Die Karten legt das Schicksal von Strichi ================================================================================ Kapitel 3: (Un)Erwünschte Begegnungen ------------------------------------- Zufrieden lächelte ich, als ich mich montags auf dem Sitz eines Diners nieder ließ. Es war in der Nähe des Gerichtes und es war dafür bekannt, dass viele Homosexuelle hier verkehrten. In einer Ecke sah ich zwei Frauen, welche sich an den Händen hielten und an einem anderen Tisch hatten zwei Männer die Köpf zusammen gesteckt und flüsterten sich etwas ins Ohr. Ich ging gerne hier hin. Es war nicht so, dass ich immer in Schwulenbars oder andere Etablissement ging, welche dafür berühmt und berüchtigt waren. Doch hier konnte man einfach den einen oder anderen netten Kerl anschauen, ihn betrachten und niemanden damit in Verlegenheit bringen, wenn es auffiel. Und wer blickte nicht gerne netten Typen auf den Hintern, wenn man schwul war. Ob ich ein Beuteschema hatte? Das wusste ich selbst nicht genau. Natürlich mochte ich sportliche und athletische Körper, wer nicht? Mir ging es da sicher nicht viel anders, als anderen. Ich selbst wollte ja auch gerne wieder sportlicher sein. Tatsächlich war ich am überlegen, mir einen Hometrainer zu besorgen. Vielleicht kam ich dann zuhause auch auf andere Gedanken und schaute abends nicht immer nur auf die Matscheibe. Doch eigentlich, war es mir wichtiger, dass die Männer eine angenehme Ausstrahlung hatten. Alex hatte sich das ganze Wochenende nicht gemeldet und ich war zu stolz, um ihm zu schreiben. Ich versuchte das Thema einfach abzuhaken. Eigentlich hatte ich gleich einen Termin, doch spontan rief mich mein Klient an. Er würde sich um eine ganze Stunde verspäten, da er einen anderen Termin verpennt hatte. Ärgern brachte nichts. Hier in dem Café war es gerade angenehmer zu arbeiten. Der Geruch von frischem Kuchen und Kaffee lag in der Luft. Es war kühl draußen, aber nicht nass und man spürte, dass der Frühling gekommen war. Das sanfte Summen der Stimmen war nicht zu laut und ließ sich gut ausblenden, wenn man wollte. Also genoss ich es einfach hier zu sitzen. Emails konnte ich auch von meinem Handy aus checken und Telefonate ebenso führen. Vermutlich hätten viele gesagt, dass man dies nicht machen sollte, mit seinem privaten Handy. Aber nicht jeder bekam meine Nummer. Doch eigentlich war es mir gleich, wenn ich eine Nummer nicht kannte ging ich nach 18 Uhr nicht mehr an mein Handy! Es war bereits viertel nach zwei und wenn der Termin später stattfinden würde, konnte mein Chef sich sicherlich nicht beschweren, wenn ich im Außendienst endete. Es schien ein guter Montag zu werden. Ich war auch zufrieden, weil ich deutlich den Muskelkater spürte, den das Radfahren in meinen Oberschenkeln hinterlassen hatte. Gemeinsam mit Maddy war ich weit und viel Fahrrad gefahren. Wir waren fast den ganzen Tag unterwegs gewesen. Sind durch die Stadt gefahren, haben an Spielplätzen gehalten, waren im Wald gewesen, waren etwas Essen und wenn wir etwas Interessantes gefunden hatten, hielten wir an. Auch den Sonntag hatten wir so, als kleine Familie verbracht und waren abends zum Essen bei Sarah und Phil gewesen. Es war einfach toll, den ganzen Tag aktiv zu sein. Nicht hinter einem Schreibtisch zu stecken und vor allem, die Zeit mit meiner Tochter so gut es ging zu nutzen. Dick eingepackt hatten wir auch nicht viel gefroren. Ich las mir gerade eine E-Mail eines Arbeitskollegen durch, als ich hinter mir Bewegungen wahrnahm. Doch noch bevor ich mich umdrehen konnte spürte ich, dass mir etwas auf den Kopf fiel. Es tat nicht weh und ein Donut fiel auf meinen leeren Teller. Ich blinzelte verwirrt das Teilchen an und sah hinter mich. Verwirrt sah ich gegen einen breiten, wohl durchtrainierten Oberkörper. Das blaue Hemd saß enger, aber nicht zu eng. Mein Blick glitt hinauf, in das Gesicht des Fremden. Seine Haare waren dunkelbraun, kurz und vom Wind zerzaust worden. Er hatte einen modernen Haarschnitt und einige der Haare fielen ihm leicht über seine Ohren. Auf der Stirn waren tiefere und weniger tiefe Denkfalten zu erkennen. Seine Augen waren groß und von einem sehr satten und dunklen Braun. Sie wirkten warm, was mir gefiel, mochte ich dunkle Augen doch sehr. Er trug einen drei Tage Bart, wie viele Männer derzeit und ich fand, dass er ihm sehr gut stand. Die schmalen Lippen hatte er gerade aufeinander presst und ein erschrockener und fast schon entsetzter Ausdruck war auf seinem Gesicht zu erkennen. Er war recht groß und trug eine dunkle Jacke, über seinem Hemd. Eine Jeans kleidete den Mann vor mir und ließ kräftige und trainierte Beine erahnen. Wie wohl sein Hintern in der Jeans wirkte, fragte ich mich, eher ich mich von dem Gesicht des Mannes losreißen konnte. Ich griff nach dem Donut und sah ihm fragend ins Gesicht. „Deiner?“, fragte ich, obwohl ich die Antwort kannte. Ich hörte ihn schwer seufzen und verstand nicht weswegen. Sein Blick war härter, als ich annahm und nur knapp nickte er. „Ja“, sagte er und seine tiefe und etwas leise Stimme drang an meine Ohren. Ich spürte, wie er mich musterte. Seine dunklen Augen glitten von meinen grünen Augen, über mein Gesicht und sahen an mir hinab. Ich reichte ihm sein Gebäck und leicht nickend nahm er es mir ab. Er hatte einen weiteren Donut in der Hand und einen Becher aus dem es dampfte. „Meistens sagen die Leute einfach hallo, wenn sie mit mir sprechen wollen und werfen nicht mit Lebensmitteln“, scherzte ich und verzog meine Lippen zu einem schiefen Grinsen. Seine Mundwinkel zuckten leicht und er wirkte etwas unschlüssig, wie sich seine breiten Schultern hoben. Ja, vermutlich wäre mir die Situation ebenfalls etwas unangenehm. „Vermutlich… Ist für gewöhnlich auch nicht meine Masche“, erwiderte er und anders, als noch vor wenigen Augenblicken, wirkte der Ausdruck auf seinem Gesicht weniger streng. Ich richtete mich auf und lehnte mich leicht zurück, während ich ihn betrachtete. „Was ist denn sonst so deine Masche, wenn du Leute kennen lernen willst?“, fragte ich gut gelaunt und zwinkerte ihm freundlich zu. Ich flirtete gerne und hatte es mir auch nicht während meiner Ehe nehmen lassen. Doch gegessen wurde in Beziehungen immer Zuhause. Ich deutete ihm an, dass er sich setzen konnte, wenn er denn wollte. Kurz sahen wir einander an, doch nach einem Augenblick ließ er sich auf dem Platz mir gegenüber nieder. Tief atmete er aus, als hätte ihn das Stehen angestrengt, doch vielleicht hatte er wie ich einen Muskelkater. Wirkte dieser Mann doch sehr sportlich. „Ich versuch das Kennenlernen meistens mit: Hallo mein Name ist Paul, darf ich dir was zu trinken ausgeben“, meinte er und stellte seinen Becher Kaffee auf den Tisch zwischen uns ab. Ich schmunzelte und erneut glitt mein Blick über den Mann vor mir. Seine Haut wirkte hell, fast schon etwas blass und seine so dunklen Augen standen in einem starken Kontrast dazu. Meine Mundwinkel zuckten leicht und ich schmunzelte ihn leicht an. „Okay, simpel und einleuchtend. Nicht zu forsch und übertrieben“, meinte ich und nippte an meinem Kaffee. Ein leises Lachen stahl sich auf die Lippen des Mannes vor mir und der Ausdruck in seinem Gesicht wandelte sich. Er wurde offener und fast schon überrascht. „Na ja, führt nicht immer zum gewünschten Ziel“, meinte er grinsend und biss in den Donut, den er mir vorhin versehentlich auf den Kopf geworfen hatte. Ich nickte zu dem fettigen Teigstück in der Hand des Mannes und frech sagte ich: „Vielleicht aber effektiver als tieffliegendes Gebäck.“ Erneut stahl sich ein Lachen auf seine Lippen und nachdem er seinen Bissen hinuntergeschluckt hatte, sagte er kopfschüttelnd: „Du scheinst aber auch immer einen Spruch auf Lager zu haben, oder?“ Ich schmunzelte nur und zuckte leichthin mit den Schultern. Er war mir tatsächlich sehr sympathisch, stellte ich fest. Er hatte eine angenehme Ausstrahlung. Nicht schüchtern und doch nicht zu extrovertiert. „Ich bin übrigens Rick, oder Richard“, stellte ich mich endlich vor und reichte ihm meine Hand. Er hatte einen festen, aber nicht zu festen Händedruck. „Nicht Richie?“, wollte er schmunzelnd wissen und angewidert verzog ich mein Gesicht. Ich hasste diesen Spitznamen! Ich hatte meinen Eltern mit 10 Jahren verboten mich so zu nennen, doch noch heute taten sie es ab und zu. „Nein, Rick“, meinte ich mit einem genervten Unterton in meiner Stimme. „Okay, Rick also“, wiederholte Paul und seine Augen glitten erneut über mein Gesicht, „normalerweise werfe ich ja nicht mit Essen, wenn ich jemanden kennen lernen will. Nur, dass du das weißt.“ Ich grinste nur und fragte nach wenigen Augenblicken: „Mittagspause? Oder weswegen bist du hier?“ Den Kopf schüttelnd sah er mich an. Mein Handy vibrierte und ich sah hinab. Nur eine neue E-Mail von einem Klienten. Kurz las ich den Namen um zu wissen, ob sie gerade wichtig war, oder nicht. Schließlich verbrachte ich hier gerade nicht meine Freizeit. „Und du?“, wollte er wissen, nachdem ich das Handy wieder beiseite gelegt hatte. Eigentlich mochte ich es nicht, wenn man am Tisch ständig auf sein Handy starrte, doch oft genug erwischte ich mich selbst dabei. „Na ja, sozusagen. Ich warte auf einen Klienten und vertreibe mir die Zeit. Emails kann ich hier auch lesen und Anrufe auch von hier aus machen“, erklärte ich und gönnte mir erneut einen Schluck meines Kaffees. Er nickte nur und stirnrunzelnd betrachtete er mich. „Was arbeitest du denn?“, wollte er nach einem Augenblick von mir wissen. Ich stellte den Becher auf den Tisch zurück und beugte mich leicht zu ihm. Ich mochte das flirten. An Alex hatte ich mich gezwungen nicht mehr zu denken und gerade fiel es mir auch nicht schwer. Er hatte sich nicht gemeldet und ich glaubte kaum, dass er dies noch tun würde. Also warum nicht etwas flirten? Wieso nicht mal einen Augenblick alle Sorgen des Alltags vergessen? Kurz, biss ich mir auf die Lippen, eher ich antwortete: „Ich bin Anwalt und treffe mich gleich mit einem Klienten. Und, was arbeitest du?“ Auch Paul lehnte sich zu mir und betrachtete mein Gesicht. Ein leichtes Lächeln erschien auf seinen Lippen. Kurz und vermutlich ohne es wirklich zu merken, strich er sich durch seine braunen Haare. „Sieht man doch, ich esse Donuts und trinke Kaffee. Ich bin Polizist“, meinte er und ich glaubte so etwas wie Stolz in seiner Stimme wahrzunehmen, „bin noch krankgeschrieben und fang in zwei Wochen wieder an.“ Krankgeschrieben? Wieso? Er sah gar nicht krank aus, dachte ich mir und schalt mich selbst in Gedanken. Er konnte auch verletzt sein. Immer wieder hörte man von verletzten Beamten. Ich betrachtete ihn und interessiert fragte ich: „Wie lange bist du denn schon bei der Polizei?“ „Schon länger“, meinte er ruhig und mit klarer Stimme, „nach der High School war ich zwei Jahre auf dem College und nach dem Abschluss habe ich zwei Jahre beim Militär gedient. Wollte aber nicht mein ganzes Leben irgendwo im Ausland hocken und hab dann bei der Polizei hier in Portland angefangen. Ist jetzt bald neun Jahre her.“ Ich nickte und grinste ihn leicht an. „Klingt nach einem gelungenen Lebenslauf“, scherzte ich und zwinkerte ihm freundlich zu. Er grinste leicht und doch konnte ich den Stolz erkennen, welcher sich auf seinem Gesicht wiederspiegelte. Ich kannte seinen Background nicht und vielleicht konnte er tatsächlich sehr stolz auf sich sein. Ich selbst kam aus einer sehr etablierten Familie. Mein Vater besaß eine gut laufende Baufirma. Eigentlich hätte ich die Geschäfte übernehmen sollen, doch da ich daran kein Interesse hatte, sollte dies meine Schwester übernehmen. Wir hatten nie Probleme mit Geld und konnten uns immer vieles, sicher nicht alles, leisten. Doch mir war bewusst, dass nicht jeder dieses Glück hatte. „Danke“, meinte er und erneut strich er sich durch die Haare. Ob er nervös war? Ich wusste es nicht. Nachdenklich strich er sich über sein Kinn und er fragte nach einigen Augenblicken: „Bist du eigentlich öfter hier?“ Ich schüttelte den Kopf und meinte nach einem Augenblick. „Ich arbeite für die Kanzlei von Mark Demary. Hat sich auf große Firmen und Wirtschaftsangelegenheiten spezialisiert. Aber ab und zu gibt es immer wieder neue und andere Klienten.“ Paul nickte leicht und nach einem Moment meinte er, dass er von der Kanzlei bereits gehört hatte. Mich wunderte es nicht. Nicht wenn er tatsächlich Polizist ist. „Hast du dich darauf spezialisiert?“, wollte er wissen und ich schüttelte leicht den Kopf. „Nein, obwohl eigentlich schon. Ich habe mich aber damals, im Studium, mehr mit Strafverfolgung beschäftigt“, erklärte ich und blickte kurz auf die Uhr meines Handys. Ich hatte noch etwas Zeit, bis ich mich mit meinem Klienten traf. Ich fragte ihn, was er bei der Polizei tat. Ich hatte das Gefühl, als wich er kurz meinem Blick aus. Einen Augenblick zu lange, sah er hinunter zu seinem Kaffee und dem Donut, den er noch nicht gegessen hatte. „Ich war in der Einheit, welche für schnelle und spezielle Eingriffe zuständig war. Amokläufe und Banküberfälle… Aber ab und zu auch mal bei der Verkehrskontrolle. Gibt ja nicht jeden Tag einen Amoklauf… Dann unterstützt man eben Kollegen. Eingreifen, wenn es um Drogengeschäfte geht.“ Spannend klang es und doch hatte er gesagt, dass er in dieser Einheit war. Es war nicht ungewöhnlich, dass Polizisten nach einigen Dienstjahren in andere Einheiten versetzt wurden, oder sich versetzten ließen. „Und wo bist du nun?“, wollte ich wissen und leckte mir den Kaffee von den Lippen weg. „Ich fang jetzt in einer neuen Einheit an. Cold Cases, ist aber bei weitem nicht so spannend, wie in dieser komischen Serie“, erklärte Paul und grinste mich schräg an. „Ist doch cool“, meinte ich anerkennend. Tatsächlich würde mich diese Arbeit selbst auch reizen. Doch wie ich Paul ins Gesicht sah, war ich mir unschlüssig, ob er sich freute, oder nicht. Doch ich kannte ihn nicht. Ihn sicher deuten, dass konnte ich nicht. „Kommt auf den Fall drauf an“, meinte er nach einem kurzen Augenblick, „dann kann es ziemlich interessant sein. Durch die technischen Fortschritte hat man schließlich immer wieder neue Herangehensweisen an alte Fälle…“ Ich kannte es von meiner Arbeit, wenn Menschen einen Text heruntersagten, den sie auswendig gelernt hatten. Sie sagten es schnell und ihre Betonung wirkte distanzierter, als gewöhnlich. So wie er sprach, klang es ähnlich. Doch ich hatte nicht das Recht weiter darauf einzugehen, fand ich. Denn vielleicht freute er sich und war einfach ein Mensch, der Freude nicht so offen zeigte wie Andere. Interessiert nickte ich. Denn ich fand es tatsächlich ziemlich spannend, was er da sagte. Ich schielte hinab zu den Donuts und sagte scherzhaft: „Und das ist jetzt natürlich Standard, oder? Kaffee und Donut.“ Ich ging bewusst nicht darauf ein, dass ihm irgendetwas nicht passte, oder ob er irgendetwas verheimlichen wollte. Ich wollte kein tiefsinniges, oder emotionales Gespräch. Ich wollte eine lockere, nette Unterhaltung. Schließlich kannte ich den Mann vor mir nicht. Paul nickte kurz und biss in den zweiten Donut, welcher mit bunten Streuseln verziert war, hinein. „Wie alt bist du eigentlich?“, wollte ich von dem Mann wissen. Ich war nie gut im Schätzen vom Alter. Er hatte einen jungen Touch, doch die Falten auf seiner Stirn ließen mich, unsicher werden. „Dreiunddreißig“, antwortete er gleich und als er mich fragte, sagte ich ihm, dass ich nur zwei Jahre jünger sei. „Aber die dreißiger sind ja die neuen zwanziger“, sagte ich grinsend und zwinkerte dem Mann zu, der mir gegenüber saß. Es war seltsam, wir saßen in einem vollen Café und trotzdem bemerkte ich die anderen Menschen um mich herum in diesem Augenblick nicht. Ich mochte dieses Gefühl, denn nach genauso einem sehnte ich mich. „Und was sind dann die Zwanziger? Die verlängerten Teenagerjahre?“, scherzte er mit seiner angenehmen tiefen Stimme. Ich genoss das Flirten, auch wenn es nur für den Augenblick sein sollte. Wenn ich gleich zu meinem Klienten ging, würde ich diese Blase verlassen und wieder in meinen gewohnten Alltag eintreten. Es war nicht schlimm und trotzdem wollte ich dieses Gefühl beibehalten. Dieses Gefühl als Mann gesehen zu werden. Also als attraktiver Mann. Nicht als Singledad. Ich schmunzelte zufrieden und biss mir erneut leicht, auf die Unterlippe. „Vielleicht. Wenn man einigen Glauben schenken kann“, meinte ich scherzhaft. Die Tür ging auf und der Windzug wehte mir den Geruch des Mannes entgegen. Ich roch das Duschgel, vermischt mit dem angenehm herben Geruch meines Gegenübers. Es gefiel mir erstaunlich gut! Pauls Mundwinkel zuckten nach oben und interessiert fragte er: „Was machst du denn sonst so in deiner Freizeit?“ Eigentlich wäre die ehrlichste Antwort gewesen, nichts. Denn wenn ich Zuhause war, wartete der Haushalt auf mich und Maddy wollte versorgt werden. Ein wirkliches Hobby, hatte ich also nicht mehr. Ich wollte Madeline nicht erwähnen. Nicht, weil ich mich für sie schämte, doch ich wollte und brauchte auch nicht jedem auf die Nase binden, dass ich eine Tochter habe. Die Gespräche gingen dann immer in dieselbe Richtung. „Ich versuche, so oft es geht mit meinem Fahrrad durch die Gegen zufahren“, meinte ich und es war nicht mal gelogen. Ich versuchte tatsächlich jede Woche zwei Mal länger mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Doch, zu oft nach meinem Geschmack, schaffte ich es nicht. Manchmal konnte ich Maddy bei Sarah lassen und Phil und ich fuhren durch den Wald. „Hab ich auch mal gemacht“, hörte ich Paul sagen und meine Augen begannen zu leuchten. „Echt?“, fragte ich mit Freude in meiner Stimme, „Cool. Vielleicht können wir ja mal zusammen durch die Gegend fahren! Mountainbiken!“ Ich hatte gesprochen, ohne nachzudenken, ohne dass ich daran dachte, dass ich eigentlich keine oder kaum Zeit hatte. Überrascht sah mich Paul an und sein Blick wurde skeptisch. Ich verstand nicht, weswegen. Ja, wir hatten uns gerade erst kennen gelernt und doch war es nicht ungewöhnlich, sich mit jemanden zum Sport zu verabreden. „Ich fahr eigentlich nicht mehr“, wich er aus und sah hinunter in seinen Kaffeebecher. Ich fragte nach dem wieso und wusste nicht, ob es eine zu persönliche Frage war. „Ich kann es nicht mehr so gut“, erklärte Paul und noch bevor ich weiter fragen konnte, fragte er mich, „Was machst du denn sonst so? Wenn du Zuhause bist?“ Immer noch war ich verwirrt und blinzelte leicht verwundert über seine Antwort. Doch, wenn er es mir nicht erzählen wollte, konnte ich es nicht ändern. Kurz dachte ich darüber nach, ihm die Wahrheit zu sagen mit Madeline. Doch eigentlich wollte ich es nicht. Dann gewann ich eben den Award für den schrecklichsten Vater des Tages. „Ich bin früher viel gereist. War schon an vielen Orte. Hawaii, Thailand und in Peru und noch einiges mehr“, meinte ich grinsend und dachte an diese tolle und so glückliche Zeit zurück. Brian und ich hatten jeden Penny unseres Geldes in unsere Reisen gesteckt. Bis wir uns entschieden hatten, ein Haus kaufen zu wollen. „Jetzt nicht mehr?“, wollte Paul wissen und blickte mich interessiert an. Ich blinzelte und schluckte leicht. Ich suchte nach einer neutralen und nicht wertenden Antwort. Einer durch und durch diplomatischen. „Hm… Damals war ich nicht alleine“, begann ich nach einem Augenblick der Stille zwischen uns, „Und alleine solche Reisen zu unternehmen ist irgendwie… blöd.“ Doch wieso eigentlich? Ich könnte mir Madeline schnappen und einfach mit ihr am Wochenende zum Strand fahren. Wo war meine Spontanität hin? Sie war verschwunden. Doch musste verschwinden ja nicht bedeuten, dass ich sie nicht wieder finden konnte. „Hm. Das kann ich verstehen“, meinte Paul und nickte mir zustimmend zu. „Ich bin noch nicht so viel vereist“, meinte er ruhig und kratze sich an der Wange, „Mal nach Palm Springs und Florida, aber ich hab die USA nie verlassen. Zu Armyzeiten hatte ich Glück, dass ich nicht in ein Kriegsgebiet geschickt wurde. Da war ich auf Hawaii und das ist ja auch noch Amerika.“ Ich nickte und lauschte seinen Worten. Ich wollte immer etwas von der Welt sehen. Immer nur im eigenen Land zu verweilen konnte zwar schön sein, aber trotzdem fand ich es nicht interessant. Ich wollte andere Kulturen kennen lernen, wollte wissen, wie Menschen in anderen Ländern lebten. Gerne erinnerte ich mich an Thailand, wo ich einen Fremden fragte, wo der nächste Bankautomat sei und er mich einfach mit seinem Motorrad mitnahm. Er hatte mich sogar wieder zu meinem Hotel gefahren. Diese Freundlichkeit war dort sehr viel verbreiteter als hier! Doch noch immer träumte ich von Australien. Irgendwann, da war ich mir sicher, würde ich dort am Great Barrier Reef schnorcheln. „Ich war nie bei der Army“, meinte ich nachdenklich und dachte an einige meiner alten High School Bekannten, welche diesen Weg eingeschlagen hatten. Ich selbst, hatte mich dafür nie sonderlich begeistern können. Paul winkte ab und meinte: „Braucht man auch nicht, eigentlich. Aber irgendwie…. Mein Vater war mal da, mein Großvater… und dann hat man es eben auch gemacht.“ Ich nickte, denn ich wusste, dass es vielen so erging. Mein Vater hatte ebenfalls im Krieg gedient und mir immer wieder gesagt, dass ich das, was er gesehen hatte, nie zu sehen brauchte. Viel sprach er über diese Zeit nie. „Na ja, aber wie gesagt“, meinte Paul und lächelte leicht, „ich bin selbst nicht wirklich verreist. Kann ja noch werden.“ Gerade, als ich antworten wollte, klingelte mein Handy. Ich musste dran gehen, war ich doch schließlich immer noch nicht privat hier in diesem Café. Es war mein Klient. Er habe nun Zeit und würde in seinem Büro auf mich warten. Enttäuschung breitete sich in mir aus und schwer seufzte ich. „Okay“, meinte ich geschäftig und mit sachlicher Stimme, „ich mache mich auf den Weg.“ Ich legte auf und ein wenig entschuldigend blickte ich Paul an. „Ich muss jetzt los“, meinte ich und versuchte die Enttäuschung aus meiner Stimme zu verbergen, ob es mir gelang, wusste ich nicht. Paul hatte gerade, den letzten Rest seines Donuts gegessen und nickte, während er mich mit vollen Mund anblickte. Ich rief eine Kellnerin zu mir und beglich meine offene Rechnung. Ich kontrollierte gerade, ob ich alles bei mir hatte, Portemonnaie, Aktentasche, Jacke und Handy, als mich Pauls Stimme aus meiner Routine riss. „Verbringst du die Mittagspausen immer hier oder eher woanders?“, fragte er mich und musterte mich mit seinen dunklen Augen. Ein seltsames Gefühl breitete sich in mir aus. Es war ein gutes und angenehmes Gefühl, welches durch meinen Körper strömte. Ich fühlte mich geschmeichelt. Zumeist fragte ich nach. „Ähm… nein, hier eigentlich nicht… Ab und zu, wenn ich bei Gericht bin und der Richter eine Verhandlungspause zulässt… oder die Termine für mich nicht nacheinander sind. Dann bin ich hier, sonst eher an der Eastside.“ Ich sagte ihm, dass direkt neben der Kanzlei ein Bistro wäre. Ich sah, wie Pauls Augen an meinem Körper entlang glitten und nach einem Augenblick fragte er mich, wann ich dort das nächste Mal Pause machen würde. „Ich weiß nicht“, meinte ich leise, doch schon im nächsten Augenblick sagte ich, „Morgen, wenn du willst! Gegen Eins?“ Ein zufriedenes Lächeln schlich sich auf Pauls Gesicht und als er meinte, dass er dann morgen gegen Eins dort sein wollte, erfüllte eine Leichtigkeit meinen Körper. Fröhlich verabschiedete ich mich von ihm und ging mit sehr guter Laune zu meinem Termin. Noch schnell machte ich mir eine Erinnerung in mein Handy, damit ich morgen pünktlich in die Mittagspause verschwinden würde. Es war ein guter Termin, sehr konstruktiv und hatte mich und meinen Klienten vorwärts gebracht. Wir würden versuchen, seine Angelegenheiten außergerichtlich zu klären, waren beide Parteien nicht an einer Gerichtsverhandlung interessiert. Doch ein Anruf meines Chefs ließ meinen Wunsch, im Außendienst zu enden scheitern. Er war schlecht drauf, als er mich anrief und meinte, ich solle umgehend im Büro erscheinen. Was geschehen war, wollte er mir nicht sagen. Das Hochgefühl von vorhin war damit fast zerstört. Es war kurz vor vier, als ich im Büro eintraf. Sofort sah ich meinen Chef. Er war älter, hatte jedoch noch Farbe in den Haaren, vermutlich durch Chemie. Die blonden Haare hatte er streng nach hinten gekämmt und seine grauen Augen wirkten streng und kalt. Sein Anzug saß wie immer tadellos und war vermutlich maßgeschneidert. „Mr. Prescot“, grüßte er mich mit seiner strengen Stimme und baute sich etwas vor mir auf. Noch bevor ich fragen konnte, was los sei, ließ mich seine schneidende Stimme innerlich zusammenfahren, „Sie wissen schon“, meinte er in einem strengeren Ton, als ich angebracht fand, „Dass private Angelegenheiten nach der Arbeit zu klären sind. Ich hoffe, wir haben uns für das nächste Mal verstanden.“ Er nickte zu meiner offenen Bürotür und als ich seinem Blick folgte, klappte mir fast die Kinnlade hinunter. Die blonden Haare hingen ihm frech ins Gesicht und hinter der modernen Brille, sah ich in mir nur allzu bekannte dunkle Augen. Ich hätte ihn überall erkannt. Das ovale und ebenmäßige Gesicht, die etwas längere, aber gerade Nase und das gründlich rasierte Kinn. Ein ordentliches Hemd und eine moderne Jeans kleideten meinen Ex-Mann und neben ihm sah ich eine kleine Frau stehen. Gelockte, goldene Haare. Ein rosa Oberteil und eine enge hellblaue Jenas ließen sie sehr jung wirken. Ich wusste nicht, wer sie war oder wie sie hieß, doch ich vermutete, dass es seine derzeitige Lebensgefährtin sei. Es war komisch zu wissen, dass er nun mit einer Frau liiert sein sollte. Ohne weiter auf meinen Chef zu achten, ging ich zu meinem Büro. Dass es unhöflich ist, meinen Chef einfach stehen zu lassen, war mir vollkommen gleichgültig. Ich hatte nur noch Augen für die zwei Menschen vor mir! Ich schloss die Tür meines Büros und meine Augen hingen regelrecht an meinen Ex-Mann. Ewig war es her, dass wir einander in die Augen geblickt hatten. Seit er in dieser Nacht das Weite gesucht hatte, hatte ich ihn nie wieder gesehen. Die Scheidung und alles, was dazu gehörte, war über unsere Anwälte geregelt worden. Er hatte es nicht einmal für nötig gehalten, sich zu melden. An keinem Geburtstag, an keinem der Feiertage. Er hatte nie angerufen. Brian hatte sich kaum verändert. Nur, dass er vielleicht einige Falten dazubekommen hatte. Immer noch fand ich, dass er sehr gut aussah, doch wusste ich nun, was hinter dieser Fassade steckte. Hinter der Fassade des netten Mannes von nebenan. Wütend biss ich die Zähne aufeinander und ohne die beiden auch nur zu begrüßen fragte ich: „Was willst du?“ Die Wut leckte an meinen Nerven und ich spürte sie deutlich in meinen Venen fließen. Überrascht hoben sich die Augen von Brian und als er mich fast schon gelassen angrinste, hätte ich ihm am liebsten ins Gesicht geschlagen. Doch das hätte mich vermutlich den Job gekostet und mich nicht weiter gebracht! „Ich freue mich auch, dich zu sehen, Rick“, meinte er mit seiner so vertrauten und auch so verhassten Stimme. Wie sehr ich diese Stimme vermisst hatte, damals! „Richard“, meinte ich kühl. Ich wollte nicht, dass er mich Rick nannte, vielleicht war das albern, aber ich wollte es einfach nicht. Wir waren nicht mehr zusammen, wir waren keine Freunde mehr! Es schien, als belustigte es ihn, als sei dies alles ein Spiel und nichts Ernstes! „Okay, Richard“, meinte er locker und setzte sich einfach ungefragt auf die Couch in meiner Ecke. „Du hast die Post des Anwaltes ja erhalten“, meinte er und der Ausdruck hinter seiner Brille wandelte sich. Seine Augen schienen härter und kälter zu werden. Es war ihm also wirklich Ernst, dass er Madeline wieder bei sich haben wollte! Die Frau, deren Name ich nicht kannte, ließ sich neben Brian auf die Couch nieder und hielt seine Hand fest umklammert. Ich blieb stehen. Ich wollte mich ihnen nicht gegenüber setzen und tun, als sei alles geregelt. Oder als würden wir es nun regeln! Ich nickte nur und meine grünen Augen wurden zu Schlitzen. „Du wirst noch Post von meinem Anwalt bekommen.“, meinte ich durch zusammengebissene Zähne. Ich hörte Brian schwer seufzen und als er sprach hätte ich am liebsten aufgelacht, wenn ich nicht so wütend gewesen wäre. „Ach komm schon, ich weiß, dass es damals scheiße gelaufen ist. Ich habe einen Fehler gemacht und möchte ihn nun wieder ausbessern. Wir können uns doch auch außergerichtlich einigen.“ Einen Fehler ausbessern? Einen Fehler? Sein Kind zu verlassen war sicher kein Fehler, den man ausbessern konnte wie eine Macke in einem Auto! „Ich glaube kaum“, meinte ich mit gezwungen ruhiger Stimme, die mich fast all meine Selbstbeherrschung kostete, „dass du fast dreieinhalb Jahre wieder „ausbessern“ kannst, bei deiner Tochter. Die in vier Wochen vier wird. Sie kennt dich nicht!“ Ich war sehr stolz auf mich, dass ich ihm nicht jede erdenkliche Beleidigung an den Kopf warf, die mir gerade durch den Kopf ging. Kurz wich Brian meinem Blick aus und ja, ich sah, dass es ihm Leid tat. Er wusste, was er getan hatte. Doch es war mir vollkommen egal! Sollte es ihm doch leid tun! „Richard“, meinte er und ich hörte sofort heraus, dass er versöhnlich klingen wollte, „Ich weiß, dass du sauer bist und du hast jedes Recht dazu. Doch du musst mich auch verstehen. Es war damals einfach sehr viel…“ Es waren diese Worte, die mich wütend aufbrüllen ließen: „Bor, sei Still! Ich muss dich gar nicht verstehen! Das du auf mich wütend warst, okay! Aber das mit Madeline…. Wenn ich dir sage, was ich davon halte, könntest du mich wegen Beleidigung anzeigen. Du weißt gar nicht wie schwer es ist, all das gerade nicht zu sagen!“ Ich wusste, dass er beschwichtigend die Hände heben würde und als er es tat, war ich verblüfft. Wie gut ich diesen Mann einfach noch kannte! „Richard bitte. Ich weiß, dass war nicht richtig. Dass hat Pastor Graham auch gesagt, aber ich möchte jetzt meine Fehler wieder gut machen. Ich will Madeline eine richtige Familie zeigen und zeigen, wie eine richtige Familie funktioniert.“ Wütend strich ich mir meine schwarzen Haare nach hinten und funkelte den Mann vor mir wütend an. „Raus hier!“, raunte ich mit tödlicher Stimme, „Raus, oder ich vergesse mich! Madeline und ich sind eine Familie. Auch ohne dich, sind wir eine Familie. Und nur weil du meinst, jetzt mit einer Frau zu kommen, macht euch das nicht zu einer besseren Familie, oder einem besseren Umgang für meine Tochter!“ Ich sah wie sich Brian langsam erhob und wie er mich bestürzt ansah und ich wusste nicht, ob ich ihn nicht lieber auslachen sollte. Dachte er, ich würde so etwas sagen wie: Voll toll! Geil, endlich werde ich das Balg los. Hab schon drauf gewartet. Ich pack gleich alle Koffer?! „Raus“, wiederholte ich und die Autorität schwang deutlich in meiner Stimme mit. „Brian sagte mir…“, hörte ich plötzlich die Stimme der Frau neben ihm, „dass du eigentlich immer Karriere machen wolltest und zusätzlich haben wir mehr Zeit für ein Kind! Außerdem braucht ein kleines Mädchen doch ein weibliches Vorbild. Wir können ihr ein sicheres und schönes Zuhause bieten.“ Wütend biss ich die Zähne aufeinander. Es knirschte fast schon unangenehm in meinem Kopf. „Ich weiß nicht, wer du bist“, raunte ich wütend der blonden Frau zu, „Gerade ist es mir auch egal! Aber auch für dich gilt dasselbe! Raus hier! Ihr werdet meine Tochter nie bekommen und was sie braucht, ist kein weibliches Vorbild, sondern ein Elternteil, das immer für sie da ist!“ Ich stapfte wütend zur Tür und hielt sie ohne einen weiteren Kommentar auf. „Verschwindet“, zischte ich zornig und als beide sich langsam in Bewegung setzten meinte Brian: „Ich werde kämpfen, Richard. Pastor Graham meinte, Gottes Segen ist auf meiner Seite.“ Ich kratze mich wütend an der Stirn, nicht weil es mich juckte, sondern einfach, damit meine Hände etwas zu tun hatten. Seit wann, war Brian so gläubig? Hatte er sich in den letzten Jahren der Kirche zugewandt? Ich betrachtete den Mann, den ich geliebt hatte und sah um seinen Hals ein silbernes Kreuz hängen. Toll! Ich atmete wütend durch, eher ich erwiderte: „Dann kennen Gott und Pastor Graham sich schlecht im Familienrecht aus! Und jetzt raus hier!“ Ich knallte die Tür wütend hinter ihnen zu und lief wie ein wild gewordenes Tier wütend in meinem Büro herum! Das durfte nicht sein Ernst sein! Dieser schöne und so angenehme Montag wurde zu einer einzigen Katastrophe! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)