Meine Reise von Vegetasan (Kein Traum, Hexer gibt es wirklich) ================================================================================ Kapitel 41: Teil 1: Zurück auf die Schulbank -------------------------------------------- Vesemir erwartete mich schon unten im Raum mit den Präparaten. Entweder war er noch so geübt im Unterrichten, dass er dies alles in den wenigen Augenblicken zusammen gesucht hatte, oder er hatte sich am Vortag darauf vorbereitet. Wobei eher Letzteres, denn er hatte keine Bücher mit runter genommen und bei meinen beiden vorherigen Besuchen in diesem Raum, war mir kein Tisch aufgefallen. Auf dem Tisch lag ein Stapel Bücher und etwas zum Schreiben. „Da bist du ja endlich“, begrüßte Vesemir mich mit verschränkten Armen. „Setz dich“, er zeigte auf den Tisch. Müde schlurfte ich hinüber und ließ auf den Stuhl plumpsen. Worauf hatte ich mich hier nur eingelassen? Vesemir sah nicht unbedingt aus, als wäre er nachsichtig mit mir, nur weil ich die ganze Nacht mit den Hexern wachgeblieben war. „Da du ja so begierig drauf bist, Seite an Seite mit einem Hexer zu kämpfen, sollten wir wohl dafür sorgen, dass du auch wirklich weißt, was du da überhaupt tust. Ich weiß das Letho dir schon einiges beigebracht hat, aber ich werde überprüfen, inwieweit du dieses Wissen auch verinnerlicht hast“, fing er an. „Das dein Verhalten mehr als leichtsinnig war, muss ich dir hoffentlich nicht noch einmal extra erklären? Fangen wir damit an, was wäre gewesen, wenn die Trolle bei dem Platz der Elemente nicht so freundlich gewesen wären? Welches Klingenöl hättest du gebraucht und woraus besteht es?“, wollte er von mir wissen. Ich seufzte und rieb mir durchs Gesicht. „Aber sie waren freundlich“, grummelte ich. „Darum geht es hier jetzt nicht. Nicht jeder Troll ist freundlich und lässt mit sich reden!“, entgegnete er. „Also, welches Öl?“, wiederholte er. Ich überlegte kurz, in welche Kategorie fielen Trolle gleich nochmal? Relikte? Nein, definitiv nicht. Konstrukte? Nein auch nicht. Ah ja, das war es Ogroide. „Für Trolle braucht man Ogroidöl“, gähnte ich. Ob das auch gegen Orks helfen würde, es gab sie hier zwar nicht, aber sie fielen doch meines Wissens nach in dieselbe Kategorie. „Und weiter?“, Vesemir tippte ungeduldig mit dem Fuß „Woraus besteht es?“, erinnerte er mich, als ich ihn fragend anschaute. „Aus Bärenfett und Ignatiablüten, also aus einem Teil Basis und 4 Teilen Nigredo oder Äther“, leierte ich runter. Zutaten war ich mit Letho zu genüge durchgegangen, bevor er mich überhaupt daran ließ, hatte er mich jedes Mal vorher abgefragt. Und auch danach immer wieder dafür gesorgt, dass ich mich daran erinnern würde. Dies wiederholte Vesemir für jede Kreaturenkategorie und jedes Öl, das man benutzen kann. Er schien zufrieden mit meinen Antworten zu sein. Wenn man mal davon absah, dass ich gelegentlich längere Zeit überlegen musste, weil sich mein Denkvermögen nach und nach einstellte. Zum einem wegen dem Alkohol und dem sich langsam entwickelndem Kater und der Müdigkeit. „Gut, gut. Immerhin scheinst du von Letho ein bisschen was gelernt zu haben“, brummte er gutmütig. „Allerdings reicht es nicht, zu wissen, wie ein Klingenöl zusammen gesetzt ist. Du musst auch die Monster richtig zu ordnen können. Daher wirst du jetzt eine Auflistung schreiben, mit den häufigsten Monstern und wie man sie erkennt. Du darfst die Bücher zur Hilfe nehmen“, verkündete er. „Danach darfst du zum Essen hochgehen und anschließend machen wir weiter“, fügte er dann noch hinzu. Murrend nahm ich mir ein Bogen Pergament und schlug die Bücher auf, meinen Kopf hatte ich mittlerweile auf meine Hand aufgestützt und notierte nebenbei die wichtigsten Merkmale der bekanntesten Monster. ... durch Fellzeichnungen ähnlich des in Serrikanien heimischen Panthera Tigris und die blasse Gesichtsfarbe unterscheiden sich, ... Ein lauter Knall schreckte mich auf, verwirrte blinzelte ich. Vesemir hatte mit einem Rohrstock auf den Tisch geschlagen. Ich war wohl kurz eingenickt, als ich den Abschnitt über Ghule und Alghule las. Der alte Hexer nahm meine Notizen und sah sie durch. „Es hätte etwas detailreicher sein können. Von einem jungen Adepten wäre es akzeptabel gewesen, aber ich weiß das du einigen von den Monstern bereits gegenüber gestanden hast. Aber ich will heute mal nicht so sein. Geh hoch und frühstücke, danach sehen wir uns wieder hier unten“, entließ er mich in die Pause. Ich versuchte nicht zu erfreut auszusehen und vom Stuhl aufzuspringen. Daher klappte ich die Bücher erst alle zu und legte sie sorgsam wieder auf einen Stapel, ehe ich dann nach oben flitzte. Die Hexer saßen noch alle beim Essen, aber von den anderen war keine Spur zu sehen. Aber ob sie schon fertig waren, oder noch schliefen, wusste ich nicht. Als ich mich zu ihnen an den Tisch setzte, grinsten sie mich alle an. „Was?“, fragte ich verwirrt. Doch das schien es nicht besser zu machen, ihr Grinsen wurde nur noch breiter. „War der Unterricht so langweilig?“, lachte Geralt. „Sieht so aus“, gluckste Lambert. Das Fragezeichen in meinem Gesicht wurde immer größer. Gaetan reichte mir sogar einen Lappen, „War Vesemir dolle verärgert? Unsere Ausbilder hätten sich ne ziemliche Strafe einfallen lassen, wenn wir eingeschlafen wären“, meinte er. „Woher ...“, fragte ich verdutzt. „Du hast Tinte im Gesicht, Krümel. Sieht aus, als wärst du beim Schreiben eingeschlafen“, klärte Letho mich auf. Ich wurde rot, „Hm, musste Texte zusammen fassen“, gab ich zu. Geralt zog fragend die Augenbraue hoch. „Jan von Brugge“, murmelte ich nur. „Er nutzt diesen alten Schinken immer noch? Kein wunder das du eingeschlafen bist“, meinte Eskel. Allerdings verstummten sie schnell, so das ich annahm, dass sich Vesemir näherte. Schnell nahm ich mir die Schale mit nur noch lauwarmen Haferbrei und fing an zu essen. Es war tatsächlich Vesemir, der zum Tisch kam. Er blieb neben mir stehen und stellte eine Tasse vor mich. Fragend schaute ich zu ihm hoch. „Gegen die Kopfschmerzen“, lächelte er. Dankbar lächelte ich ihn an und griff nach der Tasse. Was auch immer da drin war, musste heiß sein, denn es stieg ein wenig Dampf daraus hervor. Vorsichtig roch ich daran und verzog das Gesicht. Das roch ja noch schlimmer, als der Tee von Geralt, den er zusammen mit Rittersporn entwickelt hatte. Da das Getränk noch recht heiß war, stellte ich erst noch einmal zu Seite und aß mein Frühstück weiter. Aber schließlich war meine Schale leer und ich kam um den Tee nicht mehr herum, außerdem hatte Vesemir sich extra die Mühe gemacht, ihn mir zu brauen. Die Frage, warum mich die Wölfe so neugierig ansahen, beantwortete sich von alleine, als ich den ersten Schluck des Gebräus genommen hatte. Nur mit müh und Not konnte ich das Zeug schlucken. Am liebsten hätte ich es ausgespuckt und den Tee weggeschüttet. Das war mehr als widerlich. So widerlich, dass ich nicht mal beschreiben konnte, wonach es schmeckte. Selbst Augen zu und durch, schien hier nicht wirklich zu helfen. Mein Magen rebellierte allein schon bei dem Gedanken, noch etwas davon zu trinken. Vesemir schaute kurz von seinem Essen auf, „Sobald du ausgetrunken hast, können wir weiter machen.“ Leidend schaute in den Becher, sollte ich das wirklich trinken? Ich unterdrückte ein Würgen. Aber wenn es tatsächlich half? Vesemir würde mir definitiv nichts geben, was auch nur im Ansatz schädlich sein könnte, daher brauchte ich mir um einen verstimmten Magen eigentlich keine Gedanken machen. Und ein kurzer schlechter Geschmack im Mund war deutlich besser, als zu versuchen mit starken Kopfschmerzen irgendeinem Unterricht zu folgen. Daher hob ich entschlossen den Becher und trank ihn mit großen Schlucken leer. Besser es schnell hinter sich zu bringen. Umso schneller konnte ich den Geschmack mit etwas anderem wegspülen. Jedoch bevor ich überhaupt auch nur nach dem Wasser greifen konnte, musste ich mir die Hand vor den Mund pressen, damit ich nichts hoch würgte. Ich konzentrierte mich auf meine Atmung und schluckte immer wieder den Speichel, der sich in meinem Mund sammelte. Tröstend strich Letho mir über den Rücken. Manchmal beneidete ich die Hexer wirklich. Ihre Mutationen brachten viele Vorteile und eher weniger Nachteile. Ihr Kater, wenn sie denn überhaupt einen hatten, verging von alleine sehr schnell. Ich hingegen, musste ihn entweder aussitzen oder mit widerlichen Mitteln bekämpfen. Irgendwann stand Vesemir auf und sah mich erwartungsvoll an, „Können wir?“, ich nickte ihm zu, traute mich noch nicht, den Mund auf zu machen. „Ich hätte nicht gedacht, dass du über so viel Selbstdisziplin verfügen kannst und so schnell Vor- und Nachteile abwiegst“, wandte sich der alte Hexer an mich, als wir den Keller erreichten. „Na ja, entweder eine Weile einen üblen Geschmack im Mund, oder den ganzen Tag tierischen Kopfschmerzen. Da gibt es nicht lange zu überlegen. Außerdem wusste ich, dass du mir nie etwas geben würdest, dass mir Schaden könnte“, murmelte ich. „Genau das meine ich. Du hast schnell gemerkt, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen. Diese Denkweise brauchst du bei kämpfen. Du musst manchmal blitzschnell überlegen können, ob sich das Risiko in einem Kampf lohnt oder nicht. Was bringt es dir, einen Vertrag unbedingt abschließen zu wollen, wenn du im Kampf getötet oder schwer verletzt werden kannst. Manchmal ist es besser, als Feigling dazustehen, als tot im Wald zu verrotten. Verstehst du?“, erklärte er. Ich nickte. „Gut, dann solltest du dies auch auf alle Lebenslagen beziehen. Deine Streitereien mit Roche, was für Vorteile bringen sie dir? Keine. Also warum lässt du dich ständig darauf ein?“, er unterbrach mich, als ich etwas erwidern wollte, „Nein, kein aber. Du warst bereits einige Zeit mit Hexern unterwegs. Du hast gesehen, wie wir behandelt werden. Es bringt dich und auch Letho in große Schwierigkeiten, wenn du jeden angreifen würdest, der ihn beleidigt oder vor die Füße spuckt. Nutze die Wut in einem späteren Kampf gegen ein Monster, als Kraftschub, aber lass dich nicht von ihr regieren“, warnte er mich. „Letho und auch Eskel haben mir erzählt, was sie damals in Stacheier gesehen haben. So was darfst du nicht wieder zulassen. Das kann sehr tödlich für dich und auch für Letho enden und ich nehme an, sowas möchtest du vermeiden?“ Ich konnte nur beschämt auf den Boden schauen. Nein sowas wollte ich definitiv nicht. „Du musst dich jederzeit deiner Umgebung bewusst sein. Es gibt da draußen viele Kreaturen, die auf jemanden lauern und sich anpirschen“, fuhr er fort. Ich nickte, „Ich passe immer auf“, versprach ich. Doch Vesemir zog nur skeptisch eine Augenbraue hoch und deutete mit einer Kopfbewegung an, ich solle hinter mich schauen. Schreiend sprang ich zurück und stolperte über meine Füße, so das ich auf meinem Hosenboden landete und nun rückwärts wegrutschte und dabei nach meinem Schwert suchte, dass ich natürlich nicht dabei hatte. Eine fast menschengroße Spinne hatte sich hinter mich geschlichen und ich hatte direkt auf ihre riesigen klauenartigen Giftzähne gestarrt. Erst nach und nach wurde mir bewusst, das Vesemir immer noch an Ort und Stelle stand und auch die Spinne sich nicht weiter bewegte. Nachdem sich mein Herzschlag allmählich wieder beruhigte, konnte ich erkennen, dass die Spinne schon lange tot sein musste und aus dem hinteren Bereich des Raums zu stammen schien. Sie stand auf einer Vorrichtung, die es ermöglichte sie durch den Raum zu bewegen. Dann sah ich auch, wer hinter der Spinne stand. Letho. Schnaubend stand ich auf und wischte mir den Dreck von der Hose. Ich wollte schon schreiend auf ihn zu stapfen, was ihm denn einfalle, doch ich erinnerte mich an die Worte von Vesemir. Ich ballte meine Hände zur Faust und atmete tief durch, um meinen Ärger loszuwerden. „Es scheint ja doch nicht alles vergeblich bei dir zu sein“, klopfte Vesemir auf die Schulter. Ich presste die Kiefer zusammen, um nichts zu erwidern. Letho schaute mich entschuldigend an, so das ich ihm fast auf der Stelle vergeben hätte. „Ich denke du verstehst jetzt, dass du auch in einer sicheren Umgebung mit allem rechnen musst“, fügte der alte Hexer noch hinzu. Ich seufzte, sollte ich jetzt wie ein paranoider Verrückter mich alle paar Minuten umsehen, damit sich nichts anschleichen konnte? „Keine Sorge, wir werden daran arbeiten“, versprach Letho, während er um die Spinne herum trat und auf mich zu kam. „Hab alles bereitgelegt“, wandte sich Letho dann an alten Hexer. Fragend schaute ich von dem einem zu dem anderen. Vesemir nickte, „In Ordnung. Es wäre gut, wenn du in der zwischen Zeit hier unten weitermachst.“ Dann wandte er sich an mich, „Du kommst jetzt mit mir nach oben in die Schmiede. Je nachdem wie lange wir dort brauchen, kommen wir nach dem Mittag wieder runter, oder auch vorher.“ Mehr Erklärung bekam ich nicht. Fragend schaute ich zu Letho, der war jedoch schon dabei, die Bücher einzusammeln, die noch auf dem Tisch lagen. Er wollte sich gerade den Präparaten im Raum zu wenden, als er sah, dass ich immer noch dort stand. „Was ist los? Du solltest Vesemir nicht warten lassen“, warnte er mich. Perplex schaute ich ihn an, „Krümel, los jetzt. Glaub mir, er ist nicht so ein nachsichtiger Ausbilder wie ich“, fügte er noch an. „Äh, ja. Tschuldigung“, stammelte ich und machte mich auf den Weg nach oben. Letho hatte unwissend meine Frage beantwortet, die ich noch gar nicht gestellt hatte. Er hatte ja mal angedeutet, dass er selbst junge Adepten geschult hatte, im Gegensatz zu den anderen Hexern. Bei Gaetan wusste ich es nicht sicher, aber er schien in etwa das alter von Lambert zu haben. Daher hatte er vermutlich ebenfalls nicht als Ausbilder fungiert. Dass die Wölfe Ciri ausgebildet hatten, zählte ich jetzt nicht wirklich dazu. Ich nahm an, dass Vesemir ihn daher gebeten hatte, ihn zu unterstützen. Vesemir war bereits in der Schmiede, schnell joggte ich hinüber, um ihn nicht noch länger warten zu lassen. Doch er schien meine Ankunft nicht anzuerkennen. Er kramte weiterhin in einer Kiste und suchte etwas hervor. Angespannt wartete ich am Eingang und sah ihm zu. „Hast du etwas zu sagen?“, wollte er nach einigen Momenten wissen. „Tut mir leid Vesemir, ich wollte nicht trödeln“, entschuldigte ich mich bei ihm. Er richtete sich auf und drehte sich zu mir um, „Sei froh, dass Regis noch körperliche Belastung untersagt hat. Nun komm her, du sollst lernen, wie du zukünftig deine Rüstung selbst in Ordnung hältst“, wies er mich an und ich ging zu ihm an die kleine Werkbank. Meine Rüstung lag ausgebreitet darauf und Vesemir hatte einige Werkzeuge daneben gelegt. „Alanya, ich mache das hier nicht zu meinem persönlichen Vergnügen, sondern damit du da draußen so sicher bist, wie es möglich ist. Wenn du darauf keine Lust hast, können wir es auch direkt sein lassen“, fuhr Vesemir mit seiner Rüge fort. „Nein, ich möchte ja lernen, ...“, erwiderte ich schnell. „Gut, dann zeig etwas mehr Elan, ich habe euch alle gestern Abend gewarnt, nicht zu lange zu machen.“ Seufzend nickte ich, es stimmte. Er hatte uns gesagt, wir sollten rechtzeitig ins Bett gehen, damit wir am nächsten Morgen fit sind. Aber durch den schönen Nachmittag mit Letho, hatte ich völlig vergessen, das der alte Hexer mich frühs unterrichten wollte. Vesemir zeigte mir alle möglichen Werkzeuge, die man brauchen könnte, um Rüstungen selbst zu flicken, und auch, wie man sie sich unterwegs vielleicht provisorisch herstellen konnte. Er erklärte mir, wie ich das Leder am besten nähen sollte, damit es hält und gleichzeitig flexibel genug bleibt, ohne das die Nähte rissen. Außerdem brachte er mir den richtigen Umgang mit Sarwürkerzangen. Mit ihnen bog man die Kettenhemdringe auf und zu. Unter seiner Anleitung reparierte ich meine Rüstung, wobei er mir immer wieder Ratschläge gab, wie ich es besser machen konnte. Es war nicht so leicht, wie es sich anhörte, und saß ich auch noch weit nach dem Mittag daran, die aufgesprengten Ringe zu ersetzen. Meine Finger und Hände taten schon lange weh, als Vesemir endlich ein Einsehen hatte. „Gut, mach die letzten Ringe noch fertig, dann hören wir für heute auf. Morgen machen wir unten im Keller weiter. Ich erwarte, dass du dann ausgeruht bist, verstanden?“, verkündete er. „Ja Vesemir“, gähnte ich und konzentrierte mich wieder auf meine Rüstung. Nebenbei versuchte ich, immer wieder drauf zu lauschen, wo sich Vesemir aufhielt. Es war nicht sonderlich einfach, schließlich bewegten sich Hexer fast komplett lautlos und ich war es nicht gewohnt, meine Aufmerksamkeit so zu teilen. Daher wollte ich die Gelegenheit nutzen, es in einer ruhigen und sicheren Umgebung zu üben. Als meine Rüstung endlich fertig war und Vesemir bestätigte, dass ich sie so lassen konnte, musste ich noch alles aufräumen, ehe ich wirklich Feierabend hatte. Es war mittlerweile später Nachmittag, um das Essen würden sich weiterhin Eskel und Lambert kümmern, daher beschloss ich, nach Tetris zu schauen. Wenn wir bald aufbrechen wollten, sollte er so fit wie möglich sein. Seine Wunde war mittlerweile verheilt, nur das fehlende Fell zeigte die Narbe noch. Allerdings entlastete er das Bein immer noch ein wenig. Vielleicht hatte er angst, dass die Wunde bei Belastung doch noch schmerzen würde. So würden wir nicht loskönnen. Ich musste ihm zeigen, dass sein Bein wieder gesund war. Ein Reitplatz und eine Longe wären jetzt natürlich ideal, aber sowas gab es hier nicht, also band ich nur los und führte ihn über den Hof. Erst langsam im Schritt und dann immer energischer bis er trabte. Schließlich verstand Tetris, das sein Bein nicht wieder anfangen würde zu schmerzen. Ich führte ihn dann noch eine Weile im Schritt, bis er sich wieder beruhigt hatte und brachte ihn dann zurück zu den anderen Pferden. Ich füllte noch Heu und Wasser nach, ehe ich zurück ins Gebäude ging. Letho erwartete mich mit verschränkten Armen und gerunzelter Stirn. Fragend sah ich ihn an. „Hat Regis nicht klar genug gesagt, keine Anstrengungen für dich?“, wollte er wissen. Skeptisch blickte ich ihn an, „Was meinst du? Ich hab doch nichts gemacht?“, entgegnete ich. „Und das mit Tetris eben? Das Herumgerenne auf dem Hof?!“, widersprach er mit tödlich ruhiger Stimme. „Das war doch nicht anstrengend. Ich musste ihm nur zeigen, dass er sein Bein wieder voll belasten kann“; zuckte ich mit den Schultern. Letho seufzte, „Krümel, keine Anstrengung, bedeutet keine Anstrengung. Das beinhaltet auch unnötiges laufen.“ „Aber die Wunde ist vollkommen verheilt, ich habe keine Schmerzen und sie hat nicht einmal gezwickt!“, protestierte ich. Fragend zog er eine Augenbraue hoch, „Du bist also der Meinung, du brauchst keine Ruhe mehr? Du könntest alles machen?“, fragte er mich provozierend. Ich nickte nur. „Gut, wenn du das sagst. Eskel und Lambert freuen sich bestimmt über Hilfe in der Küche. Ich habe auch noch was zu erledigen. Wir sehen uns dann beim Essen“, verabschiedete er sich und wuschelte mir durchs Haar. Schmollend sah ich ihm nach und machte mich dann auf den Weg in die Küche. Es gab tatsächlich einiges zu tun und so half ich Lambert beim Kartoffeln und Gemüse schälen. Allerdings blieb ich nach dem Essen nicht lange wach. Ich verzog mich relativ schnell nach oben in den Turm und ließ mich ins Bett fallen. Das Kissen kam mir nie weicher vor. Schnell war ich eingeschlafen und ich bekam es noch nicht einmal mit, als Letho ebenfalls ins Bett kam. Am nächsten Morgen wachte ich in seine Arme gekuschelt auf. Er selbst schien auch gerade erst aufzuwachen. „Morgen“ nuschelte ich. „Morgen“, lächelte der Hexer und küsste mich auf die Stirn. „Bereit für deinen Unterricht?“, wollte er dann wissen. Seufzend ließ ich meinen Kopf zurück auf seine Brust sinken. „Hm, kann Vesemir ja schlecht enttäuschen, wenn er sich schon die Zeit dafür nimmt. Was hast du gestern unten im Keller eigentlich noch vorbereitet?“, fragte ich ihn dann. Er grinste nur, „Das wirst du schon noch früh genug erfahren. Aber keine Sorge, heute gibt es keine langweiligen Bücher“, zwinkerte er und schob mich von sich, damit er selbst aufstehen konnte. „Mein Tag wird viel langweiliger, ich werde Trockenfleisch für die Reise machen“, versuchte er, mich aufzumuntern. Gezwungenermaßen machte ich mich dann auch daran, aufzustehen. Doch bevor ich wirklich das warme Bett verließ, beobachtete ich Letho, wie er sich anzog. „Irgendwas, was dir gefällt?“, fragte er grinsend. Ich nickte, „Hm, sonst würde ich wohl nicht schauen. Aber noch lieber schaue ich zu, wenn du dich ausziehst“, zwinkerte ich. Aber Letho verdrehte nur die Augen. „Was, ich schaue dich nun mal gerne an!“, schmollte ich gespielt. Als ich allerdings beobachtete, wie er sich sein Hemd zu knotete, grinste ich. Mir kam gerade eine Idee. Schließlich hat er sich eine kleine Strafe für die Aktion mit der Spinne verdient. Ich musste nur schauen, ob ich alles hier hatte. „Krümel, was heckst du schon wieder aus?“, wollte er direkt wissen. Ich zuckte mit den Schultern, „Ich? Nichts. Du weißt, ich bin ganz lieb!“, blinzelte ich ihn betont unschuldig an. Er kam zu mir rüber, „Ach ist das so? Warum bist du dann noch im Bett, statt unten auf Vesemir zu warten? Na los, lass ich ihn nicht warten“, spornte er mich zur Eile an. Gab mir allerdings noch einen Kuss, bevor er sich auf den Weg nach unten machte. Unwillig tat ich es ihm gleich und zog mich ebenfalls an. Allerdings stieg ich die Treppe mit nur recht wenig Elan runter. Es war wirklich lieb von Vesemir, mich lehren zu wollen, aber Theorie war immer so schnöde und langweilig. Auf den Weg in den Keller schnappte ich mir noch einen Apfel und trank ein wenig. Ehe ich mich dann Vesemir stellte. Doch er schien noch nicht da zu sein, zumindest konnte ich ihn auf den ersten Blick nicht entdecken. Daher nutzte ich die Gelegenheit und sah mich ein wenig um. Letho hatte einige Präparate hervorgeholt und scheinbar etwas entstaubt, so das man erkennen konnte, um was es sich handelte. Außerdem lagen an der Seite Gipsabdrücke, ordentlich auf einander gestapelt. Auf einem kleinen Beistelltisch entdeckte ich einige Kristalle. Als ich hörte, wie sich jemand näherte, drehte ich mich um. „Ah, sehr schön, du bist schon da. Dann können wir ja direkt anfangen“, freute sich der alte Hexer und deutete auf den Platz, an dem ich schon am Vortag gesessen hatte. Letho hatte recht, es gab dieses Mal keine langweiligen Bücher, aber das machte es nur bedingt besser. Anhand der Präparate erklärte er mir die grobe Anatomie, gewisser Monster und wie ich mir diese zunutze machen konnte. Wo ich am besten mit dem Schwert oder einer Armbrust treffen sollte, um möglichst effektiv zu sein. Die Gipsabdrücke stellten sich als Trittsiegel verschiedener Monster heraus. Es waren gefühlt hunderte, die sich teilweise nur sehr gering unterschieden. Es fiel mir daher nicht wirklich leicht, sie richtig zuzuordnen, was Vesemir ein wenig resignieren ließ. Aber ich hatte nun mal nicht die Sicht eines Hexers, um die ganz feinen Unterschiede zu registrieren. Er lebte wahrscheinlich einfach nur schon so lange mit seinen verbesserten Sinnen, so dass er gar nicht mehr wusste, wie es ohne war. Daher schien er irgendwann aufzugeben. „Gut, wir hören hier jetzt auf. Nach dem Mittag sehen wir uns wieder in der Schmiede“, bestimmte der alte Hexer. Ich wollte erst protestieren, dass meine Rüstung doch fertig war, aber der Blick von ihm ließ es mich lieber bleiben lassen. „Soll ich dir noch beim Aufräumen hier helfen?“, fragte ich stattdessen, doch er schüttelte den Kopf. Daher verließ ich den Keller und ging zu den anderen nach oben. Nun, oben war ich, aber von den anderen war nichts zu sehen. Sie waren scheinbar schon fertig und gingen ihren Aufgaben weiter nach. Das Essen für mich und Vesemir stand noch auf dem Tisch, schien aber schon lange kalt zu sein. Zwischendurch vermisste ich meine Heimatwelt wirklich, dort könnte ich jetzt zum Beispiel das Essen ohne Probleme wieder aufwärmen. Oder auch das fließende Wasser. Ich vermisste meine Dusche wirklich. Aber das der Mensch ein Gewohnheitstier ist, wurde mir hier in dieser Welt immer wieder bewiesen. Schließlich hatte ich mich mehr oder weniger schnell an die neuen Gegebenheiten gewöhnt. Das lange reisen, die Rüstung, die ständige Gefahr, sogar an das frühe Aufstehen und dies sogar ohne einen Wecker. Vielleicht würde ich mich dann auch irgendwann an kaltes Essen gewöhnen, wobei ich hoffte, dass dies nicht nötig werden würde. Vesemir gesellte sich nach einige Zeit dazu und gemeinsam aßen wir schweigsam unser Mahl. Während er schon einmal vorging, sammelte ich schnell das Geschirr zusammen und brachte es in die Küche, für den Abwasch war allerdings keine Zeit mehr. Danach eilte ich dem alten Hexer nach. „Gut, gut. Da wir uns gestern um deine Rüstung gekümmert haben, sind heute deine Schwerter dran“ eröffnete Vesemir. Ich sah an ihm vorbei, auf die Werkbank. Meine Augen wurden riesig, als ich sah, in welchem schlechten Zustand meine Silberklinge war. Sie war über und über mit Kratzern bedeckt und wies sogar einige Scharten auf. „Keine Sorge, das kriegen wir zusammen wieder hin. Aber sowas passiert schnell mit Waffen, wenn man sie in einer Schlacht verliert“, beruhigte Vesemir mich. „Während ich mich um dein Schwert kümmere, wirst du den Umgang mit dem Schleifstein an einer alten Klinge üben“, erklärte er und deutete auf den Stein in der Ecke. Dort lehnte auch bereits eines der alten Übungsschwerter. Der alte Hexer zeigte mir gewissenhaft, in welchem Winkel ich die Klinge zum Stein halten musste, in welcher Geschwindigkeit sich der Stein drehen musste und wie schnell ich die Klinge über den Stein gleiten lassen durfte, damit nicht zu viel Material beigetragen werden würde. Immer wieder korrigierte er meine Haltung und zum Teil war ich dankbar darüber, obwohl es mich eigentlich nervös machte, wenn mir jemand über die Schulter beim Arbeiten zusah. Irgendwann war er halbwegs zufrieden mit meiner Arbeit. „Lass dir die nächsten Male von Letho noch dabei helfen, aber wenn du daran denkst, was ich dir erklärt habe, wirst du es bald gut alleine hinbekommen“, beendete er den Unterricht. Oder das dachte ich zumindest zunächst. „Such deine Sachen zusammen, wir treffen uns mit Letho gleich unten am Tor“, wies er mich an. „Am Tor? Wollen wir irgendwohin?“, wollte ich überrascht wissen. Der alte Hexer nickte, „Ja, du sagtest doch gestern zu Letho, du bräuchtest keine Ruhe mehr“, entgegnete er. Ich blickte ihm verdutzt hinterher. Ich hoffte, dies bedeutete nicht, was ich befürchtete und zog meine Rüstung an und legte die Schwerter um. Diesmal dauerte es etwas länger, weil ich erst alle Riemen wieder auf die passende Länge einstellen musste. Als ich jedoch sah, dass die beiden Hexer bereits auf mich warteten, beeilte ich mich. Nachdem wir unser Ziel erreicht hatten, stellte ich schnell fest, das es doch bedeutete, was ich befürchtet hatte. Praktisches Training, unter den Augen zweier Hexer. Und dass auch noch an dem kleinen Pendel, das ich zu hassen gelernt hatte. Meine Gefühle für dieses Ding wurden an dem Nachmittag auch nicht besser. Während Letho die ganze Zeit auf meine Beinarbeit achtete, korrigierte Vesemir meine Schwerthaltung. Wenn man sagen würde, nach dem Drill, anders konnte man es schon nicht mehr nennen, ich wäre völlig erschöpft gewesen, wäre dies eine ziemliche Untertreibung gewesen. „Es war nicht so schlecht, wie ich gedacht habe. Wenn wir weiter mit dir trainieren, könnte deine Leistung bald passabel sein“, beendete Vesemir das Training. Erschöpft lehnte ich an die Mauerreste. Ich war sogar zu Müde, um zu widersprechen. „Wir werden in zwei Tagen zusammen mit Mäussack und Hjalmar aufbrechen“, konnte ich Letho widersprechen hören. „Ihr bleibt nicht? Aber der Winter rückt jetzt immer schneller näher“, fragte Vesemir erstaunt. „Hm, deswegen müssen wir bald aufbrechen, damit wir vor dem Wintereinbruch auch noch an unserem Ziel ankommen“ bestätigte Letho ihm. „Na los Krümel, lass uns zurückgehen“, wandte er sich dann an mich. Müde blinzelte ich ihn an und stieß mich von der Mauer ab und stolperte direkt in die Arme meines Hexers. „Hm, doch lieber noch einen Tag Ruhe gehabt?“, fragte er mich schelmisch. Vesemir war bereits ein Stück vorgegangen und wartete nun auf uns. Letho drehte mir den Rücken zu, „Komm, ich trag dich, sonst brauchst du wieder ewig für den Rückweg“, neckte er mich. „Letho!“, ich boxte ihn gegen den Arm. „Na los“, forderte er mich erneut auf, da Vesemir schon unten am Pfad auf uns wartete. Ich ließ mich also von ihm huckepack nehmen, achtete aber darauf, ob seine Wunde dabei stören würde. Denn wenn, dann würde ich mich weigern, mich tragen zu lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)