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Die Geister von Torak

von

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҈ Was passiert hier?! ҈

҈ Elsa ҈
 

„AUUUFGEEESTANDEEEN!“

Seit zwei Wochen ist das Gebrüll des Leutnants mein Wecker. Ich springe aus dem oberen Etagenbett und mache in Windeseile mein Bett. Ganz nach Vorschrift, stellen wir Kadeten uns, nach dem wir uns angezogen haben, in Rei und Glied vor den Betten auf. Der Leutnant geht durch den großen Schafsaal und kontrolliert die Betten und unsere Uniformen. Hier hat man noch weniger Privatsphäre als in Chateau Koi. Zwanzig Etagenbetten standen in Baracke 11 in Zehnerreihen neben einander. Baracke 11 war eine der Frauenbaracken und so war unser Leutnant, wenn auch auf den ersten Blick nicht zu erkennen, auch eine Frau.

Sie schläft in dem Büro neben dem Sammelbad. Als Leutnant hat man mehr Privatsphäre aber auch mehr Verantwortung. „Kadet Klara! Ihre Uniform sitzt schon wieder nicht richtig! Stecken Sie ihr Hemd gefälligst richtig in die Hose!“ „Verzeihung, Ma’m!“ Klara versucht das widerspenstige Hemd glatt und ohne Falten in die Hose zu stecken. „Kadet Sarah! Sagen Sie mir was mit ihrem Bett ist!“ „Ich weiß nicht, Ma’m!“ „Die Bettdecke, Kadet!“ Sarah stürzt zu ihrem Bett und richtet die Bettdecke in den vorgeschriebenen Zentimetern zum Bettrand aus. So geht das noch geschlagene zehn Minuten weiter bis wir alle in den Essenssaal marschieren dürfen. Ich frage mich, mit was sie uns heute drangsalieren wollen. Gestern war es Dauerlauf mit Feldgepäck. Sechs Stunden mussten wir entweder marschieren oder sogar laufen und durften nur einmal kurz zum Essen haltmachen. Vorgestern haben wir solange schießen und die Handhabung mit Schusswaffen geübt, dass ich meine Hände am Abend nicht mehr spüren konnte.

Im Speisesaal geht’s lockerer zu als zur meiner Schulzeit. Alle Soldaten, männlich wie weiblich und mit verschiedenen Dienstgraden, saßen bundgemischt an den langen Tischen oder standen an der Essensausgabe an. Wie jeden Tag merke ich, wie sich das Verhalten meiner Kameraden veränderte, während wir auf unser Essen warteten und das diente nur zu einem einzigen Zweck. Sie wollten einen Mann. Doch ihr Verhalten hätte nicht unterschiedlicher sein können. Die einen gaben die kühle Soldatin, die dennoch nach den unverheirateten Männern Ausschau hielt, um zu sehen ob sie sie beeindruckten. Andere fingen an, sich aufreißend zu bewegen und den Männern Blicke mit Wimpern Aufschlag zu zuwerfen. Und dann gibt es die Mädchen die sich in kleineren Gruppen zusammenfinden und giggelt die anwesenden Männer analysieren. Ich verdrehe genervt meine Augen, da ich heute das Pech habe, genau hinter so einer Gruppe zu stehen.

„Hi, ich bin Alex. Du bist mir schon die letzten Male aufgefallen. Morgen Abend hätte ich frei und wollte dich fragen, ob du ihn mit mir zusammen verbringen willst.“ Die Giggelgruppe dreht sich verblüfft zu mir um und mir wird bewusst, dass der junge Soldat mich angesprochen hat. „Äh“ Ich sehe in die grauen batotypischen Augen und weiß nicht was ich antworten soll. Alle Mädchen in meiner Baracke würden sofort ja sagen, aber ich hatte nicht so schnell vor, einen Mann zu finden. „Wie heißt du?“ „E-Elsa?“ „Hübscher Name. Und? Was sagst du? Treffen wir uns morgen?“ „Los Elsa, sag ja!“ Sarah hinter mir nickt mir aufmunternd zu. „Okaaay?“ „Dann morgen um 18Uhr bei dem Fahnenmast vor der Baracke 2.“ Mist! Jetzt habe ich glatt zugesagt. Da komm ich nicht mehr so schnell raus.

Ich sehe Alex hinterher, der zufrieden zu seinen Kameraden an den Tisch zurückkehrt. „Klasse, Elsa! Du bist die erste aus unserer Baracke, die ein Date hat.“ Ja, genau. Als ob ich das gewollt habe. Ich war einfach überrumpelt worden, obwohl ich zugeben musste, dass Alex wenigstens keinen dieser dämlichen Anmachsprüche aufgesagt hat. Außerdem sah er auch gar nicht mal so übel aus. Er hat ein symmetrisches Gesicht und die batotypischen welligen schwarzen Haare verliehen ihm ein lässiges Aussehen. Was soll‘s. Ich kann ihn nach dem ersten Date immer noch eine Abfuhr erteilen und wie hat Sophie mal so schön gesagt: Dich, Elsa, muss man echt zu deinem Glück zwingen! Wer weiß? Vielleicht ist er mein Traummann. Obwohl ich mir noch nie darüber Gedanken gemacht habe. Ich schüttle den Kopf und schnappe mir das erstbeste Essen.

Nach dem Frühstück müssen wir alle vor unserer Baracke zum Fahnenappell antreten. Wie es aussieht ist heute Flugtraining. Na hoffentlich, ein richtiges Training und nicht wieder ein Simulator. Ich habe festgestellt, dass ich im Fliegen ziemlich begabt bin. Aber das ist nur eine Maschine, ein Computer. Ein echter Flieger oder sogar Raumschiff ist etwas ganz anderes. Ich frage mich wie es ist wieder nach Torak zu fliegen. Ich bin als Kind von Arbeitern oft in den Ferien mit meinem kleinen Bruder nach Torak geflogen. Nur manchmal haben wir unsere Ferien hier auf Bato verbracht. Warum ich ausgerechnet jetzt an meine tote Familie denken muss, ist mir nicht ganz klar. Vielleicht weil mein Vater zu seiner Armeezeit einer der besten Flieger der Bato war und ich sein Talent vererbt gekommen habe?

Ich versuche meine Gedanken wider auf das hier und jetzt zu konzentrieren. Was gar nicht so einfach ist, da der Leutnant einen ewig langen Vortrag über Vorschriften und Techniken hält. Trockener geht’s nicht mehr. Man, wann ist die endlich fertig? Ich schiele kurz zu meinem Nebenmann herüber und muss mir ein Grinsen verkneifen. Hoffentlich bemerkt es der Leutnant nicht, sonst müssen wir garantiert Strafliegestütze machen. Aber leider kann ich Klara auch nicht anstupsen, sonst fällt es erst recht auf. Sie hat nämlich die Augen geschlossen und hört offensichtlich nicht mehr zu. Dann ist der Leutnant mit der Ansprache fertig und als wir alle „Ja, Ma’m!“ brüllen, ist auch Klara wieder aufgewacht und der Leutnant hat nichts mitbekommen.

Ich bin aufgeregt. Ich sitze in einem wirklichen Flieger. Er ist einer von dutzend Übungsfliegern, die hier auf Bato positioniert sind. Und was wirklich toll ist, da ich die meisten Punkte beim Simulator Test gekommen habe, bin ich eine der wenigen glücklichen, die in einer Zwei-Mann-Maschinen sitzen. Mein Fluglehrer sitzt hinter mir. Sein Name ist glaube ich David. Das erste Mal alleine Fliegen. Das Gefühl soll dabei unbeschreiblich sein. Aber es gibt so viel zu beachten, dass ich von der Freiheit, von der David gesprochen hat, kaum was mitbekomme. Was soll‘s. Das wird sich mit der Zeit hoffentlich verändern. Mittags haben wir alle etwas Freizeit. Und prompt werde ich von allen Mädchen belagert. „Ich habe gehört, das du morgen ein Date hast, ist das wahr?“ Und: „Was werdet ihr machen, weißt du das schon?“ Es sind auch Mädchen darunter, die nicht zu meiner Baracke gehören und mit denen ich noch nie ein Wort gewechselt habe.

„Ich habe mich mal erkundigt“, Sarah macht ein wichtigtuerisches Gesicht, „Alex soll ein richtiger Gentleman sein und seine Eltern haben eine sehr erfolgreiche Firma, das heißt er ist ziemlich wohlhabend.“ Wann hat sie denn das in Erfahrung gebracht? Also echt, wenn die alle genauso viel Energie für andere, wichtigere Dinge hätten, wäre der Krieg bereits gewonnen. Außerdem scheinen sich Gerüchte über Dates oder Liebe im Allgemeinen unter den Kadeten schneller zu verbreiten als Nachrichten über den Krieg. Verständlich. Krieg ist selbst für uns Armee-Neulinge nichts Neues. Die Liebe dagegen… Ich schleiche mich von dem aufgeregten Haufen giggelnder Mädchen davon, die nichts Besseres zu tun haben als über Jungs zu reden. Das sie mich über Alex hatten ausfragen wollen, scheint ihnen wieder entfallen zu sein. Mein Glück. Aber sie haben mich nachdenklich gemacht.

Warum will ich nicht, wie jedes andere Mädchen, eine Familie gründen? Was stimmt nicht mit mir? Oder ist mit mir alles in Ordnung und diese Mädchen sind verrückt? Andererseits, wenn alle so wie ich denken würden, gäbe es heute keine Batos mehr. Aber dann gäbe es auch keinen Krieg. Ein grimmiges Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht. Diese Logik ist mal wieder unschlagbar. Aber mal ehrlich. Wenn jeder von den Mondvölkern nur etwas von ihrem Stolz zurücktreten und mit einander reden würde, statt sich zu bekriegen, hätte man schon eine Lösung gefunden. Aber niemand ist auch nur bereit einen Kompromiss einzugehen und da kann unsere Regierung noch so sehr unsere Feinde die Schuld zuschieben. Es kann sich keiner rausreden, denn wir sind ja nicht besser. Ich seufze und bleibe wie angewurzelt stehen. Wo zum Teufel bin ich den jetzt schon wieder langgegangen? Links oder rechts? Ich kann mich leider nicht erinnern.

Und zu allem Überfluss sieht hier auch noch alles gleich aus. Klasse gemacht, Elsa! Meine Lehrer hatten Recht. Ich träum zu viel. „Na, verlaufen?“ Ein Soldat mit einer Narbe auf der linken Wange hat mich entdeckt und kommt jetzt zu mir herüber. „Hä, weiß nicht so genau.“ Er fängt an zu lachen. Dabei entsteht ein niedliches Grübchen auf seiner unversehrten Wange und ich merke wie ich rot werde. „Wie kann man das nicht wissen?“ „Naja, die Frage ist: Wo bin ich gerade?“ „In diesem Gebäude da, ist der Flugsimulator.“ „Dann, nein. Ich habe mich nicht verlaufen. Ich bin nur falsch abgebogen.“ Seine Augen blicken belustigt. Das ist ansteckend und ich muss zurück grinsen. „Na, dann gehe ich mal wieder zurück.“ „Und ich mache mit meinem Training weiter.“ Aber keiner von uns beiden bewegt sich.

Wir starren uns nur an. Langsam wird es echt Peinlich. „Also gut. Ich bin darin nicht wirklich gut, aber wie wärs? Gehen wir mal gemeinsam tanzen?“ „Klar. Übermorgen? Ich habe gehört das im „Im schwingenden Schuh“ tolle Musik laufen soll.“ Was mache ich den hier! „Klingt gut, also bis übermorgen!“ „Bis dann!“ Und weg ist er. Was war das denn? Ah! Ich weiß gar nicht, wann und wo wir uns treffen! Und ich kenn noch nicht mal seine Namen! Was ist denn mit mir los! Es ist gerade Mittag und ich habe Dates mit zwei verschiedenen Typen! Wenn das die anderen hören! Hilfe! Was passiert hier?!



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