Die Geister von Torak von Proinos ================================================================================ Kapitel 5: ʚ Ich hasse Überraschungen ʚ --------------------------------------- ʚ Achill ɞ Heimaturlaub. Es ist jetzt schon Monate her, seit ich zuletzt auf Radmar war. Ich frage mich wie viel Daniel jetzt wieder gewachsen ist. Er ist letzte Woche sechs geworden und ich konnte nur einen normalen Sprachanruf mit ihm führen, da ich mich zu der Zeit an der Front befunden habe und dort nur eingeschränkte Kommunikation erlaubt ist. Was soll’s. Ich habe mir das Leben als Soldat selber ausgesucht. Nach meinen Pflichtjahren habe ich mich entschieden, weiter zu machen. Ich bin in dritter Generation Berufssoldat. Und Stolz darauf. Irgendwie. Es wäre toll, wenn meine Generation auch den Ewigen Krieg gewinnen würde, so das mein Sohn niemals in den Kampf ziehen müsste. Aber jedes Mal, wenn ich darüber nachdenke, taucht auch gleichzeitig die eine Frage auf. Was würde ich dann machen? Zumindest bin ich gut darin, Soldat zu sein, und außerdem habe ich nie etwas anderes gemacht. „Sir, es wird noch etwas dauern. Wir haben noch keine Starterlaubnis.“ Eine junge Soldatin steht vor meinem Sitz. „Aber ansonsten ist alles bereit?“ „Ja, Sir!“ Ich nicke und wedele mit der Hand, damit die Soldatin zurück auf ihren Platz geht. Ich sitze in einer der Raumshuttles, die zwischen Rota, der Hauptstadt auf Torak, und Ram, der Hauptstadt auf Radmar, hin und her pendeln. Ich sehe auf meine Uhr. Ach deswegen, verzögert sich der Start. Die Flugaufsicht, will den Weg unseres Shuttles so kurz wie möglich halten. Die Mondvölker führen nur noch selten Raumschlachten aus, aber erst letzten Monat haben wir bei einen dieser Kämpfe mehrere Shuttles verloren. Ich habe einmal in den Archiven des Militärs ein Tagebuch in einer hinteren, vergessenen Ecke gefunden. Darin wurden von spektakulären Raumschlachten berichtet. Leider war das Buch uralt, beschädigt und in einer altertümlichen Handschrift verfasst. Aber was ich entziffern konnte, war recht eigentümlich. Es muss zum Anfang des Ewigen Krieges geschrieben worden sein, denn da ging es noch nicht um die Aufteilung der Welt an sich, sondern um die Energiegewinnung auf den einzelnen Monden. Leider ist die Anleitung dieser Techniken nicht mehr zu entschlüsseln gewesen. Aber ich frage mich, ob das der verlorene Grund für den Ewigen Krieg ist. Manchmal verblüffen mich meine Gedankenströme selber. Wieso habe ich mich gerade jetzt an dieses alte Tagebuch erinnert? „Brigadier, Sir? Wir haben die Starterlaubnis.“ „Na, dann los.“ Ich setzte mich gerader in meinem Sitz, damit die g-Kräfte mir beim schnellen Beschleunigen des Shuttles nicht auf den Magen schlägt. Ich habe hier in diesem Blechkasten den höchsten Dienstgrad und es kommt nicht gut, wenn ich mich vor meinen Untergebenen übergeben müsste. Ein Ruck geht durch die Reihen der Sitze. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie ein junger Soldat würgen muss. Seine Nachbarn rücken etwas von ihm ab. Niemand will nach Erbrochenem stinken, wenn er seine Familie nach Monaten zum ersten Mal wieder in die Arme nimmt. Das Shuttle schießt auf die Wolken zu und durchbricht sie. Immer weiter entfernen wir uns von Torak. Ich sehe aus dem Fenster. Mir verschlägt es jedes Mal die Sprache, wenn ich den Planeten von hier oben sehe. Alles wirkt so klein. So bedeutungslos. Ich richte meinen Blick auf die Monde, die langsam näherkommen. Sie sind wunderschön. Und wieder einmal frage ich mich, wie etwas so schönes so etwas hässliches wie Krieg hervorbringen kann. Nein falsch. Die Monde sind nicht schuld. Sie können nichts für ihre Bewohner und deren Streben nach Macht. Mein Sitznachtbar atmet schwer und hat die Augen geschlossen. Seine Lippen bewegen sich stumm. Ich sehe mich im Shuttle um. Na ja, soweit mir das auf meinem Sitz möglich ist. Er ist nicht der einzige, der das Schutzamulett von Torak umklammert hält und betet. Wir Radmar haben es nicht so mit Technik. Wir setzten mehr auf die Tiere, die Natur. Dennoch wundert es mich immer wieder, wie viele Flugangst haben. Auch Jasmin reist nicht gern mit dem Shuttle. Zu meinem Glück. So hat sie einen Job auf Radmar angenommen und kann unseren Sohn in Sicherheit großziehen. Eine Bewegung außerhalb des Fensters, erregt meine Aufmerksamkeit. Es ist ein Flimmern am Horizont. Eine Weltraumschlacht. Sie ist zum Glück nicht in unserer Nähe, aber wenn wir nicht aufpassen, werden wir dennoch von Geschossen und Trümmern getroffen. „Ausweichmanöver einleiten!“ Soldaten und Arbeiter sehen sich ängstlich um. Mein Gesicht versteinert zu einer ausdruckslosen Maske. Viele um mich her erstarren oder sehen sich panisch um. Ich dagegen bin ganz ruhig. Manche würde vielleicht denken, ich sei entspannt, aber das bin ich definitiv nicht. Ich weiß, werden wir jetzt getroffen, kann ich nichts dagegen tun. Panik hilft da auch nicht. Die Besatzung des Shuttles weiß, was sie zu tun hat. Wir müssen nur etwas vertrauen haben. Ich sehe weg von den aufblinkenden Lichtern der Schlacht und sehe zu den Monden. Radmar leuchtet heller als alle anderen. Das liegt vor allem daran, das Radmar ganzjährig zu ein Drittel mit Eis gedeckt ist. Jetzt ist Sommer und überall in der Tundra blühen die Pflanzen. Ich denke nur daran. Sollte ich sterben, dann mit einer schönen Erinnerung vor Augen. Ich sehe meine Familie und mich bei einem Ausritt. Wenn wir landen, werde ich Jasmin dazu überreden. Daniel wird sich freuen. Ein ganzer Tag ohne Krieg. Genau das brauche ich jetzt. Einige Trümmerteile streifen unsere Seite. Warnleuten blinken auf. Ich schließe die Augen und atme tief ein. Nichts Schlimmes passiert. Unser Flug beruhigt sich fürs erste wieder. Ich seufze erleichtert. Der Ruf des Piloten schallt durch das Shuttle. „Schadensbericht?!“ „Außenhülle leicht beschädigt, ein Lenkruder ist verbogen und drei Steuerdüsen sind defekt. Außerdem scheint die Bremsklappe blockiert zu sein. Sie kann nicht mehr richtig ausfahren. Bei der Landung werden wir Probleme bekommen, Sir.“ „Lässt sich nicht ändern. Wir müssen versuchen langsamer in die Atmosphäre einzutreten und möglichst vermeiden dies in einen allzu sitzen Winkel zu tun. Notfalls müssen mir eine Ehrenrunde drehen.“ „Ja, Sir!“ Unsere Piloten setzen zum Landeanflug an. Das ist die nervenaufreibende Landung, die ich je hatte. Und das schlimme: Ich darf nichts sagen. Ich kann nichts sagen, nicht helfen. Das ist einfach nicht mein Fachgebiet. Jetzt bete ich doch zu Torak. Was anderes kann ich im Moment nicht tun und es lenkt mich ab. Flammen schlagen auf der rechten Seite gegen das Fenster. Nicht gut. Gar nicht gut. Aber bloß nicht hinsehen. Ganz nach dem Motto, was ich nicht sehe, existiert auch nicht. Hilft natürlich nicht. Ich sehe immer wieder hin und meine Innere Ruhe ist auch dahin. Irgendwie schaffen es unsere Piloten zu landen. Wie sie das geschafft haben, weiß ich nicht. Aber kaum ist unser Shuttle zu stehen gekommen, sind auch schon die Löschfahrzeuge vor Ort. Ich schnalle mich von meinem Sitz los und klopfe den Piloten anerkennten auf die Schulter. Jetzt nichts wie raus aus dieser Blechdose. Hoffentlich hat das Jasmin nicht mitbekommen oder noch schlimmer Daniel. Ich versuch den Krieg und die Gefahren weitestgehend von ihm fern zu halten. Was nicht einfach ist, wenn der eigene Vater Berufssoldat und noch dazu zum Führungsstab der Armee gehört. In Zukunft wird es noch schwerer. Daniel wird in ein paar Wochen eingeschult und dann kann ich ihn nicht mehr davon fernhalten. Schon heute liebt er die Kriegsgeschichten. Ich war in seinem Alter definitiv nicht so. Aber ich war auch die berühmte Ausnahme von der Regel. Mein Vater hat mir kämpfen beigebracht, hat mir beigebracht ein Soldat zu sein. Auch wenn ich gut war und noch bin, so steht doch eins fest: Ich habe es nur getan, weil meine Familie, weil es die Gesellschaft so wollte. Ich habe mir nicht erlaubt einen anderen Traum als das Beenden des Krieges zu haben. Das ist noch heute so. Aber dafür muss man kämpfen. Und wo geht das besser als in der Armee? Draußen vor dem Stützpunkt warten die Familien auf die Soldaten und Arbeiter. Ich sehe mich nach meiner um. „Dad!“ Daniel findet mich als erster und ich bekomm seinen Kopf in den Magen als er mich stürmisch umarmt. „Upf! Hey Großer! Wo ist deine Mutter?“ „Ich bin hier.“ Ich löse einen Arm von Daniel und ziehe Jasmin zu mir. Daniel verzieht sein Gesicht als wir beide uns küssen. „Ich habe dich vermisst.“ „Ich dich auch.“ „Können wir gehen?“ Daniel zieht an unseren Händen. Wir drei gehen zu Jasmins Wagen. „Wir haben eine Überraschung für dich.“ Daniel dreht sich zu mir um und läuft jetzt rückwärts. Er ist ganz aufgeregt. „Ich hoffe es gefällt dir.“ Er dreht sich wider um und läuft hüpfend zum Auto vor. „Was ist es?“ Doch Jasmin hebt nur geheimnisvoll ihre Augenbrauen. Na toll. Ich hatte vergessen, dass sie Überraschungen liebt. Ich weiß dagegen immer lieber im Voraus was auf mich zu kommt. Ist Berufsbedingt. Daniel öffnet den Kofferraum und holt eine längliche Tasche heraus. „Na, was hast du da, Großer?“ „Das hat Opa mir geschenkt“, sagt er grinsend und zeigt mir den Inhalt seiner Tasche. Es ist ein Gewehr. Ein Luftdruckgewehr. „Gehst du mit mir auf den Schießstand?“ Was soll ich denn jetzt sagen? Wie soll ich überhaupt reagieren? Ich finde das Geschenk meines Vaters nicht gut, aber Daniel lacht mich glücklich an. Und das ist genau das, was ich meine: Ich hasse Überraschungen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)