My bloody Soulmate von Thane ================================================================================ Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie auf dem Feld stand. Dem Feld, das vor einigen Monaten noch mit Blut befleckt war und nun schon wieder die ersten Gräser zeigte. Es war unzerstörbar. Die Natur kehrte dorthin zurück, wo sie hingehörte. So zog es auch die Jägerin langsam nach Hause zurück. Doch war es nun eine andere Heimat. Sie befand sich in den Armen einer Person, welche sie als solche niemals wahrgenommen hätte. Er, ihr Pfeiler? Er, ihre Stütze? Er, ihr Geliebter? Sie hatte sich mehrmals selber ausgelacht, seinem Charme zum Opfer gefallen zu sein. Aber anstatt ihr wie erwartet in den Rücken zu stechen, stand er nur hinter ihr und streichelte ihr über die Wunden, die sie während ihrer Kämpfe erhalten hatte. Narben, die nie wieder verschwinden würden, aber auf welche sie mehr als stolz war. Ihr Lächeln wurde breiter. Endlich war sie angekommen. Zufrieden speicherte ich das Dokument ab und schloss meinen Laptop. Gerade rechtzeitig, denn Caleb erwartete mich bereits, um mit den Vorbereitungen zu beginnen. Wir hatten nun ein Datum für unsere Hochzeit. Diesmal waren wir dabei schneller als Sei und Kira, was aber nicht zuletzt an einer simplen Tatsache lag: Vor wenigen Wochen hatte ich herausgefunden, dass ich anscheinend ein Kind erwartete. Als uns diese Nachricht verkündet wurde – nachdem ich auf Grund von Übelkeit zu einem Arzt bin und mich hatte untersuchen lassen – war uns zunächst der Atem weggeblieben. Wir wussten nicht, bei welchem der Male es passiert war, aber nun, daran konnte man jetzt auch nichts mehr ändern. Und ärgerlich war es auch nicht wirklich. Wir nahmen es als Startpunkt für unsere Planungen, da weder ich noch Caleb wollten, dass ich zu ‚dick‘ für das Kleid werden würde. Lächerlicher Gedanke, aber so war es nun mal! Da ich aber noch in einer kritischen Phase war, entschieden wir uns dafür, es noch geheim zu halten, bis sicher war, dass mein Körper das kleine Wesen nicht abstoßen würde. Wenn ich ehrlich sein sollte, wusste ich nicht einmal, wie das passieren sollte: Caleb kümmerte sich auf Grund seiner eigenen Aufregung und, zugegebener Maßen, großen Angst um das meiste, nahm mir einige Arbeiten ab, obwohl ich noch nicht in dem Stadium war, wo mir derartiges verboten wurde. Doch anstatt mich zu beschweren rollte ich leidglich mit meinen Augen und legte am Ende des Tages zufrieden die Arme um den Oberkörper meines zukünftigen Mannes, erzählte ihm, wie stolz ich doch auf ihn war, dass er sich so entwickelt hatte und mir ja so viel schwere Arbeit abnahm. Ich wusste bereits genau, dass er es mochte, derartiges zu hören. Er war doch immerhin noch ein recht simpler Mann. Er mochte Komplimente in diese Richtung und fühlte sich dadurch bestärkt in seinem Tun. Und dass diese Komplimente noch von mir kamen, freute ihn umso mehr, immerhin war ich keine einfache Persönlichkeit. Ich hatte große Probleme damit gehabt, meine Gefühle offen auf den Tisch zu legen oder mich darüber zu äußern. Je mehr ich jedoch Zeit mit Caleb verbrachte, desto einfacher fiel es mir. Die ersten Tage, als ich noch schwer ansprechbar war, hatte er viel mit mir geredet. Über uns. Seine Gefühle. Und wie er mich wertschätzte. Dass er sich sicher war, dass meine Stärke zurückkehren würde. Zwar musste ich zugeben, dass ich noch immer etwas gebrochen war, und eine gewisse Angst davor hatte, allein zu sein, aber alles in allem hatten mir diese Monologe von ihm sehr geholfen, mich wieder aufzubauen und mir auch den Mut zu geben, diese wichtigen drei Worte zu sagen. ‚Ich liebe dich‘. Niemals würde ich die Macht dieser Worte missbrauchen, immerhin erinnerte ich mich jederzeit bestens daran, wie überrascht mich Caleb damals angesehen hatte. Meine ersten Worte nach einer Menge schweigen und es war direkt das Geständnis, dass ich über all die Zeit nicht hatte mustern können. Dass ich jedoch jetzt so mit Caleb redete, hieß noch lange nicht, dass wir uns nicht mehr gegenseitig neckten. Gelegentlich warfen wir uns Worte aus Spaß an den Kopf, meistens begann ich damit, wofür ich von ihm einen gespielt genervten Blick abbekam, meistens begleitet von einem leichten Grinsen. Dann gab er entweder etwas zurück, oder hob mich einfach auf das nächstbeste Möbelstück, sodass wir auf einer Augenhöhe waren. Wenn ich dann weiter machte, oder ihm nach einer kurzen ‚Standpauke‘ die Zunge rausstreckte, küsste er mich einfach. Hätte man mir vor 5 Jahren gesagt, dass ich so enden würde, hätte ich demjenigen vermutlich vor das Schienbein getreten. Aber nun, nun konnte ich mich kaum glücklicher schätzen. Ich hatte einen Mann, der mich beschützte, alles für mich tun würde und meine leicht bissigen Kommentare so nahm, wie sie waren: Kleine Sticheleien, die nicht ernst gemeint waren. Niemals mehr wollte ich ihn so verletzen so wie das eine Mal kurz vor seiner Zwischenprüfung. Der Ausdruck hing mir noch in Mark und Bein. Es hatte geschmerzt, seelisch, wie verletzt er damals gewesen war. Und jetzt, jedes Mal, wenn er niedergeschlagen zu sein schien, nahm ich sein Gesicht in die Hände und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Nicht, dass es noch oft vorkam. Und wenn, dann war wenigstens nicht ich der Grund. Nicht mehr und nie wieder. Und dafür war er mir auch mehr als dankbar. Nicht nur, dass wir uns so besser verstanden. Tag für Tag spürte ich mehr, wie unser Bund zusammen wuchs. Er wurde stärker, und das merkten wir an Kleinigkeiten: Caleb spürte, wenn ich aufgeregt war. Ich spürte, wenn er sich Sorgen machte oder gestresst war. Es waren triviale Dinge, auf die wir dank dieser Verknüpfung jedoch besser eingehen konnten als jedes Menschenpaar. Und es half dabei, Geheimnisse zu vermeiden. Zumindest solche, die mit Gefühlen zusammen hingen. Wenn es einem von uns schlecht ging, merkte der andere dies und sprach es an. Wir redeten darüber, nahmen einander in den Arm und unterstützten uns. Streitigkeiten gab es nur noch, wenn es um etwas ging wie die Gestaltung unserer Hochzeit. Welche Deko? Welche Musik? Kleidung? Unsere Ringe? Seine Eltern wollten auch ein paar Wörtchen mitzureden haben. Das wichtigste hierbei war aber auch das: Da ich aus einem menschlichen Haushalt stammte, wollten natürlich meine Eltern – und auch ich – eine traditionell menschliche Hochzeit. Bei den Vampiren jedoch gab es eine andere Sitte. Sie hatten weder Brautjungfern noch Trauzeugen oder sonstiges. Ringe gab es, immerhin dies überschnitt sich. Anders war der Brauch, dass Vampire bei deren Hochzeit ihr Blut austauschten. Oder eher gesagt: Sie gaben einen kleinen Teil ihres Blutes in eine Schale, sodass es gemischt wird. Diese Schale müssen sie umfassen, gemeinsam, während ihre Handgelenke locker aneinander gebunden werden. Zunächst hilft dann der Bräutigam seiner Braut, aus der Schale zu trinken. Ein Symbol dafür, dass er über sie wacht, sie beschützt und sich wenn nötig für sie aufopfert. Ein Teil des Blutes muss dabei an den Lippen der Frau bleiben, mit welchen sie ihren Mann dann küsst, bevor dieser den Rest aus der Schale trinkt. Bestenfalls sollte das meiste noch darin sein: Die Frau nimmt nur einen kleinen Schluck und lässt dabei die Stärke für ihren Mann, das Vertrauen, dass sie sich alles teilen, schenkt sie ihm mit ihrem blutigen Kuss. Das alles musste ich mir merken. Mir einprägen. Denn ein Fehler bei der Zeremonie verhieß im Lande der Vampire nichts Gutes. Sollte angeblich Unglück bringen. Und auch wenn ich nicht abergläubisch war: Wenn die Vampire etwas fürchteten, dann musste ja wohl etwas dahinter stecken. Vor allem, wenn man bedenkt, dass dieses Ritual bei nicht gebundenen Vampiren einen Bund simulieren soll. Auch eine interessante Tatsache, die mich nicht wirklich störte: Vampire trugen auf ihren Hochzeiten kein Weiß. Sie selber verstehen darunter dasselbe wie Menschen: Reinheit. Und sie wissen, dass sie keine reinen Wesen sind. Die Farben der Kleider werden meist in den Hauptfarben der Familien gehalten, so wird meines schwarz-rot ausfallen. Xenia und Cécilia haben sich schon bereit erklärt, mit mir in einer der Hauptstädte einkaufen zu gehen und um nicht vollständig den Verstand zu verlieren, habe ich dazu noch Kira eingeladen, um mir Beistand zu leisten. Außerdem war sie meine Brautjungfer, also war es sogesehen auch ihr Anliegen. Anzüge waren an sich wie bei den Menschen, wobei sie zum Teil eleganter ausfielen. Fast Barock-Mäßig könnte man sagen. So hatte ich es zumindest gehört. Gesehen jedoch leider nicht, und es würde mich wirklich brennend interessieren, da ich genau wusste, wie gut Caleb in einem Anzug aussah. „Was sagst du zu denen?“, fragte mich mein Mann und deutete auf zwei schwarze Ringe. Alles war ziemlich kontrastreich zu meinen eigentlichen Farben, immerhin war ich Blautöne gewohnt. Hellere Farben. Bei den Lecrunes war alles eher dunkel, schwarz oder rot, aber unglaublich elegant, dass man wirklich glauben konnte, man befände sich in einem vollkommen anderen Zeitalter bei ihnen. „Die sind hübsch“, meinte ich ehrlich, als ich den kleineren der beiden genauer musterte. Ich hatte Caleb darum gebeten, etwas nicht allzu pompöses rauszusuchen. Obwohl sie zur Adelsklasse gehörten und dementsprechend fast mit einer schwarzen Kreditkarte wedeln könnten (ganz davon zu schweigen, dass ich auch nicht gerade arm war), wollte ich es eher schlicht halten. Der Preis für die Ringe war ebenso annehmbar. Natürlich ein Paar, ein glänzendes schlichtes schwarz. „Natürlich fehlt noch die Gravur“, erklärte der Schwarzhaarige und steckte mir den Ring zur Probe an den Finger. „Er steht dir“ Seine ganze Mimik wandelte sich, als sich unsere Blicke trafen. Eben noch war er ein Business-Mann, verhandelte mit den Angestellten und dem Besitzer des Ladens, doch nun sah ich all die Liebe in seinen Augen widerspiegeln, die er für mich empfand. Ich wusste nicht mehr, wie ich jemals an dem zweifeln konnte, was wir füreinander empfanden. Sicher, der Bund hat uns zueinander geführt, aber was auch immer wir fühlten gehörte allein uns. Das war nichts Falsches oder Erzwungenes. Das war unseres. Mit einem Lächeln erwiderte ich den Blick, bevor ich auf den Ring an meinem blassen Finger sah. Bei Caleb würde es einen ähnlichen Kontrast geben. „Die rote Rosengravur fehlt noch. Und die Feder“ „Die Symbole der Lecrunes“ Caleb lachte leise und nahm mir vorsichtig den Ring wieder ab. Es war wohl so, als hätten wir uns entschieden, ohne es wirklich in Worte zu fassen. Und auch obwohl es dunkel war – und das Rot nicht viel dazu beitragen würde, es aufzuhellen – fand ich die Ringe wunderschön. Und sie würden uns in alle Ewigkeit verbinden. Caleb redete noch etwas mit dem Verkäufer, während ich mich umsah. Das war der vierte Laden gewesen, den wir besucht hatten. Die vorherigen waren entweder zu teuer gewesen oder hatten einfach nichts gehabt, was uns gefallen hatte. Diesmal aber waren wir uns einig, und um Caleb noch einmal die Rückversicherung zu geben, dass ich mit den Schmuckstücken einverstanden war, nahm ich seine Hand und drückte sie etwas. Er sah mich kurz an, lächelte leicht, bevor er sich wieder an den Verkäufer wandte und erklärte, was für eine Gravur er haben wollte. Oder fast brauchte. Auch ein Brauch unter Vampiren, besonders der der höheren Familien. Xenia hatte mir bereits einmal ihren Ring gezeigt. Während es unter Menschen nicht unüblich war, neue Ringe zu kaufen, behielten Vampire ihren für immer. Das war dank der besonderen Ringschmiede in ihrer Gesellschaft durchaus möglich, denn diese kannten einen Trick, dass der Schmuck keiner Verwitterung ausgesetzt wurde. Und wenn ich ehrlich sein sollte: Ich freute mich auf dieses kleine Ding, dass bald für immer an meinem Finger bleiben würde. Als wird in diesem Geschäft fertig waren, schlenderten wir noch etwas durch die Stadt. Der Tag gehörte uns. Den danach würde ich mit Calebs Mutter, der Dienerin der Familie und Kira verbringen. Und vermutlich ebenso die darauffolgenden Tage. So nutzten wir also die Zeit, die wir noch übrig hatten. „Geht es dir eigentlich gut?“, fragte Caleb besorgt nach, als wir einige Zeit lang gelaufen waren. Verwirrt sah ich ihn an, erinnerte mich daran, dass ich ja momentan meinen Körper mit jemandem teilte und lachte dann leise, bevor ich nickte. „Sicher. Gehen wir noch ein Stück und setzen uns dann. Vielleicht in ein Café?“ Auch wenn Caleb nichts mehr schmecken konnte, so ließ er mir noch die letzten Freuden, die ich mich menschlichem Essen hatte. So stimmte er auch diesmal zu und wir steuerten das nächste Café an, das wir finden konnten. Als wir saßen und bestellt hatten, atmete ich einmal tief durch und lehnte mich zurück. Wir waren schon eine ganze Weile unterwegs, aber morgen würde es sicherlich schlimmer werden. „Denk daran, Pausen einzulegen, okay? Überanstreng dich nicht“ Der Schwarzhaarige war deutlich weitaus besorgter, als er sein musste. Ich verdrehte nur die Augen, beugte mich leicht nach vorn und umfasste seine Hand mit der meinen. „Ich bin nicht hochschwanger, Caleb. Noch halte ich das aus. Später hätte das sicher anders ausgesehen, aber da würden mich die zwei bestimmt auch nicht triezen. Und Kira wird schon aufpassen“ Ich hatte entschlossen, sie einzuweihen. Nicht zuletzt, weil sich Caleb dadurch auch sicherer fühlen würde, mich mit den Frauen allein loszuschicken. Denn nachdem sich Xenia mit den menschlichen Traditionen befasst hatte, war sie besessen davon, eine uralte durchzuführen: Der Bräutigam durfte die Braut nicht vor der Hochzeit in deren Kleid sehen. Ein Brauch, der nicht mehr überall üblich war, aber wenn es meine Schwiegermutter so wollte, dann hörten wir natürlich auch darauf. Seufzend streichelte mein Vampir meinen Handrücken mit seinem Daumen. Er schien etwas beruhigter, nachdem ich Kira erwähnt hatte, aber sichtlich noch nicht ganz überzeugt. Er hatte Angst, dass ich das Kind in den kritischen Monaten noch verlieren könnte. Aber ich hatte deutlich nicht mehr so viel Stress wie früher und mir ging es auch mental viel besser. „Also sucht ihr morgen nach einem Kleid …“, murmelte er recht unzufrieden und starrte auf unsere Hände. „Eventuell auch den Tag danach, je nachdem, wie es morgen läuft“, klärte ich ihn auf und hörte ihn schnauben. „Jetzt stell dich nicht so an. Nichts wird passieren“ „Wie oft haben wir das schon gedacht, Wynne?“ Mit diesen Worten sah er mich an und ich spürte, dass es ihn ordentlich bedrückte. Mit einem versicherndem Lächeln versuchte ich, eines klar zu stellen: „Wir kämpfen nicht gegen den Widerstand, Caleb. Es sind nur Kleider. Und die bringen mich schon nicht um“ „Die nicht. Aber meine Mutter und Cécilia vielleicht noch. Urgh ... mir lässt das einfach keine Ruhe!“ Ich lachte leise auf und legte den Kopf schief. Er war schon süß. Doch ich entschied mich dazu, das Thema umzulenken. „Weißt du, ich habe schon eine Frisur im Kopf. Die wird Kira sicher auch gefallen“, fing ich mit Erzählen an und Caleb sah mich interessiert an. Er hatte einen ganz eigenartigen Faible für meine Haare, den ich mir nicht erklären konnte. Er liebte es, meine Frisuren zu öffnen, wenn ich sie mal wieder hochgesteckt trug und mit den Fingern durch zu streichen. Auch, wenn er gerade liebevoll war, nahm er manchmal eine Strähne zwischen Zeigefinger und Daumen und küsste diese, anstatt meiner Knöchel. Und im Bett ist er ebenso sanft. Man hörte von Leuten, die darauf standen, an Haaren zu ziehen. Caleb nicht. So wild und leidenschaftlich er auch war, an meinen Haaren zog er nie. „Ich hatte überlegt, sie mir stecken zu lassen. In kleinen Locken, befestigt mit einer kleinen-„ „Du lässt dir die Haare nicht hochstecken, Wynne“, unterbrach mich mein Verlobter in einem strengeren Ton, als ich es erwartet hatte. Da wollte wohl jemand diskutieren. „Warum nicht?“, fragte ich sofort und zog meine Hand langsam zurück, um meine Arme vor der Brust zu verschränken. „Die meisten Bräute lassen das so machen. Da gibt es so auch die schönsten Frisuren! Und die Varietät erst!“ „Wynne, du hast deine Haare mehr als genug in Hochsteckfrisuren. Du wirst sie offen tragen, wie es eigentlich sein sollte“ „Willst du mit mir jetzt wirklich über meine Frisur diskutieren, Caleb?“ „Ja, will ich. Du weißt genau, dass ich es liebe, deine Haare offen zu sehen. Wenn sie dir über den Rücken fallen. Über deine Schultern. Hör doch auf, dich hinter deiner strengen Frisur zu verstecken. Sei etwas lockerer. Außerdem bist du so viel hübscher“ „Viel hübscher, hm?“, hakte ich nach, als sein Ton langsam wieder ruhiger und versöhnlicher wurde. „Also willst du keine Hochsteckfrisur sehen“ „Nein. Manchmal hab ich das Gefühl, ich würde eine meiner Lehrerinnen heiraten. Brille, Hochsteckfrisur. Fehlt nur noch eine Uniform. Zum Glück haben wir die abgelegt“ Er seufzte auf und fuhr sich mit einer Hand durch das Gesicht. „Okay, Babe, hör zu. Ich will mit dir über sowas nicht streiten. Ich meine nur … es würde dir richtig gut stehen. Manchmal frage ich mich, ob du dich überhaupt im Spiegel anschaust, wenn du deine Haare offen trägst. Dann würdest du sehen, wie schön und elegant du damit aussiehst. Und trotzdem noch genau so ernst. Das wird dir keiner nehmen“ Ich konnte es mir nicht verkneifen, zu lächeln. Das war wirklich süß. Beinahe zu süß. „Na gut. Wenn du offene Haare willst, werde ich Kira Bescheid geben, dass sie sich austoben kann. Dafür lässt du dir aber einen Zopf machen. Er darf auch locker sein“, schnurrte ich mein Friedensangebot. Caleb lachte auf, wurde leicht rot um die Nase, aber immerhin war er wieder gut drauf. „Na gut, einverstanden!“ Oh, darauf freute ich mich. Denn zugegebener Maßen: Caleb sah mit einem lockeren Zopf wirklich verdammt scharf aus. Ob ich es nun begrüßte oder nicht, der nächste Tag kam und ich konnte es nicht verhindern. Caleb verabschiedete mich am Morgen an der Tür, als mich Xenia und Cécilia abholten. Kira hatte ich am Abend noch einmal kontaktiert und mit ihr ausgemacht, dass wir uns gemeinsam am ersten Laden treffen würden. Es erleichterte mich etwas, sie bei mir zu wissen, vor allem auch, da ich sie in das kleine Geheimnis mit eingeweiht hatte. Sie würde die Tage darauf achten, dass mich Caleb’s Mutter und deren Dienerin nicht überforderten, ohne preiszugeben, weswegen. Und diese Entscheidung bereute ich nicht. Xenia schliff mich in den ersten Laden, vor welchem wir meine noch immer beste Freundin antrafen. Ich umarmte sie kurz zur Begrüßung und lächelte sie etwas schwach an. Die Nacht hatte ich nicht besonders gut geschlafen, vor allem auch weil ich Angst hatte, mich zu verplappern. Irgendwann natürlich, wenn es soweit wäre, dass ich aus der kritischen Zeit heraus wäre, müsste ich das Geheimnis lüften und dementsprechend die restlichen Familienmitglieder darin einweihen, immerhin müsste auch mein Kleid entsprechend angepasst werden. Denn wenn die Hochzeit stattfinden würde, hätte ich schon eine kleine Wölbung. Und ein zu enges Kleid wäre definitiv unpraktisch. Ich konnte mir jetzt schon die Reaktionen vor dem inneren Auge vorstellen. Meine Schwiegermutter würde vermutlich an Ort und Stelle einfrieren, mit geweiteten Augen. Calebs Vater wäre da eher ruhig, würde eventuell grinsen oder seine Frau dazu bringen, sich zu beruhigen, sollte sie ausflippen. Obwohl das ganze natürlich auch ganz anders ablaufen könnte. Für Vampire war es gewöhnlich so, dass sie erst später an die Familienplanung dachten, auch wenn sie früh heirateten. Immerhin war es nicht unüblich, schon früh den Bund einzugehen, besonders, wenn man seinen Seelenpartner gefunden hat. Das größte Problem würde sein, die Verwandten und Bekannten zusammen zu trommeln, denn meist war es so, dass Vampire eine weitreichende Liste an Gästen hatten, welche natürlich abgeklappert werden musste. Als wir den ersten Laden betraten, wurden wir von einem älteren Herren begrüßt. Ich war überrascht, dass sich die zwei Damen den Laden eines Menschen herausgesucht hatten. Es war nicht sehr bekannt, dass Vampire viel bei Menschen einkaufen gingen. Anders herum war es schnell mal der Fall. „Wir schätzen die Qualität der Kleider hier“, erklärte mir Xenia auf meinen verwirrten Blick hin und ich nickte kurz. „Ich habe schon oft selber für mich etwas anfertigen lassen“ „Aber auch nur, weil du dich in deinem Stil viel zu oft vergreifst, Xenia, Liebling!“, mischte sich Cécilia ein und seufzte auf. „Nicht jeder braucht so viel drum herum wie du, Cécilia.“ „Es ist eine `ochzeit, Xenia! Da benötigt man viel drum `erum! Ein wunderschönes, weites Kleid für viel Beinfreiheit und äußerste Eleganz. Sie vertritt eine Ratsfamilie, meine Liebe. Da muss man ein gewisses Auftreten an den Tag legen!“ „Aber auch nicht alle Gäste zur Seite stoßen.“ Xenia seufzte auf und fuhr sich durch die Haare. Die beiden Frauen stritten noch einer Weile, während wir uns von dem netten Herren in das hintere Abteil des Ladens führen ließen. Hier hatte man die weißen Kleider aussortiert und wie ich sah, musste Xenia den Laden vorher angerufen haben, da natürlich die dargestellten Kleider alle in den Farben der Lecrunes waren: Schwarz und Rot. Es überraschte mich schon nicht mehr, es störte mich auch nicht. Immerhin musste ich mich nicht im Alltag an diese Farbenordnung halten, weswegen ich meine Blau- und manchmal Weiß-Töne behalten durfte. Obwohl ich mir das weiß eventuell abgewöhnen sollte. Nachdem sich die beiden Frauen endlich beruhigt hatten, kam auch der Mann zum Sprechen. Er lächelte uns an, begrüßte uns zunächst, bevor er uns die Kleider vorstellte. Wie es schien, hatten die beiden Frauen nicht geplant, so viele Läden abzuklappern, was mich doch durchaus aufatmen ließ. Es war immer eine Tortur für mich, derartige Sachen anzuprobieren, vor allem bei diesen Stücken. Die meisten waren doch recht eng geschnitten, erinnerten an den bekannten ‚Meerjungfrauen-Stil‘ und ließen mich tief durchatmen. Wir mussten etwas finden, was man mit Leichtigkeit erweitern konnte, sollte ich dann noch an Rundungen zugenommen haben. „Natürlich habe ich mit in Betracht gezogen, welche Art von Symbol auf eurem Wappen ist“, erzählte der Mann und holte ein Kleid hervor, welches definitiv ausladend war – so wie Cécilia es wollte, dem Glänzen in ihren Augen nach zu urteilen – in den Farben der Lecrunes und mit kleinen Rosen im Tüll des Rockes, wodurch diese zwar auffielen (der Rock war schwarz, die Rosen natürlich rot), aber nicht sofort ins Auge stachen. Nachdenklich legte Xenia einen Finger an ihre Lippen, musterte das Kleid und dann mich. War es nicht normalerweise so, dass die Braut entscheiden musste, und nicht die Schwiegermutter? „Lasst es mich anprobieren“, erhob ich meine Stimme und stand auf. Die Augen des Besitzers fingen an zu leuchten, als ich mich dazu entschied, mich in das Kleid zu zwängen. Nun gut, zwängen war nun auch nicht das richtige Wort. Überraschender Weise ging es leicht anzuziehen, es hatte keine Träger und dadurch war ich um das Schlüsselbein herum blank, was mich doch etwas zittern ließ. Das war vielleicht unangenehm. Aber da ließ sich natürlich noch was machen. An sich war es tatsächlich nicht schlecht: Hoch geschnitten, sodass ich nicht zu viel Dekolletee zeigte, der obere Part war rot, reichte knapp bis zu meiner Hüfte und würde sich, dem Stoff nach zu urteilen, leicht erweitern lassen. Der Rock war zwar ziemlich breit, aber da ließ sich vielleicht auch etwas machen. „Ganz gut an sich“, meinte ich, nachdem ich mich auf eine Art Hocker oder Erhöhung stellte, damit das Kleid nicht am Boden entlang schliff. „Ich frage mich nur, ob es sich auch erweitern lässt, im Falle dessen, dass ich zunehme oder so“ Ich sah, wie Xenia eine Braue auf meine Aussage hin hob, bevor beide Frauen unisono zu kichern begannen. „Darüber musst du dir keine Sorge mehr machen, Kindchen!“, warf Cécilia ein und stand auf, ging um mich herum und zupfte hie und da am Kleid. „Vampire können nicht zunehmen. Auch du nicht, obwohl du noch deine Geschmacksknospen `ast.“ „Für den Fall der Fälle natürlich …“, murmelte der Besitzer und überlegte kurz, „wäre es durchaus möglich, es etwas zu erweitern.“ Okay, das Kriterium wäre schon einmal überstanden. Ich ließ mir wieder aus dem Kleid helfen und die anderen vorführen, von welchen ich einige probierte. Viele folgten dem gleichen Schema, Schwarzer Rock. Rotes oberes Part. Einige hatten Schwarz-Roten Tüll, was auch recht interessant aussah. Kleider, die hinten gebunden wurden oder ein Korsett hatten, lehnte ich von vornherein ab mit der Ausrede, dass es viel zu anstrengend wäre, sich da hineinzuzwängen. Außerdem könnte es passieren, dass man mir in alter Manier noch die Luft abschnitt, worauf ich noch viel weniger Lust hatte. Eine Wespentaille hatte ich nun lange nicht, geschweige denn eine ‚Sanduhr-Figur‘. Obwohl Caleb meinte, er liebe meine ‚Rundungen‘, wofür ich ihn früher dezent angefunkelt hatte, bis ich verstand, was er damit meinte. Verdammter Lüstling. Nach dem vierten Kleid brauchte ich dringend eine Pause. Ich entschuldigte mich kurz und setzte mich hin, atmete durch und lehnte mich auf dem Stuhl zurück. Kira, welche bislang dank den anderen zwei Frauen kaum zu Wort gekommen war, sah mich an und musterte mich. „Also, welches hat dir bislang am besten gefallen?“, fragte ich sie daraufhin, wodurch sie nachdenklich den Kopf auf die Seite legte. „Gute Frage. Das erste war echt hübsch, aber zu lang und würde beim Tanzen definitiv in die Quere kommen. Das zweite stand dir überhaupt nicht“ Da waren wir immerhin einer Meinung. „Und die anderen zwei gingen, wobei mir das letzte einen Ticken besser gefallen hat.“ „Das mit dem schiefen Träger?“, fragte ich nach und sofort schaltete sich Cécilia ein. „Absolut nicht! Das Kleid kannst du auf einer anderen Feier tragen, aber doch nicht auf deiner eigenen `ochzeit, Kindchen! Das Dritte war doch wunderschön!“ „Aber total unpraktisch. Es lässt sich ja nicht einmal eindrücken. Wie soll das beim Tanzen gehen?“, fragte ich sofort und in meinem Kopf tat sich ebenso die Frage auf, wie damals die Frauen im Mittelalter mit solchen weiten Kleidern umgehen konnten. Das war doch so überaus unpraktisch und unangenehm. Ich seufzte auf und fuhr mir schon zum dritten Mal heute durch die Haare. Da fiel mir noch etwas ein, weswegen ich mich zu meiner besten Freundin drehte. „Kira. Machst du mir eigentlich meine Frisur an dem Tag?“ Ich sah, wie sich die Augen der Brünetten weiteten, ihre Mundwinkel nach oben gingen, bevor sie energisch nickte. „Klar! Aber wehe, ich muss dir eine Hochsteckfrisur machen, dann tret‘ ich dir in den Hintern, Amand!“ Ich lachte auf und lehnte mich leicht nach vorn, bevor ich wieder sprach: „Nein, ausnahmsweise nicht. Ich hab Caleb versprochen, sie offen zu tragen. Dafür lässt er sich die Haare zu einem Zopf binden“ „Du stehst drauf, wenn er die Haare so trägt, oder?“ Kira grinste mich noch breiter an, woraufhin ich die Augen verdrehte, aber ebenso schmunzelte. „Eventuell“ Und ich hatte noch immer die kleine Hoffnung, dass er sich angewöhnen würde, es immer so zu tragen. Und wie sagte man so schön: Die Hoffnung stirbt zu Letzt. An dem Tag kontaktierte mich Caleb noch mal via Handy, weswegen ich mich kurz entschuldigen musste und vor die Tür ging. Er wollte sich nur schnell nach mir erkundigen, weswegen ich leise kicherte und ihm erzählte, dass alles okay sei und wir eventuell schneller fertig wurden, als ich gedacht hätte. Xenia hatte nämlich einen Plan gehabt. Da es so schien, als würden wir uns doch tatsächlich für das erste Kleid entscheiden – für die obere Region um die Schultern gab es noch einen farblich passenden Bolero dazu und schon kam ich mir nicht mehr ganz so nackt vor – hatte sie sich mit dem Besitzer auseinander gesetzt und gefragt, ob man den Rock umschneidern lassen könnte. Die Idee: Der breitere Rock sollte festmachbar sein, durch Knöpfe oder sonstiges, versteckt im Oberteil. Der Part darunter war dadurch etwas kürzer, sollte ebenso in schwarz gehalten werden, aber dafür leichter, mit ebenso genügend Beinfreiheit, aber nicht ausladend. Jedoch sollte ein Kriterium definitiv beachtet werden: Meine Füße sollten bedeckt sein, sodass ich wieder flache Schuhe tragen konnte. Und nein, ich werde mir niemals angewöhnen, in welchen mit Absatz zu laufen. Ganz zu schweigen davon, dass ich eine ganz schlechte Erinnerung mit diesen in Verbindung setzte. Als ich von der Tortur erlöst wurde, war es bereits dunkel. Ich hatte gar nicht wirklich mitbekommen, wie die Zeit vergangen war. Unglaublich. Jetzt hatten wir also die Ringe, das Kleid, Caleb hoffentlich bald seinen Anzug (wobei ich mir vorstellen kann, dass auch dort Cécilia ein Wörtchen mitzureden hat), ich meine Frisöse und Make-Up-Artistin, und wir hatten noch einige Monate Zeit. Der Ort stand sowieso fest, immerhin handelte es sich um eine Feierlichkeit der Vampire, weswegen diese in dem guten alten Anwesen stattfand, welches wir in nächster Zeit sehr oft besuchen dürften. Die Gästeliste nahm auch langsam Gestalt an, sowie das Design der Einladungskarten. Endlich konnte ich einmal stolz behaupten, dass alles nach Plan verlief. Auch wenn sich Xenia und ihre Dienerin oft stritten, wenn es ums Dekor oder um die Kleider ging, so kamen wir auch in diesen Kategorien voran und konnten unsere Hochzeit wohl zum geplanten Datum auch halten. Und je näher diese Zeit kam, desto aufgeregter wurde ich. Aber natürlich hieß es vorher auch, den Verwandten eine weitere Nachricht zu überbringen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)