Die Geister von Torak von Proinos ================================================================================ Kapitel 1: ҈ Willkommen in der Hölle, Elsa! ҈ ------------------------------------------------- ҈ Elsa ҈ Heute Morgen hat mich der Wecker schon um fünf Uhr geweckt. Irgendjemand von den anderen Kindern musste sich da wohl einen Scherz erlaubt haben, denn ich war mir ziemlich sicher, dass ich ihn auf sieben gestellt hatte. Da ich nicht mehr hatte einschlafen können, war ich aufgestanden. Jetzt bin ich natürlich viel zu müde und wünsche mir, ich hätte es nicht getan. „Elsa! Konzentrier dich endlich!“ Unsere Lehrmeisterin schaute mich böse an. Ich verlor gerade einen der Übungskämpfe. Schon wieder. Dabei gehörte ich eigentlich zu den Besten. „Tut mir leid, Madam. Heute ist irgendwie der Wurm drin.“ „Willst du das auch in einem richtigen Kampf auf Leben oder Tod sagen? Du wirst morgen 18! Weißt du was das bedeutet?“ „Natürlich, Madam. Ich werde in die Armee eintreten.“ „Dann verhalt dich auch so!“ Die Erziehung hier im Chateau Koi grenzte an einem militärischen Drill. Nein, es war genau das. Schon die jüngsten wussten lernen wie man kämpft. Allen wurde eingetrichtert, dass unsere Generation den Ewigen Krieg gewinnen konnte, wenn sie nur hart genug dafür arbeiten. Aber mal ehrlich, das ist ein Wiederspruch in sich. Ich mein, warum sollten ausgerechtet wir diesen Krieg gewinnen? Er heißt ja nicht umsonst EWIEGER Krieg. Jeder der 18 wurde musste sich für mindestens drei Jahre bei der Armee verpflichten. Natürlich alles freiwillig. Tat man es nämlich nicht, wurde man aus der Gesellschaft der Bato ausgeschlossen und das kam einem Todesurteil erschreckend nahe. Gegen wenn wir Krieg führen? Gute Frage. Zurzeit sind es die Taminga. Aber die Mura sind natürlich die Todfeinde der Bato, auch wenn wir gerade so etwas wie Waffenstillstand haben. Das liegt, glaube ich, aber eher daran, dass wir einfach andere Schlachten zu schlagen haben. Wir gegen die Taminga und die Mura gegen die Leumir. Willkommen in meiner Welt. Wie der Ewige Krieg angefangen hat? Keinen blassen Schimmer. Das ist über die Jahre in Vergessenheit geraten, aber ich hoffe, es war nicht etwas so dämliches wie Eifersucht oder Liebeskummer. Dafür sind definitiv zu viele gestorben und dass nicht nur auf der Seite der Bato sondern bei allen Völkern der sieben Monde. „Bist du aufgeregt, Elsa? Ich rede von morgen. Ich kann es kaum abwarten, bis ich endlich 18 werde. Leider ist es bei mir erst in zwei Jahren soweit.“ Tom seufzt traurig. Ja, genau. Ich freu mich darauf, bald Kanonenfutter zu sein und das, wenn ich Glück habe, ganze drei verdammt lange Jahre lang. Vorausgesetzt ich lebe so lange. Mein einziger Ausweg früher aus der Hölle zu entfliehen, wäre es zu heiraten. Aber die Heirat alleine genügt nicht. Nein, ich müsste Kinder kriegen um ehrenhaft entlassen zu werden. Diese Chance ist nur uns Frauen gegeben. Zur Erhaltung unseres Volkes. Ich bin mir aber nicht sicher ob ich das wirklich will. Ich mein die Kinder. In dieser Welt lebt man gefährlich und dies ist einfach kein Ort für sie. „12 Uhr! Mittagspause!“ Alle senken sofort ihre Waffen und laufen zu den Waffenkammern um sie dort abzugeben. Dann, ganz wie es die Hausordnung es vorschreibt, stellen sich alle in einer zweier Reihe auf. Die Jüngeren zu erst. Dann wird im Gleichschritt und ohne zu Reden in den Speisesaal marschiert. Auf dem Weg dahin, treffen wir auf andere Klassen, die sich uns anschließen. Wir sind die Eliteklasse. Die Besten, der Besten oder so. Irgendwie stimmt das auch, aber ich glaube, die Lehrer suchen sich die Kinder mit den reichsten Eltern heraus und fördern sie extra. Der einzige Grund: Wenn man Offizier wird, spendet man an seine Schule einen Geldbetrag und der fällt bei reichen Kindern höher aus. Das Spenden soll Glück bringen. Natürlich sind in der Eliteklasse auch Kinder wie ich, die auch das Talent und die Fähigkeiten zum Offizier besitzen. Das heißt jetzt nicht, dass alle Kinder mit reichen Eltern kein Talent haben. Tom ist das beste Beispiel dafür. Im Speisesaal angekommen, verteilen sich alle an ihren Tischen. Jede Klasse besitzt einen eigenen Tisch. Dann gibt es auch noch den Lehrertisch und den Tisch der Wachen, wobei dieser niemals vollbesetzt ist. Der einfache Grund: Die Mauern werden rund um die Uhr bewacht. Alle müssen vor ihren Plätzen stehen bleiben bis der Direktor herein kommt und alle auffordert sich zu setzten. Die Reihenfolge, wer sich zuerst das Essen holen darf, ist klar geregelt. Die Wachen, die Lehrer und dann die Schüler in der Reihenfolge der Rangliste, die nach jeder Prüfung ausgehängt wird. Während des Essens wird natürlich nicht geredet. Wenn wir aufgegessen haben, müssen wir warten bis es die letzten auch getan haben, erst dann gibt der Direktor das Zeichen, worauf wir aufstehen dürfen. Das ist bei jedem Essen so und war jetzt auch nicht anders. Danach geht der Unterricht weiter. Diesmal in den Klassenräumen. Geschichte, Sprachen und Mathe. Freizeit gab es im Chateau Koi selten und nur am Wochenende oder an Feiertagen und im Heimaturlaub, wobei wir unsere morgendlichen Trainingseinheiten trotzdem absolvieren müssen. Am Abend packe ich meine wenigen Habseligkeiten zusammen. Sophie sah mir dabei gespannt zu. „Was glaubt du wie es in Bora sein wird? Ich war noch nie in einer Stadt.“ „Ich glaube nicht, dass ich viel Zeit haben werde um mich dort umsehen.“ Doch sie hörte gar nicht zu. „Und was ist mit den Männern. Ob sie hübsch sind? Schließlich sind dort sehr viele Soldaten stationiert und die können ja nicht alle hässlich sein.“ Sophie war vor einen Monat 17 geworden und interessierte sich nur für Männer. Sie war keine große Kämpferin und hoffte sehr schnell heiraten und eine Familie gründen zu können. Ich fand die Vorstellung erschreckend, einen Mann zu heiraten, denn man kaum kennt, aber viele der Mädchen dachten hier so. Es war halt die einzige Möglichkeit ohne Schande aus der Armee auszutreten. Abgesehen vom Tod versteht sich. Leider waren viele der jungen Ehefrauen auch Witwen und ihre Kinder Halbweisen. Denn auch wenn diese Frauen den direkten Krieg entkommen konnten, die Männer haben diese Möglichkeit nicht. Wir beide legen uns rechtzeitig schlafen, denn morgen war mein großer Tag. Dieses Mal wachte ich von ganz alle um fünf Uhr auf. Der Mond malte zusammen mit dem Baum vor unserem Fenster Muster an die Wand. Ich blickte zu Sophie rüber. Ihr Mund war beim Schlafen leicht geöffnet. Das Ticken der Uhr war in der Stille unangenehm laut. Von draußen war mit einmal der Ruf einer Eule zu hören. Ich fuhr erschrocken zusammen und musste dann kichern. Ich war vielleicht ein toller Soldat. Erschreckte mich vor einer einfachen Eule. Doch das Lachen blieb mir recht schnell in der Kehle stecken als ich daran dachte, was ich in den nächsten Jahren würde tun müssen. Ich musste töten und ich wusste nicht, ob ich das wirklich konnte. Das musste niemand. Der beste Kämpfer konnte am Ende nutzlos sein, wenn er es nicht schaffte zu töten. Um sieben klingelte der Wecker und weckte auch Sophie. Wir beide standen stumm auf, machten unsere Betten und zogen uns dann an. Bevor wir das Zimmer verließen, sah Sophie mich an und sagte so leise, dass ich es kaum hörte: „Alles Gute zum Geburtstag.“ Wir beide waren schon vor langer Zeit zu der stummen Einsicht gelangt, dass dies kein Tag der Freunde ist. Wir würden uns heute zum letzten Mal sehen, denn es gab keine Garantie, dass ich das nächste Jahr überleben würde. Und dennoch oder gerade deswegen würden wir meinen Geburtstag heute groß feiern. Dieser und vielleicht die nächsten könnten immer meine letzten sein. Das machte mich sehr traurig. Andere hier im Chateau würden es nicht so sehen und vielleicht war ich in diesem Punkt zu pessimistisch, aber eigentlich bin ich Realist. Und wie es immer so ist, wenn man sich wünscht, dass etwas nicht kommen soll, kommt es umso schneller. Und so war auch dieser Tag viel zu schnell um und meine Abschied-/Geburtstagsfeier stand vor der Tür. Morgen früh werde ich in Bora sein, denn morgen ist auch zufällig der Tag an dem die Armee die neuen Rekruten empfängt. Alle treten zur Feier des Tages nach dem Abendessen auf dem Hof an. In Reih und Glied versteht sich. Der Direktor bittet mich nach vorne und dann singen alle ein Geburtstagslied für mich. Danach bekomme ich von ihm eine kleine Schachtel überreicht. Darin befindet sich eine zierliche Kette mit dem Schutzpatron der Bato-Krieger. Torak. Dieses Geschenk bekommt jedes Kind das 18 und damit erwachsen wird. Jetzt wird von allen die Nationalhymne gesungen und danach beginnt das Fest. Die Kinder des Chateaus Koi, welche sonst den strengen Regeln unterliegen, flippen total aus. Auch das war immer so. Wir verstanden es einfach zu feiern und für den Moment vergesse ich, wo ich morgen sein werde. Doch allzu schnell ist es Mitternacht und ich muss meine Sachen holen. Meine Lehrmeisterin überreicht mir feierlich meine Busfahrkarte und meine Freunde verabschieden sich. Ich weiß nicht mehr, was ich fühlen soll und ihnen geht es genauso. Ich sehe in freudige und traurige Blicke, in sorgenvolle oder hoffungsvolle Gesichter. Es ist alles Vertreten und all diese Gefühle sind auch in mir. Völlig erschöpft schlafe ich im Bus sofort ein und erwache erst wieder auf als die Sonne über Bora aufgeht. Als der Bus in dem mehrstöckigen Busbahnhof einrollt, suche ich nervös meine Sachen zusammen und kaum bin ich ausgestiegen, muss ich mich auch schon beim Ausbilder melden. Das ist jetzt leichter gesagt als getan. Es gibt nämlich sieben Busse, die zum Stützpunkt fahren, aber nur zwei sind für die neuen Rekruten. Als ich den Ausbilder dann endlich gefunden habe, steckt er mich sofort in einen der Busse. Zum Glück bin ich nicht die Letzte. Das wäre mir dann doch sehr Peinlich. Denn obwohl es erst um sechs ist, fehlen nur noch fünf Leute und die kommen alle mit dem gleichen Zug aus dem Norden. Wie ich es verstanden habe, waren sie alle von der gleichen Schule. Kaum waren sie da, fuhr mein Bus auch schon ab. Ich beobachte meine neuen Kameraden. Manche quatschen mit ihrem Sitznachbarn und erzählen sich gegenseitig von wo sie herkommen. Doch mir war nicht nach reden zu mute. Mir war mit einem Mal einfach nur schlecht. Je näher wir dem Ziel unserer Reise kamen, desto mehr redete dafür mein Nachtbar. Als unser Bus durch das große Tor des Stützpunktes fuhr und ich die schwer bewaffneten Soldaten, die dieses bewachten, sah, dachte ich nur noch: Willkommen in der Hölle, Elsa! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)