Von Sündenböcken und roten Schafen von LockXOn ([Oneshot-Sammlung]) ================================================================================ Nachbeben --------- „Hood, ist alles in Ordnung mit dir?“   Artemisʼ Hand auf seiner Schulter gab Jason eine willkommene Stütze, sodass er den leichten Schwindel im Kopf abflauen lassen konnte, ohne sich gleichzeitig auf einen sicheren Stand konzentrieren zu müssen. Er ließ den Halt einige Augenblicke länger währen, als es vielleicht sinnvoll war, um sie zu überzeugen, doch er versuchte es trotzdem: „Mir geht’s gut, Art. Ist nur verdammt rutschig hier.“   Ihr Blick verriet ihm, dass sie ihm keinen uneingeschränkten Glauben schenkte, doch selbst wenn er ihr gestanden hätte, jeden Moment seine Eingeweide in die Pandoragrube kotzen zu können – was hätte sie dagegen unternehmen sollen? Es lag wohl nur daran, dass sich der Adrenalinschub in seinem Körper nach dem anstrengenden Kampf endlich wieder dem Normalwert näherte, weswegen er die eigene Erschöpfung deutlicher spürte als zuvor.   Leider war ihre Arbeit im ewigen Eis der Arktis war noch nicht beendet, an eine Pause schlichtweg noch nicht zu denken. Es galt, die Legion von Assassinen rund um Ra’s und Circe handlich zu verpacken und Richtung nächstbestes Hochsicherheitsgefängnis zu transportieren, sowie die verbliebenen Ani-Men zusammenzutreiben und in eine Einrichtung zu geleiten, in der die Magier sie ungestört vom Fluch befreien konnten. Er konnte den sich ununterbrochen beschwerenden John Constantine durchaus verstehen. Der Manipulator war ein egozentrischer Drecksack, aber so viele Leute zurück zu verwandeln musste an den letzten Kraftreserven zehren. Und das ohne auch nur die geringste Erholung dazwischen.   Die Justice League hatte ihnen Transportmittel zur Verfügung gestellt, aber selbst die übermächtige Trinität war mit so viel Arbeit maßlos überfordert. Und da die Outlaws ihnen den Job damit, dass sie blindlings in eine nun peinlich offensichtlich erscheinende Falle getorkelt waren, ein bisschen schwerer als nötig gemacht hatten, hielt er es nur für recht und billig, beim Aufräumen zu helfen – auch wenn er sich fühlte wie mit Kaliumchloridlösung abgemurkst und per Defibrillator ins Leben zurückgeprügelt ... Moment.   Jason seufzte schwer. Er war nicht der Einzige, dem langsam die Puste ausging. Deshalb musste es warten.   Es musste nur noch ein bisschen warten.   Er hätte alles gegeben, sich den Helm abstreifen und sich mit sattem Stöhnen die Schläfen massieren zu dürfen, doch das hätte nur die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf ihn gezogen und er wollte die unangenehmen Vorhaltungen, seiner Aufgabe nicht zuverlässig nachgehen zu können, tunlichst umgehen. Es hätte nur zu einem Streit mit Batman geführt und ihm war zu schlecht, um sich aufzuregen.   Viele Anwesende um ihn herum, die nicht über Superkräfte verfügten, zitterten heftig und traten auf der Stelle, solange es ihnen ihre Fesseln erlaubten, und langsam wunderte es ihn ein bisschen, dass ihm selbst gar nicht kalt war. Vielmehr war ihm eher ziemlich warm.   Neben ihm kam gerade wieder eine kleine Gruppe Attentäter zur Besinnung. Aus reiner Gehässigkeit trat er dem nächstbesten in die Rippen und wies, als er jedermanns erschrockene Aufmerksamkeit gewonnen hatte, entschlossen hinter sich: „Hoch mit euch, ihr seid die nächsten auf dem Direktflug ins Fort Nimmerwiedersehen. Der erste Fluchtversuch kostet euch einen Unterarm, für jeden folgenden berechne ich je eine weitere Extremität, von den wenigsten Schmerzreizen aufsteigend. Aber wenn ich gerade richtig angepisst bin, fang ich auch mal andersrum an. Das kann sogar beim ersten Versuch losgehen, also legt es nicht drauf an. Alle auf einer Wellenlänge?“ Die Männer blinzelten ihn groß an und begannen gerade zu nicken, als einer der hinteren aufsprangt und mit hohem Tempo in die Eiswüste davonrannte. Jason seufzte entnervt, zog eine seiner Berettas, zielte grob und drückte ab.   Der Flüchtige ging mit einem gellenden Schrei zu Boden, kaum dass eine Blutfontäne aus seinem Gesäß gespritzt war. Jason ließ erstaunt die Waffe ein Stück sinken: „Huh ... Komisch, hab eigentlich auf den Arm gezielt.“ Die übrigen Assassinen warfen sich stumme Blicke zu, sprangen auf und rannten in die entgegengesetzte Richtung auf die Helikopter zu, die sie ins Gefängnis transportieren würden.   Etwas entfernt von ihm hievte sich Bizarro soeben einige zappelnde Leute über die Schulter, ebenfalls auf seine Art die Miranda-Warning Marke Outlaws rezitierend: „Ihr euch spart den Fluchtversuch und ich euch erspare gebrochene Knochen, von zwölfter Rippe aufsteigend. Das angekommen, Koyoten?“ Jason lachte und stellte einen Daumen auf: „Der war auch nicht schlecht, Biz!“ Sein Freund grinste stolz und machte sich auf den Weg zu den Fliegern.   Jasons Lachen verstummte und er schaute unsicher auf seine Pistole hinab, ehe er sie zurück ins Halfter schob. Er hatte tatsächlich auf den Arm gezielt. Und aus dieser Entfernung zu verfehlen, war ihm seit seiner sehr frühen Trainingszeit nicht passiert. Ein leichtes Kitzeln krabbelte seine Schläfe hinunter und er schüttelte den Kopf, als er merkte, dass es sich um Schweißtropfen handelte, die ihm das Gesicht hinunter rannen. Misstrauisch lenkte er den Blick gen Horizont, das wachsende Unwohlsein in seiner Magengegend lenkte ihn von der eigentlichen Aufgabe ab. Circe hatte ihnen doch wohl nicht noch eine besondere Falle zum Abschied hinterlassen, oder? Diana hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass diese verrückte Hexe mächtig genug war, um auch Metamenschen erheblichen Schaden zuzufügen ... Seufzend traf er eine Entscheidung.   Zuerst kümmerte er sich um sein schmerzerfülltes Opfer – Nein, Mr. Superman, Sir, der arme Kerl war nur unglücklich gefallen, ehrlich – und schaute sich dann nach Batman um. Um eine Panik zu vermeiden, war es unumgänglich, ihre Intelligenzbestie zu konsultieren – sie würde am besten wissen, was zu tun war. Dieser ganze Gig lief schließlich nicht unter Red Hoods Verantwortung.   Nach kurzer Suche erspähte er seinen Mentor tiefer in der Höhle, bei der Pandoragrube, und fühlte sich in seinem Verdacht bekräftigt. Wenn Bruce bereits Proben der Grube sicherte, musste auch er irgendwelche ungewöhnlichen Vorkommnisse erkannt haben. Der Gedanke erleichterte ihn. Wenn er noch nicht den sofortigen Rückzug angeordnet hatte, konnte die Sache nicht so schlimm sein. Und so gesellte er sich wesentlich entspannter zu ihm, als er sich noch wenige Augenblicke zuvor gefühlt hatte, sah ihm neugierig über die Schulter und fragte: „Mit was haben wir’s hier zu tun, B?“   Bruce hob geistesabwesend eine Augenbraue, während er die Flüssigkeit in einem der Reagenzgläser eindringlich studierte: „Das kann ich noch nicht genau sagen, Hood. Und ich bezweifle, dass wir es je ganz erklären werden können. Wenn Ra’s in all den Jahrhunderten genauester Untersuchungen der Lazarusgruben keine eindeutige Antwort gefunden hat, werden wir mit Sicherheit nicht von heute auf Morgen bei diesen hier zufriedenstellende Ergebnisse vorweisen. Ich werde es mir zu Hause genauer ansehen.“ Jason blinzelte irritiert: „Zu Hause? B, bist du sicher, dass die Sache so lange warten kann?“   Nun war es an Bruce, ihn perplex anzusehen: „Im Moment zählt nur der reibungslose Abschluss der Operation. Warum bist du überhaupt hier? Solltest du nicht bei der Räumung assistieren?“ „Oh, ʼtschuldige, aber ich wollte erst sichergehen, dass wir hier nicht auf ’ner Riesentretmiene herum stiefeln, die uns bei einem falschen Schritt die Gliedmaßen zerpulvern kann. Wie du weißt, reagiere ich allergisch auf Explosionen“, erwiderte Jason spitz, fühlte er sich doch etwas beleidigt von der lapidaren Abfuhr, „Schließlich bin ich kein verdammtes Genie, das auf den ersten Blick kapiert, wann eine Gefahr nur müdes Gähnen oder besser heillose Flucht erfordert! Ich meine ... B, meinst du nicht, dass das Ganze ein bisschen ... Naja, beunruhigend ist?“   „Hood, wovon redest du?“   Jason betrachtete ihn einen Augenblick wortlos: „Verarschst du mich?“   „Schön sprechen, Hood. Und nein, ich mache mich nicht über dich lustig. Was-“   „Wie kannst du behaupten, dich nicht lustig zu machen?! Das ist eine vollkommene Anomalie, B! Wie kann es sein, dass ihr alle so tut, als ob gar nichts wäre?! Wir sind in der Arktis, Mann, sowas ist nicht natürlich für diesen Teil des Globus!“   „Hood, sag mir, was-“   „Ich meine, okay, ihr seid nicht mehr die Jüngsten, aber Himmelarschundzwirn, ihr müsst doch unterscheiden können, wo eine kuschelige Ofenwärme angebracht ist und wo ihr euch ernste Sorgen um eure Gesundheit machen solltet!“   „Genug!“   Er klappte automatisch den Mund zu und stand unbewusst einen Hauch strammer. Batmans Kriegsherrenstimme neigte dazu, absoluten Gehorsam auszulösen und im nächsten Moment hätte er am liebsten laut geschrien vor Zorn, auf sie reagiert zu haben. Bruce gab ihm keine Gelegenheit dazu, packte ihn an den Oberarmen und zwang ihn, ihm ins Gesicht zu sehen: „Red Hood. Bericht. Was meinst du mit Anomalie?“ „Die Hitze, B“, antwortete er ihm betont, „Es ist warm hier wie im Frühling in Florida! Circe muss uns irgendein Geschenk hinterlassen haben, und um ehrlich zu sein möchte ich nicht anwesend sein, wenn irgendein Trottel die Schleife löst! Entweder wir finden das Päckchen oder wir machen uns aus dem Staub. Wer weiß schon, was dieser verrückte Zauber mit uns anrichtet, während wir hier Däumchen drehen?!“   Bruce musterte ihn stumm, ließ ihn dann los und murmelte nachdenklich Supermans Namen.   Keine drei Sekunden später wirbelte der Schnee um sie herum auf und Clark senkte sich mit einem nervösen Rundumblick zu ihnen herunter: „Was gibt’s? Probleme?“ „Ist dir ein unnatürlicher Anstieg der Umgebungstemperatur aufgefallen?“, fragte Bruce ohne Umschweife, „Oder möglicherweise ein Hitzekern im näheren Umfeld, das bis zu uns ausstrahlen kann? Vulkanaktivität? Irgendwas?“ „Nein, nichts“, schüttelte Clark ratlos den Kopf, während er aber aufmerksam ins Leere starrte, offensichtlich damit beschäftigt, die Aussage zur Sicherheit zu überprüfen. Dann zuckte er mit den Schultern: „Nein, tut mir leid, absolut nichts Auffälliges. Um ehrlich zu sein, würden die meisten da draußen so etwas wahrscheinlich sogar begrüßen. Sie frieren sich halb zu Tode. Sie behaupten, sie hätten nicht erwartet, so viel Zeit hier zu verbringen, es sollte eine einfache Hinrichtung sein und weg, deswegen haben sie nicht genug auf eine angemessene Ausrüstung geachtet ... Batman, wir müssen uns beeilen, sie von hier wegzuschaffen, es ist über vierzig Grad unter Null! Über Scherze wie den eben werden sie kaum sonderlich lachen können.“   Bruce erwiderte nichts. Er sah nur ausdruckslos zurück zu Jason, Clark dem Beispiel folgend, nur wesentlich ratloser – und weniger vorwurfsvoll.   Jason begriff sofort. Erregt versuchte er, einen Schritt zurückzumachen, aber Bruce packte erneut zu und hielt ihn wie im Schraubstock fest: „Was zum Geier?! Ich lüge nicht! Es ist verdammt noch mal HEISS hier! Warum sollte ich mir so einen Scheiß ausdenken, huh?! Was hab ich davon?!“ In einem spontanen Anfall von Wut trat er seinem Mentor vors Schienbein und nutzte ein überraschtes Zucken aus, um sich energisch loszureißen: „Shit! Was weiß ich denn?! Vielleicht hat sie irgendwas mit euch angestellt, eure inneren Sensoren oder so überbrückt, damit ihr nichts merkt, bevor sie euch alle auf einen Schlag fertigmachen kann! Ich fühle den Unterschied, vielleicht sind die Outlaws von ihren Kniffen verschont geblieben! Fragt Artemis und Bizarro! Vielleicht ... vielleicht wissen sie ... was ...“ Er konnte den Gedanken nicht zu Ende führen, denn ein plötzlicher Schwindelanfall, so heftig, dass ihm die Beine zitterten, überkam ihn und er versuchte, die Hand auf den Mund zu pressen. Eine instinktive Geste, um sich vor den beiden älteren Helden Peinlichkeiten zu ersparen, wenn auch relativ nutzlos, weil Helm.   Bevor er jedoch auf das harte Eis sinken konnte, packten ihn abermals kräftige Hände und hielten ihn aufrecht. „Hood, nimm den Helm ab“, befahl Bruce und seine Stimme erlaubte keine Widerrede. Wenn Jason sich nicht so dermaßen schlecht gefühlt hätte, hätte er sie trotzdem geleistet, doch in diesem Moment fehlte ihm die Kraft zur Unverschämtheit. Also zögerte er nur einige Sekunden, bis er sicher war, sich nicht quer über Bruces Stiefel übergeben zu müssen, und löste mit einem letzten trotzigen Schnauben den Verschluss seines Helms. Erst als die eisige Luft seine Haut berührte, bemerkte er sie wieder.   Unwillig runzelte er die Stirn, als ihm eine große, vom Panzerhandschuh befreite Hand schweißverklebte Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. Sie legte sich für einige Sekunden auf seine Stirn, ehe Bruce kopfschüttelnd stöhnte. Mit einem Ruck wandte er sich um und riss Jason mit sich. „Wa...“, entfuhr es dem Jungen verwirrt, „Hey, was soll das, B? Wohin-“ „Zum Batwing“, erklärte Bruce lapidar, „Wir fliegen nach Hause.“   „Wie bitte?!“   Bruce ignorierte den entgeisterten Einwand völlig, warf Clark nur einen Schulterblick zu: „Schafft ihr’s allein?“ Clark nickte entschlossen: „Verlass dich auf uns. Kümmer dich lieber um ihn.“ Die beiden tauschten ein vertrautes Nicken aus, wie es unter guten Bekannten, die sich ohne große Worte verstanden, üblich war, und Bruce beschleunigte seine Schritte, sodass Jason Schwierigkeiten bekam, überhaupt mitzuhalten. Wut stieg in ihm auf ob der ruppigen Behandlung und dem eklatanten Mangel an Informationen und er versuchte sich ein weiteres Mal loszureißen, doch Bruces Griff glich dem einer Schraubzwinge. „Verdammt nochmal, B, wir sind hier nicht fertig“, protestierte er und eine Welle der Hilflosigkeit stieg in ihm auf, „Ich lüge nicht und das sind Hundertschaften da draußen! Willst du die wirklich alle auf dem Gewissen haben?! Die Luft glüht, B! Ich weiß ja nicht, wie’s mit dir steht, aber ich lasse meine Freunde nicht im Inferno irgendeines vernichtenden Überraschungszaubers verbrennen, nur weil du dich weigerst, deinem schwarzen Familienschaf zu glauben! Fuck! ... BATMAN!“   Sie waren inzwischen im Freien angekommen und ihre Kollegen sahen verwirrt dabei zu, wie Bruce seinen Sohn unbarmherzig durch den knietiefen Schnee zerrte. Er machte keinerlei Anstalten, irgendjemandem irgendetwas zu erklären.   Endlich seufzte Clark schwer und legte dem zappelnden Jungen gnädig eine Hand auf die Schulter: „Es ist nicht die Luft, die glüht, Hood, du bist es. Du bist offensichtlich verletzt und Batman macht sich nur wieder mal seine ganz spezielle Art von Sorgen um dich. Nimm’s ihm nicht übel, Kleiner.“ Ein vernichtender Blick seines Freundes scheuchte ihn von Jason weg, doch er lachte nur und zwinkerte ihm zum Abschied zu, ehe er Richtung Artemis davonflog, zweifelsohne um sie von der Situation in Kenntnis zu setzen.   Und Jason war so verblüfft, dass er nur ein kleinlautes „Oh“ hervorbrachte, ehe er einen Hauch gefügiger hinter Bruce her taumelte.   ---   Damian marschierte still brütend durch die Flure des Herrenhauses auf dem Weg zur Küche. Die halbe Nacht hatte er am Bett dieses dummen Straßenköters gehockt, weil sein Vater rigoros wünschte, immer ein Auge auf ihn zu haben. Bruce hatte nach einigen Stunden Alfred abgelöst und praktisch den Hauptteil der Schicht übernommen, bis Damian auf eine Wachablösung bestanden hatte, um seinem völlig übermüdeten Vater die wohlverdiente Ruhe zu gönnen. Seitdem hatte er pausenlos Windeln gewechselt und Schnuller aufgehoben, im übertragenen Sinne.   Es war ihm ein Rätsel, warum sich die beiden wegen Jason Todd die Beine ausrissen. Ein kleines Fieber hatte noch niemanden umgebracht, richtig? Oder zumindest nicht in einem so ordinären Fall. Wenn Jason nun alt und gebrechlich oder vorher schon krank oder das Fieber ein wiederauftretendes Symptom gewesen wäre, hätte er es verstehen können. Unter Umständen. Aber ein junger, kräftiger, ansonsten kerngesunder Mann biss doch nicht wegen so einer Lappalie ins Gras! Ausgeschlossen. Alas, völlig überzogene Bemutterung.   Jetzt hatte er nicht viel Zeit. Er musste sich seinen wohlverdienten und dringend benötigten Multivitaminsaft schnellstens besorgen und dann eiligst zurück ins Krankenzimmer, wollte er nicht erwischt und auch noch Jasons wegen zurechtgewiesen werden.   Leise Stimmen ließen ihn allerdings kurz vor der Küchentür verharren. Sofort – schließlich war seine Aufmerksamkeit bis zur maximalen Schärfe geschult worden – wusste er, dass es sich um seinen Vater und Clark Kent handelte, die im ernsten Gespräch beisammen saßen und er hätte umgehend beigedreht, wenn nicht gleich im ersten klar vernehmbaren Satz der Name Jasons gefallen wäre. Leicht eifersüchtig, dass sich nach dieser ewig langen Nacht noch immer alles um seinen nutzlosen Stiefbruder drehte, hielt ihn die Neugier an Ort und Stelle gefangen.   „Du darfst dir nicht für alles die Schuld geben, wofür du überhaupt nichts kannst, Bruce, Jason ist erwachsen, er hätte dich viel früher über seine Beschwerden unterrichten müssen.“   „Hast du ihn nicht gesehen?! Er stand völlig neben sich! Er hat einfach nicht gemerkt, dass das Problem von ihm ausging!“   Wie das bei ihm grundsätzlich der Fall war, dachte Damian verschnupft bei sich.   „Ich hätte daran denken müssen, Clark, ich habe ihm die verdammte Spritze eigenhändig in die Brust gejagt! Wir sind normale Menschen, ich hätte wissen müssen, dass er einen Herzstillstand nicht einfach abschüttelt, als wäre nichts gewesen. Vor allem nicht direkt nachdem er von einem derart mächtigen Überwesen besessen war!“   Damian blinzelte. Herzstillstand? Davon hatte ihm niemand etwas gesagt. Jason war ... tot gewesen? Warum? Für wie lange?!   Energisch schüttelte er den Kopf. Bruce hatte gesagt, er hätte den Eingriff selbst vorgenommen. Und wenn sein Vater etwas anfasste, entsprach es nicht weniger als Perfektion. Es hatte nie Gefahr für Jason bestanden.   ... Bestimmt nicht.   Kein Grund, gleich in theatralischen Fieberwahn zu verfallen.   „Wenn, dann muss ich mir Vorwürfe machen, seinen erhöhten Pulsschlag nicht bemerkt zu haben. Woher hättest du es wissen sollen? Außerdem waren wir alle in unsere Arbeit eingespannt. Du hattest keine Anhaltspunkte! Niemand sonst hat Anzeichen von einem Kreislaufzusammenbruch gezeigt!“   „Ihr seid Metamenschen, es ist nicht verwunderlich, dass ihr wesentlich mehr aushaltet. Und Zatanna und Constantine sind erfahrene Magier, sie sind an Flüche und Banne gewöhnt. Sie haben immer gesagt, für Menschen sei Besessenheit eine hohe körperliche und seelische Belastung und Exorzismus enormer Stress. Und ich habe ihm nach eben diesem Stress so gut wie keine Schonfrist gegönnt. Dumm. Dumm und fahrlässig.“   Das Überwesen. Richtig.   Jason hatte einen Exorzismus hinter sich? Das klang zugegebenermaßen nicht so gut. Damian hatte schon einige Besessene gesehen, keiner von ihnen war ein beruhigender Anblick gewesen.   Aber war Jason nicht seit seiner Wiederbelebung besessen? Dieses ... Ding, das ihn und Richard immer wieder angegriffen hatte, das ihm ohne Gewissensbisse mitten in die Brust geschossen hatte?   Zufrieden nickte er zu sich selbst. Ja. Jason verdiente kein Mitleid. Er konnte nicht für die Jugend dieses Straßenköters sprechen, aber der Jason, der aus der Lazarusgrube gekrochen war, war immer besessen gewesen. Kein Grund, jetzt so zu tun, als würde er darunter leiden.   „Ich hätte ihn im Auge behalten sollen. Er untersteht meiner Verantwortung.“   „Soll das ein Witz sein? Jason ist fanatisch selbstständig! Er hat sich nichts anmerken lassen, so wie ich ihn kenne mit voller Absicht – gerade weil niemand sonst betroffen gewesen zu sein schien. Er hat wahrscheinlich einfach keine Schwäche zugeben wollen. Vielleicht ist er auch vom schlimmsten Fall ausgegangen, dass es allen so schlecht ging wie ihm und sie trotzdem ohne zu murren weitermachten. Keine Chance, dass er in diesem Fall je aufgegeben hätte. Ich muss wohl gerade dir nicht sagen, wie loyal er ist, oder?“   Jason, loyal? Dieser falsche, verräterische Hund?! Dieser Täuscher, der ihnen mehrere Male zuerst scheinheilig geholfen hatte und ihnen dann in den Rücken gefallen war?!   ... Der ihnen unter Einsatz seines Lebens dabei geholfen hatte, Damian, den er nicht mal leiden konnte, aus dem eisigen Griff des Todes zu befreien.   „Bruce, es war einfach ein bedauerliches Missverständnis.“   „Ein Missverständnis, dass ihm das Leben hätte kosten können.“   Er war nicht in Gefahr gewesen! Batman machte keine Fehler! Er war nicht in Gefahr gewesen!   „Du hättest ihn nicht sterben lassen.“   Ganz genau!   „Ich habe es schon einmal getan.“   „... Bruce, weißt du noch, als du mir kurz nach seinem Tod gesagt hast, Jason sei der Beste gewesen?“   Was?!   „Natürlich.“   WAS?!   „Ich will mich nicht weiter mit dir streiten. Ich will nur sagen: Ich bin froh, dass du ihn zurückhast.“   „... Ich auch. Ich wünschte nur, ich würde ihn zwischendurch nicht immer wieder verlieren.“   ---   Jason öffnete stöhnend die trüben Augen und starrte ins Dunkle. Heilige Schande, es war schon eine Zeitlang her gewesen, seit er sich dermaßen mies gefühlt hatte. Es musste bei seinem lebensgefährlichen Bad im karibischen Meer gewesen sein – hätte Koriand’r ihn nicht gefunden, wäre er wohl kläglich verendet. Er hatte tagelang Fieber gehabt ...   Oh, richtig. Das war das komische, unangenehme Gefühl.   Erst quälend langsam begriff er, dass der Grund für die Dunkelheit um ihn herum kein nächtliches Umfeld war, sondern an dem dicken, feuchten, kühlen Lappen lag, der ihm Stirn und Augen bedeckte. Wie in Zeitlupe hob er eine Hand und zog ihn sich herunter, um ihn dann kraftlos über die Bettkante zu Boden fallen zu lassen. Ein Zungenschnalzen war die Belohnung für seine Mühen, von denen er nicht einmal wusste, warum er sie sich gemacht hatte. Er vermisste die kalte Kompresse in dem Augenblick, indem sie ihm aus den Fingern geglitten war.   „Idiot“, kam es ungerührt von der Seite und leichte Fußtapser waren zu hören, ehe ein leises Plätschern ertönte und ihm gleich darauf der Lappen zurück auf die Stirn geschlagen wurde. Er ächzte leidend und schob einen Finger unter den nassen Stoff, aber diesmal hob er ihn nur vorsichtig an.   Er starrte direkt in Damians finsteres Gesicht.   Sie musterten sich kurz, dann schnalzte Damian erneut und wanderte demonstrativ zur Tür: „Ich kapier nicht, was Vater an dir findet.“ „Was geht ab?“, fuhr es Jason nur wenig intelligent durch den Kopf, doch seine Zunge war dauerhaft auf „automatisch vorlaut“ eingestellt, und so brachte er mühsam lallend hervor: „Allgemein fragwürdiger Geschmack in Sachen männliche Nachkommen, schätze ich.“ Der bitterböse Blick, den er dafür erntete, war Balsam für seine geplagte Seele – der ohrenbetäubende Knall, mit dem Damian die Tür hinter sich zuschlug, weniger.   Ihm war heiß, der Lappen tat gut, aber die Morgensonne, die durch die Ritzen der Vorhänge strahlte, trieb ihn in die Höhe. Normalerweise schlief er um diese Zeit, gerade erst von der nächtlichen Patrouille zurückgekehrt, aber er verspürte im trockenen Hals eine unwiderstehliche Sehnsucht nach einem Schluck Wasser und von Damian konnte er in dieser Hinsicht kaum noch etwas erwarten.   Sein Körper war schwer wie Blei, sein Verstand drehte in seinem Kopf muntere Bahnen und seine Knie zitterten bei jedem Schritt, doch irgendwie schaffte er es zum Zimmer hinaus, durch den Flur und die Treppe hinunter, ohne zu stürzen oder zumindest Gegenstände zu zerschlagen beim Bemühen, nicht zu stürzen.   Aus der Küche drangen muntere Stimmen: Alfred, Damian und ... Er stöhnte leise, als er die letzte als Richards identifizierte. Sich früh am Morgen mit dem quicklebendigen Zirkusartisten herumzuschlagen, vermied er an den besten Tagen – mit dem derzeitigen Katerzustand hätte er sich lieber beide Arme abgehackt. Nach kurzer Kontemplation entschied er jedoch, dass zwei abgehackte Arme immer noch leichter zu ertragen waren als der unmenschliche Durst, den er empfand, und so schob er sich schwerfällig durch die Tür, aus reinem Respekt zu Alfreds Erziehung einen kurzen Gruß murmelnd.   Richards Augen weiteten sich überrascht, als hätte er eher eine Walküre erwartet, was ihn verwunderte, hatte er doch fest damit gerechnet, dass Damian seine Anwesenheit im Haus samt zugehöriger suboptimaler Verfassung längst an jedermann weiterverpetzt hatte. „Jay?!“, stieß der junge Mann aufgeregt aus und richtete sich stocksteif im Stuhl auf, auf dem er neben Damian am Küchentisch hockte, „Was machst du hier?! Solltest du nicht ...“ Hilflos sah er zu Alfred hinüber, der die Tätigkeit eingestellt hatte, ein Tablett mit leicht verdaulichen Gerichten zu bestücken: „Master Jason! Wir haben Sie hier unten nicht erwartet!“   Auch der Butler wirkte nicht sonderlich begeistert von seiner Anwesenheit, was ihn einen Hauch tiefer kränkte als Richards Befremdung. Wenn er bei jemandem immer willkommen war, dann war das Alfred – ausgerechnet jetzt, wo es ihm so wenig gut ging, diesen missbilligenden Blick auf sich gerichtet zu sehen, tat weh ... Wem machte er was vor? Es hätte selbst dann wehgetan, wenn er gerade millionenweise im Lotto gewonnen hätte.   Doch er erwiderte nichts, stützte sich nur so diskret wie möglich am Tisch ab, von dem aus Richard und Damian ihn noch immer anstarrten wie einen ungebetenen Gast, der eine ungläubig, der andere unwillig, und bemühte sich, möglichst lässig einen Fuß vor den anderen zu setzen. Damians Blick verfinsterte sich, mit vorgeschobener Unterlippe stand er abrupt auf, sodass sein Stuhl laut über den Boden kratzte und stürmte ohne jedes weitere Wort aus dem Zimmer. Jason verzog das Gesicht ob des Lärms, versuchte es aber mit der redlichen Anstrengung zu überspielen, ein Glas aus einem entsprechenden Hängeboard zu fischen: „Was ist dem ins Gehege gekommen und verreckt?“   Seine zitternden Finger stießen einen kleinen Stapel Tassen um und er fluchte herzhaft in sich hinein, als ihm das Klirren einen weiteren Stich durch den Schädel jagte. Wenige Sekunden später strich Richards Arm an seinem entlang und ordnete mit sicherem Griff das Chaos, seine eigene Hand dabei nachdrücklich zur Seite schiebend. Ehe er sich beschweren konnte, fragte sein Bruder nahe bei seinem Ohr: „Wieso?“ Er klang nicht so nervtötend quietschfidel wie sonst, wenn er ihn wegen eines Missgeschicks herunter buttern konnte. Jason schnaubte sarkastisch: „Er scheint mir geistesgestörter als sonst.“ Ein belustigtes Grunzen ließ ihn erkennen, dass Richards Humor nicht ganz abwesend war.   Er wies ihn erstaunlicherweise nicht zurecht, entnahm dem Regal nur schweigend ein Glas, füllte es mit Wasser aus dem nahegelegenen Hahn, die ganze Zeit ärgerlicherweise kaum von ihm abrückend, und hielt es ihm dann vor die Nase. Ein scheuer Blick über die Schulter verriet eine Spur Besorgnis in dem sonst so selbstsicheren Ausdruck. Weswegen konnte Jason nur vermuten – und die damit erforderliche aufzubringende Gehirnleistung war ihm im Moment zu mühsam. Also nahm er das Wasser nur mit einem leisen Dankeschön entgegen und setzte es sich an die Lippen. Das kühle Nass legte sich wunderbar beruhigend über seine staubtrockene Kehle ...   Und weckte ihn wie aus einer Art Trance.   In einem weiten Schwall spuckte er die Flüssigkeit quer über die Arbeitsplatte und schwang herum. Mit großen Augen starrte er die Anwesenden an, als sah er sie zum ersten Mal.   „Was zum ... Dick?! Alfred?! Wo ... Wie zum Teufel bin ich hierhergekommen?! Warum bin ich-“   Richard hob beschwichtigend die Hände: „Jay! Jay, beruhig dich! Der Doc hat uns eingehend vor jedweder Aufregung gewarnt! Meinte, es könnte allzu leicht zu einem Rückfall ... Oje.“ Noch ehe er begriff, warum er abbrach und die Arme um ihn schlang, sah Jason die Welt Kopfstand machen und in Dunkelheit versinken.   Richard sah resigniert dabei zu, wie sich Jasons Augen verdrehten und fing ihn in dem Moment auf, als ihm die Beine den Dienst versagten. Das Glas schaffte er nicht mehr zu retten. „Entschuldigung“, murmelte er und schaute kleinlaut zu Alfred hinüber, der sich seufzend die Nasenwurzel rieb. „Master Dick, anstatt sich zu entschuldigen, dass ein läppisches Glas zu Bruch gegangen ist, sollte ich mich lieber bedanken, dass Sie Ihren Bruder davor bewahrt haben, sich unnötig zusätzliche Verletzungen zuzuziehen“, tadelte der Butler verdrossen, „Ich wünschte, die Mitglieder dieses unsäglichen Haushalts würden nur einmal Rücksicht auf mein altes Herz nehmen und sich nicht aus reiner Ungeduld auch noch in den eigenen vier Wänden willentlich in Gefahr begeben!“ Richard kicherte verlegen: „Du weißt doch, Alfred, die meisten Unfälle passieren im Haushalt.“   „Wie immer verstehen Sie es vortrefflich, eine gequälte Seele aufzuheitern. Wenn ich Sie bitten dürfte, ihn in sein Zimmer zurückzugeleiten, wäre meine Erleichterung perfekt.“   „Kein Problem“, lachte Richard nun offen und hievte sich Jason über die Schulter, „Und anschließend werde ich mir mal Damian vorknöpfen und ihn davon abhalten, sich in seiner emotionalen Verwirrung und uneingestandenen Sorge diverse Gliedmaßen abzutrennen.“   „Mein ergebenster Dank, Master Dick. Mich auf die leider sehr realistische Wahrscheinlichkeit dieser Aussicht hinzuweisen, ist wirklich zu viel des Guten.“   ---   Als er das nächste Mal zu sich kam, fühlte er sich signifikant besser. Sicher noch nicht stark genug, um Bizarro zu einem ihrer gewohnten Trainingsmatches herauszufordern ... Vielleicht noch nicht mal dazu, endlich die Lider zu heben und nachzusehen, wo genau jemand den Teller mit Alfreds delikater Hühnerbrühe abgestellt hatte, die er irgendwo ganz in der Nähe erschnupperte ... Aber die Welt fühlte sich nicht mehr an wie eine voll aufgedrehte Sauna und das erschien ihm schon als ein erheblicher Fortschritt.   Apropos Bizarro.   „... Leute?“   Sofort verstummte das leise Gespräch neben seinem Bett und er spürte sanfte Finger durch sein Haar streichen, die ihm mit Leichtigkeit den Kopf von den Schultern hätten reißen können. „Jason“, erklang Artemisʼ besorgte Stimme, „bist du bei Verstand?“ „Ja?“, erwiderte er, mehr wie eine Frage, da er nicht genau wusste, wie sie ihre gemeint hatte. Und er schaffte es noch immer nicht, die Augen zu öffnen. Stattdessen flüsterte er ermattet: „Sind wir ... zu Hause?“   „Du bist es. Uns möchte ich eher als ‚auf Besuch‘ bezeichnen.“   Immer noch die Villa also. Was auch sonst, er hatte Bruce noch keinen Bericht über die Auseinandersetzung mit Circe abgelegt ... oder? Es war verschwommen, aber er konnte sich dunkel an ein paar wache Momente erinnern, die sich zwischen seinem Abstecher in die Küche und dem jüngsten Erwachen abgespielt hatten. Nichts davon erinnerte ihn allerdings an ein Verhör, wie man es vom Herrn ihres Clans gewöhnt war, und so kam er zum Schluss, dass er sich noch keinen Fahrschein zurück ins eigene Leben verdient hatte.   Er musste sich anstrengen, doch endlich schlug er die Augen auf. Zu seiner rechten saßen die Outlaws, ihn aufmerksam betrachtend, und er verzog mitfühlend das Gesicht ob der gekrümmten Körperhaltung, mit der sich Bizarro in einen der antiken Lehnstühle gepfercht hatte. Es konnte nicht bequem sein und er machte sich umgehend Vorwürfe, sie wer weiß wie lange in Habachtstellung gehalten zu haben.   „Red Er geht wieder gut?“, fragte der Klon hoffnungsvoll und Jason legte sich seufzend einen Arm übers Gesicht: „Ja, Biz, ich bin okay. Nur ʼn idiotischer Schwächeanfall, der sonst niemanden umgehauen hat.“ „Du kannst dich daran erinnern, was passiert ist“, ertönte eine dunkle Stimme zu seiner Linken, die ihn sich automatisch verspannen ließ, „Gut. Du kommst offenbar langsam wieder zu Kräften.“ Er linste zur Seite und verankerte den Blick mit Bruce, der wesentlich lässiger neben ihm saß als die beiden Gäste, mit überschlagenem Bein und im Schoß gefalteten Händen. Jason schnaubte abfällig: „Weniger erinnern als es mir denken. Ich wette, Damian war verzückt, überall rumerzählen zu können, dass ‚Nichtsnutz Todd wie ein zierliches Mädchen zusammengebrochen ist und andere seinen Job hat machen lassen‘.“ Er streckte die Hände in die Höhe, als wollte er eine Vision umschlingen: „Oh ja, ich seh’s förmlich vor mir!“   Er hatte nicht die geringste Ahnung. Und Bruce schwieg, ihn nur durchdringend ansehend. Wie hätte er ihm auch begreiflich machen können, dass Damian auf dem Zahnfleisch lief, seit er von dem Herzstillstand erfahren hatte? Das Thema Tod war keines mehr, das spurlos an diesen beiden Kindern vorüberging. Nur eins von vielen Dingen, die sie gemeinsam hatten – ohne das jemals eingestehen zu wollen.   „Schluss mit dem Selbstmitleid“, schimpfte Artemis und lenkte Jason damit von dem stummen Wettstreit ab, „Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen, schließlich bist du kein Metamensch! Du bist zerbrechlich, Kleines, du musst besser auf dich achtgeben!“   Am liebsten hätte er sein Bewusstsein eigenhändig wieder abgestellt. Nicht nur Akzentuierung auf seinen ach so menschlichen Körper, sondern auch noch der Spitzname, den er niemandem aus seiner unverblümten Familie unter die Nase hatte reiben wollen. Man mochte ihn hier und jetzt begraben. Wenigstens ein kleiner Trost, dass keiner seiner gehässigen Brüder anwesend war.   „Jason. Es ist deine Entscheidung, aber fühlst du dich stark genug, zu berichten, wie die Outlaws in die Gewalt von Circe geraten konnten? Deine Freunde wollten nichts über dein Einverständnis hinaus erklären.“   Bruces Stimme verriet keine Nuance Belustigung und wenn ihn Artemisʼ Wortwahl amüsiert hatte, würde es wohl niemand jemals erfahren. Jason war mehr als dankbar dafür, und so entschied er sich, im Gegenzug ein halbwegs zivilisiertes Benehmen an den Tag zu legen.   Allerdings war eine Erklärung der Geschehnisse leichter gesagt als getan. Eine Weile grübelte er scharf, doch als er auch nach mehreren Minuten nicht genau wusste, wie er es ausdrücken sollte, ohne wie ein Idiot da zu stehen, entschied er sich ermattet für die Wahrheit und murmelte: „Es gibt eigentlich nicht viel zu berichten, B. Wir haben Hinweise gefunden, dass Ra’s irgendein krummes Ding plant und haben die Spur bis zur Arktis verfolgt. Im Rückblick muss ich zugeben, dass ich mich wohl zu sehr von unserer unschönen Vergangenheit habe antreiben lassen und die Sache ein bisschen zu hektisch angegangen bin ... Ich hätte die Quellen genauer prüfen müssen, das ist mir jetzt klar. Dann hätte ich vielleicht erkannt, dass das Ganze ʼne billige Falle war ... Shit! Es war so offensichtlich ... Fuck.“ Zähneknirschend massierte er sich die Stirn. Frustration stieg in ihm auf und dass er ausgerechnet seinem perfektionsorientierten Mentor diesen jüngsten Fauxpas eingestehen musste, nagte gleich doppelt an ihm.   Doch Bruce spornte ihn nur mit einem Nicken zum Weiterreden an.   „Tja, wir haben ihn und Circe also an der Pandoragrube gestellt und diese Hexe hat uns willkommen geheißen wie eingetragene Voodoozirkelmitglieder! Hat nicht mal den Versuch gemacht, ihren Plan zu verheimlichen, hat uns nur stolz offenbart, dass wir dazu auserkoren seien, ihre wahren Zielpersonen – euch – zu ihr zu bringen, dass es unser Schicksal ist, ihr zu dienen, welche Macht sie erringen wird blablabla ... Zu dem Zeitpunkt hab ich echt noch gedacht, die Einladung ausschlagen zu können, aber im nächsten Augenblick steckte Ra’sʼ Messer in meiner Brust und kaum, dass das Blut in der Grube gelandet war, hat sich das Scheißzeug auf uns gestürzt. Es hat uns geschluckt wie ʼn Nilkrokodil auf Zwangsdiät und dann ...“ Er brach betreten ab, aber anstatt sein Versagen zu kommentieren, konzentrierte sich Bruce auf einen viel nebensächlicheren Knackpunkt.   Verärgert runzelte er die Stirn: „Du trägst die Ausrüstung, die ich dir habe zukommen lassen, oder? ... Ich will sie untersuchen. Das Material hält großkalibrige Kugeln ab, Messerschnitte sollten ihm überhaupt nichts anhaben können!“ Beim Umziehen seines unempfänglichen Sohnes bei der Ankunft in Wayne Manor am Tag zuvor war ihm keine Wunde aufgefallen. Doch es war womöglich die Grube gewesen, die sie geheilt hatte. Aber er hatte den Schnitt in Jasons Oberteil gesehen, sich in dem Moment jedoch nichts dabei gedacht. Jason hob höhnisch eine Augenbraue: „Ja, nun, aber wir reden hier von Ra’s, B. Seine Messer sind in aller Wahrscheinlichkeit nicht ganz normal. Ich meine, er hat Bizarro angekratzt, und Supes sind in aller Regel absolut kugelsicher.“ Dem hatte er nichts entgegenzusetzen. Ra’s war tatsächlich nicht umsonst der Dämonenkopf. Trotzdem nahm er sich vor, die nächste Zeit dafür zu investieren, ihre Rüstungen zu verbessern. Jason hätte sterben können, wenn Circe ihn hätte tot sehen wollen, und der Gedanke saß ihm höchst quer im Hals.   Jason ließ die Hand seufzend sinken und betrachtete seinen Mentor eine Weile, bevor er etwas heiser begann, sich dann räusperte und lauter fragte: „B, was hab ich angestellt, während ich ... Du weißt schon.“ Bruce runzelte die Stirn: „Daran kannst du dich nicht erinnern?“ „Nein“, erwiderte Jason, dachte nach, „Doch“, überlegte dann aber erneut und entschied, „Nein. Nicht wirklich. Ich weiß nicht genau, wie ich’s erklären soll.“ Bruce legte nachdenklich den Kopf schief: „Warst du bei Bewusstsein?“ Jason linste verstohlen zu seinen Freunden hinüber und sie nickten ihm aufmunternd zu. Er seufzte.   „Halbwegs. Ich hab’s wie durch einen Nebelschleier mitbekommen. Wie bei ʼner richtig üblen Zechtour, aber noch nicht die Filmriss-Sorte. Ich kann mich an Bilder erinnern. Nichts Zusammenhängendes ... Oder vielleicht doch und ich hab den Zusammenhang nur nicht geschnallt.“   Unsicherheit überschattete seine Augen, als er Bruce im fast trotzig offensiven Tonfall fragte: „Haben wir ... Waren wir in der Stadt ... Menschen jagen?“ Bruce wusste nur zu gut, wie aggressiv Schuldgefühle Jason werden ließen – es gab so viel, was Jason aggressiv werden ließ, aber das Wissen oder auch nur die blanke Ahnung, einen Menschen verletzt zu haben, der es nicht verdient hatte, stand ganz oben auf der Liste – und deshalb wählte er seine Worte so vorsichtig wie möglich, ohne herablassend gönnerhaft zu wirken: „Die Dämonen sind tatsächlich für eine Weile Amok gelaufen. Es gab viele Verletzte, aber es ist niemand zu Tode gekommen.“ Jason musterte ihn auf der Suche nach der erwarteten Standpauke, schaute, als keine erfolgte, zerknirscht auf seine Bettdecke hinab und murmelte: „Okay.“ Und nach ein paar Sekunden, als hätte er beim letzten Mal den Gedankengang noch nicht ausreichend zu Ende geführt, nochmal leiserer: „Okay.“ Bruce ging das nicht unerhebliche Risiko ein, sich vorzubeugen und ihm ermutigend eine Hand auf die Schulter zu legen. Jason ließ es geschehen. „Kannst du dich erinnern, was der Dämon gesagt hat?“, wollte er wissen, aber Jason schüttelte den Kopf, seiner Sache zum ersten Mal sicher.   „Kein Wort. Aber nicht so wie du denkst. Ich ... habe die Sprache nur nicht verstanden.“   Ein Blick auf die Outlaws ergab zustimmendes Nicken, was Bruce zu einem verständnislosen Brummen veranlasste: „Wie meinst du das? Keiner von ihnen hat in Fremdsprache gesprochen.“ Alle drei waren sichtlich perplex. „Wirklich? Du konntest sie verstehen?“, Jason klang ehrlich fassungslos, sodass er sofort den Gedanken verwarf, er könnte ihn aus irgendeinem Grund belügen. Stattdessen nickte er: „Ich und alle anderen. Nicht nur Clark und Diana, auch die Magier.“   „Aber ... das ist wie bei den gegenüberliegenden Seiten eines Einwegspiegels – auf der einen Seite siehst du alles, auf der andern nichts! Wozu?“   „Wie gehst du vor, wenn du einen Gegner provozierst?“, versuchte Bruce ihm nach einigen Augenblicken Kontemplation die eigene Schlussfolgerung zu verdeutlichen, „Du machst dich lustig, verspottest ihn, lockst ihn aus der Reserve, stimmtʼs? Meinst du, das würde funktionieren, wenn er kein Wort von dem, was du ihm an den Kopf wirfst, verstünde? Nein, ihr Hohn hätte sie nicht sonderlich befriedigt, wenn er spurlos an uns vorbeigegangen wäre. Ihr als Probanden hingegen ... Ich denke, es diente dazu, euch möglichst verwirrt und unsicher und damit gefügig zu halten.“   „... Klingt plausibel.“   „Wie haben sie sich für dich angehört?“   „Kauderwelsch. Hatte um ehrlich zu sein nicht mal ’ne bloße Ahnung, wo ein Wort endete und das nächste anfing.“   Und auf einmal begann Jason damit, unruhig mit dem Stoff seiner Decke zu spielen, herumzudrucksen und offenbar immer wieder zu einem Ansatz zu sprechen anzuheben, ohne es letztendlich zu tun. Nicht nur Bruce fiel die plötzliche Unruhe auf, auch Artemis und Bizarro warfen sich einen irritierten Blick zu.   Schließlich kratzte Jason sich verlegen am Kopf und wandte sich an seine Freunde: „Würdet ihr uns bitte für eine Weile allein lassen?“ „Natürlich“, erwiderte Artemis sofort, erhob sich und verließ ohne Fragen zu stellen das Zimmer, Bizarro sichtlich verwirrt, aber bereitwillig auf ihren Fersen. Bruce verstand mit einem Mal besser, warum Richard sie gleich beim ersten Treffen ins Herz geschlossen hatte. Die Amazone schien diskret und verständnisvoll. Den Superman-Klon hatte Jason nicht extra aufgefordert, dem Gespräch nicht zu lauschen, obwohl er zweifellos wissen musste, dass er es problemlos konnte. Sein Sohn vertraute diesen Leuten, anscheinend nicht zu Unrecht, auch wenn Bruce noch nicht ganz bereit war, ihnen dieselbe bedingungslose Gunst zu erweisen.   Doch erst, als er sich sicher mit ihm unter vier Augen glaubte, rückte Jason endlich mit dem Problem heraus, welches ihn so dermaßen bedrückte: „B ... Ich hab zwar nichts davon kapiert, aber ... Ich bin ... bin mir ziemlich sicher, dass ich viel mit dir geredet habe ... oder?“   „Nicht du, Jay, der Dämon.“   „Aber ich-“   „Nenn den Unterschied.“   „... Nicht ich. Der Dämon.“   „Gut“, Bruce nickte zufrieden, „Und wie oft und lange der Dämon mit mir geredet hat, ist irrelevant. Es handelte sich um billige Köder, Provokationen, die einzig darauf abzielten, mich zu Fall zu bringen. Ich habe auf kein Wort davon auch nur einen Deut gegeben.“ Jason war nicht überzeugt: „Ich ... Ich meine er ... hat alte Kamellen raus gekramt, richtig?“   Bruce schwieg. Er hatte nicht vor, sinnfreie Vorwürfe zu wiederholen, die ein Wesen aus einer anderen Dimension mit offensichtlicher Bestimmung zu demütigen von sich gegeben hatte. Doch Jason war manchmal zu intelligent für das eigene Wohl, und so brauchte er keine Bestätigung. So oft sie sich auch stritten, so wenig ihre Methoden auch übereinstimmten, so lange wie manchmal beängstigende Funkstille zwischen ihnen herrschte, die sie unangenehm an eine Zeit voller Wahnsinn und Gewalt erinnerte, so wenig wollten sie sich doch gegenseitig ernsthaft verletzen.   Und deshalb verletzte es ihn umso mehr, dass Jason ihm in diesem Moment nicht in die Augen sehen konnte: „Nichts davon war ernst gemeint.“   „Ich weiß.“   „Ich ... Ich denke manchmal daran, okay?! Wenn ich wirklich einen echt schlimmen Durchhänger hab! Wahrscheinlich haben diese Biester davon erfahren, weil diese idiotischen Gedanken irgendwo in meinem Unterbewusstsein herumgeistern. Aber sobald ich wieder klar denken kann, weiß ich, dass es nicht stimmt.“   „Ich weiß.“   „Ich hab mir schon so oft gesagt, dass ich den Scheiß endlich ruhen lassen muss. Drüber hinwegkommen muss. Kürzlich in Qurac ... Ich dachte, es sei ein ordentlicher Schritt nach vorn gewesen, aber ... Aber manchmal kommt es einfach wieder hoch und ich kann nichts dagegen machen. Aber ich weiß ... Letztendlich weiß ich, dass nichts davon wahr ist.“   „Danke, Jay.“   Er sah ihn verblüfft an: „Warum bedankst du dich?“ Und Bruce schenkte ihm eines seiner seltenen Lächeln: „Dafür, dass du an mich glaubst.“ Jason errötete über die sentimentalen Worte heftig, doch Bruce war noch nicht fertig, sondern ergriff auch noch eine verlegen zuckende Hand und drückte sie fest: „Und ich habe fest vor, deinen Erwartungen gerecht zu werden.“ Ob Jasons fassungslosem Blick hätte er beinahe laut losgelacht. Er nahm sich auch vor, allein für diesen Anblick Alfred später herzlich zu danken für die dringende Empfehlung, die wichtigsten seiner Gedanken, die er normalerweise unter festem Verschluss gehalten hätte, offen auf den Tisch zu legen.   Peinlich berührt versuchte Jason eine Weile, sich aus dem Griff zu befreien, was Bruce allerdings nicht zuließ. Es war von größter Wichtigkeit, ihm seinen Standpunkt ein für allemal zu verdeutlichen, wies Jasons Verhalten doch unmissverständlich darauf hin, wie unsicher er sich seiner Sache trotz der vehement zur Schau gestellten Tapferkeit wirklich war.   Schließlich gab Jason auf und nur wieder ein kaum hörbares „Okay“ von sich, ohne jegliches Anzeichen von Ironie. Bruce seufzte, erleichtert darüber, dass er ihm endlich zuhören zu wollen schien: „Jason. Wir kennen uns lange genug und wissen beide, dass ich es ... Wie drückst du dich immer so passend aus?“   „Dass du’s verkackst?“   Sein Gesicht verzog sich zu einer missbilligenden Grimasse, aber er durfte sich nicht beschweren – er hatte gefragt.   „... Ja. Ich will nur, dass du das, was du vorhin gesagt hast, nie vergisst. Egal was passiert, glaub nicht für eine Sekunde, dass du das, was dir zugestoßen ist, verdient hast oder dass ich dir jemals den Tod gewünscht habe.“   Jasons Augen weiteten sich. Er hatte zwar geahnt, dass er in seinem besessenen Zustand Bruce die wüstesten Vorhaltungen gemacht hatte, aber eine Bestätigung zu hören, war doch noch ein gutes Stück unangenehmer. Ihm war zwar schmerzlich bewusst, dass er noch immer eine gewaltige Menge psychischer Probleme mit sich herumschleppte, aber manche Dinge hielt er tatsächlich für endgültig gegessen.   „Shit, B, ich-“   Bruce unterbrach ihn mit erhobener Hand: „Es ist in Ordnung. Manche Zweifel werden nie ganz verschwinden. Es tut mir nur unendlich leid, dass ich dir gegenüber nie sicher genug aufgetreten bin, um sie gar nicht erst entstehen zu lassen. Ich habe viele Fehler gemacht und werde auch in Zukunft welche machen. Ich kann nur hoffen, dass sie nicht dazu führen, dich noch einmal so von aller Welt verlassen geglaubt wiederzufinden.“ Mit einem entschlossenen Ruck zog er Jason an sich, sogar auf die Gefahr hin, die Zähne ausgeschlagen zu bekommen, und legte ihre Stirne aneinander: „Du hast eine Familie. Vergiss das nicht. Du wirst immer jemanden haben, der für dich da ist. Wenn nicht ich es bin, wird es Dick sein. Wenn nicht er, dann Alfred. Cass, Steph, Jim, Barbara, sie alle werden dich nicht im Stich lassen, wenn du sie wirklich brauchst. Und bitte, gib Damian eine Chance. Er mag kaltherzig erscheinen, aber das liegt nur daran, dass er noch weniger positive Gefühle ausdrücken kann als ich. Ich will dich nicht zwingen, uns um Hilfe zu bitten. Dafür bist du zu selbstständig. Aber lass dich nicht dadurch aufhalten, dass du denkst, du wärst uns egal. Hast du verstanden?“ Er spürte das Schlucken eher als dass er es sah, und dann hörte er einmal mehr ein leises „Okay“.   Ein hauchfeines Lächeln verzog für den Bruchteil einer Sekunde seine Mundwinkel, dann ließ er Jason los und stand energisch auf: „Ich muss zur Arbeit. Wayne Corp. führt sich letztendlich nicht durch Fox allein. Wirst du den Tag noch hier verbringen?“ Jason schüttelte geistesabwesend den Kopf und räusperte sich schließlich: „Ich denke nicht. Mit geht’s schon wieder ziemlich gut.“ Und dann brach ein breites Grinsen auf seinem Gesicht aus, schelmisch und herausfordernd wie man es von ihm gewohnt war: „Gründliche Straßenreinigung erledigt sich letztendlich nicht durch Batman allein!“ Beide schnaubten amüsiert und Bruce wanderte anschließend zur Tür, in der ihn Jasons Stimme noch einmal aufhielt.   „Hey, Bruce. Da fällt mir ein: Circe hat behauptet, einer Trinität anzugehören. Und Raʼs erwähnte Lex Luthor. Die Tatsache, dass er ihrer illustren Truppe nicht beigewohnt hat, ist wohl Zeichen genug, dass er ihnen den Stinkefinger gezeigt hat, aber ... Naja, besser Vorsicht als Nachsicht, richtig?“   Bruce hielt inne und überlegte eindringlich: „... Richtig. Danke, Jason.“   „Kein Problem.“   Als Bruce die Tür hinter sich zugezogen hatte, hallte lautes Rufen durch das verlassene Zimmer.   „Bizarro! Ihr könnt wieder raufkommen!“   Als er fast die Treppe erreicht hatte, hörte er auch zuverlässig schwere Schritte auf sich zukommen und gleich darauf marschierten die Outlaws an ihm vorbei. Ihre Blicke trafen sich und Artemis nickte ihm respektvoll zu, was Bizarro anschließend mehr imitierte als begriff, doch der Wunsch, ehrlich gefällig zu sein, schien aus dem aschfahlen Gesicht weitaus deutlicher heraus als bei vielen seiner selbstgerechten Geschäftspartner. Er erwiderte die Geste stumm.   „Oh, gut. Du siehst entspannt aus“, hörte er Artemis erleichtert sagen, kaum dass sie dir Tür zu Jasons Zimmer geöffnet hatte, „Ich hatte schon befürchtet, eure Aussprache hätte zu noch mehr Stress geführt.“ „Mr. Batman Familie“, erwiderte Bizarro daraufhin verwirrt, „Wie können erzeugen mehr Stress?“ Die Tür fiel ins Schloss, aber Jasons Lachen erfüllte den Flur und das erquickliche Geräusch ließ Bruce am obersten Treppenabsatz verharren und genussvoll die Augen schließen: „Ich erklär’s dir ein andermal, Biz. Aber jetzt gerade habe ich ein bisschen zu viel Hunger für ausschweifende Erläuterungen. Sei so gut und reich mir das Tablett da drüben rüber, ja? Es duftet zum Sterben gut!“   „Oh? Du bist tatsächlich noch hungrig, nach allem, was du gestern zu dir genommen hast?“   „Wovon redest du, Art? Ich bin gestern wegen dieser blöden Hexe kaum zum Essen gekommen!“   „Jason, du hast keine Ahnung.“   „Und du schon?“   „Selbstredend. Wir haben eine ganze Zeitlang an deinem Bett verbracht, genug Zeit, Batman nach den Geschehnissen in Gotham auszufragen.“   „Hm. Ja, das wär ʼne Maßnahme gewesen. Scheiße, ich bin so durch den Wind, dass ich schlichtweg nicht drauf gekommen bin.“   „Angesichts deines Kreislaufkollapses will ich dir das Versäumnis durchgehen lassen.“   „Brötchen riechen gut! Bizarro kosten?“   „Nimmst du die Pfoten weg?! Alfreds Brötchen muss man mir aus meinen verwesenden Fingern stemmen!“   „...“   „...“   „...“   „Oh, Himmelarschundzwirn, sieh mich nicht so an! Du kriegst die Hälfte, okay?!“   „Okay!“   „So ... Wie mir scheint, habt ihr was Interessantes rausgefunden, während ich weggetreten war. Könnten wir darauf näher eingehen? Vor allem, was es mit meinem Speiseplan zu tun hat? Dem nachzugehen ich gestern ganz bestimmt versäumt habe, egal, was du sagst.“   „Du hast John Constantine verschluckt.“   „... ... Wus?“   „Du hast John Constantine verschluckt.“   „Du verhaust die Redewendungen, Art. Wenn, dann muss es heißen, ich hab Constantine gefressen. Ist das verwunderlich? Der Typ ist ein großkotziges Arsch-“   „Nein, Jason. Du hast ihn verschluckt. Direkt nach der Magierin und Deadman. Superman hat dein großes Mundwerk noch ein Stückchen weiter aufgesperrt und der Exorzist ist eingestiegen, um zu Circe zu gelangen.“   „...“   „...“   „Red Er blass aussehen. Hat Stinkmann nicht geschmacket?“   „Jason? Geht es dir nicht gut, Kleines?“   „... Doch! Klar! Klar, warum nicht?“   „Du gehört was Red Sie gesagt, oder? Dann du bist blass geworden. Alles in Ordnung?“   „Wie auch immer! Offensichtlicher Bullshit! Verarsche! Du solltest lernen, sowas zu erkennen, Biz, dann gehst du gechillter durchs Leben!“   „Nein, danke, Bizarro mehr als genug gechillt in weißem Land.“   „Das ist nicht, was ich ... Ach, schon gut.“   „Bizarro nicht verstehen. Menschen essbar?“   „NEIN! Nein, Biz, Menschen sind nicht essbar! Nicht mal genießbar! Schmecken fürchterlich, die Burschen! Denk nicht mal dran!“   „Hm, ich wusste, dass du über einen gesunden Appetit verfügst, Jason, aber gleich drei ausgewachsene Leute mit allem drum und dran, inklusive Kleidung und Zigaretten? Obwohl, die Zigaretten dürften wohl ein willkommenes Dessert für dich dargestellt haben.“   „... Na toll. Mir ist übel. Jetzt werde ich für mindestens eine Woche nichts runter kriegen.“   „Nur eine Woche? So ein strammer Kerl wie Constantine füllt dich nur für eine Woche? Du bist ein Nimmersatt!“   „Würdest du bitte damit aufhören?!“   „Bizarro verwirrt. Red Ers Magen führt zu anderen Orten?“   „Was?“   „Red Sie gesagt, Stinkmann durch Mundwerk zu Hexe gelangt. Also Weg zu anderen Orten.“   „Du würdest dich wundern, wohin seine Mahlzeiten wandern, Bizarro.“   „Könnten wir endlich mit dieser Unterhaltung abschließen?! Bevor ich anfange zu kotzen?!“   „Diese Erfahrung wird dich vielleicht das nächste Mal davon abhalten, meinen Hähnchenburger mit doppelt Patty und Bacon zu verzehren.“   „Was redest du da? Ich hab deinen Burger nicht angerührt!“   „Deiner lag ganz vorne im Kühlschrank. Am Abend waren beide weg.“   „Ich hab meinen gegessen, okay, aber ich bin doch nicht lebensmüde genug, Hand an deine Portion zu legen!“   „Oh, sicher! Bestimmt war es nur ein Versehen!“   „Du glaubst, ich würde den Unterschied zwischen einem frisierten Cluck McDouble und einem Sputnik Cheese nicht erkennen?“   „Wenn Absicht dahintersteckt ...“   „Ich habe deinen Burger nicht gegessen! ... ... Ich fühl mich gerade nicht so gut ...“   „Red Er lassen Bizarro ausprobieren?“   „Was?!“   „Bizarro möchten Olan besuchen, aber weit weg. Du machen bitte kurz Mund auf?“   „Gott, ich hasse Magie!“   „Und du behauptest, nicht wie Batman zu sein.“   Bruce beschloss, den anschließenden frustrierten Schrei als Schlussakkord zu werten und dem Leiden seines Sohnes nicht weiter heimlich zu lauschen.   Als er die Augen öffnete, bemerkte er, dass er nicht der einzige war, der die Gelegenheit beim Schopfe gepackt hatte, Jasons ungezwungene Art eine Weile zu genießen. Richard stand ans gegenüberliegende Geländer gelehnt, mit verschränkten Armen und dem wohl breitesten Grinsen, das er ihm seit langer Zeit geschenkt hatte. „Er hat gute Freunde gefunden, nicht wahr?“, bemerkte er mit sichtlichem Vergnügen an dem Gram, mit dem sein Bruder im Moment das Leben teilte.   Und Bruce wusste nicht besser zu reagieren als mit einem wenig mitfühlenden Lächeln.   „Oh ja, er ist wahrhaftig zu beneiden.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)