Zum Inhalt der Seite

Die Geister von Torak

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

۞ Na toll ۞

۞ Samantha ۞
 

Die Waffe liegt schwer, aber sicher in meinen Händen. Ich selber liege ruhig auf dem Boden des Schießstandes und atme konzentriert ein und aus. Beim nächsten Mal ausatmen, halte ich kurz die Luft an und betätige den Abzug. Treffer! Ich schaue über mein Gewehr auf mein Ziel. Von hier aus ist die kleine, runde Scheibe fast nicht zu sehen. Ich schaue erneut durch das Zielfernrohr. Mmh. Ich muss den Lauf neu ausrichten. Die Kugel ist ein paar Zentimeter zu weit rechts eingeschlagen. Ich seufze und rapple mich mühselig auf. Seit eine Granate in meiner Nähe explodiert ist und mein linkes Bein zerfetzt hat, habe ich eine Beinprothese. Aber beschweren kann ich mich nicht. Ich bin am Leben und mein linkes Knie ist mir erhalten geblieben, weshalb ich meine Prothese ziemlich leicht bedienen kann. Außerdem ist sie auch noch mechanisch, darum kann ich sogar rennen, wenn ich das will. Nur das aufstehen, ist etwas mühselig. Vor allem an Tagen wie heute, wo mein Beinstumpf schmerzt.

Was ich damals wirklich ärgerlich fand, war dass ich meine Hochzeit verschieben musste. Aber das ist jetzt auch schon wieder drei Jahre her. Nach meiner Verletzung musste ich nie mehr als Soldat nach Torak und an die Front. Dafür habe ich meinen Dienst hier auf Leumir verrichtet. Inzwischen bin ich dank meiner zweijährigen Tochter ehrenhaft aus dem Militärdienst ausgeschieden und arbeite als angesehene Waffenproduzentin oder wie mein Mann es manchmal scherzhaft nennt: Waffenschmiedin. Gerade überprüfe ich persönlich meine neuste Waffenlieferung. Ich habe mehrere Angestellte. Dennoch ist es für mich Ehrensache, jede Waffe einzeln und per Hand den letzten Schliff zu geben. Meine Firma ist verhältnismäßig klein und da die Waffen nur teilweiße maschinengefertigt sind, auch entsprechend teuer. Als Waffenproduzentin werde ich vom Militärstab des Öfteren gebeten meine selbst designten Waffen auf Torak vorzuführen.

Meine Mutter ist darüber nicht gerade glücklich. Genauso mein Mann und das obwohl es George ist, der mehrere Monate am Stück auf Torak ist. Er ist Berufssoldat. Ich will nicht so sehr darüber nachdenken, was er gerademacht. Ich kann ihn von hieraus eh nicht helfen, sollte etwas passieren. Ich verlasse den hauseigenen Schießstand und gehe in die Werkstatt. Dabei muss ich durch den Laden hindurch. Tim, einer meiner Angestellten, berät gerade eine Gruppe Soldaten. „Guten Tag, meine Herren.“ Die Soldaten nicken mir freundlich zu. „Alles gut gelaufen, Chefin?“ „Relativ. Aber es geht noch besser.“, ich wende mich jetzt direkt an die Soldaten, die wie es scheint, frisch befördert wurden und sich jetzt eine handgefertigte Waffe leisten können, „Wenn Sie Fragen haben oder bei etwas anderem Hilfe brauchen, fragen sie Tim hier einfach.“ Ich nicke Tim zu. „Ich bin in meiner Werkstatt.“, flüstere ich leise. Noch heute gelte ich als eine der besten Schafschützen der Leumir und da die Leumir die besten Scharfschützen der sieben Mondvölker besitzen, kann man wohl auch mit Fug und Recht behaupten, ich sei einer der besten der ganzen Welt.

Hier auf Leumir bringt mir dieses Talent nur noch wenig. Aber ich bin zufrieden so wie es ist. Obwohl ich zugeben muss, dass Talent allein oder gar Glück nichts mit meiner Trefferquote zu tun hat. Wenn ich das will, treffe ich immer ins Schwarze. Ich habe es noch nie irgendjemanden gesagt, aber ich kann meine Kugeln mit meinen Gedanken kontrollieren. Ich bin mir ziemlich sicher das meine Kugeln in meiner Vergangenheit als Soldatin, oft eine Kurve beschrieben haben. Aber das scheint zu meinem Glück nur mir aufgefallen zu sein. Heutzutage muss ich mich stark konzentrieren um diesen Effekt nicht aus versehen hervorzurufen. Wie soll ich Waffen testen, wenn einer meiner Gedanken ausreicht, um das Ziel zu treffen? Ich sehe mich in meiner Werkstatt um, ob ich wirklich alleine bin. Dann hefte ich meinen Blick auf eine der Zangen, die in der hinteren Ecke liegen. Sie fängt an zu zittern und schießt dann auf mich zu. Ich fange sie grinsend auf. Das habe ich lange schon nicht mehr gemacht. Ich fühle mich dann immer so frei.

Auch wenn ich regelmäßig ins Kriegsgebiet fliege und Waffen für den Krieg herstelle, so lebe ich doch selber ziemlich friedlich. Mein Laden liegt etwas außerhalb von Lau, der Hauptstadt hier auf Leumir. Meine Fabrik steht gleich daneben und in einem kleinen Dorf, eine dreiviertel Stunde entfernt, steht das Familienanwesen meiner Eltern. Dort lebe ich zusammen mit meiner Mutter und meiner kleinen Tochter. Mein Vater ist kurz nach meiner Geburt gestorben. Die Eltern meines Mannes waren beide Arbeiter auf Torak und wurden bei einem Angriff vor vielen Jahren getötet. Ich habe sie nie kennengelernt.

Ich sehe auf meine Uhr. In vier Stunden werde ich Schluss machen und nach Hause fahren. Die Zeit vergeht wirklich wie im Flug, wenn man sich auf eine Aufgabe konzentriert. Im Verlauf des Abends kommen noch ein paar mehr Kunden, dennoch vergeht der Rest des Tages ziemlich ereignislos. So ist das meistens hier. Aber in dieser Zeit des Jahres mache ich an meisten Profit. In ein paar Wochen steht das alljährige Militärfest an. Es ist ein Nationalfeiertag und jeder aktive Soldat putzt sich für diesen Anlass heraus. Das heißt für mich, dass ich mehr Waffen verkaufen kann. Tim steckt den Kopf durch die Werkstatttür. „Ich mache jetzt Schluss, Chefin.“ „Alles klar. Gute Heimfahrt.“ Ich lege die Waffen in ihre Koffer zurück und fange an, alles abzuschließen.

Auf der Heimfahrt lande ich mal wieder im Stau. Na toll, jedes Mal dasselbe. Aber ändern kann man es nicht. Obwohl die Stadt am Tag floriert, sind in der Nacht nur noch die Soldaten da und jene Bar- und Restaurantbesitzer, die in den Vergnügungsvierteln ihr Geld verdienen. Alle anderen fahren in die Vorstädte oder nahen Dörfer. Ruhe und Frieden, das ist was alle wollen. Na ja, entweder das oder man bekommt von der Gefahr, vom Krieg nie genug. Da spielt es auch keine Rolle, was man alles Verliert. Und leider muss ich zugeben, dass ich mich auch hin und wieder nach der Gefahr sehne. Das Adrenalin, welches einen dabei durch die Adern schießt, ist einfach unbeschreiblich. Tja. Dieses Stresshormon sorgt für Höchstleistungen und ist besser als jede Droge. Und dennoch: Man sollte die Gefahr niemals unterschätzen.

Manchmal frage ich mich, was aus mir geworden wäre, wenn es den Krieg nicht geben würde. Ich weiß es beim besten Willen nicht. Es gibt den Krieg halt und er wird auch nicht so schnell aufhören. Auch wenn ich mir das für meine Tochter wünschen würde. Der Stau löst sich etwas auf. Nur noch zwei Abfahrten, dann bin ich fast zu Hause. Mein Haus ist etwas ganz Besonderes. Es sieht aus als wäre es aus einem Stück gemacht und wäre mehr aus der Erde gewachsen als gebaut worden. Mein Haus ähnelt mehr einem Baum als einem Haus. Ich liebe es. Meine Mutter ist die beste Architektin in der Region und unser Haus DAS Aushängeschild ihrer Arbeit. Ich parke meinen Wagen in der dazugehörigen Garage und gehe zur Vordertür. Noch bevor ich da bin, öffnet sich die Tür und meine kleine Tochter kommt dicht gefolgt von meiner Mutter herausgerannt. „Mama! Mama!“

Ich hocke mich hin und umarme Maria. Sie ist so ein fröhliches, unbeschwertes Kind. Ich hebe sie hoch und begrüße meine Mutter. Maria weiß noch nichts vom Krieg oder besser sie versteht es einfach noch nicht. Zum Glück. Und das wird auch noch eine Weile so bleiben, denn meine Mutter, die ganztags auf sie aufpasst, wird es ihr nicht erzählen. Wir haben die Übereinkunft, dass dieses Thema bis zu ihrer Einschulung tabu ist. Klar, George ist Berufssoldat, aber Maria weiß nicht, was das im Detail bedeutet. Für sie ist er immer nur sehr lange weg um zum Arbeiten. Meine Mutter ist heute bei unserer gemeinsamen Abendrutine ungewöhnlich ruhig. Nachdem ich Maria ins Bett gebracht habe, frage ich sie was los ist. Eine Sorgenfalte bildet sich auf ihrer Stirn.

Die letzten Male, wo ich sie so gesehen habe, ging es immer um den Krieg. Als ich in die Armee eingetreten bin, später im Krankenhaus als ich nach der Explosion wieder aufgewacht bin und wenn ich als Gesandte der Waffenlobby regelmäßig Tests auf Torak durchführe. Es bedeutet nichts Gutes. „Heute ist ein Brief gekommen.“ „Ein Brief?“ Sie deutet auf einen Umschlag, der das Wappen der Armee trägt. Es ist ein förmlicher Brief. Ein Test auf Torak ist für die nächsten Wochen nicht vorgesehen, nicht vor dem Militärfest. In dieser Zeit des Jahres will das Militär und die Waffenlobby ihre Stärke hier auf Leumir zeigen, um den Soldaten und der Bevölkerung neuen Mut zu geben. Ich unterdrücke ein Zittern. Aber wenn das kein Brief für mich als Abgesandte ist, was steht dann da drin? Ist George was zugestoßen? Tot kann er nicht sein, sonst hätten mich Vertreter der Armee besucht. Hör auf so was zu denken, Samantha! Und mit einem Stoßgebet an Torak, den Schutzgott der Soldaten, öffne ich den Brief.

Hiermit teilen wir Ihnen mit, dass wir Leumir, ab morgen die Zenmi unterstützen, die sich gerade im neuendbranden Krieg mit den Elfog finden. Da die Elfog aus noch unbekannten Gründen die Zenmi angegriffen haben, wurde wir um Unterstützung von Seiten der Zenmi gebeten. Dies hält solange an, bis beiden Seiten genauere Gründe für den Angriff der Elfog vorliegen und das weitere Vorgehen geplant werden kann. Da wir Leumir uns allerdings in einem aktuellen Krieg mit den Mura befinden, die von den Zenmi unterstützt werden, bitten wir darum, die Überprüfung der Waffen zu übernehmen, damit diese nicht in die Hände der Mura fallen. …

Ich höre auf zu lesen. Was soll das? Ich gehöre nicht mehr zur Armee! Haben sie denn keine geeigneten Leute in ihren Reihen, die diese Aufgabe übernehmen können? … Wir bieten Ihnen das Kommando einer für diesen Fall extra gegründeten Spezial Einheit aus Zivilisten und Armeeangehörigen an. … Das heißt doch nur das ich es tun muss. Na toll.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück