A Song from your Lips von Galaxyblade ================================================================================ Kapitel 1: Der Tag, an dem ich dich traf... ------------------------------------------- Eigentlich wollte Akira auch jetzt noch niemanden sehen. Orochi nicht, Tante Natsuka nicht, niemanden. Aber es führte wohl kein Weg dran vorbei. Heute war der Tag an dem er auf dieselbe Oberschule wie Orochi wechseln sollte. Im Halbschlaf zog er sich die Decke über den Kopf. Der Gedanke so vielen neuen Mitschülern begegnen zu müssen bereitete ihm Kopfschmerzen. "Akira-chan, bist du wach?", rief Orochi von der anderen Seite der Tür. Akira machte sich nicht die Mühe zu antworten. Sie würde eh reinkommen um ihn rauszuschmeißen. Die Türklinke quietschte leicht, Orochi betrat sein Zimmer und seufzte einmal leise bevor sie ihm die Decke wegzog. "Ich weiß, dass das nicht einfach ist für dich, aber wenn du dich weiter hier verkriechst wird es nur noch schlimmer." Langsam öffnete Akira seine Augen und sah in ihre Richtung. Oft hatte er Orichi nicht in ihrer Schuluniform gesehen, ein paar Mal vielleicht während er zu Besuch war. Auf ihn wirkte sie immer deutlich femininer, wenn sie einen Rock trug auch wenn sie ihn wahrscheinlich für diesen Gedanken rügen würde. Über der weißen Bluse trug sie die Weste mit dem Wappen der Schule und um ihren Kragen hatte sie vorsichtig die Schleife gebunden. Wie immer trug sie ihre Haare zurückgebunden aber ihr Gesicht trug einen ungewohnt sorgenvollen Ausdruck. "Verstanden, ich mache mich sofort fertig.", entschuldigte sich Akira während er den ersten Fuß aus dem Bett setzte. "Du solltest an deinem ersten Tag nicht zu spät kommen.", ermahnte Orochi ihn und ließ ihn wieder alleine. Sie hatte recht. Er konnte sich nicht so hängen lassen. Noch hing er an seinem Traum fest... Es war ein komisches Gefühl den Musikraum so zu sehen. Die ganzen Ferien über war Momoko nicht hier gewesen. Aber nichts war anders. Niemand war über die Ferien hier gewesen. Keine von ihnen hatte hier geprobt, niemand hatte sich hier getroffen um Kekse zu essen und Tee zu trinken, niemand... Alles stand an derselben Stelle wie vor den Ferien. Normalerweise hätte sie Maaki schon hören können bevor sie den Raum betreten hätte. Irie hätte frischen Tee gekocht und Yuna und Tsusaka hätten sich gestritten mit welchem Song sie anfangen würden zu proben. Jetzt allerdings war der Musikraum nur verlassen und einsam. Hatte sie geglaubt trotz allem wäre nichts passiert und es würde so weitergehen wie immer? Momoko hatte das richtige getan aber das hieß nicht das sie sich dadurch besser fühlte. Als sie hörte wie jemand die Tür hinter ihr öffnete wischte sie sich schnell mit dem Handrücken über die Augen. "Ich dachte mir, dass ich dich hier finden würde Akamori-san." Allein an der aufgesetzten Freundlichkeit in seiner Stimme wusste sie, dass es Kojiro Madeki war. "Weswegen schickt dich die Schülervertretung diesmal zu mir?" Momoko drehte sich in seine Richtung und schob ein paar Strähnen ihres haselnussbraunen Haars aus ihrem Gesicht. "Typisch Akamori-san, abweisend wie immer. Dabei ist der Präsident doch genauso froh wie du, dass unsere ehemalige Schülerband nun im ganzen Land berühmt ist. Die Publicity kann unsere Schule gut gebrauchen..." Genervt verdrehte Momoko die Augen. "Komm endlich zum Punkt Madeki." "Also gut lassen wir den Smalltalk. Die Schülervertretung erachtet den Musik-Club als aufgelöst da du mittlerweile das einzige Mitglied bist. Wir geben dir eine Woche um weitere Mitglieder anzuwerben, gerade weil wir so froh sind über den Erfolg von 'Merry Go Round!!', allerdings nicht mehr." "Ich dachte mir schon, dass ihr versucht mich auf so eine Weise los zu werden...", presste Momoko durch ihre Zähne. Kojiro war bereits auf dem Weg nach draußen. "Wir müssen uns alle an die Vorschriften halten das weißt du.", warf er ihr grinsend zu und schloss die Tür hinter sich. Vorschriften... Als ob! Wütend schritt Momoko rüber zu dem Klavier und öffnete den Klavierdeckel um ihre Finger über die Tasten gleiten zu lassen. Nein, so leicht würde sie sich ihren Traum nicht nehmen lassen... "Ich habe dir schon gesagt, dass es sehr unwahrscheinlich sein würde, dass du in meiner Klasse landen würdest..." Ihr war klar, Akira wollte dies gerade nicht hören. Irgendwas musste Orochi aber sagen, sonst würden sie die ganze Mittagspause schweigend auf dem Dach der Schule sitzen. Sie konnte es nicht leiden ihn so geknickt zu sehen. Er hatte sein Bento nicht einmal angerührt. "Wenigstens in der Mittagspause kannst du mich sehen und wenn du in deiner Klasse erst einmal Freunde gefunden hast..." "Orochi..." Seine Stimme war wackelig aber bestimmt. "Es tut mir leid, dass du dir wegen mir Sorgen machen musst... Ich habe einfach Angst allein zu sein..." Ein Hieb fuhr in seine Seite. "Idiot! Sag sowas nicht." Wieder schwiegen sie. "Tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe..." Tatsächlich musste Akira bei diesen Worten etwas schmunzeln. "Du hast dich noch nie bei mir dafür entschuldigt, wenn du mich geschlagen hast. Tatsächlich hast du mich immer nur dann geschlagen, wenn ich es gebraucht habe." "Du musst mir etwas versprechen Akira... Sprich mit deinen Mitschülern, tritt einem Club bei, finde Freunde... Du kannst nicht ewig versuchen alles allein zu ertragen." Sie blickte in seine Augen und hoffte etwas von dem alten Akira in ihnen zu finden. Ein Funken Hoffnung, irgendetwas... ... und der alte Akira fragte sie: "Weißt du ob es hier einen Musik-Club gibt?" Noch ein Wort und Reina hatte endlich alle Worte von der Tafel abgeschrieben. Die anderen Schüler hatten schon beim Klingeln der Schulglocke angefangen ihre Schulsachen einzupacken, doch Reina konnte erst jetzt guten Gewissens ihr Heft schließen. Netterweise hatte Chisaki auch bis jetzt gewartet bevor sie auf ihren Platz zustürmte. "Reina-chaaaahaaaan!", grüßte sie in ihrer üblich positiven Art. "Hast du dir schon überlegt welchem Club du beitreten willst?" "Das Schuljahr hat gerade erst angefangen Chisaki. Denkst du nicht es ist ein wenig früh sich da schon festzulegen?" Reina hatte das Gefühl das diese Antwort sie nicht zufrieden stellte. "Ich dachte dieses Jahr würden wir uns zusammen irgendwo einschreiben... Ich will einfach mehr mit dir unternehmen Reina-chan." "Aber bisher warst du doch nur in Sportclubs. Du weißt doch, dass ich nicht so sportlich bin wie du." "Dann finden wir etwas was wir beide mögen. Na?" Dem stahlenden Lächeln Chisakis war einfach schwer zu wiederstehen. "Na gut aber was nehmen wir? Spielst du gerne Shogi?" "Ich denke nicht das ich weiß wie man das spielt. Was hältst du vom Manga-Club." "Dir ist klar, dass der Manga-Club eigene Manga zeichnet und nicht die ganze Zeit nur Manga liest?" "Wirklich? Bist du dir da sicher?" "Ziemlich." Zwischen den Büchern die Reina nebenbei verstaute rutschte eine quadratische Plastikhülle auf den Boden des Klassenraums, direkt vor Chisakis Füße. "Merry Go Round!!?", las sie das Cover der CD als sie diese an Reina zurückreichte. "Ich wusste nicht das du unsere Schülerband magst." Schnell verstaute sie sie wieder in ihrer Tasche. "Naja, sie sind ja jetzt nicht mehr an unserer Schule. Bei ihrem Talent ist es kein Wunder, dass sie so schnell entdeckt wurden. Es ist mir tatsächlich etwas peinlich aber ich habe angefangen Bass zu spielen, weil ich so cool wirken wollte wie Tsusaka-senpai..." "DAS IST ES!", schrie sie das kleine, blonde Mädchen an und riss sie aus ihrem Schwelgen. "Lass uns dem Musik-Club beitreten!" Im Musikraum fühlte sich Akira gleich viel wohler. Schon allein, weil sich momentan niemand in ihm befand. Nach Ende des regulären Unterrichts befanden sich eh nur die Schüler mit Clubaktivitäten im Gebäude. Er sah sich um und betrachtete die Ausstattung des Raums. Es gab Akustikgitarren, diverse Blas- und Streichinstrumente, ein großes Schlagzeug, ein Klavier... Sogar ein paar Mikrophone waren an eine Seite des Raumes gestellt. In der Nähe des Fensters standen einige Tische zusammengestellt um daran bequem sitzen zu können. Eine Schüssel mit angebissenen Keksen stand darauf. Wurde hier nicht geputzt? Wenigstens das Klavier war frei von Staub. Vielleicht sollte er etwas üben, wenn bisher niemand vom Musik-Club hier war. Das war wahrscheinlich genau das richtige. Sich einfach ablenken zu lassen... "Der Tag, an dem ich dich traf, wird immer etwas Besonderes für mich sein. Denn als ich dich sah habe ich mein Schicksal erkannt. Ich gebe nicht auf denn ich weiß wüsstest du wer ich bin Könntest du nicht anders als mir zu verfallen..." "Ernsthaft?", fragte Momoko den Jungen am Klavier. "Das Opening von 'Cute Warrior Nagisa-chan'?" Er schien nicht mitbekommen zu haben, dass sie den Raum betreten hatte, denn er fiel beinahe vom Klavierhocker als er ihre Stimme hörte. "Dir ist klar, dass du versuchst Töne zu treffen die viel zu hoch für dich sind?" "Äh-ähm... ja, ja das ist mir bewusst." Mit einem schnellen Blick musterte sie ihn. Sein dunkles Haar war zerzaust und lag ihm im Gesicht aber die Uniform die er trug war brandneu, er musste gerade erst hierhin gewechselt haben. "Wenigstens bist du Motiviert.", seufzte sie schließlich. "Ich heiße Momoko Akamori. Willkommen im Musik-Club." "D-danke ich bin Akira Saeki." "Du spielst Klavier?" Momoko deute auf das Instrument vor dem sie standen. Akira lächelte verlegen: "Nur passabel, nicht wirklich gut. Ich bin hier, weil ich singen möchte..." Nicht das sein Gesang schlecht war aber so ganz war Momoko nicht überzeugt. Allerdings konnte sie es sich auch nicht erlauben ihn abzuweisen. Im Moment zählte jedes Mitglied das sie auftreiben konnte. Sobald mehr Schüler beitreten könnte sie immer noch umbesetzen. "Also gut Saeki-kun kannst du noch etwas anderes außer Lieder von Magical-Girl-Anime?" Bestimmt zog sie an ihm vorbei und nahm vor dem Klavier Platz. "Du meinst von anderen Anime?", fragte er sie mit nicht ganz ernst gemeinten Unterton in seiner Stimme. "Ich will ehrlich sein, mit dir und mir allein wird es diesen Club nicht lange geben. Mir sitzt die Schülervertretung im Nacken und wenn wir nicht in den nächsten Tagen noch ein Mitglied aufweisen können war's das mit dem Musik-Club. Und das kann ich mir nicht leisten. Ich habe ein Versprechen zu halten, also zeig mir was du kannst." Akira schien ihre Worte erstaunlich ernst zu nehmen. "Wir sind die einzigen Mitglieder?" "Oder siehst du hier noch mehr?" "Ich dachte... ach unwichtig. Akamori-san, ich werde mein Bestes geben!" Irgendwie wirkte er anders als noch vor ein paar Minuten. Entschlossen trat er in ihre Richtung... ...und stolperte. Wie ein Idiot. Kapitel 2: Deine Lippen sind... meine? -------------------------------------- Das erste was Akira wieder bemerkte war der Schmerz. Er war auf Akamori-san gefallen und hatte sie vom Klavierhocker mit sich zu Boden gezogen. Erst erwischte sie ihn dabei so etwas Peinliches zu singen und jetzt das. Alles was schief laufen konnte lief schief. "Sag mal kannst du nicht aufpassen. Wenn dem Klavier etwas passiert... huh?" Die Stimme die zu ihm sprach... war seine eigene? Langsam öffnete er seine Augen und versuchte sich aufzusetzen. Neben ihm auf dem Boden lag sein er selbst und bewegte sich von alleine. Sein Körper sah in seine Richtung und an sich herunter und wieder zu ihm. "Was hast du gemacht?!" "Was? Ich? Aber? Du?", stammelte er in einer Stimme die nicht seine war und auch die Arme die er vor sich hielt waren nicht die die er gewohnt war. Je mehr er sich bewegte desto mehr haselnussbraunes Haar fiel in sein Gesicht. Auch er sah endlich an sich herunter und bemerkte die Bluse, die Weste, den Rock und die Schleife... dieselbe Mädchenuniform die auch Orochi heute Morgen getragen hatte. Die selbe wie Akamori-san sie getragen hatte... Wackelig auf den Beinen stand er auf, sein Gleichgewicht anders als er es gewohnt war. Im Fenster sah er nicht sein eigenes Spiegelbild, sondern das von Akamori-san. Tiefgrüne Augen, ihr langes weiches Haar, ihr Körper folgte seinen Bewegungen. Irgendwie war er nun in ihrem Körper. Ruckartig löste er sich von seinem neuen Antlitz und warf seinen Blick zurück. Dann war Akamori also in seinem Körper? Sie hatte es auch geschafft aufzustehen und sah genauso ungläubig auf ihre Spiegelung im Fenster. Sein alter Körper wirkte so riesig auf ihn aus dem Blickwinkel seiner neuen Statur. "B-bist du das Akamori-san?", seine neue Stimme war zögerlich als könnte sie jeden Moment zerbrechen. "Natürlich bin ich es!", brüllte seine Stimme lauter als er es je könnte. "Mach das wieder rückgängig!" "I-ich weiß doch auch nicht was gerade passiert ist! Sowas ist doch überhaupt nicht möglich." Akira kniff sich in die Wangen um sicher zu gehen, dass er nicht doch nur einen ganz verrückten Traum hatte. "Hey wehe du fasst meinen Körper irgendwie unanständig an du Perverser, dann bring ich dich um!" Akamori hatte das zottelige, schwarze Haar von Akira glatt aus ihrem hochroten Gesicht gestrichen. Über den Schock hatte er gar nicht so sehr darüber nachgedacht. Er war jetzt ein Mädchen. Er hatte jetzt Brüste und sein... war nun... Warum hatte sie ihn daran erinnert? Nun lief auch sein Kopf hochrot an. "An-an sowas hab ich gar nicht gedacht! Natürlich fasse ich dich nicht an! Wofür hälst du mich?" "Für einen Perversen der Mädchen-Anime schaut und Mädchen ihrer Körper klaut!" "Ich habe d-doch schon gesagt das ich damit nichts zu tun hab!" Je mehr Akamori schrie desto mehr schien sie sich zu beruhigen. "Wenn du es nicht warst, wie ist das dann passiert?" "Naja, ich bin gestolpert und auf dich gefallen. Als ich am Boden lag war ich plötzlich du." "Wir haben uns auch nicht den Kopf gestoßen oder so, also woran lag es dann?" Für Akira war es immer noch ungewohnt mit ihrer Stimme zu sprechen. Als Sänger war er so an den Klang seiner eigenen Stimme gewohnt das es ihm schwer fiel sich an eine neue zu gewöhnen, auch wenn er den Klang seiner neuen femininen Stimme niedlich fand... Daran konnte er jetzt nicht denken. Sie mussten irgendwie zurück in ihre eigenen Körper, aber wie? "Was machst du da eigentlich?", riss ihn Akamori aus den Gedanken. Unterbewusst wippte er ständig von einem Fuß auf den anderen auch wenn er seine Beine so weit wie möglich aneinander gebracht hatte. Ein kalter Wind zog durch's Fenster und er bekam Gänsehaut auf seinen entblößten Oberschenkeln. "Ich habe noch nie einen Rock getragen, ich habe keine Ahnung wie ich stehen muss damit man nichts sieht was man nicht sehen sollte!", rechtfertigte er sich gequält. "Für dich mag das vielleicht Alltag sein aber ich bin gerade etwas überfordert!" Um auf eine Lösung für dieses Problem zu kommen musste er den Kopf frei bekommen. Bisher hatte er in solchen Situationen immer gesungen um sich zu beruhigen, aber jetzt war seine Stimme vollkommen anders. Würde das überhaupt funktionieren? Ein Versuch konnte nicht schaden, oder? Er räusperte sich. "D-do, re, mi, fa-a..." Sein erster Versuch war zögerlich aber gar nicht so übel. "Wie kannst du jetzt daran denken zu singen?" "Lass mich, wenn ich singe kann ich besser denken!" Nochmal. Bestimmter. "Do, re, mi, fa, so, la, ti, do!" "Ich wusste gar nicht, dass meine Stimme so etwas kann." Akamori-san zeigte sich genauso verwundert wie er selbst. "Mit deiner Stimme ist es etwas ganz anderes...", gab er zu. "So viel höher zu singen ist... Moment mal. Höher!" "Bitte sag mir nicht das du jetzt wieder anfängst..." Aber Akiras Leidenschaft war gepackt. Erneut fing er an zu singen: "Der Tag, an dem ich dich traf, wird immer etwas Besonderes für mich sein. Denn als ich dich sah habe ich mein Schicksal erkannt. Ich gebe nicht auf denn ich weiß wüsstest du wer ich bin Könntest du nicht anders als mir zu verfallen... Die Dunkelheit die du so tief in dir versteckst darf dich nicht davon abbringen, das zu tun was dein Herz dir rät und wenn du letztendlich deinen Träumen folgst besiegel ich dein Versprechen mit..." Mitendrin hörte Akira auf. Für einen Moment waren beide wie gelähmt. Es klang unbeschreiblich. Nun aber lag wieder nur Stille im Raum. Und auch das Blut schoss Akira erneut in den Kopf. "Wieso hörst du auf?" "I-I-I-ich weiß wie es passiert ist!" "Du hast es tatsächlich herausgefunden während du gesungen hast? Egal, sag schon!" Wie wild ruderte Akira mit den Armen. "D-da-das geht nicht das ist zu peinlich!" "Peinlicher als ein Typ der auf Mädchen-Anime steht?! Sag endlich!" "Mir i-ist wieder eingefallen... als wir gefallen sind haben sich unsere Lippen kurz... für einen Moment... ich g-glaube wir haben uns geküsst!" Nie hätte Akira gedacht, dass seine Gesichtszüge so entgleisen könnten. "IST DAS DEIN ERNST?!" "I-ich habe dir doch gesagt es ist peinlich aber durch den Song habe ich mich dran erinnert. Wir müssen es zumindest Versuchen." "Du willst das ich meinen eigenen Körper küsse?" "Wenn das die einzige Möglichkeit ist? Oder möchtest du in meinem Körper feststecken?!" Ihr schienen diese Worte nicht zu gefallen aber sie schien es einzusehen. "Wenn es sein muss. Aber bilde dir bloß nichts darauf ein, ich mache das nur um meinen Körper zurück zu bekommen!" "Weswegen denn sonst?!" "Bringen wir es einfach hinter uns!" Langsam brachten sie ihre Gesichter näher aneinander. Bis zu dem Moment wo sich ihre Lippen berührten und... "Es hat geklappt!", rief Momoko freudig. Ihr Hals wirkte beim Sprechen etwas rau, wahrscheinlich weil dieser Idiot es mit dem Singen übertreiben musste. Saeki schien auch wieder er selbst zu sein. Nicht, dass es sie wirklich interessierte. Nach alledem wollte sie, dass er nie wieder einen Fuß in ihren Musikraum setzte. "Und jetzt verschwinde Saeki. Ich kann mir nicht nochmal erlauben einen Tag mit so einem Unfug zu verschwenden, was immer das gerade war!" "Aber das war doch nicht meine Schuld!", verteidigte er sich. "Das einzige was ich will ist singen und du sagtest doch das…" "Aber du bist nicht gut genug!", log sie. "...was?" "Du kannst nicht singen, so einfach ist das. Geh endlich!" "... es tut mir leid, dass..." "LASS MICH EINFACH ALLEINE!" Selbst Momoko wusste nicht wo dieser Ausbruch her kam. Er schien allerdings zu wirken, denn sie hörte nur noch wie Saeki die Tür hinter sich schloss. Wie einen Kamm ließ sie ihre Hand durch ihre Haare fahren. Aus einem der Schränke nahm sie einige Notenblätter und legte sie sich am Piano zurecht. Was immer auch passiert war, sie musste einfach diesen Song schreiben den sie die ganze Zeit in seinem Kopf hatte... Kapitel 3: Kämpf endlich Akira-chan! ------------------------------------ Die Nacht über hatte Akira kaum geschlafen. Was ihm gestern passiert war kam ihm einfach zu bizarr vor. Aber es war kein Traum. Er war tatsächlich in Akamori-sans Körper gewesen. Wie war es möglich, dass zwei Menschen einfach die Körper tauschen? Und wieso beschäftigte ihn das so? Jetzt war es doch vorbei. Sie waren wieder wie vorher und Akamori wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben… „Ist gestern noch etwas passiert?“ Vollkommen versunken in seinen Gedanken hatte er den Schulweg und auch Orochi vollkommen ausgeblendet. „Du wirkst anders als gestern noch… Irgendetwas anderes bedrückt dich.“ „Habe ich mich von einem auf den anderen Tag so stark verändert?“ „Du weichst meiner Frage aus.“ Auf den anderen Straßenseiten liefen andere Gruppen von Schülern in die selbe Richtung, entlang an den Bäumen, die ihre ersten Knospen bildeten. „Hey Orochi, ist dir schon einmal etwas so unglaubliches passiert, dass du es niemandem erzählen kannst, weil alle dich für verrückt halten würden?“ Skeptisch zog sie eine Augenbraue hoch. „So schlimm?“ „So schlimm.“ Mittlerweile hatten sie das Schultor erreicht. „Du weißt das ich dir trotzdem zuhöre wenn du drüber reden willst?“ Lächelnd nickte er ihr zu. Was hätte Orochi wohl in seiner Situation getan? Was würde sie wohl von ihm denken, wenn sie wüsste das er für ein paar Momente ein Mädchen genau wie sie war? Wahrscheinlich hätte sie ihn nur aufgezogen, wenn sie ihn in diesem Körper gesehen hätte. Andererseits hätte er so gerne für sie gesungen. Um ehrlich zu sein würde er einfach gerne noch einmal mit Akamoris Stimme singen. Die Frage warum er mit ihrer Stimme so viel besser war stach sich wie ein Nagel in seinen Kopf. Akamori-san war keine geübte Sängerin, das war ihm schon durch seine weinigen Versuche in ihrem Körper klar. Den Schmerz den er in ihrem Hals spüren konnte nachdem er ihre Stimmbänder so belastet hatte war der eindeutige Beweis dafür. Aber woran lag es dann? Genau, woran lag es? Momoko konnte sich einfach nicht daran erinnern. Erschöpft schleppte sie sich an ihren Platz im Klassenraum. Bis spät in die Nacht hatte sie versucht sich den Song zu notieren an den sie gedacht hatte als sie im Körper dieses Idioten gesteckt hatte. Doch was sie auch versuchte sie kam nicht drauf. Langsam machte sie sich Sorgen, sie hätte sich bei dem Sturz doch den Kopf gestoßen und könnte nun keine Lieder mehr komponieren. Sie musste ihren Kopf auf ihr Pult legen, denn ihr wurde er langsam zu schwer. Wenn er ihren musikalischen Sinn oder so kaputt gemacht hatte würde sie ihn umbringen. Taneba am Nebentisch sah in ihre Richtung mit einer Mischung aus Sorge und Abneigung. War ihr doch egal. Nach dem was sie gestern durchgemacht hatte konnte sie sich erlauben etwas durch zu hängen. Mit dem Musik-Club in der Schwebe konnte sie das allerdings nicht. Fuck. Irgendwo in ihrem Kopf musste dieser Song doch noch sein. Oder in seinem Kopf. Sie musste sich eingestehen das es nicht unangenehm war. Natürlich hatte sie im ersten Moment Panik, sie wollte ja nicht als Saeki weiterleben. Doch der Körper eines Jungen war schon etwas ganz anderes. Auf einmal so viel größer zu sein als sie es sonst immer war… schon witzig das sie auf ihren eigenen Körper hinabsehen musste. Neugierig war sie auch wie das Ding zwischen… Durch wildes Schütteln versuchte sie diese Gedanken loszuwerden. An sowas konnte sie jetzt nicht denken. An den Song musste sie denken und nicht wie sich ihre Zeit in einem männlichen Körper angefühlt hatte… An den Song aus einem anderen Kopf. Einem Kopf der einem Idioten gehört. Einem Idioten den sie angeschrien hatte. …einem Idioten wie ihr. Aufschreien wollte sie vor Verzweiflung aber sie hatte nicht die Kraft. Außerdem hätte sie den Unterricht gestört. Etwas Kaltes lief ihre Wange hinab. Irie. Tsukasa. Yuna. Maaki. Sie würde ihr Versprechen nicht halten können…   „Orochi, warte auf mich!“ Gerade als sie sich nach seinem Ruf umdrehte, schloss Akira zu ihr auf. „Wir können doch gemeinsam nach Hause gehen.“ „Nach Hause?“, wunderte sie sich. „Ich habe heute Kendo-Training. Und wolltest du nicht zum Musik-Club?“ Betretenes Schweigen kam von Akira. Anlügen konnte er sie nicht also sagte er gar nichts. Sie kannte ihn einfach zu gut. „Oder hat das mit dieser Sache zu tun?“ Mehr Schweigen war eine Bestätigung für sie. Harmlos klopfte sie ihm mit ihrem Bambusschwert vor den Kopf. „Was immer gestern passiert ist darf dich nicht von deinem Traum abhalten.“ Gewunden drehte sie sich, warf ihm ein Lächeln zu und lief in Richtung Turnhalle. „Kämpf endlich Akira-chan!“ Er sollte… kämpfen? Meinte Orochi etwa, dass er sich gegen Akamori-san durchsetzen sollte? War es das? War er gut genug dafür? Stark genug? Seine Beine hatten sich jedenfalls schon von alleine in Bewegung gesetzt. Den Flur entlang, die Treppe hoch, an den Klassenräumen vorbei zu den Fachräumen, zu der Tür an der das lilafarbene Anmeldeformular hing. „AKAMORI-SAN! Ich lasse mich von dir nicht einfach wegschicken! Ich werde für den Musik-Club singen, ob du willst oder…“ Genauso schnell wie sein Selbstvertrauen gekommen war, schwand es bei diesem Anblick. Im ganzen Raum lagen Notenblätter verteilt. Ausgefüllt, dann durchgestrichen, dann zusammengeknüllt und weggeworfen. Auf dem Tisch saß Momoko Akamori und warf eine Seite nach der Nächsten in ein Feuer welches sie in einem Papierkorb entzündet hatte. Jegliche Emotion war aus ihrem Gesicht gewichen. Nur Tränen flossen über ihre Wangen und verwischten ihr Make-up. Auf seine Anwesenheit reagierte sie nicht. Akira musste irgendetwas tun. Als er sich endlich wieder bewegen konnte rannte er zum Schrank, fand eine Teekanne und lief weiter zum nächsten Wasserhahn. Mit der vollen Kanne rannte er zurück und entleerte sie über dem Papierkorb. „Verdammt, Akamori! Momoko! Was ist los mit dir?!“ Sie lachte. SIE LACHTE! Wie konnte sie jetzt lachen? „Es hat keinen Sinn Saeki. Das alles hat keinen Sinn…“ Das grün ihrer Augen schien durch den Schwall ihrer Tränen. „Ich schaffe es nicht.“ „Was soll das heißen?! Du willst den Musik-Club aufgeben?! Was ist mit dem Versprechen das dir so wichtig ist?!“ „Was weißt du denn über mich? Was bedeutet dir das denn alles hier? Warum bist du überhaut zurückgekommen?“ Akira wusste was er tun musste. Es war riskant aber er musste es tun. Hoffentlich ging es noch. Bitte. Biiiiitteeeeee… Er küsste sie. Sofort fühlte er sich müde, seine Kehle war trocken und seine Sicht verschwommen. „Gott sei Dank…“, flüsterte er leise zu sich selbst, während er die Tränen aus Momokos Gesicht wischte. „Was sollte das?!“, blaffte ihn seine eigene Stimme als sie wieder unter Momokos Kontrolle stand. „Wie kannst du in so einer Situation ein Mädchen küssen, du Volldepp!“ „Da-das musste ich damit du mir zuhörst!“ Beim zweiten Mal war es nicht weniger komisch in ihrem Körper zu sein aber da musste er jetzt durch. „Es stimmt, dass ich kaum etwas über dich weiß. Aber was ich weiß ist das du auch einen Traum hast wie ich. Das kann ich spüren, in meinem Herzen und in deinem! Deswegen lasse ich nicht zu das du ihn einfach wegwirfst! Ich will, dass auch dein Traum in Erfüllung geht, also Fessel mich verbinde mir die Augen was auch immer, aber leih mir deinen Körper damit ich für den Musik-Club singen kann!“ Hatte er das letzte gerade wirklich gesagt? Natürlich wollte er noch einmal probieren mit ihrer Stimme zu singen, aber für den Club? Irgendwie hatte er sich in Rage geredet. Momoko sah ihn nur an. Wieso sagte sie nichts? „Momoko, ist alles…“ „Klappe!“ „Huh?“, schreckte er zusammen als Momoko ihn anfuhr. Auf irgendwas schien sie sich zu konzentrieren. „Er war also doch in deinem Kopf…“ „Wovon redest du?“ Irgendwo fand Momoko ein noch unbenutztes und auch unverbranntes Notenblatt und nahm es mit auf ihrem Weg zum Klavier. „Dieser Song!“, erklärte sie, als wäre es vollkommen offensichtlich was sie meinte. „Dieser geniale Song den du die ganze zeit in deinem Kopf hörst.“ Akira bekam Angst. Hatte das Körpertauschen Schäden bei ihr hinterlassen? „Ich kann dir nicht folgen…“ Mittlerweile hatte sie angefangen immer wieder kleiner Passagen eines Liedes zu spielen und die Noten auf dem Papier nieder zu schreiben. „Stell dich nicht dumm, als ich gestern in deinem Körper war konnte ich ihn hören und jetzt wieder…“ „Momoko, ich weiss wirklich nicht was du meinst. Bist du dir sicher, dass es dir gut geht?“ „Erst wenn ich diesen Bastard auf dem Papier habe.“ Ihre Finger flogen quasi von den Tasten zum Papier und zurück. Sah es so aus, wenn Momoko einen Song schrieb? Oder war es wie bei ihm? Konnte es sein das… „Kann es sein, dass du in meinem Körper besser Musik schreiben kannst?“ Sie verspielte sich. „Wie kommst du auf sowas? Wie bitte macht das denn Sinn?“ „Wie bitte macht es Sinn das ich momentan in deinem Körper bin? Aus irgendeinem Grund kann ich doch auch mit deiner Stimme besser singen!“ Er bekam keine Antwort. Hastig sammelte sie ihre Noten zusammen und fing an zu spielen… Einen wunderschönen Song… Als ihre Finger zu Ruhe kamen seufzte Momoko. „Ich kann nicht glauben das ich das sage, aber… Okay Saeki. Ziehen wir dieses vollkommen unglaubliche Ding durch. Zusammen!“ Akiras geliehene Augen funkelten. „Verstanden Momoko! Ich gebe mein bestes!“ „Hey, seid wann nennst du mich überhaupt bei meinem Vornamen?“ „T-tut mir leid, ich dachte das ist was Freunde machen…“ Freunde. Eigentlich hatte Momoko gedacht, sie wäre ganz allein… „Verstehe. Dann sind wir jetzt Freunde Akira.“ Kapitel 4: Chisaki und Reina ---------------------------- „Aaaaaalso…“, holte Momoko aus. „Die Woche ist so gut wie rum aber ein Mitglied fehlt uns noch.“ Nachdem sie letzte Nacht deutlich besser geschlafen hatte, konnte sie ihre volle Energie in die Umsetzung ihres Plans stecken. „Aber, wenn wir meinen Plan umgesetzt haben, rennen uns die Anwerber bald die Türe ein.“ Selbstgefällig grinste sie zu Akira, welcher gegenüber von ihr am Tisch platz genommen hatte. „Was genau meinst du mit Plan? Das einzige was wir haben ist den Song den du geschrieben hast und eine Seite mit Lyrics… die du allem Anschein nach im Unterricht auf den Rücken eines Arbeitsblattes gekritzelt hast…“ „D-das ist nicht so wichtig. Meine Musik und meine Stimme sind was die Leute anlocken soll.“ „Du schaffst es wirklich es so klingen zu lassen als wäre alles dein Verdienst. Aber was willst du machen? Sollen wir einfach irgendwo in der Schule auftreten?“ „Viel besser. Man kann uns in der ganzen Schule hören, wenn wir unseren Song über die Lautsprecher klingen lassen über die normalerweise die Durchsagen gesendet werden. Und da ich noch vom letzten Mal weiß wie wir uns dazwischenschalten können…“ „Vom letzten Mal?“, unterbrach Akira ihre Ausführung. „Du hast das schon einmal gemacht?“ Was für ein Spießer. „Natürlich. Die Schülervertretung hat mich nicht umsonst auf dem Kieker. Musik muss aber frei sein also kann ich mich nicht an alle Regeln halten.“ Voller Selbstbewusstsein streckte sie ihm ein Peace-Zeichen entgegen. „Manchmal frage ich mich was für eine Art Mädchen du eigentlich bist…“ Spiiiiiiiiieeeeeeßeeeeerrrrr. „Jedenfalls will ich das du erst einmal übst den Song zu singen bevor wir uns morgen in der Mittagspause hier treffen.“ Wiederwillig beugte sie sich zu ihm rüber. „Also komm schon, hopp hopp.“ „Wi-wir sollen switchen?“ „Wie willst du sonst den Song singen? Lass diesmal aber bitte meine Stimmbänder heile…“ „Das war keine Absicht!“ „Und deine Hände bleiben da wo ich sie sehen kann!“ „So einer bin ich nicht!“ „Jetzt küss mich endlich!“ Als Chisaki durch die Tür des Musikraums stürmte konnte Reina nicht anders als rot anzulaufen. Das Mädchen mit dem nussbraunen Haar kniete beinahe auf dem Tisch und presste ihre Lippen gegen die des Jungen. Ihre Köpfe schnellten zu Chisaki als sie ihr unsanftes eintreten bemerkten. Der Moment schien eingefroren. „Oh, sorry. Lasst euch nicht stören.“, brach Chisaki das Schweigen schließlich und trat wieder zu Reina aus dem Raum. Sie schloss die Tür hinter sich und fragte: „Bist du sicher, dass das hier der Musikraum ist?“ Im selben Moment sprang die Tür schon wieder auf und jemand zog die beiden wieder in den Raum. „Was sollte das?“, beschwerte sich Reina. „Es ist ja schön, wenn ihr euch liebt aber ihr könnt nicht einfach einen Clubraum als heimliches Liebesnest benutzen!“ „Wir sind kein Pärchen!“, schnaubte der Kerl mit hochrotem Kopf. „Sehe ich so aus als würde ich mich mit dem Typ einlassen?“ Hatte sie das richtig gehört? „Dem… Typ?“ „Neinneinnein… Tussi! Tussi hat er gesagt!“, verbesserte das Mädchen mit zittriger Stimme. Und nicht wirklich überzeugend. Der Blondschopf an Reinas Seite kicherte. „Ich finde die Beiden sind lustig!“ „Wir haben uns einfach alle auf dem falschen Fuß erwischt.“, räusperte sich der June und zähmte ein paar seiner dunklen Strähnen. „Ihr seid sicher hier, weil ihr euch für den Musik-Club interessiert…“ Nach dem ganze Durcheinander hatte er die beiden genötigt gegenüber von ihm und seiner Freundin Platz zu nehmen. Diese wirkte auch weiterhin nervös und etwas unglücklich mit der ganzen Situation. Ein Gefühl welches Reina teilte, aber das konnte sie vor Chisaki nicht zugeben. Ihre Freundin kippelte auf dem Stuhl neben ihr hin und her in Vorfreude was sie ihnen als nächstes erzählen würden. Wenn sie sich richtig erinnerte war der Name des Jungen Akira Saeki. Erst vor einigen Tagen hatte er in ihre Klasse gewechselt, deswegen war ihr der Name noch so frisch im Gedächtnis. Während des Unterrichts war er allerdings deutlich ruhiger als er sich hier zeigte. Auch das Mädchen mit dem nussbraunen Haar kam ihr bekannt vor. Bei einigen Auftritten von Merry Go Round!! meinte sie ihr Gesicht schon einmal gesehen zu haben. War sie auch ein Fan? „Wo genau liegen denn eure Talente? Wir bräuchten dringend eine Sängerin…“ „H-hey ich dachte wir hätten eine Abmachung?!“ „Äh, nein tut mir leid.“, entschuldigte sich Reina. „I-ich spiele Bass-Gitarre…“ Saeki wirkte geknickt. „Wäre auch zu schön gewesen…“ „Hör auf mich ersetzen zu wollen!“ „Und du?“, wandte er sich an Chisaki. „Stimmt Chi-chan. Mir hast du auch noch gar nicht verraten was du überhaupt spielst…“ Verlegen legte sie die Hände hinter ihren Kopf. „Oh, ich spiele kein Instrument.“ Erneut setzte eine peinliche Stille ein und Reina konnte schwören sie hätte die Nerven von Saeki reißen hören können. „Von mir aus.“, seufzte er schließlich. „Wenn du einen Rhythmus halten kannst gibst du mit deiner Energie bestimmt eine gute Drummerin ab.“ „Ehrlich?“ Sofort war Chisaki an Bord. Ohne sich zu zügeln sprang sie von ihrem Platz auf und warf sich auf den Hocker hinter dem Schlagzeug. Leider sah man bei ihrer Größe nur noch einen kleinen Teil ihres Kopfes über die Trommeln hinausragen. Ein unglaublich niedlicher Anblick. „Ich besorge wohl besser einen größeren Stuhl… Wir können euch jedenfalls sehr gut gebrauchen, also tragt euch bitte auf dem Formular an der Tür ein und dann treffen wir uns morgen nach der Schule wieder hier…“ „Dachte ich mir doch, dass es im Musik-Club so lustig zugeht…“, säuselte ihre Freundin Reina zu während sie mit schwungvollen Bewegungen ihren Namen auf das Papier setzte. „Irgendwie habe ich das Gefühl wir sind hier in mehr geraten als wir uns vorgestellt haben…“ Wieder zeigte Chisaki nur ihre strahlend weißen Zähne. „Muss das etwas Schlechtes sein?“ Musste es? Es gab nur einen Weg das rauszufinden. Als die beiden Mädchen den Raum verlassen hatten fing Momoko sofort an an der Tür zu lauschen. Nach knapp einer Minute öffnete sie die Tür und hielt ihm mit großen Augen das Formular entgegen. „Mein Plan hat funktioniert!“ „NICHTS DAVON HATTE MIT DEINEM BESCHEUERTEN PLAN ZU TUN!“ „Ist doch egal, fürs erste ist der Club gerettet!“ „Das war aber knapp, mein Herz schlägt immer noch wie…“ „Nimmst du wohl meine Hand da weg!“ Er hatte nur seine Hand auf seine Brust gelegt um seinen Pulsschlag zu prüfen. Seine weiche Brust… Als er es realisierte köchelte sein Gesicht sofort hoch. „E-ehrlich Momoko, das war k-keine Absicht!“ „A-aber ist das wirklich okay?“, wunderte sich Akira als er nach Momokos Standpauke wieder zu Wort kam. „Dass das Blondchen nicht drummen kann? Irgendwie bekommt sie das wohl hin…“ „Nein ich meine, die beiden denken doch jetzt ich bin du. Und… und das du ich bist. Wie sollen wir ihnen erklären, dass wir für den Club die Körper tauschen?“ Angesichts seines Verhalten gestern wunderte sich Reina nicht, dass Saeki-kun ihnen aus dem Weg zu gehen schien. Offensichtlich war etwas sehr verdächtig an diesem Musik-Club aber sie war einfach zu neugierig um sich davon abschrecken zu lassen. „…aber, dass du tatsächlich den Musik-Club vorgeschlagen hast obwohl du keine Ahnung davon hast Chi-chan… Was hast du dir dabei gedacht?“ „Du warst doch so fasziniert davon. Außerdem klingt es nach einer Menge Spaß in einer Band zu spielen!“ „Chi-chan, du bist viel zu sorglos! Ein Instrument zu spielen erfordert viel Übung. Wenn du dich nicht anstrengst ziehst du uns alle runter.“ Vorsichtig richtete sie den Gurt mit dem sie die Tasche mit ihrem Bass auf dem Rücken trug. „Mach dir keine Sorgen Rei-Rei. Für dich gebe ich alles was ich habe. Oh hey, da ist Akira-kun! Hey Akira-kun!“ Genau wie sie ging er den Gang entlang in Richtung des Musikraums. Chisakis Ausruf schien ihn erschreckt zu haben und er war spürbar aufgeregt wegen irgendwas. „Ah, Tsukino-san, Hanabusa-san…“, grüßte er sie verhalten. „Ich hab dir Dummerchen doch gesagt nenn mich Chi-chan!“ „Wie versprochen habe ich meine Bassgitarre mitgebracht Saeki-kun.“ Stolz deutete sie auf das Instrument auf ihrem Rücken. „Sie war ein Geschenk von meinem Bruder zu meinem Geburtstag.“, führte sie auf ihrem weiteren Weg aus. Mit ihm Augenkontakt zu schließen war unmöglich. Was war auf einmal mit ihm los? „Was ist los Akira-kun? Du verhältst dich ja genauso wie Momo-chan!“ Chisakis ehrliche Aussage hatte wohl dazu geführt, dass er sich verschluckte. „*Hust hust*, ich soll mich verhalten wie *hust* Momoko? Unsinn…“ Er war der miserabelste Lügner den Reina je gesehen hatte. Auf einer Tafel im Musikraum hatte Akamori ein sehr verwirrendes Diagramm mit Strichmännchen und vielen Pfeilen gezeichnet. Das Strichmännchen das wohl sie darstellen sollte war deutlich detaillierter und hübscher gezeichnet. „Da seid ihr ja endlich!“ Der Anblick von Akamoris ‚Kunstwerk‘ sorgte dafür, dass Saeki-kun seinen Kopf in seine Handfläche legte. „Wofür ist das Momo-chan?!“ „Nenn mich nicht so! Setzt euch, wir müssen euch was erklären.“, ärgerte sie sich. Dafür das sie bei ihrem letzten Treffen so zurückhaltend gewesen war, spielte sie sich nun ziemlich auf. „Du meinst wieso du auf einmal Akira-kun bist und er du?“ Chisaki kicherte Reina an. „Ist doch komisch oder nicht?“ „Sei nicht albern Chi-chan. Hört nicht auf sie, manchmal ist sie etwas…“ Die Fassungslosigkeit in Saekis und Akamoris Gesicht sprach Bände. Sie hatte dem Nagel auf den Kopf getroffen. „W-wieso sagt ihr nichts? Chi-chan hat doch nur einen Spaß gemacht…“ Der erste der sich wieder fing war Saeki. „Ich weiß das ist vielleicht schwer zu glauben Tsukino-san aber Momoko und ich können tatsächlich die Körper tauschen…“ Begeistert sprang Chisaki auf. „Wirklich?!“ „Du kannst doch sowas nicht einfach glauben Chi-chan! So etwas ist unmöglich!“ „Aber Momo-chan verhält sich doch jetzt so rechthaberisch wie Akira-kun gestern…“ „Ich bin nicht rechthaberisch!“ „Also technisch gesehen waren wir gestern im Körper des Anderen, also das ist gerade die echte Momoko und ich bin der echte Akira… Wir haben selbst vor ein paar Tagen herausgefunden, dass das immer passiert, wenn wir uns küssen…“ Er hatte einen Satz wohl noch nie so schnell bereut wie in diesem Moment. In immensem Tempo hatte Chisaki ihren wendigen Körper in seine Richtung bewegt um ihre Lippen auf seine zu pressen. Alle anderen Gesichter im Raum verfärbten sich schlagartig, jedoch nicht so stark wie das von Saeki. „Och schade, mit ihm geht’s nicht…“ „S-sowas kannst du doch nicht ma-machen Chi-chan!“ „Wieso nicht, die beiden küssen sich doch auch…“ Das Hirn von Saeki schien nach Chisakis Überfall erst einmal Pause zu machen. „Versuch es gar nicht erst bei mir Blondchen, sonst…“ In dem Moment war Momoko allerdings schon überwältigt. Die meisten machten den Fehler Chisaki wegen ihrer Größe zu unterschätzen, aber sie war unglaublich stark und schnell. Im letzten Jahr hatte sie bei diversen Sportclubs mitgemach, weshalb es ihr auch ein Einfaches war Akamori umzuwerfen. „Lass das Chi-chan… Du kannst doch nicht einfach jeden küssen…“ „Was soll denn schon passieren Rei-rei?“, schmunzelte ihr Akamori entgegen. Kapitel 5: Mit deinen Augen sehen… ---------------------------------- „R-rei-rei?“ Nur Chisaki nannte sie so. Wieso sagte Akamori dies auf einmal zu ihr? „Wieso denkt jeder meine Lippen wären öffentliches Gelände?!“, schimpfte Chisaki die sich auch wieder aufrappelte. „Schau was du angerichtet hast!“ Akamori richtete ihre Augen auf sich selbst und hatte ein untypisches Leuchten in den Augen. „Es hat geklappt!“ Ungläubig blickte Reina in die Richtung von Saeki, welcher sich langsam wieder erholte aber ungefähr genauso überfordert mit der Situation war. „Momoko… habt ihr etwa…?“ „Wonach sieht es denn aus?! Das Blondchen hat mir meinen Körper geklaut!“ „Dann lag es also nicht an mir, sondern die ganze Zeit an dir!“ „Das ist doch jetzt unwichtig, hilf mir lieber aus dem Körper dieses Flachbretts rauszukommen!“ „Aber du hast mir die Schuld dafür gegeben.“ Zwischen den beiden brach ein Streit aus und für einen Moment verlor Reina Chisaki aus den Augen. Einen Wimpernschlag später hatte sie das Gefühl ihr Gleichgewichtssinn wäre Karussell gefahren und ihre Sicht war verschwommen. Plötzlich konnte sie ihre eigene Stimme hören wie sie jubelte: „Juchu jetzt bin ich Rei-rei!“ „Gib mir meinen Körper zurück du Miststück.“ Und schon wieder drehte sich alles. Sie wäre hingefallen, hätte Saeki sie nicht aufgefangen. „Ähm, alles okay mit dir Tsukino-san?“ „Nein, nichts ist okay!“, erklang Chisakis Stimme. „Was bitte passiert hier gerade?“ Langsam besserte sich ihre Sicht wieder, aber nichts hätte sie auf den Anblick vorbereiten können. Verlegen deute Saeki mit seinem Kopf in die Richtung ihres Körpers, welcher wie wild durch den Raum sprang. „Wir waren im ersten Moment auch sehr verwirrt…“, gestand er. „Du steckst gerade im Körper von Chisaki…“ Ungläubig betrachtete sie ihre Hände. Alles fühlte sich anders an. Sie trug nicht mehr den Blazer über ihrer Bluse und sie war unsauber zugeknüpft so wie Chisaki sie trug. Ihre Größe war nicht mehr die selbe und ihre Brust… so viel kleiner… „Dein Körper ist so groß Rei-rei. So komme ich an jede Keksdose!“, zelebrierte ihr Körper freudig was immer noch bizarr anzusehen war. Reflexartig wollte sie ihre Brille richten… …aber sie trug keine. „Ich kann sehen…“, murmelte sie. „Ich kann ohne Brille sehen…“ „Ich bin blind!“, schrie Chisaki in ihrem Körper gleichzeitig, da sie ihre Brille verloren hatte während sie hyperaktiv über den Boden rollte. „Momoko, kannst du dich nicht um Chisaki kümmern.“ „Sie hat mir meinen Körper geklaut! Sollen die beiden doch so stecken bleiben!“, schmollte sie. Nichts von alle dem machte Sinn. „A-also ist das Chi-chan in meinem Körper?“ „Ich würde dir gern sagen man gewöhnt sich dran aber bisher war das nicht der Fall…“ „Unglaublich. Körpertausch gibt es doch höchstens in schlechten Manga…“ „Hilf mir Rei-rei! Deine Augen sind kaputt!“ Unsicher machte sie ihre ersten Schritte auf Chisakis kurzen Beinen um ihr ihre Brille zu reichen. „Ich würde jeden gerne mal durch meine Augen schauen lassen, der mir je meine Brille geklaut hat…“, flüsterte sie zu sich selbst während sie Chisaki dabei zu sah sich in ihrem Körper weiter zu rollen. „Pffft, pffft, du hast so viel Haar pfffft Rei-rei. Hast du ein pfffft Haargummi?“ „Vorne in meiner Tasche.“ Strahlend hüpfte sie los um sich ihre Haare zurück zu binden. Also IHRE Haare. Man war das verwirrend. „Ob wir auch so ausgesehen haben das erste Mal als wir geswitcht haben?“ „Nein, du hast dämlicher gewackelt…“ Trotz dieses Kommentars lachte Momoko nicht. Akira sah ihr an, dass sie irgendwas beschäftigte. Sie blickte nur nachdenklich Reina und Chisaki hinterher. „Worüber denkst du nach?“ „Etwas Verrücktes… Blondchen! Setz dich mal ans Schlagzeug!“ „Sie ist im Moment doch gar nicht blond Momoko…“ Chisaki reagierte aber trotzdem auf Momokos Anweisung. „Yay endlich bin ich groß genug!“, jubelte als sie tatsächlich über das Instrument hinweg schauen konnte. „Du willst das Chisaki in Tsukino-sans Körper spielt?“ Nickend stimmte sie zu. „Vielleicht liege ich falsch, aber überleg mal wie es bei uns war. Dein Gesang war besser mit meiner Stimme… Aus irgendeinem Grund inspiriert mich dein Körper… Wenn das switchen unsere Talente steigert, klappt das vielleicht auch bei den beiden…“ „Aus diesem Grund macht ihr das also?“ „Schließ mal deinen Bass an Brillenschlage. Wer weiß ob du in dem Körper von dem Flachbrett überhaupt noch spielen kannst…“ „Musst du die beiden so nennen? Außerdem trägt Tsukino-san gerade auch keine Brille…“, meinte Akira, da sie ihre Sprechweise aber wahrscheinlich nicht ändern würde half er lieber damit einen Verstärker für Tsukino anzuschließen. Technisch war alles vorbereitet aber da sich ihre Größe rapide verändert hatte musste Tsukino den Gurt der Gitarre neu einstellen. „Was genau soll ich denn spielen?“ „Irgendwas.“ Eine kurze Überlegung später ließ sie eine berühmte Baseline erklingen. „Das ist… ‚Anotherone bites the dust‘ von Queen nicht wahr?“, erkannte Akira. „Äh, ja das stimmt… Internationale Lieder ziehen mich irgendwie an…“ „Spürst du eine Veränderung?“, erkundigte sich Momoko die damit angefangen hatte Chisaki zu instruieren im selben Rhythmus mitzuspielen. „Nicht… direkt? Ich denke nicht, dass ich schlechter spiele als sonst…“ Langsam aber sicher bekam Chisaki den dreh raus. „Das klingt echt toll ihr beiden!“ Akira war so fasziniert von der Musik, dass er wieder total irritiert war, als Momoko mit ihm switchte. „Was sollte denn das jetzt?!“ „Sing mit.“, brummt sie von seinem Körper aus und deutete auf das Objekt das seine Finger auf einmal umschlossen. In seiner Hand lag plötzlich ein Mikrophon. „Aber das ist auf Englisch und ich kann den Text nicht!“ „Sing einfach irgendwas.“ Vorsichtig führte er das Mikrophon zu seinen Lippen. Warum war er auf einmal so nervös? Irgendwas singen? Irgendwas passend zum Rhythmus… „La la la, ich singe für Momoko. La la la, ich singe für Momoko Und ich sing irgendwas, ich sing irgendwas, ich sing es für Momoko. Ich, weiß nicht genau wieso, doch ich singe für Momoko!“ „Improvisieren ist nicht deine Stärke…“, schloss sie schließlich als sie gestikulierte das sie aufhören sollten. „Aber das hat Potential so. Brillenschlange und Blondchen müssen auch geswitcht spielen.“ Durch nicken bestätigte sich ihre Meinung. „Heißt das ich darf dann öfter Rei-reis Körper benutzen?!“ „H-hey Chi-chan, sowas könnt ihr doch nicht so einfach bestimmen… Das ist immer noch mein Körper!“ „Bitte-bitte Rei-rei!“, flehte Chisaki. „Ich weiß wie ich dich überreden kann.“ Mit einer übertriebenen Geste zog sie eine Art Sandwich aus ihrer Tasche. „Ernsthaft? Du willst sie mit ner Stulle bestechen?“ „Das ist mein Nachmittagssnack!“, insistierte sie. „Ein superleckeres Erdnussbuttersandwich!“ „Naja dann…“ Jedes Mal, wenn Momoko in seinem Körper die Augen verdrehte gefiel Akira dieser Ausdruck auf seinem Gesicht weniger. „Wie oft soll ich dir sagen das ich keine Erdnüsse vertrage Chi-chan?“ „Du nicht.“, lachte diese. „Aber du bist gerade nicht du!“ Reinas Augen weiteten sich. Zögerlich nahm sie das Brot entgegen und probierte vorsichtig einen Bissen. Tränen sprudelten aus ihren Augen und sie lächelte als wäre sie gerade zum Himmel heraufgefahren. „Na gut.“, war das einzige was sie zwischen dem Kauen herausbrachte. Ein tiefer Seufzer glitt über Momokos Mund: „Seit wann ziehe ich nur solche Idioten an.“ Unangenehme Nachrichten zu überbringen war was Kojiro am meisten an seiner Position bei der Schülervertretung hasste. Naja am zweitmeisten. Suzuki Katakura war was er am meisten an seiner Position bei der Schülervertretung hasste. Konkurrenz war nie gut fürs Geschäft vor allem, wenn man es auf die Position des Vorsitzenden abgesehen hatte. Ihr falsches Lächeln provozierte ihn schon die ganze Zeit. „Akamori hat es leider geschafft weitere Mitglieder für den Musik-Club anzuwerben.“ Der Vorsitzende hielt sich die Schläfen aber Katakura genoss jeden Augenblick. „Madeki, ich muss dich nicht daran erinnern was für Probleme wir allein mit Merry Go Round!! hatten. Auch wenn das ganze nochmal ein gutes Ende genommen hat möchte ich nicht, dass sich das ganze wiederholt... Momoko Akamori darf uns nicht noch mehr Probleme bereiten…“ „Herr Vorsitzender!“, meldete sich die falsche Schlange. „Wie wäre es, wenn ich mich dieses Problems annehmen würde…?“ Kapitel 6: In deiner Erinnerung… -------------------------------- „Also,“, erkundigte sich Chisaki. „Momo-chan ist jetzt in Akira-kuns Körper, richtig?“ „Worauf willst du hinaus?“ Sie hatten ihre erste Probe, oder was auch immer das war, beendet und sich zurück an den Tisch gesetzt. „Das heißt du hast jetzt seinen Schniedel, richtig? Wie fühlt sich das an? Erzähl’s mir!“ „Bitte?!“, riefen Akira und Momoko gleichzeitig und mit demselben Ton Schamesröte im Gesicht. „S-sowas kannst du doch nicht fragen Chi-chan!“, rügte sie Reina. „Wobei, für euch beide muss das ganze wohl noch ungewohnter sein als für uns beide…“ „Genau, weil Momo-chan jetzt ein Junge ist und Akira-kun jetzt ein Mädchen.“ Ruckartig schwenke Chisaki ihr geborgtes, schwarzes Haar herum und blickte ihn erwartungsvoll an. „Dann musst du mir erzählen wie es sich ohne deinen Schniedel anfühlt!“ „Da-Darüber will ich nicht nachdenken…“ „Hast du nicht mal nachgefühlt?“ Entrüstet stand er auf. „I-ich könnte Momokos Körper nie so anfassen! Niemals könnte ich ihr selbstloses Vertrauen so mit Füßen treten! Sie überlässt mir ihren Körper damit ich in ihm singen kann und dafür bin ich ihr unglaublich dankbar! Da-Das mindeste was ich machen kann ist ihre Privatsphäre zu wahren!“ Er hatte mehr herausgestammelt als er wollte. In seinen eigenen Augen sah er wie Momoko ihn etwas erstaunt ansah aber ihren Blick schnell abwandte als er Augenkontakt schloss. „Man seid ihr langweilig…“, schmollte Chisaki, bohrte aber nicht weiter nach. „Momoko, ich…“ Akira konnte den Satz nicht beenden. Auch nicht nachdem Momoko ihre Lippen wieder von seinen löste. „Mir reicht es für heute mit euch. Am Montag proben wir weiter und besprechen das weitere Vorgehen.“ Damit war sie verschwunden. „A-Akira-kun? Sie kommt doch zurück um Chi-chan und mich zurückzutauschen, oder?“ An diesem Abend putzte sich Momoko besonders ordentlich die Zähne. Das sie jetzt drei Personen hin- und her-tauschen musste war einfach nervig. Warum mussten es auch ihre Lippen sein, die dafür verantwortlich waren. Hatte sie diese Kraft schon immer? Wann hatte sie vor dieser Woche das letzte Mal jemanden geküsst? Sie wusste es nicht. Mit einem Schluck Wasser spülte sie aus. Eine Antwort auf diese Fragen würde sie wohl nicht so einfach finden, also konnte sie auch aufhören darüber nachzudenken. Letztendlich war sie an diesem Freitagabend einfach nur froh diese verrückte Woche hinter sich gebracht zu haben. Erschöpft fiel sie auf den sanften Stoff ihres Bettes. Der Club war gerettet also war alles gut. Jetzt wollte sie einfach nur noch schlafen… Momoko fand sich auf dem Rücksitz eines Autos wieder. Sie träumte. Hoffte sie. Alles wirkte viel zu real für sie. Den Fahrer des Wagens hatte sie noch nie gesehen, genauso wie die Beifahrerin, mit denen sie sich über belanglose Dinge zu unterhalten schien. Im Rückspiegel des Wagens erkannte sie aber nicht sich selbst, sondern Akira. Musste sie jetzt schon davon träumen in seinem Körper zu stecken? In Gedanken seufzte sie. Abgesehen davon war es ein unglaublich langweiliger Traum. Die Landschaft an der sie vorbeifuhren war so austauschbar wie jede andere und das Gespräch mit den anderen Insassen des Wagens interessierte sie nicht. Tatsächlich war das einzige was sie interessierte wann sie endlich etwas anderes träumen oder aufwachen würde. Der Aufprall kam unerwartet. Mit immenser Kraft wurde sie im Sitz nach vorne geschleudert. Ihre Welt drehte sich… Und als sie wieder etwas wahrnehmen konnte… Stille. Sich zu bewegen schien unmöglich, ihre Gliedmaßen waren eingeklemmt. Den Schmerz konnte sie nicht fühlen aber sie wusste, dass sie blutete. Jedoch war das Blut auf ihr nicht allein von ihr selbst. Das Schweigen der anderen Insassen war ein eindeutiges Zeichen für sie. Momoko wollte schreien aber das tat sie bereits. Akiras Stimme rief wieder und wieder nach seinen Eltern. Vergebens… Nach einem Augenaufschlag war sie woanders. In einem anderen Wagen. Akira stieg in diesem Moment aus einem Taxi. Sie waren wieder in ihrer Heimat, sie erkannte die Straßen von Kumoshita. Das Dojo vor ihr war nur ein paar Straßen von ihrem Haus entfernt. Nicht dass sie es je betreten hätte, aber sie war ein paar Mal daran vorbeigekommen. Auch das angrenzende Wohnhaus war ihr bisher nie aufgefallen, nicht bevor sie eine weitere unbekannte Frau in dessen Richtung geleitete. In dessen Türrahmen wartete ein bekanntes Gesicht auf sie. Orochi Taneba aus ihrer Klasse. Leidteilend hatte sie Akira in den Arm genommen. Er hatte nie erwähnt das er sie näher kannte, wobei das bei dem Chaos der letzten Woche verständlicherweise nicht zu Wort kam. „Bist du okay?“, fragte Taneba sie mitfühlend aber Akiras Körper schüttelte nur den Kopf. Er hatte gerade seine Eltern verloren, natürlich war er nicht okay! Und Momoko war so ein Arsch zu ihm gewesen… Schweißgebadet öffnete sie die Augen. Sie war wieder in ihrem Zimmer, in ihrem Körper. Es war wirklich nur ein Traum. Nein, nicht nur. Hatte sie gerade eine Erinnerung von Akira durchlebt? In ihrem Schädel kündigte sich eine Migräne an. Wie konnte sie nur an sich gedacht haben? Wie konnte sie mit ihm die Körper tauschen und trotzdem nicht bemerken was in ihm vorging? Immer war sie so ein Trampel. So wie sie ihn behandelt hatte konnte sie nicht anders als sich Schuldgefühle einreden… Sonnenstrahlen weckten Momoko erneut. Irgendwann war sie wohl doch wieder eingeschlafen, trotz der Gefühle die sie zerfraßen. Über die Nacht hatten ihre Kopfschmerzen nicht sonderlich abgenommen. Verschlafen drehte sie sich in ihrem Bett herum. Sie musste mit ihm reden. Mit Akira. …aber aufzustehen war hart. Irgendwie hatte sie sich dennoch dazu durchgerungen. Aus dem Bett zu steigen, sich zu waschen, Kleidung über zu werfen. War das wie Akira sich fühlte? Wie zur Hölle bekam er mit so einer Last überhaupt irgendwas hin. Missmutig schloss sie hinter sich die Tür und schlug die Richtung des Dojos ein, welches sie in ihrem Traum gesehen hatte. Glücklicherweise hatte sie es in ihrem Traum gesehen, immerhin hätte sie sonst keine Ahnung gehabt wo Akira tatsächlich wohnt. Wobei es schon komisch war, dass es bei Taneba zu wohnen schien. Ihres Wissens hatte sie keine Cousins, dann wiederum hatte sie nie viele Worte mit ihr gewechselt. In ihrer Position als Kapitänin des Kendo-Clubs hatte sie immer etwas einschüchternd auf Momoko gewirkt, aber in Akiras Erinnerung hatte sie scheinbar auch eine mitfühlende Seite. Sie war so in Gedanken, dass sie beinahe an ihrem Ziel vorbeigelaufen wäre. Genau wie in ihrem Traum stand sie erneut vor dem Wohnhaus neben dem imposanten Dojo. An dem Türschild stand tatsächlich der Name Taneba in filigranen Lettern geschrieben. Zögerlich läutete sie die Klingel. „Komm schon Momoko, reiß dich zusammen!“ Als sie die Haustür öffnete war Orochi nicht wirklich darauf vorbereitet dahinter Momoko Akamori anzutreffen. Für ihr sonst burschikoses Verhalten kleidete sich ihre Mitschülerin erstaunlich feminin außerhalb ihres Klassenraums. Das dunkle Freizeitkleid passte hervorragend zu ihrer zärtlichen Statur. Was gar nicht zu ihr passte war der nervöse Ausdruck auf ihrem Gesicht. „Akamori-san?“ „G-guten Tag Taneba-san. Wohnt bei euch zufällig ein Junge namens Akira Saeki?“ Woher wusste sie überhaupt wo sie wohnte? Und was wollte sie von Akira? „Momoko?“ Als er ihre Stimme hörte trat Akira aus einem anderen Zimmer zu ihnen. Auch er schien überrascht zu sein sie zu sehen. „Was machst du hier?“ „D-du sagtest doch wir wären Freunde oder nicht? Also lass uns was als Freunde unternehmen!“ Unter irgendeinem Vorwand hatte Momoko Akira in ein kleines Café in der Innenstadt geschleift. Sie war einfach bei ihnen aufgetaucht und jetzt saß sie ihm gegenüber und stach mit ihrer Gabel unruhig nach ihrem Limonenkuchen. Geduldig schob sich Akira ein Stück seiner Erdbeertorte in den Mund. Offensichtlich beschäftigte sie irgendwas, jedoch konnte sie einfach nicht die Worte finden um es anzusprechen. Sollte er etwas sagen? „Ist mit dir alles okay Momoko?“ Diese Frage schien es schlimmer zu machen. „Wirklich? Das fragst du mich als erstes? Wie kannst du dir in deiner Situation immer noch Sorgen um andere machen?“ „Wovon redest du bitte?“ „Ich habe gesehen was mit deinen Eltern passiert ist. Aus irgendeinem Grund ist deine Erinnerung daran durch das switchen bei mir hängen geblieben oder so, jedenfalls habe ich gestern nach davon geträumt…“ Das Mädchen wandte ihre smaragdgrünen Augen von ihm ab. Zu sagen Akira konnte es nicht glauben wäre gelogen, da ihm nach dieser Woche so einiges möglich erschien. Tatsächlich hatte ihm das ganze Chaos sogar geholfen seine Trauer möglichst auszublenden. „Mei-mein Beileid…“ „Es… tut mir leid, dass du das sehen musstest Momoko… der Anblick war für dich sicher…“ Mit einem lauten Krach schlug Momokos Faust auf den Tisch. „Hör auf damit dich für alles zu entschuldigen! Kannst du nicht wie jeder andere auch sauer werden und es einfach rauslassen?“ Ein paar der anderen Gäste drehten sich zu ihnen um, verloren aber genauso schnell wieder das Interesse. „Was meinst du? Was bitte soll ich rauslassen?“ „Deinen Ärger, deinen Frust, deine Trauer, ALLES! Seit wir uns getroffen haben hast du nur versucht mir zu helfen, trotz deiner eigenen Probleme. Und ich… ich war einfach nur ein Arsch zu dir. Ich habe dich angeschrien, dir für alles die Schuld gegeben… Selbst als wir die Körper getauscht hatten, hast du nicht nur mich sondern auch meinen Körper immer mit Respekt behandelt. Also lass endlich deine Wut an mir aus! Das ist was ich verdiene...“ Fassungslos blinzelte Akira in ihre Richtung. „… was ich nicht verdient habe ist deine Freundschaft.“ „Momoko… für mich ist Freundschaft nicht etwas was man sich verdienen muss. Was wir alles schon in den paar Tagen erlebt haben in denen wir uns kennen reicht mir völlig um dich meine Freundin zu nennen.“ „Aber…“ „Momoko, du musst kein schlechtes Gewissen haben wegen Dingen von denen du keine Ahnung hattest. Ehrlich gesagt hab ich jemanden gebraucht der mich nach all dem ganz normal behandelt und nicht in Watte packt…“ Ihre Mimik suggerierte ihm das sie verstanden hatte. „Irgendwie beruhigt das alles mein schlechtes Gewissen nicht so wie ich es mir erhofft hatte…“, schmollte sie und nahm eine Gabel voll ihres Kuchens. „Du kannst dir ja einfach vornehmen mich weniger auszuschimpfen, wie wäre das?“ Bei den Worten mussten sie beide lachen. In diesem Moment konnten sich die beiden zum ersten Mal ehrlich anlächeln. Das rötliche Licht der Abendsonne badete den Stadtpark in seinen Farben. Der Rückweg führte die beiden vorbei an frühlingsblühenden Blumenbeeten und Alleen mit knospenden Bäumen. „Vermisst du sie sehr?“, fragte Momoko während sie vor ihm her schlenderte. „Natürlich. Du denkst erst dann an all die Dinge die du ihnen noch sagen möchtest, wenn sie nicht mehr da sind, weißt du?“ „Verstehe…“ „Wie sind deine Eltern so?“ „Sie arbeiten im Ausland und sind kaum zuhause. Aber auch wenn sie nicht wirklich für mich da sind wäre ich wahrscheinlich genauso drauf wie du, wenn ihnen irgendwas zustoßen würde. Wahrscheinlich würde ich mich nur in meinem Zimmer verkriechen und flennen.“ Für einen Moment hielt Akira an. „Es ist komisch. So sehr ich versucht habe meine Trauer raus zu lassen, wie du gesagt hast… irgendwie habe ich es nicht geschafft meine Eltern zu beweinen…“ Auch Momoko blieb stehen. Sie sah sich nach andern Passanten um und zog ihn, nachdem sie keinen erspähte, auf die nächste Parkbank. „Würde es dir helfen dich mal richtig auszuheulen?“ „Was genau meinst du dam-“, doch in dem Moment sah er schon wieder in sein eigenes Gesicht. „I-ich wusste nicht, dass das auch außerhalb des Musikraums funktioniert.“, wunderte sich Akira mit Momokos Stimme. „Aber wieso switcht du plötzlich mit mir?“ „Damit du dich in meinem Körper ausheulen kannst.“ „Huh?“ „Alleine durch den anderen Hormonhaushalt fällt es Mädchen einfacher zu weinen. Versuch’s mal.“ „Das ist doch Schwachsinn Momoko. Wie soll ich denn so auf Kommando…“ Er konnte den Satz nicht zu Ende bringen. In Gedanken war er wieder an dem Tag. Der Tag an dem er sie das letzte Mal gesehen hatte. Als sie ihm das letzte Mal gesagt hatten wie stolz sie auf ihn waren. Kalt zog die erste Träne über eine seiner geborgten Wangen. Sie kamen nicht mehr zurück, damit hatte er sich abgefunden. Aber wieso tat es immer noch so weh…? Alles schrie er heraus, während er sich die Augen rieb. Es ließ sich nicht stoppen, die Tränen flossen wie ein reißender Strom. …und Momoko nahm ihn in den Arm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)