Die Entscheidung - Rewrite von Kriska ================================================================================ Kapitel 1: Der Traum -------------------- Er war in einem Raum. In einem in Schatten gehüllten Raum. Das einzige Licht kam von Kerzenhaltern, die sanft im Raum schwebten. In ihrem flackernden Schein konnte man schemenhaft hohe Regale mit Unmengen von Büchern, sowie Kartenständer mit verschiedenen Karten Großbritanniens erkennen, ohne genau zu sehen, was man vor sich hatte. Dunkelgrüne Brokatvorhänge verdeckten die wandhohen Fenster. Durch einen kleinen Spalt in den Vorhängen drang das sanfte Licht des Vollmonds und fiel auf den Konferenztisch in der Mitte des Raumes. Und auf die darauf ausgebreitete Landkarte. Er kannte diesen Raum. Er war wieder hier. Er war wieder eingeschlafen. Und er konnte nicht aufwachen. Nicht heute. Nicht die Male davor. Verzweifelt schloss er seine Augen und holte tief Luft. Er konnte es jetzt nicht mehr ändern. Nur noch hinter sich bringen. Nachdem er langsam ausatmete, öffnete Harry seine grünen Augen und sah sich um. Nicht, um seine Umgebung zu begutachten. Diese hatte er schon so oft gesehen. Jedes Mal wenn ihn der Schlaf übermannte, war er wieder hier. Nein, seine Aufmerksamkeit galt den Männern, die sich um den Tisch scharten. Männer in langen nachtschwarzen Roben. Die sonst üblichen Masken fehlten und ihre Kapuzen verbargen nicht ihre Gesichter. Gesichter, die er kannte. Erkannte. Stumm stand er da und sah ihnen zu, wie sie sich über Pläne beugten, Karten studierten und Dokumente besprachen. Er konnte alles hören. Hören wie sein Name immer wieder fiel. Doch er versuchte, es zu ignorieren. Wie sie vorhatten ihn zu holen. Was sie mit ihm vorhatten. Er durfte ihnen nicht zuhören. Oder ihnen Glauben schenken. Denn ER wusste, dass Harry hier war. Dass er alles hören konnte. Jedes Wort, das hier fiel, war eine Lüge, eine Täuschung. Jeder Gedanke, der aufkam, war nicht echt. Jedes Gefühl, das er spürte, war eine Illusion. Das war alles nur ein Traum. Er würde nicht erneut darauf hereinfallen. Diese Worte ließ sich Harry immer wieder durch den Kopf gehen. Er musste ruhig bleiben. Er konnte nichts an der Situation ändern. Er hatte es bereits versucht – bei Merlin, er hatte es versucht! – doch der Traum musste seinen Lauf nehmen. Vorher gab es kein Entrinnen. Er musste einfach nur warten, bis er wieder aufwachen würde. Es lief alles wie immer. Bis es plötzlich nicht mehr wie immer war. Die Männer wurden aufgeregter. Ihre Stimmen lauter und ihre Gestik wilder. Es war eine Spannung in der Luft. Eine Mischung aus Triumph und Aufregung. Nur die Gestalt am Kopfende des Tisches blieb ganz ruhig über diesen gebeugt und hob langsam ihren Kopf an. Dunkle Schatten verbargen die unbekannten Gesichtszüge. Und doch … Ihre Blicke trafen sich und Harry stockte der Atem. Vor Angst erstarrt konnte er seinen Blick nicht abwenden. Wie konnte das sein. Das war nur ein Traum. Bisher konnte ihn niemand erkennen. Es war nur ein Traum! Als könnte die Gestalt vor ihm seine Gedanken lesen, zog sich ein Mundwinkel spöttisch nach oben, bis ein grausames Lächeln zu erahnen war. Der Schattentanz der schwebenden Kerzen verzerrte das kaum zu erkennende Gesicht in eine dämonische Fratze. „Ich kann dich sehen.“ Und noch bevor Harry die gezischten Worte verarbeiten konnte, noch bevor er wirklich realisieren konnte, dass ER mit ihm sprach – und in die daraus resultierende Panik verfallen konnte – geschah es. Die Augen, die im Schatten lagen, blitzten rot auf. Die Augen seines schlimmsten Albtraums. Und in ihnen sah er all seine Albträume vereint. All das Leid, das ihn erwartete. All der Schmerz, dem er nicht entfliehen konnte. Die rubinroten Augen schienen zu leuchten. In ihnen spiegelte sich das Feuer der Kerzen wider. Das Lächeln wurde eine Spur spöttischer. Eine Spur dämonischer. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen: „Und bald schon werde ich dich holen!“ Panisch zuckte Harry zurück. Sein Herz schlug wie verrückt. Dunkle Punkte erschienen vor seinen Augen. Ein Rauschen erfüllte seine Ohren. Und doch konnte es das hämische Lachen nicht ausblenden. Oder sich von den roten Augen vor ihm erlösen. Und während das Lachen immer lauter in seinen Ohren widerhallte, riss Harry endlich seinen Blick los und starrte schwer atmend auf die ausgebreitete Karte vor ihm. Und schließlich erkannte er, was vor ihm lag. Eine Karte von Surrey … von Little Whinging … Erschrocken stolperte er ein paar Schritte zurück, ohne seine Augen von dem Tisch vor ihm wegreißen zu können, als ein lauter Knall ertönte … •~°~°~°~• … und Harry schmerzhaft vom Fensterbrett in seinem Zimmer fiel. Eine gequälte Grimasse zierte das Gesicht des Schwarzhaarigen, als er rücklings auf dem Boden seines Zimmers lag. Sein so oder so schon wunder Körper wurde von frischen Schmerzen durchzogen als ihm die warmen Morgenstrahlen durch das Fenster ins Gesicht schienen. Geblendet vom hellen Licht der Sonne rappelte sich Harry langsam auf. Mit leicht zugekniffenen Augen drehte er sich herum, nur um seinen fies grinsenden Cousin zu erblicken. Dudley, der anscheinend auserkoren worden war, Harry zu wecken, damit dieser seine Hausarbeiten erledigen konnte, hatte hierzu lautstark die Tür an die Wand knallen lassen. „Na Freak, wieder da wo du hingehörst? Am Boden?“, feixte der Brünette in Harrys Richtung. Doch wie so oft in diesem Sommer kam von Harry keinerlei Reaktion auf die Sticheleien seines Cousins. Er fand es schlichtweg nicht wert, etwas zu erwidern, war viel zu müde dafür. „Hast du nichts zu sagen?“, kam es mit einem abfälligen Schnauben. „Schwächling.“ Mit diesen Worten drehte sich Dudley um, stampfte aus dem Zimmer und schmiss die Tür krachend hinter sich zu. Stumm folgte Harrys Blick seinem Cousin, bis dieser den Raum verließ. Seufzend strich er sich mit der Hand über das Gesicht und ging zum Schrank, um nach frischer Kleidung zu wühlen. Langsam zog er sich aus und inspizierte seinen leicht lädierten Körper. In allen Farben schillernde Prellungen und Schürfwunden zierten seine blasse Haut. Der Sturz vom Fensterbrett ließ eine weitere Blessur erahnen. Seufzend zog er sich an und ging noch kurz ins Bad, um sich frisch zu machen. Er konnte zwar nichts gegen seine dunklen Augenringe tun, doch ein- oder zwei Bürstenstriche würden ausreichen, um seine penible Tante ruhig zu stellen. Auch wenn er noch so erschöpft war, beeilte er sich. Er wollte Vernon nicht begegnen. Heute konnte er seinen Onkel und seine „erzieherischen Maßnahmen“ nicht ertragen. Kaum war er im Bad fertig, hörte er schon die schrille Stimme seiner Tante. „HARRY! Was trödelst du so lange! Komm runter, die Arbeit tut sich nicht von allein!“ Resigniert seufzte Harry und ging, so schnell es sein wunder Körper ermöglichte, nach unten zu seiner Tante. Bevor sein Onkel einen Grund sah, ihm nachzuhelfen. Kaum war er bei seiner Tante, drückte sie ihm das Werkzeug für den Garten in die Hand und scheuchte ihn hinaus. „Los beeil dich. Ich will, dass bis Mittag der Garten picobello aussieht! Danach kannst du den Zaun streichen. Also beeil dich!“ Das waren ihre letzten Worte, bevor sie die Tür hinter ihm zuschlug. ‚Solche liebevollen Worte am Morgen ließen die Arbeit doch gleich viel leichter von der Hand gehen‘, dachte Harry makaber, bevor er sich an die Gartenarbeit machte. Er fragte sich, ob die Dursleys überhaupt genug Aufgaben für ihn hatten, um ihn die ganzen Ferien zu beschäftigen. In dem Tempo, welches er an den Tag legte, müssten die Arbeiten doch langsam zur Neige gehen. Harry hoffte wirklich, dass es nicht soweit kommen würde. So ungern er auch nur einen Finger für die Dursleys rührte, die Arbeit hielt ihn auf Trab. Sie hielt ihn wach. Die Zeit verging quälend langsam und die Mittagssonne schien unbarmherzig auf ihn herab. Doch etwas war seltsam. Er hatte ein ungutes Gefühl. Ein unerklärliches Kribbeln im Nacken, das ihm eine Gänsehaut bescherte und seine Haare aufstellte. Langsam hob er den Kopf an und blickte sich um. Da war doch was. Oder bildete er sich das nur ein?! Wild schüttelte er den Kopf. Der Schlafmangel schien in Paranoia auszuarten. Es fehlte nur noch ein Holzbein sowie ein magisches Auge und er könnte sich Moody nennen! So weit würde es nicht kommen. Er ignorierte konsequent das nagende Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Er ignorierte wieder die Warnglocken, die in seinem Inneren wie wild läuteten. Stur schnitt er die Hecke weiter. Denn wenn er arbeitete, war er zu abgekämpft für alles andere. War zu erschöpft, sich irgendwelche Gedanken zu machen. Gedanken, die zu dummen Entscheidungen führten. Das hatte er hinter sich. Doch trotz aller guten Vorsätze bekam Harry die Warnzeichen nicht aus seinem Kopf. Vielleicht war es ja das, auf das er gewartet hatte? Vielleicht war endlich das Katz-und-Maus-Spiel vorbei? Und er wusste nicht einmal, welches Ende er herbeisehnte. Er wollte einfach nur, dass es vorbei war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)