit Nachdruck in Nis Kniekehlen, was diesen zwar nicht stürzen, aber ein gutes Stück zurücktaumeln ließ. Dann stieß er sich ab und rannte mit voller Wucht gegen ihn, der Schwung ausreichend für einen Freiflug in die Reihe der Gegner.   Diese flohen zur Seite, ehe sie in Mitleidenschaft gezogen werden konnten, anscheinend ehrbar genug, nicht in einen Zweikampf unter Anführern einzugreifen. Sie würden sich nicht bewegen, solange Ni ihnen keinen entsprechenden Befehl gab, was Jason einigermaßen beruhigte. Mit einem minimalen Drehen des Kopfs erkannte er, dass seine eigenen Leute sich diskret hinter ihre Wagen zurückzogen, während die Feinde vollends auf das Duell fokussiert waren. Cleverlies, alle miteinander. Er war froh, dass die der Taktik weniger zugetanen Bandenmitglieder die Stadt verlassen hatten. Frederics großes Mundwerk, auch wenn er zugeben musste, dass sich mehr dahinter verbarg als heiße Luft, hätte keinem von ihnen hier etwas genützt.   Ni schaffte es, ihre kombinierte Masse ein wenig zu drehen, sodass nicht nur er es war, dessen Seite schmerzhaft auf dem harten Asphalt landete. Kaum angekommen, rollten sie sich umgehend voneinander weg, sprangen auf und stürmten sich erneut entgegen. Jason riskierte einen Sprungtritt, dem der Gegner leger auswich, was er jedoch eingeplant hatte, denn kaum dass Ni den scheinbaren Vorteil nutzen und ihm das Knie in den Rücken rammen wollte, ließ er sich auf die Hände fallen und einen Fuß in die Höhe rauschen. Nis Handfläche klemmte sich dazwischen, doch er unterschätzte Jasons Kraft und die Schuhsohle kollidierte nahezu ungebremst mit seinem Kinn. Jason ging mit, als der Getroffene daraufhin zurückgeworfen wurde, lief dabei jedoch in einen gekonnt ausgeführten Rückwärtsüberschlag hinein.   Okay, vielleicht war Ni nicht der Einzige, der hier etwas unterschätzt hatte, musste er sich zerknirscht eingestehen.   Lieber Himmel, er war ein All-Caste! Von irgendwelchen Superschurken verprügelt zu werden, von Superhelden, wenn er gerade mal wieder eine Tiefphase hatte, von den Outlaws, von Batman, das alles würde ihm Essence verzeihen, aber ein einfacher Handlanger von Suzie Su? Sollte ihn diese Konfrontation nicht ins Krankenhaus befördern, würde sie sich darum kümmern.   Jason wollte es nicht drauf ankommen lassen.   Er fing seinen Sturz mit zwei flinken Saltos ab und fand gerade rechtzeitig die Orientierung wieder, um einem Ellenbogen ins Gesicht auszuweichen. Ni wusste offenbar genau, was er tat. Es stimmte, ein Helm konnte vor komplizierten Schädelbrüchen schützen und war unentbehrlich, einen guten Teil von schwachen bis mittelstarken Schlägen zu absorbieren, doch schwerere Treffer wie Ni sie austeilte ließen die Ohren klingeln und die Welt erbeben – was dummerweise von dem eng anliegenden Material vielfach zurückgeworfen wurde, sodass der Schutz zur Schwachstelle wurde.   Wie gut also, dass er blind kämpfen konnte, um Notfall sogar taub, im Extremfall bewusstlos. Aber so weit wollte er diese Auseinandersetzung nicht kommen lassen.   Er fiel in die Hocke, stürmte voran, geriet unter Nis zur Abwehr ausgestreckte Arme, stieß ihm den Helm unters Kinn, rammte ihm einen Ellenbogen in den Magen, rollte sich aus dem losen Griff, ließ ihn ins erhobene Knie fallen und beendete die Kombination mit einem Hieb in den Nacken. Ni ging keuchend zu Boden und er dachte darüber nach nachzusetzen, doch irgendetwas an der Körperhaltung seines Gegners ließ Alarmglocken klingeln und so machte er lieber einige Sätze zur Seite, um Abstand zu gewinnen. Nur nicht ungeduldig werden, hörte er Ducra im Hinterstübchen seines Verstands flüstern. Selbst ein scheinbar unterlegener Gegner konnte unangenehm überraschen.   Um sie herum raunten sich die Männer etwas zu, manche klangen verwundert, manche erbost, manche schienen zu fragen, ob sie eingreifen sollten. Ein Knurren ihres Anführers erstickte die Unruhe im Keim.   Ni richtete sich auf, getroffen, aber nicht so eingeschränkt wie Jason es erwartet hatte und er war froh, nicht in die scheinbare Kerbe geschlagen zu haben – es war ziemlich eindeutig, dass Ni darauf spekuliert hatte, wenn er sich noch so mühelos bewegen konnte. Er hätte mit einem Schlag gegens Knie oder einer Ganzkörperbewegung kontern können, beides wäre nicht gut für Jason ausgegangen.   Er griff wieder an, wollte er ihm doch keine Gelegenheit geben, sich die nächste Falle zu überlegen.   Sie tauschten mehrere Minuten lang Schlag um Schlag, Tritt um Tritt und hier und da gefährliche Würfe aus, denen Jason ein paar mehr Male erfolgreich entschlüpfte als der ältere Mann, aber er konnte nicht abstreiten, dass Ni eine hervorragender Kämpfer war. Nicht besser als er selbst, aber gut genug, um die Sache empfindlich in die Länge zu ziehen. Zeit für eine Planänderung.   Seine Schweißproduktion konnte er nicht auf Knopfdruck ankurbeln, aber zumindest die Atmung konnte er den Begebenheiten anpassen. Und so atmete er ein wenig hastiger, wischte sich demonstrativ mit dem Ärmel über die Stirn und schnappte ein paar Mal so offensichtlich heimlich wie möglich nach Luft.   „Pah“, Ni sprang augenblicklich auf die Finte an – ob durch Arroganz getrieben oder durch sein überlegenes schauspielerisches Talent konnte er nicht sagen, „bist du etwa schon müde? Ich habe gehört, Red Hood sei einer der stärksten Psychopathen dieser ekelerregenden Stadt! ... Wenn auch nicht gerade der Klügste. Und anscheinend auch nicht der Ausdauerndste.“ Wieder ertönte um sie herum gewissenhaftes Gekicher. Ni grinste hinterhältig und schlich in einem Halbkreis um Jason herum, als wollte er ihm freundlicherweise eine Pause gönnen. Doch kaum, dass dieser erneut eine Hand ans Gesicht hob, um sich über die Augen zu streichen, nutzte er die temporäre Unachtsamkeit und sprang direkt in seine unmittelbare Komfortzone.   Jason ließ es geschehen.   Ni hielt es nicht einmal für nötig, ihn weiter mit Kung-Fu-Attacken zu beharken, stattdessen verließ er sich auf die Durchschlagskraft einiger simpler Boxhiebe ins Gesicht, um Jason die Schande der Unterlegenheit einzuprügeln. Rechts, links, rechts, zwei in den Magen und als er sich vornüber krümmte, packte Ni seinen Arm, rollte sich unter seine Schulter und warf die gesamte Masse an Gerechtigkeitskämpfer mit einem energischen Überschlag in den Dreck.   Die Resonanz im Helm ließ ihn für Sekundenbruchteile nur noch dumpfes Klingeln vernehmen und als er wieder klar denken konnte, hockte Ni über ihn gebeugt, mit einem Messer an seiner Halsschlagader und rief warnend: „Keine Bewegung oder ihr könnt euch seinen kopflösen Kadaver an die Wand hängen!“ Jason vermutete, dass seine Leute ihm zur Hilfe zu kommen versucht hatten, auch wenn er sie aus diesem Blickwinkel nicht sehen konnte.   Interessant. Hatten sie Angst um ihren Schutzwall oder ...   Seine Gedanken wurden unterbrochen von Nis fassungsloser, von Abscheu triefender Frage: „Wie um alles in der Welt ist es nur möglich, dass sich die edle Miss Suzie mit einem Schwächling wie dir abgegeben hat?!“ „Sie mochte meine schonungslose Ehrlichkeit“, gab Jason bereitwillig Auskunft, kaum eingeschüchtert von seiner unterlegenen Stellung, „Natürlich nicht besonders lange, nachdem sie gemerkt hatte, dass ich sie trotz aller Drohungen beizubehalten gedachte.“ Das Messer drückte in seine Haut und er spürte das Brennen eines seichten Schnitts.   „Was wolltest du von ihr?! Ihr habt wohl kaum in den gleichen Etablissements verkehrt?!“   „Hey, von ihr wollte ich gar nichts. Mit ihrem Alten hatte ich ein Hühnchen zu rupfen. Sie war einfach da. Und stand im Weg. Und leider ging kein Weg um sie herum. Der Ballsaal war zu klein.“   Der Schrei kämpfte sich aus Nis fest aufeinandergebissenen Zähnen, doch ehe er die Schneide fatal höher schieben konnte, hatte Jason seinen Unterarm umfasst und ... drehte.   Die Wut verwandelte sich in Schmerzensgebrüll, der Feind fuhr auf und von ihm weg, den gebrochenen Arm mit dem anderen umschlungen.   Jason verlor keine Sekunde, sondern sprang seinerseits auf und in Richtung seiner Verbündeten, die ihn mit ungläubigen und leicht prüfenden Blicken musterten – suchten sie nach Verletzungen?   Er schüttelte den Kopf. Im Moment konnte er wirklich nicht an zwei Fronten kämpfen und egal, was Sevin und die anderen Spießgesellen sich für einen Ausgang erhofften, er würde ihnen den Gefallen sowieso nicht tun. Stattdessen wandte er sich wieder Ni zu, der entgeistert und vor Schmerzen ächzend seinen Unterarm an sich drückte. Das Messer hatte er nicht losgelassen. Nicht von Belang.   „Weißt du, deine geliebte Suzie hat sich nicht so in ihren ‚Etablissements‘ eingeigelt wie Shixin. Hat dir niemand erzählt, wie die Frau zu leben wusste?!“, Jason hob mit erhobenen Händen die Schultern an und schüttelte besserwisserisch den Kopf, „Okay, jetzt vielleicht nicht mehr so sehr, aber du verstehst, was ich meine. Ich kann mich sogar daran erinnern, sie einmal am Strand getroffen zu haben. Hab sie gegrüßt, aber sie war zu beschäftigt mit dieser Pfadfinder-Gruppe von Greenpeace.“ Ni kniff verständnislos die Augen zusammen: „Warum sollte sie sich mit irgendwelchen Umweltfanatikern-“   „Oh, Aufregung pur! Sie dachten, eine Blauwal wäre gestrandet.“   Er hatte es tatsächlich geschafft. Er hatte ganze drei oder sogar vier Triadenmitglieder zum Lachen gebracht. Und diese durften jetzt wohl sehr eindringlich hoffen, dass nicht Gao Ni diesen Kampf für sich entschied.   Nach dem lauten, sehr lauten, aber auch recht kurzweiligen Prusten um sie herum konnte man einige gefährliche Momente lang nur Nis schwere, vor Erregung pfeifende Atemzüge vernehmen. Seine Augen waren so weit aufgerissen, dass Jason hoffte, sie aus den Höhlen treten sehen zu können, reichlich unbeeindruckt von dem überwältigenden Hass, der ihm aus ihnen entgegen brannte. „Ich werde dich ...“, knurrte Ni schließlich, brach ab, schluckte mühsam und setzte erneut an, „Ich werde dich schlachten und ... und deine Eingeweide auf Gothams Marktplätzen aushängen, du ... du verlauster Hurenbock einer ... einer verschissenen KUH!“   Jason sah ihn reglos an.   Ni runzelte die Stirn: „Eigentlich reagieren barbarische Schichten der Gesellschaft recht ungehalten auf die Beleidigung ihrer Mütter ...“   Jason kratzte sich verlegen am Kinn: „Ja, nun ... Bei ihr handelte es sich tatsächlich nicht um das vorbildlichste Wesen auf Gottes weiter Erde, also ...“   „Das war eigentlich dein Stichwort, dich mir in blindem Zorn entgegenzuwerfen, sodass ich dir ungebremst mein Messer in die Brust rammen kann.“   „... Oh! ... Oh. Du bist nicht so gut in diesem ganzen Anstacheln-Gewerbe, richtig?“   Und Jason sorgte dafür, dass alle sein süffisantes Grinsen aus seiner Stimme heraushören konnten, als er sich provokant auf die Brust klopfte und mit schiefgelegtem Kopf vorschlug: „Aber wozu einen guten Plan aufgeben, nur weil er durchschaut wurde? Versuch es! ... Auch wenn ich natürlich ein etwas kleineres Ziel abgebe als deine selige Chefin.“ Sein Grinsen wuchs zur maximalen Spannweite an: „Ein wesentlich, wesentlich kleineres Ziel.“   Keinen Atemzug später kollidierte Nis Schneide mit seiner Brust.   Oder besser gesagt, der roten Brustplatte – in all ihrer taserverkabelten Pracht. Der Stromschlag, der seinen Feind in ein eigenartig quiekendes, zitterndes Brett verwandelte, schlug Funken und die übrigen Umstehenden mit verschiedenartig schockierten Lauten in die Flucht. Zu überrascht zu handeln, konnten sie nur in einem weiter ausgedehnten Kreis als zuvor um sie herumstehen und das Schauspiel mit morbider Faszination verfolgen.   Als der Taser sich nach dem eingestellten aktiven Zeitraum selbst abstellte, rechnete Jason mit einem freien Fall rückwärts, doch einmal mehr überraschte ihn Ni, denn der massige Mann fiel zwar mit verdrehten Augen hintenüber, fing sich aber im letzten Augenblick und stand breitbeinig keuchend einige Sekunden lang da, nach Atem und Orientierung ringend, bis der glühende Blick zurück zu ihm gefunden hatte.   Und Ni schrie zwei Worte in Mandarin, fuhr herum und rannte los.   „Deckung“, brüllte Jason seinerseits, machte auf dem Absatz kehrt und hechtete über die Motorhaube von Chiltons Wagen, um sich dahinter zu kauern und die nach kaum einer Schrecksekunde erfolgenden ersten Salven über seinen Kopf hinwegrauschen zu lassen. „Lass mich raten“, ertönte es gepresst neben ihm, „das feige Schwein hat ihnen befohlen, uns zu töten.“ „Jepp“, erwiderte er nur und nahm dankbar nickend seine Pistolen von Sevin entgegen.   „Er flieht Richtung Docks.“   „Jepp“, Jason schoss in die Höhe, feuerte die Magazine leer und tauchte wieder ab. Sevin reichte ihm zwei Volle: „Nicht weit von hier ist ein Motorbootverleih.“   „Jepp.“   „Er mag verletzt sein, aber einige einfache Angestellte eines Bootsverleihs werden ihm kaum ernstzunehmenden Widerstand leisten können, vor allem, wenn er noch eine versteckte Handfeuerwaffe mit sich führen sollte.“   „Jepp.“   Jason wiederholte die Aktion und sie sorgte erneut für Nachschub: „Mit einem Motorboot ist der Fluss schnell überquert. Und es wird ihn nicht viel Mühe kosten, auf der anderen Seite mit seinen Leuten Kontakt aufzunehmen und sich neu zu organisieren.“ Jason entfuhr ein gereiztes Seufzen und er drehte sich ihr voll zu: „Willst du mir mit diesen Selbstverständlichkeiten irgendwas mitteilen, Finality?! Denn wenn ja, drück dich gefälligst deutlich aus!“   „Sie will damit fragen, was zum verfickten Andenkondor du immer noch hier tust, Hood!“   Chilton erschien aus dem Nichts an seiner Seite, riss die Hintertür des Wagens auf und tauschte seine Halbautomatik eilig gegen das glänzende AK-47 vom Rücksitz. „Genau“, rief Conrad von weiter weg herüber, wo er neben seinem eigenen von konstanten Treffern bebenden Auto hockte und bei jeder Gelegenheit durch die zerschossenen Fenster das Feuer erwiderte, „verschwinde endlich! Hier will dich niemand haben!“   „Entschuldige mal, das ist das, was ich für freundliche Hilfsbereitschaft bekomme?! Wie weit, meint ihr, werdet ihr ohne meine Unterstützung kommen?!“   Vom letzten Wagen aus sendete ihm Robert einen höchst impertinenten Mittelfinger.   Buchstäblich.   Das blutende Körperteil prallte an Jasons Helm ab und rollte unter die Karosserie. Sevin warf ihrem Kollegen einen angewiderten Blick zu und er trat einen sich am Boden rollenden Gegner von sich, der sich laut kreischend eine Hand hielt, ehe er die eigenen in die Höhe warf und ausladend Richtung Ausgang fuchtelte.   „Was dir Bobo in seiner manchmal etwas missverständlichen Art sagen möchte“, meinte Sevin eindeutig zu ruhig für die Situation, „ist, dass wir die Lage im Griff haben und du gefälligst deinen Arsch in Bewegung setzen sollst, um Gao zu verfolgen! Du hast ihn nicht aufwendig weichgeklopft, um ihn jetzt davonkommen zu lassen, oder?!“ Jason starrte sie entgeistert an, wollte eben erwidern, dass er den Mistkerl natürlich nicht entkommen lassen wollte, aber-   Chilton entsicherte das Maschinengewehr und spannte sich wie zum Sprung an: „Da geht’s raus, Boss! Ich geb dir Deckung!“ Sevin nickte ihm nur entschlossen zu.   „Schnapp ihn dir, Hood. Wir kümmern uns ums Kleinvieh.“   ---   Ni hastete so schnell ihn seine kribbelnden Beine trugen über den schmutzigen Asphalt, vorbei an schmutzigen, am Straßenrand parkenden Autos, die er aber nie schnell genug würde kurzschließen können, an schmutzigen Warenhäusern, schmutzigen, abgerissenen Hafenpennern, schmutzigen Schiffen, Booten und Nussschalen und nicht zuletzt schmutzigem, stinkendem Wasser, das ihm den letzten Atem in den frenetisch pumpenden Lungen verpestete.   Was für eine widerliche, schmutzige Stadt voller widerlicher, schmutziger Würmer! Und an diesem Ort hatte Suzie ihr Leben ausgehaucht, in irgendeinem schmutzigen Gebäude an irgendeiner schmutzigen Straße! Es war unentschuldbar! Bezahlen sollte Gotham, dass es erlaubt hatte, eine so großartige Frau kaltblütig ermorden zu lassen! Aber erst würde das maskierte rote Schwein dran glauben müssen. Schmerzhaft und langsam würde er Red Hoods Ende gestalten, seines und jene aller seiner Leute und Geliebten! Wer das war, wollte er schon bald aus ihm herauspressen.   Er konnte es nicht abwarten, wieder genügend seiner Leute zusammenzurufen, um die Rache endlich zu verwirklichen!   In der Ferne leuchtete die Neon-Reklame eines Bootshauses in die Nacht und sadistische Vorfreude schwelte in seiner Brust auf. Mit einem Boot konnte er zum gegenüberliegenden Stadtviertel gelangen. Dort würden mit Sicherheit genug seiner Leute auf ihn warten, um seine neuen Pläne in die Tat umzusetzen. „Warte nur, Red Hood“, spuckte er geifernd hervor, „Du wirst dir schon sehr bald wünschen, nie die liebliche Gestalt der kolossalen Miss Suzie kennengelernt zu haben!“   Im nächsten Moment hallten metallisch klappernde Schritte neben ihm durch die Luft.   „Jau, ‚kolossal‘ trifft den Nagel so ziemlich auf den Kopf!“   Jason sprang über die Dächer der parkenden Autos geradewegs auf ihn zu. Die Sohlen seiner Springerstiefel gruben sich in sein Gesicht und brachen ihm mit einem ungesunden Knacken die Nase, das Gewicht des niedergehenden Körpers drückte ihn nach hinten und er ging mit schmerzerfülltem Grunzen zu Boden. Ehe er seine Sinne zusammensammeln konnte, imitierte sein Angreifer ihre vorherige Position, rammte ihm aber zusätzlich ein Knie in den Magen und anstatt einer sensenscharfen Schneide presste sich ein Pistolenlauf an seine Kehle.   „Endstation, Arschloch.“   Ni starrte ihn wutentbrannt an, seine Züge durch das aus der Nase fließende Blut kaum gemildert: „Du besitzt wirklich keinen Funken Ehre im Leib, was, Hood? Lässt deine Leute um ihr Leben kämpfen, während du einem einzelnen Verletzten auflauerst!“ Jason schnaubte verächtlich: „Das sagt der Richtige. Bist du nicht als erster abgehauen, indem du kaltblütig deine eigenen Jungs geopfert hast?“   „Als ob deine Handvoll kläglicher Amis die tapferen Krieger der Orchidee besiegen könnte! Ich habe sie nicht zurückgelassen. Sie werden schon sehr bald zu mir zurückkehren.“   „Wer sagt dir, dass sie nicht längst alle über den Vaitarani gesegelt sind?“   Nis Ausdruck verdunkelte sich noch mehr, ein schadenfreudiges Lächeln umspielte seine Lippen: „Wofür hältst du mich, Hood? Ich habe mich sehr genau über dich informiert. Du gehörst zu Batman. Ein Gefolgsmann von Batman tötet nicht!“ „Mir gefällt deine Ausdrucksweise nicht“, warnte Jason eindringlich und das Lächeln verschwand, als sich der kalte Stahl noch etwas tiefer ins zuckende Fleisch bohrte, „Weder ich noch mein Verein folgen irgendeinem dieser Weltverbesserer. Nur weil ich mich hier und da mit ihnen gutstelle, heißt das nicht, dass ich Typen wie dich ohne ein ordentliches Loch im Schädel auf meinem Turf Scheiße bauen lasse!“   „Tatsächlich? Und wieso hast du dann nicht schon längst abgedrückt? Schon von hinten? Schon bevor du mich zum Zweikampf herausgefordert hast?!“   Jason erwiderte nichts, ragte nur über ihm auf wie ein paralysierter Kriegsgott und Ni lachte laut auf: „Du kannst es nicht! Er hat dich vollkommen unter Kontrolle! Weiß er, wer du bist? Frisst du ihm deshalb aus der Hand, weil er dich in dem Augenblick, in dem du einen Menschen umbringst, geradewegs ins Gefängnis zerren wird?!“ „Halt den Mund, Gao“, zischte Jason wütend, verärgert durch die viel zu nah an der Wahrheit kratzenden Situation, „du hast keine Ahnung, wovon du redest. Halt’s Maul oder ich stopfe es dir mit Blei!“   Konträr zum selbstbewussten Auftreten fing seine Hand an zu zittern, vor Wut, vor Frust ... vor Angst. Er wollte es. Er hatte lange nicht mehr so gerne abdrücken wollen wie in diesem Moment, direkt in dieses schwitzende, blutige Gesicht. Aber Bruce würde sich schon über die Kollateralschäden mehr als genug aufregen, ihr zerbrechlicher Frieden allein dadurch angegriffen werden, dass er sich nicht bereiterklärt hatte, den Kugelfang für eine Bande Auftragskiller zu spielen. Und alles hing von dem Frieden ab, von seinem Versprechen, innerhalb Gothams Grenzen nicht zu töten. Alles stand auf dem Spiel – Kooperation, Zugang zur Bathöhle, die Treffen mit Alfred, die zögerliche Annäherung mit Richard, Timothys gute Laune, Bruces Vertrauen ... Nähe. Er wollte es tun, aber gleichzeitig auch nicht. Nicht wegen dieses Mistkerls. Nicht so.   Oh Gott, was sollte er den Kindern sagen? Was sollte er, irgendwann im nächsten Leben angekommen, den drei von Ni kaltblütig abgeknallten Kindern sagen, wenn sie ihn fragten, was er gegen ihren Mörder unternommen hatte? Was er unternommen hatte, um ihre Eltern und ihren Bruder zu schützen?   Seine Hände zitterten nun so sehr, dass es unmöglich für Ni war, es nicht zu spüren und ganz richtig fing er im nächsten Moment erneut an, selbstgefällig zu grinsen.   Jason drückte ihm den Lauf der Waffe noch etwas fester an die Kehle, doch Bruces enttäuschtes Gesicht wollte einfach nicht dem überschwänglichen Zorn weichen.   Und schließlich, nach mehreren Minuten anstrengenden Status Quos, ließ er die Pistole sinken, rammte dem feixenden Gegner dafür aber den Helm vor die sowieso schon blau angelaufene Nase und packte den stöhnenden Mann am Kragen, um ihn unsanft mit sich zu ziehen: „Komm schon, Wichser. Wir finden dir ‘ne schöne feuchte Gefängniszelle, in der du für den Rest deines kümmerlichen Lebens einsitzen kannst.“   Pah! Wunschdenken.   Sprach’s, ging einige Schritte und blieb wie angewurzelt stehen.   „... Fuck.“   „Auch dir einen wunderschönen guten Abend, junger Freund. Wie ich sehe, hast du deinen Fall abgeschlossen! Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr mich das mit Genugtuung erfüllt.“   Jason schloss zähneknirschend die Augen: „Scheiße, ich hätte wissen müssen, dass du mich beschatten lässt, Pinguin.“   Oswald schmunzelte, Hände über dem Knauf seines Regenschirms gekreuzt: „Ja. Ja, das hättest du tatsächlich, Kleiner. Aber von mir aus: Überraschung!“ Neben ihm stand Warren, grinsend wie durch eine besonders vorteilhaft gesetzte Pointe erfreut und rechts und links von ihnen sogar noch einige der bekannteren Gangsterbosse, als hätte die Stadt all ihren Abfall kräftig in seine Richtung gerotzt.   Jason stöhnte.   Hinter Oswald hatten sich mehrere Schergen aufgereiht, doch bei der Vorsicht des Mannes vermutete er noch eine ganze Menge mehr, verborgen in der näheren Umgebung.   Er steckte in der Bredouille. Die Frage war, was die Blacks & Whites eigentlich von ihm wollten.   Wie so oft, entschied sich Jason für einen humorvollen Anlauf: „Hör zu, Pinguin, mein Alter, ich freue mich ja mindestens genauso sehr, dich zu sehen, aber ich fürchte, unser Famiglia-Kränzchen muss noch eine Weile warten. Sieh mal, ich hatte ‘ne ausgesprochen anstrengende Nacht und jetzt hab ich hier ’ne Expresssendung an Gordon am Schlafittchen, die sich leider nicht aufschieben lässt, das wirst du doch sicher verstehen? Lass mich diese Frühlingsrolle fristgemäß abliefern und danach können wir uns solange unterhalten, bis einem von uns der Kragen platzt.“   Was nicht besonders lange dauern sollte und er deshalb vielleicht doch noch einige Stunden Schlaf unter die Mütze würde scheffeln können, ehe er sich Bruces ewig gleichen Vorhaltungen stellen musste.   Oswald hatte andere Pläne.   „Momentchen mal, Hood“, krähte er verdrossen, „meinst du nicht, dass wir da auch noch ein Wörtchen mitzureden haben?“ Jason wusste beim besten Willen nicht, was er meinte und äußerte das mit einem peinlich verständnislosen Laut. „Jetzt mach mir nicht einen auf Vergissmeinnicht, Junge“, fuhr Oswald säuerlich fort, „Dank dieser Pissbirne da ist mein wundervoller Club nur noch ein aschebedecktes Floß! Red Hood. Du bist ein Syndikatsleiter. Wenn du noch immer nicht weißt, wie man bei uns eine Schuld begleicht, solltest du deine Karrierepläne umstellen. Wie wäre es mit Babysitter?“   Neben sich spürte Jason Ni sich anspannen.   „Du willst mich nicht in der Nähe deiner Kinder haben, Cobblepot, vertrau mir.“   „Ich weiß. Du würdest sie von irgendwelchen gelben Fickfratzen abknallen lassen.“   Schneller als irgendjemand reagieren konnte, hatte er die Pistole hochgerissen und zielte nun konsequent auf Oswalds Kopf. Offensichtlich hatte ihm sein verfehlter Bombenexperte den Ausgang der Rettungsmission berichtet. Eine offene Wunde, die der Pinguin nur zu gern bereit war auszunutzen. Aber das Schlimmste war, dass er nicht grinste. Er meinte es ernst. Es war ein Vorwurf. Und er war an Jason gerichtet, an den Mann, den er zur Lösung der vertrackten Situation abgestellt hatte – und der auf ganzer Ebene versagt hatte.   Oswald winkte entschlossen ab, als um sie herum Waffen gezogen und entsichert wurden: „Haltet euch zurück! Ich will hier kein Blutbad haben! Ich ... Nein, wir wollen nur eins! Das Leben des Kerls, der unsere Liebsten und unser Eigentum auf dem Gewissen hat! Und wenn du nicht bereit bist, ihn uns auszuliefern, Hood, kann ich leider auch nicht für deine Sicherheit garantieren! Die Toten wollen Blut sehen und ob das verlangte ein bisschen mit dem unschuldigen verschwimmt, wird sie in ihrem Groll kaum interessieren.“   Jason glaubte keine Sekunde lang, dass Oswald Rache für die Opfer des Bandenkriegs wünschte. Er war nur pikiert wegen all der materiellen Einbußen. Aber er hatte ihm eine Perspektive eröffnet.   Eine attraktive Perspektive, die ihm nicht erlaubt war, weiter zu verfolgen.   „Ich hab ‘ne Abmachung mit Batman, Cobblepot“, erklärte er eindringlich, seine Finger sich noch etwas mehr um den festen Stoff von Nis Kragen schließend, denn der Mann fühlte sich deutlich gedrängt, auf und davon zu stürmen. Und bewegliche Ziele mochte man in Gotham besonders gern.   Ihm wurde schlecht beim Gedanken, diesen Mörder zu beschützen und es war ihm unbegreiflich, wie Bruce immer und immer wieder mit einer solchen Einstellung in einen Fall eintreten konnte.   Oswalds quäkende Stimme riss ihn aus den Gedanken.   „Mit mir hast du auch eine Abmachung. Und zwar, dass du für mich arbeitest, ‚bis dieser verschissene Monat endlich verstrichen ist‘, erinnerst du dich? Du bist keiner von Batman. Du bist einer von mir. Und wer für mich arbeitet, der tut gefälligst, was ich sage!“   Und Jason hielt inne.   In jedem anderen Fall, jeder anderen Situation, hätte er dem Pinguin die spitze Nase ins Gehirn geschraubt und ihm sehr genau begreiflich gemacht, warum es keine gute Idee war, Red Hood Befehle zu erteilen.   Aber in diesem Fall, dieser Situation ...   Führte die Befolgung seiner Anweisungen einen kathartischen Effekt mit sich mit Namen Gerechtigkeit.   Es war schwer zu glauben, aber Oswald hatte ihm eine helfende Hand gereicht, eine Hand, die ihn mit wenigen Worten aus seiner moralischen Klemme gezogen hatte. Und er blieb niemandem etwas schuldig.   „Ich habe verstanden ... Mr. Cobblepot, Sir.“   Ni heulte entsetzt auf, als er den Arm, der ihn hielt, vorschnellen ließ und ihn damit schwungvoll zu Boden beförderte: „Was?! Nein! Hood! Du kannst mich nicht ausliefern! Batman wird dich mit ins Verderben reißen, du einfältiger Narr!“ Emotionslos blickte er auf den plötzlich so bescheiden um Gnade winselnden Gangsterboss hinab: „Deine Sorge rührt mich, Gao, aber sie ist unangebracht. Lass Batman ruhig meine Sorge sein ... und konzentrier du dich auf deine eigenen.“   „Bist du so verdorben, dass du die Drecksarbeit anderen überlässt?!“   „Wenn sie sich freiwillig für die Drecksarbeit melden ...“   „Hood! Denk darüber nach! Mein Leben gegen deins! Wir könnten die Sache vergessen! Du wirst mich nie wiedersehen!“   „Das werde ich auch jetzt nicht. Diese Jungs werden sich schon darum kümmern.“   „Nein ... Nein! Ich weigere mich, zu glauben, dass mich ein Haufen Kleinganoven übertrifft! Ich ... ich habe alles minutiös durchgeplant! Ein Versagen darf nicht möglich sein!“   „Kleinganoven?“, Jason lachte spöttisch auf, „Gotham tut nichts ‚kleines‘. Sie ist hochnäsig und gnadenlos und pompös und aufbrausend! Glaub mir, an jedem anderen Ort hätten deine Schachzüge wahrscheinlich funktioniert – aber diese Stadt ist zu verrückt dafür. Wenn du nicht weißt, wie du sie nehmen musst, verschlingt sie dich mit Haut und Haar. Dieses Ende war vorherbestimmt mit dem allerersten Schritt, den du über die Grenze getan hast. Tja, Pech.“ Und dann beugte er sich noch ein letztes Mal ganz dicht an Ni heran und flüsterte: „Wie man in China so gerne sagt: Ich wünsche dir einen langsamen Tod – aber eine schnelle Fahrt in die Hölle. Oder möchtest du zum Abschluss einen echt amerikanischen Abschiedsgruß hören?“ Er klopfte ihm leger auf die Schulter: „Hasta la Vista, Baby.“   Damit richtete er sich auf und marschierte quer durch Oswalds Schlägeraufgebot, ohne jemanden anzusehen und ohne aufgehalten zu werden.   Die immer greller werdenden, hysterischen Schreie des Feinds zu ignorieren, fiel im leichter als je zuvor.   ---   Seine Lieutenants sprangen auf, als sie ihn bald darauf durch das Tor in den Innenhof des Lagerhauses treten sahen. Sie wirkten abgehetzt und ordentlich angeschlagen, doch waren sie nicht schwer genug verletzt, um sich gegenseitig Sorgen zu bereiten. Nur Conrad hockte mit ausgestreckten Beinen schwitzend und fluchend an seinen Autoreifen gelehnt, offensichtlich am Oberschenkel verletzt, der selbst durch die provisorische Binde leicht blutete.   Bevor irgendwer etwas sagen konnte, ging Jason vor ihm in die Hocke: „Hey, Hough, gute Arbeit, wie mir scheint! Hast ja ganz schön Einsatz gezeigt vorhin – wenn man bedenkt, dass ich von dir eigentlich in etwa so viel Unterstützung erwartet hab wie von Carp.“ Der junge Mann streckte einen Mittelfinger aus, zum Glück den eigenen, noch fest angewachsenen: „Ja, herzlichen Dank für dein unendliches Vertrauen, Boss. Freut mich, dass ich so hoch in Erwartung stehe.“ Er hatte sich wohl falsch bewegt, denn er zuckte heftig zusammen und presste eine bereits blutverschmierte Hand auf die Wunde: „Autsch! Fuck! Dieser verfickte Arschpisser von einem verschissenen- Au! Fick dich ins Knie, das brennt, Himmelarschund-“ Jason kicherte und wunderte sich selbst darüber, dass ihn die sehr blumige, sehr fidele Fluchtirade seines Untergebenen erleichterte: „Du wirst es überleben, Hough.“   „Ja, danke! Fick dich auch, Hood!“   „Nah, heute nicht mehr. Hat‘s dich noch woanders erwischt?“   „Nein. Aber deine Jacke hat mich vor ‘nem Bauchschuss bewahrt. Was zum Teufel ist das überhaupt?! Das Teil wiegt Tonnen!“   „Du hast nichts aus meinen Taschen geklaut, oder?“   „Wohl irre, was?! Wie ich dich kenne, kann mir das Ding die Hand abbeißen!“   Er würde die Jacke sehr gut durchchecken müssen. Möglicherweise war es wohl besser, sie gleich ganz ...   Nein, das war wahrscheinlich übertrieben. Und ... vielleicht würde er die Pistolen, die sie ihm überlassen hatten, ebenfalls nicht einfach entsorgen. Sie hatten durchaus ihren Nutzen und ... es war schade um sie.   Jason richtete sich auf und klatschte in die Hände: „Und, was macht er noch hier, wenn ich fragen darf? Schafft ihn zum Arzt!“ Sevin zuckte die Achseln: „Wir alle wollten erst den Ausgang des Konflikts erfahren. Beim Schusswechsel haben wir so einige von den Kanaillen erwischt, aber manche sind abgehauen. Solange du ihren Kopf abgeschlagen hast, sollten wir ein bisschen Luft bekommen haben, um sie innerhalb der nächsten zwei bis drei Wochen aufzuspüren, aber ... Müssen wir uns wegen Gao weiterhin Sorgen machen?“ Er legte geistesabwesend den Kopf schief, schüttelte ihn dann schließlich und murmelte: „Würde mich sehr wundern, wenn wir dem seine Visage je wiedersehen sollten.“   „Gut.“   Er schnaubte belustigt ob ihrer völlig abwesenden Empathie und reichte Conrad eine Hand, die dieser ohne zu zögern ergriff und sich ächzend daran hochzog: „Also los, lasst uns endlich von hier verschwinden, bevor die Fledermäuse merken, was Sache ist.“ Während Robert Conrads andere Seite stützte und sie ihn vorsichtig auf den Beifahrersitz des wohl einzigen noch fahrbereiten Autos senkten, fragte Sevin mit gleichmütiger Stimme, die doch eine winzige Unze Besorgnis nicht verbergen konnte: „Boss. Du hast einen Deal mit ihnen, stimmt’s? Wie wird sich das ... Meine, wie wird sich diese Sache auf euren Umgang auswirken?“   Er umrundete das Heck des Wagens, um auf die Fahrerseite zu gelangen, wo er sich stumm hinters Steuer sinken ließ, während sich der Rest seines Trupps ohne zu murren auf die Rückbank quetschte. Erst als er den Motor startete und das etwas gurgelnde Geräusch jede unerwünschte Emotion im Tonfall verschluckte, erwiderte er leise: „Keine Ahnung, Finality.“   Keine Ahnung.   ---   Knapp zwei Wochen hatte es sie gekostet, den Rest chinesischer Tiraden, die die Stadt invadiert hatten, auszuradieren, sei es nun Mittels der Polizei, eindringlicher Überredungskunst niemals wiederzukommen oder permanent. Zu Jasons Verteidigung wollte er betonen, dass er bei keinen Gegnern, die er selbst gestellt hatte, zum Letzteren gegriffen und somit sein Versprechen zu Bruce aufrecht erhalten hatte.   Aus diesem Grund erlaubte er sich, Gotham nach wie vor sein Einzugsgebiet zu nennen und hier, vom höchsten Gebäude der Stadt, den Ausblick zu genießen und sich einen guten Becher dunklen Röstkaffee zu gönnen. Mit Schuss. Einem kleinen Schuss. Man wollte ja auch mal Freude am Leben haben.   Außer jener, am Leben zu sein.   Wieder.   Irgendwann hatte er festgestellt, dass ihn seine omnipotente Sippe auf dem Wayne Tower immer als letztes suchte, vor allem, wenn er sich wie in diesem Moment in den einzigen blinden Fleck der Überwachungskameras drückte, direkt an der Ecke zur Mauer um Bruces Büro, wo die Brüstung so eng war, dass sich kein normaler Mensch ohne Protest hinzusetzen und die Beine in den Abgrund baumeln zu lassen wagen würde. Noch dazu ohne freie Hände zum Zupacken im Notfall, denn die eine führte ab und zu den dampfenden Becher an den Mund, die andere hielt ein Smartphone, aus dem überaus laute und erregte Laute erklangen.   „Ich sagte Ihnen doch, Mr. Cobblepot, Sir“, unterbrach Jason die Tirade kaum bußfertig, „ich habe mir lediglich eine kleine Abfindung erlaubt, nachdem Sie unsere Zusammenarbeit in jener Nacht so rüde beendet haben. Ich habe nichts entwendet, was mir nicht vollends zusteht.“ „Ist ja nicht so, dass du nochmal zum Dienst angetreten wärst! Und du waaaghst es immer noch, das eine kleine Abfindung zu nennen?!“, brüllte ihm Oswald aufgebracht ins Ohr, „Mein Tresor ist leer! LEER!“   „Ja, ich sollte mich wohl echt bedanken für das extrem großzügige Trinkgeld! Es sei Ihnen versichert, dass es wohltätig angelegt werden wird!“   „Wie viele meiner hart verdienten Millionen willst du mir eigentlich noch entwenden, du dreckiger Dieb?!“   „Was soll ich sagen, Mr. Cobblepot? Der kluge Mann klaut vor!“   „Waaagh?! Unverschämtheit! Wir werden uns wiedersehen, Hood, das schwöre ich dir, und wenn es soweit ist, verspreche ich dir Höllenqu-“   „’tschuldige, Pinguin, wirklich, es würde mich nichts glücklicher stimmen, als deinen gewählten Worten noch stundenlang zu lauschen, aber ich fürchte, die Verbindung bricht ab! Ich höre immer wieder so eigenartiges Krähen in der Leitung!“   „Hood, waaagh es ja nicht, mich einfach-“   „Da, schon wieder! Das wird mir zu unheimlich, ich lege jetzt besser auf! Oswald, wie du schon sagtest, wir sehen uns! Bleib sauber bis dahin! ... Oder versuch zumindest, aufrecht zu bleiben.“   „Hood, wehe du-“   Er legte auf, den Kopf in den Nacken, um den Rest warmen Kaffees aus dem Becher zu saugen und hielt inne.   Aus purer Gehässigkeit setzte er ihn nicht ab, tat so, als würde er noch einige Schlucke nehmen, obwohl das Behältnis längst leer war, stellte ihn dann auf die Brüstung und blickte stumm auf die Stadt hinunter, als hätte er den Schatten an seiner Seite nicht bemerkt.   Die Straßen hatten sich endlich beruhigt und ließen ihre Bewohner wieder atmen – eine Mischung aus Smog, schmieriger Luftfeuchtigkeit und Kloake zwar, aber das war immer noch besser als Blei.   Seufzend ließ er den Kopf hängen. Immerhin hatten sie ihm Zeit gegeben, einigermaßen hinter sich aufzuräumen, bevor sie zur Standpauke angerückt kamen.   Und dann sogar gleich die höchste Instanz. Eigentlich hatten sie sich angewöhnt, erst Alfred zur Wogenglättung vorzuschicken, oft traf der Kelch auch Timothy, manchmal auch Stephanie, mit der er zwar nicht sonderlich vertraut war, die ihm aber auch nur selten Vorwürfe machte und sich noch seltener seinen verbalen Bockmist gefallen ließ – sie war in Ordnung. Doch in diesem Moment stand wirklich und wahrhaftig niemand Geringeres als Bruce Wayne neben ihm, nicht Batman, und aus irgendeinem Grund ließ diese Tatsache ihn in mehr kaltem Schweiß ausbrechen, als es die Anwesenheit des Dunklen Ritters je geschafft hätte.   Bruce stand schräg neben ihm und er wusste, dass er die längliche Wunde an seiner Schläfe begutachtete, die ihm der Querschläger in Nis Keller eingebracht hatte, doch bemerken tat er nichts. Funkstille, ähnlich der, die Jason seit seines Einstiegs in den Fall nicht beendet hatte. Er hatte keine Angst vor ihren Vorwürfen gehabt, natürlich nicht, er ... hatte nur keine Lust gehabt, sich damit auseinanderzusetzen, wo er doch wesentlich wichtigere Dinge zu erledigen hatte.   „Tim ist gesund und munter. Hat sich bestens von seinen Verletzungen erholt.“   Jason hob eine Augenbraue. Ungewöhnlich für Bruce, ein Gespräch mit ihm ohne mindestens eine direkte Schuldzuweisung zu beginnen. Aber die Aussage beruhigte ihn, er hatte sich tatsächlich Sorgen gemacht, sich aber mit dem einen oder anderen prüfenden heimlichen Blick begnügt, wann immer er Red Robin in den letzten Tagen auf Patrouille gesehen hatte. Nis Leute hatten ihn sauber erwischt und das Chaos, das nicht lange danach ausgebrochen war, hatte die vollständige Genesung verzögert, aber offensichtlich stand sein Lieblingsbruder endlich wieder fest auf den Beinen.   Er entließ einen erleichterten Seufzer, kaum hörbar, aber sein Vater bekam ihn natürlich trotzdem mit und bedachte ihn mit einem fast ebenbürtig diskreten Schmunzeln.   Dann jedoch wurde er ernst und mit ihm die Situation. „Bei den Ausschreitungen vor zwei Wochen wurden einundfünfzig Mitglieder der Hongkonger Familia de Flores festgenommen und das GCPD hat Hinweise auf mindestens dreiundvierzig Untergetauchte beziehungsweise Geflüchtete – die Dunkelziffer wird weitaus höher geschätzt. Shixin oder Suzie Su – sagen dir diese Namen zufällig etwas?“, fragte Bruce ohne jeglichen Zweifel, dass Jason sehr genau wusste, von welchen Ausschreitungen er sprach und sehr genau mitbekommen hatte, was vorgefallen war. Er fragte sich, ob er über sein Involvieren nur spekulierte oder tatsächlich handfeste Beweise hatte.   Warum nicht drauf ankommen lassen?   „Hm, war ganz schön viel los in letzter Zeit, was?“   „Du weißt nichts darüber?“   „Tja, nun, Tim hat mir ziemlich unmissverständlich klar gemacht, dass meine Einmischung unerwünscht ist, deshalb hab ich mich mal einfach aus seinem Kram rausgehalten.“   „Auf dich wurde ein Kopfgeld ausgesetzt. Und Barbaras Kameras haben dich in mehreren Straßenkämpfen verwickelt aufgenommen.“   „Irre, was? Diese verrückten Chinesen haben echt alles angegriffen, was ihnen vor die Füße gestolpert ist! Unsere hiesigen Drogendealer sind zu mir gekommen und haben um Schutz gebettelt. Zu mir! Was sollte ich tun? Einige von den armen Schweinen haben moralische Besserung gelobt, wenn ich ihnen ihren verdorbenen Hals rette und du kennst mich ja. Kann keinem geläuterten Verbrecher ’ne helfende Hand verweigern.“   Bruce bedachte ihn mit einem Blick, der ihn deutlich fragte, ob er sich wirklich, ehrlich, ganz sicher nicht ein bisschen mehr anstrengen wollte. Und nein, er wollte nicht.   Nach einem kurzen optischen Wettkampf seufzte sein Vater resigniert und beschloss, stärkere Geschütze aufzufahren: „Es gab fünfundsiebzig Tote auf beiden Seiten, von den hunderten Verletzten und der Sachbeschädigung will ich gar nicht erst reden.“ Das war weniger, als Jason befürchtet hatte.   „Unsichere Zeiten.“   „Jason.“   Jason stöhnte leidend und strich sich mit den Händen übers Gesicht: „Sieh mal, Bruce, ich habe keine Ahnung, was du von mir hören willst, ich wäre dir also unendlich dankbar, wenn du einfach ausspucken würdest, wessen riesiger Entgleisung du mich diesmal bezichtigst, damit wir uns sofort gegenseitig die Scheiße aus dem Leib prügeln können und ich heute noch eine Weile zum Patrouillieren komme. Fair?“ Bruce atmete tief durch und steckte demonstrativ die Hände in die Hosentaschen: „Ich will mich nicht mit dir prügeln, Jay. Ich will nur herausfinden, wie es zu diesem verheerenden Krieg gekommen ist.”   „Um einen Grund zu finden, dich mit mir zu prügeln.“   „Um einen Grund zu finden, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.“   „Rechenschaft in Form von Prügeln.“   „Jason. Ich werde mich nicht mit dir prügeln. Ich möchte nur die Wahrheit.“   Eine Weile blieben sie stumm, Jason in Gedanken versunken und damit beschäftigt, seinen Ärger zu besänftigen, Bruce ihn aufmerksam beobachtend. „Okay, was willst du wissen?“, brummte der Junge schließlich missmutig. „Wir haben Indizien gefunden, die besagen, dass eine Bande namens Hoodwink Cluster fast überall ihre Finger im Spiel hatte“, Bruce wirkte beinahe erleichtert über seine Kooperationsbereitschaft, aber gleichzeitig auch verhalten, als fürchtete er seine Antworten, „Du ... weißt auch darüber nichts?“ Keinem von beiden entging die bedeutungsschwangere Pause und Jason konnte sich nur schwerlich vorstellen, dass seine Familie sich bezüglich dieses Namens tatsächlich keine eingehenden Gedanken gemacht hatte. Aber um ihn zum Sprechen zu bringen, würden sie mehr als bloße Gedanken brauchen. Er würde sein Syndikat nicht aufgeben, es im Notfall mit Zähnen und Klauen verteidigen. Wenn die Hoodwinks verschwanden, würden sich zu viele Monster aus ihren Schlupfwinkeln wagen. Also tat er so, als überlegte er und zuckte dann entschuldigend mit den Schultern: „Keine Ahnung. Irgendwelche Anhaltspunkte?“   „Sie wollen uns den Namen des Anführers nicht nennen.“   „Tja, nicht viel, was ich dann für dich tun kann, B.“   „Du hast mir die erste Frage nicht beantwortet.“   „So?“   „Die Familia de Flores. Shixin Su. Einige der Verhafteten erklärten, dass ein Teil ihres Auftrags lautete, den Tod seiner Tochter zu rächen. Suzie Su. Schon mal gehört?“   „Kann sein. Hab damals viele Namen gehört, während ich mordend und brandschatzend durch die Welt gereist bin. Klingeln tut’s nicht.“   Jason baumelte mit den Beinen und pfiff anerkennend in die kühle Nachtluft: „Aber hui, ihr Alter schickt ‘n ganzes Killerkommando, um die Stadt aufzureiben, wo seine Kleine über den Jordan gewandert ist! Suzie Su, auf ewig mehr geliebt als Jason Todd.“ Mit einem geschlagenen Seufzen rieb Bruce sich die Nasenwurzel: „Wie lange willst du uns deswegen noch Vorhaltungen machen?“ Jason strahlte ihn humorlos von der Seite an: „Tja, tut mir ehrlich leid, dass ich einfach nicht darüber hinwegkomme, wie wenig ich euch wert bin!“   Sein Vater schaute ernst auf die Dächer Gothams hinab, ehe er sich dazu entschloss, die Stichelei zu ignorieren und stattdessen fortführte: „Die Triade hatte ebenfalls einen Anführer. Sie haben ihn uns ziemlich genau beschrieben und wir konnten einige Videoaufnahmen sicherstellen. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Zuerst dachten wir, er wäre entkommen, aber es gab keine Beweise. Er galt seit der Eskalation vor zwei Wochen als vermisst.“   „Schlecht für ihn. Bei den ganzen Psychopathen, die hier rumlaufen. Und ein Tourist kennt die Gefahrenzonen nicht! ... Sprich, rund drei Viertel Fläche der Stadt.“   „Sie haben ihn letzte Nacht gefunden.“   „Oh, gut für ihn! Wo denn?“   „Das kommt drauf an, welchen Teil du meinst.“   „Ups.“   „Du klingst wenig betroffen.“   „Sollte ich? Er war ein Triadenführer. Wird wohl kaum die Auferstehung des Mahatma Gandhi gewesen sein.“   Mit einem festen Griff am Oberarm zog Bruce Jason nachdrücklich von seinem Platz und auf den Boden des Balkons. Es kam so unerwartet, dass Jason beinahe gestolpert wäre, wenn er ihn nicht am Kragen gepackt und gegen die Wand neben dem bodennahen Fenster gedrückt hätte. Allerdings war es mehr eine Sicherheitsmaßnahme, um ihn an einer vorzeitigen Flucht zu hindern, als eine Drohgebärde – der Griff tat nicht weh, ebenso wenig wie der Druck, den er auf sein Brustbein ausübte. „Jason, dieser Mann hat drei Millionen Dollar Kopfgeld auf dich ausgesetzt und du willst mir erzählen, dass du nichts mit ihm zu tun gehabt hast?“, fragte Bruce eindringlich, aber mit nur geringer Hitze im Tonfall. „Du magst es vielleicht nicht glauben, B“, erwiderte Jason etwas gereizt, aber noch ohne voll entfalteten Ärger, „aber Red Hood gilt bei den Armen und Vergessenen als zuverlässiger Beschützer. Möglicherweise hat er in mir eine Gefahr für seine künftigen Operationen befürchtet, wer weiß das schon?“   Bruce musterte ihn lange und mit unleserlichem Blick, ehe er die Lider niederschlug und hörbar enttäuscht murmelte: „Zeugen am Hafen haben bestätigt, dass Red Hood einen der Beschreibung nach möglichen Kandidaten für den Triadenführer kurz vor ihrem Bootsverleih außer Gefecht gesetzt hat. Und auch, dass er ihn im Anschluss dem Pinguin, Great White Shark sowie einigen anderen bekannten Größen der Gothamer Unterwelt übergeben hat.“   Natürlich wussten sie es. Hoffnung starb immer zuletzt. Sein einziger Trost war, dass Bruce für eine so bedeutende Angelegenheit erstaunlich ruhig wirkte. Oder vielleicht war das nur eine Finte, um den unvermeidlichen Ausfall so schmerzhaft wie möglich zu gestalten.   Er schloss die Augen, atmete einmal tief durch. Die Festsetzung Nis brachte ihn nicht in Verbindung zum Hoodwink Cluster. Seine Leute waren sicher. Aber der Gangsterboss musste in seinem Grab jubilieren – er hatte es geschafft, einmal mehr einen Keil zwischen Jason und seine Familie zu treiben, schlicht aus dem einzigen Grund, dass Jason es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, ein erwiesenermaßen gefühlloses Ungeheurer weiterhin auf die Welt loszulassen.   Er schlug die Augen wieder auf und erwiderte Bruces bekümmerten Blick mit dem eigenen festen.   „Ich habe ihn nicht umgebracht.“   „Du hast ihn den Blacks & Whites überlassen im untrüglichen Wissen, dass sie ihn töten werden. Das ist dasselbe, verstehst du das nicht?“   „Also sind wir alle Mörder, denn wir übergeben mutwillig Schwerverbrecher der Polizei im untrüglichen Wissen, dass sie ausbrechen und weitere Opfer fordern werden.“   Bruce schüttelte seufzend den Kopf, das Argument nicht einmal mit einer Standardantwort würdigend. Jason hatte keine erwartet. Dafür runzelte er grübelnd die Stirn: „Aber hey, es sollte dir nicht schwerfallen, darüber hinwegzusehen. Immerhin hast du auch Poison Ivy für unschuldig am Tod einer Handvoll Typen erklärt, die sie in ihren Ranken festgehalten hat, die dadurch wehrlos waren gegenüber Riddlers Angriff. Sie hat diese Männer auch nicht selbst getötet. Aber sie hat sie ihrem Mörder überlassen. Wo ist der Unterschied? Warum kannst du jeden psychopathischen Killer mit offenen Armen empfangen, aber mich jedes verdammte Mal nur verurteilen?!“ Bruce schüttelte den Kopf: „Pamela ist keine Mörderin.“   „Sie ist eine deiner Erzfeinde seit Jahrzehnten, Teufelnocheins!“   „Sie will Gutes tun.“   „Und das will ich nicht?!“   „Das habe ich damit nicht gemeint. Aber du bist wie ein Pulverfass, Jason. Egal, wie sehr ich es mir wünsche, ich kann dir nicht restlos vertrauen!“   Jason platzte die Hutschnur: „Verdammt nochmal, wann wirst du endlich begreifen, dass ich nicht um mich schlachte wie ein Berserker?! Ich töte nicht unkontrolliert!“ Er bemühte sich. Er bemühte sich so sehr und zugegeben, es war noch nicht lange her seit der letzten letalen Problemlösung, aber wenn selbst Richard, der immer rasend schnell im Verurteilen seiner Handlungen war, vergaß, dass er eigentlich zu den Bösen gehörte, warum konnte Bruce ihm dann nicht einmal einen klitzekleinen Vertrauensbonus zugestehen?!   Energisch versuchte er, seinen Vater von sich zu stoßen, damit er in seinem Ausdruck kein Indiz für die tiefe Kränkung entdecken konnte, doch Bruce blieb standhaft und rückte keinen Zentimeter vom Fleck. Stattdessen löste er den Griff auf Jasons Kragen und packte seinen Kopf mit beiden Händen: „Und wann wirst du endlich begreifen, dass man nicht immer alles unter Kontrolle halten kann?! Egal wie minutiös man plant, man ist nicht der Einzige, der eventuelle Fäden in den Händen hält!“   Die Worte, in einem kaum verdeckten verzweifelten Tonfall gerufen, brachten Jasons Widerstand zum Erliegen und entgeistert starrte er zu ihm auf. Bruce lehnte die Stirn an seine und flüsterte schwermütig: „Wann wirst du begreifen, dass es manchmal nur einen Joker braucht, um das Spiel zu verlieren, alle Pläne zu Staub zerfallen zu lassen, alle noch so fest gehaltenen Zügel aus den Fingern gleiten sehen zu müssen? Und am Ende stehst du vor den Trümmern deiner Arbeit und es gibt keinen Weg zurück. Vollkommen egal, wie sehr du von deiner Überlegenheit, deiner lückenlosen Verteidigung überzeugt bist, das Schicksal kennt jede Hintertür. Und während du vorn die Angreifer bekämpfst, haben sie in deinem Rücken schon dein gesamtes Glück hinweg geschlachtet.“ Er senkte den Blick und starrte ihm direkt ins Gesicht, doch Jason hatte das ungute Gefühl, dass er nicht ihn sah, sondern eine andere Version – älter, so alt, dass er sich fühlte, als lebte er bereits für Äonen. Als konnte Bruce in die Zukunft blicken und sehen, zu was sein Sohn tatsächlich fähig war. Und die Aussicht war keine erfreuliche. „Du hast diesen Mann sterben lassen“, sagte Bruce kummervoll, „und dieses Mal ist es gutgegangen. Aber du weißt nicht, was für Auswirkungen dein nächster Handgriff mit sich führen wird. Irgendwann wirst du Unschuldige töten, auch wenn du noch so vorsichtig vorgehst. Und ich weiß, dass dich das zerstören wird, Jay. Sind wir uns wahrhaftig schon so fremd geworden, dass du nicht begreifst, dass ich das nicht ertragen könnte?“   Jason sah ihn lange wortlos an. Dann schluckte er endlich trocken und umfasste sanft Bruces Handgelenke, um sie von seinen Schläfen wegzuziehen. Diesmal hatte er Erfolg damit, auch mit dem vorsichtigen Wegschieben des massigen Körpers seinen Vaters. Langsam ging er zur Brüstung, schaute eine Weile gen Horizont und drehte sich dann halb zu Bruce um. Er musste noch einmal schlucken, um seine trockene Kehle zu befeuchten und die Worte weniger schmerzhaft herausquetschen zu können.   „Ich habe mein Versprechen, seit ich es gegeben habe, nicht gebrochen, egal wie sehr du diese Sache auch gegen mich auslegen möchtest, B. Es geht entgegen jeder Unze meiner innersten Überzeugung, Mörder, Vergewaltiger, Kinderschänder laufen zu lassen, unschuldige Leben zu riskieren – und wir wissen beide, dass eine Verhaftung in Gotham nichts anderes ist. Aber ich töte nicht. Und weißt du warum? Weil ich es nicht ertragen könnte, wieder allein zu sein. Ich brauche dich. Alfred. Dick. Tim. Barbara. Cass. Steph. Scheiße, sogar Damian, obwohl er ein egozentrischer Arsch ist und Duke, obwohl wir uns kaum kennen. Der bloße Gedanke, dass du mich erneut verstößt, hält mich davon ab, das zu tun, was ich für das einzig Richtige halte. Ich kann nur hoffen, dass die Opfer all dieser widerwertigen Schweine, die ich aus Feigheit leben lasse, mir vergeben werden, ein einziges eigenes Bedürfnis über ihr Seelenheil zu stellen. Deshalb ...“   Er brach ab und konnte nicht verhindern, Bruce die Genugtuung einiger Tränen zuzugestehen.   „Deshalb werde ich sie nicht töten, B ... Aber ich werde ihnen niemals helfen.“   Damit griff er sich hastig den Plastikbecher, zerknüllte ihn und stopfte ihn sich in die Tasche, zog seinen Helm über den Kopf, sprang und schwang sich durch die Häuserschluchten davon, ohne zurückzublicken.   Nein, Red Hood hatte keine Erzfeinde.   Denn er wusste genau, wie er sie sich vom Leib hielt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)