My bloody Soulmate von Thane ================================================================================ Keiner von uns, die Neva und Yakeno kannten, konnten sich vorstellen, warum er sich so verhielt. Es musste etwas mit dem Widerstand zu tun haben, als wöllten sie verhindern, dass man diesen fand. Aber planten sie tatsächlich so weit, dass sie das Gedächtnis von ihren Mitgliedern manipulierten, sodass sie Schlüsselelemente vergaßen? Es machte mir Angst, um ganz ehrlich zu sein. Das würde nämlich heißen, dass man entweder gelernt hat, Yakenos Fähigkeit gegen ihn selber einzusetzen, einen anderen Weg dazu gefunden hat oder dass es einen weiteren Vampir mit dergleichen Fähigkeit gab. Und das, das jagte mir Angst ein. Vincent konnte sich das alles am wenigsten erklären. Er betrieb schon seit einigen Monaten Hintergrundchecks an den Ishtas und fand nichts. Keine Verbindung zum Widerstand, anderen Vampiren oder hochrangigen Mitgliedern der Gesellschaft. Die Existenz des Vaters war auch wie aus dem Geschichtsbuch gestrichen, dabei sollte er, wie schon öfters erwähnt, eine Firma gehabt haben. Und die? Ebenfalls wie vom Erdboden verschluckt. Niemand konnte es sich erklären und es gab nur Spekulationen. In unserer Verwirrtheit kontaktierten wir nicht nur Sei, sondern auch Jonathan und starteten einen Konferenzanruf, um Informationen auszutauschen. Jonathan wurde dabei von Lexa begleitet, welche neben ihm saß und uns einfach mal wieder sehen wollte. Eine signifikante Änderung konnte man an ihr erkennen: Sie hatte zugenommen und das war bei Vampiren doch eher untypisch. Es lenkte und kurz vom Thema ab. „Sag mal, Lex. Bist du schwanger?“, fragte Kira einfach aus dem Blauen heraus und ich hätte schwören können, dass Jonathan fast unter dem Tisch versunken wäre vor Scham. Seine Frau hingegen hielt sich peinlich berührt eine Hand vor den Mund bevor sie flüsterte: „Ist es schon so auffällig?“ „Etwas, würde ich sagen“, meinte ich und beobachtete, wie die Brünette ihren Mann unter dem Tisch wieder hervorholte. Jonathan war definitiv zu unschuldig für die Welt der Vampire, zumindest wenn man ihn Privat kannte. In der Öffentlichkeit? Oh, da wollte man sich nicht mit dem Mann anlegen, denn auch wenn er nicht danach aussah, konnte er ordentlich beißen, wenn er wütend war. Und eines konnte ich sagen: Griff man seine Familie verbal an, sah man sich bald am Boden wieder. „Bevor wir zu weit abschweifen“, mischte sich Vincent ein und stützte sich auf den Lehnen unserer Stühle ab, sodass er hinter uns Platz hatte und gleichzeitig nicht unangenehm stehen musste. „Neva Ishta. Die Firma Ishta Business. Irgendwelche Infos?“ „Um ehrlich zu sein, haben meine Eltern früher mir Ishta Bus zusammen gearbeitet“, gab Sei preis und tippte auf seiner Laptoptastatur. Mit den zurück gegelten Haaren und dem ersten Blick sah er tatsächlich aus wie ein Geschäftsmann und machte seinem Vater damit alle Ehre, denn der war einschüchternd wie sonst was. Kira durfte ihn ja schon etwas näher kennen lernen, zum Glück wurde sie von ihm akzeptiert. Obwohl ich mir sehr gut vorstellen konnte, dass Sei sonst etwas dagegen unternommen hätte. Ich blickte zu meiner Freundin, welcher mit einem verträumten Blick die Übertragung von ihrem Verlobten ansah. Ach ja, Fernbeziehungen. Das war nicht einfach. „Ishta Bus ist vor einer Weile insolvent gegangen, hat aber Hilfe aus einer unbekannten Quelle erhalten. Danach lief es für einige Monate, bevor sie einfach verschwanden. Keine Nachricht, nichts. Jegliche Informationen wurden aus den Datenbanken ihrer Partner getilgt, einfach so. Wahrscheinlich über Nacht“, meinte der Schwarzhaarige nun und legte die Hände, Finger ineinander verschränkt, auf den Tisch. Seine Augen verließen den Monitor vor ihm nicht. „Und woher kommen dann diese Infos?“, hinterfragte Vincent sogleich. „Mein Vater hat Detektive angeheuert, nachdem wir von den Problemen gehört haben. Er wollte wissen, ob es sich noch lohnt, die Partnerschaft von Ishta zu behalten. Alle gesammelten Daten wurden handschriftlich festgehalten, um eine Korruption durch Hacking zu vermeiden“ „Schlau“, gab der Teamchef zu und kratzte sich nachdenklich am Kinn. Im digitalen Zeitalter war es durchaus schlau, eine handschriftliche Kopie anzufertigen, da Papier und Ordner mit als letztes durchsucht wurden. Und wie ich mitbekommen hatte, verließen sich schon viele Firmen der Vampire, vor allem die größeren, auf ihre digitalen Datenbanken. Dementsprechend viel investierten sie natürlich auch in die Server, damit sie keine Daten verloren. Und ein Back-Up jeden Monat, wenn nicht sogar alle paar Wochen, war ein Muss. Das hatte mir alles Caleb erzählt, mein kleiner großer schlauer Vampir. „Es hieß auch, dass sich Neva in der Zeit, in der die Firma in Schwierigkeiten steckte, mit irgendwelchen Leuten getroffen haben soll“, fügte Jonathan hinzu, nachdem das Tastaturgeräusch bei ihm verstummt war. „Das sind aber nur Gerüchte aus unserer Firma. Ich könnte natürlich nach einer Personenbeschreibung fragen“ „Tu das bitte“, bat Vincent sofort und notierte sich etwas, während er im Zimmer auf und ab ging. Gut, dass Calebs Zimmer groß genug dafür war. „Also, irgendwie haben sie es geschafft, die Existenz von Ishta Business einfach auszuradieren. Über Nacht. Sie müssen Technikbegabte in ihren Reihen haben, sonst hätte das nicht funktioniert.“ „Das war schon klar, als wir vom toten Briefkasten erfuhren.“, wandte Caleb ein und lehnte sich in seinem Sitz zurück. „Ich denke nicht, dass irgendein Schwachkopf sowas einrichten kann“ „Sicher“, gab Vincent ihm Recht, „Aber wir wissen jetzt, dass es mehr als nur ein Genie geben muss. Die Informationen aus mehreren Datenbanken zu tilgen, einfach so über Nacht, kann niemals das Werk einer einzigen Person sein“ „Also haben wir es mit einer internen Gruppe zu tun. Könnte sie uns gefährlich werden?“, warf ich sofort die Frage in den Raum, doch der Brünette Vampir schüttelte nur den Kopf. „Mein Technikerteam überwacht das Netzwerk und meldet verdächtige Aktivitäten. Wir können es uns nicht leisten, so einfach wie vor vier Jahren aufzufliegen“ Ich nickte verständnisvoll und war froh, dass diesmal solche Vorsichtsmaßnahmen vorgenommen wurden. Vermutlich würde man nicht nur diese Aktivitäten melden, sondern sofort etwas dagegen unternehmen. Und wenn es bedeuten würde, das gesamte Netz für eine gewisse Zeit abzukappen. Besser so, als dass wir auffliegen würden. Wir saßen nicht mehr lange da, sodass jeder bald wieder zur Arbeit konnte. Nicht nur, dass Jonathan und Sei eine Firma zu leiten hatten, wir mussten uns auf eine Vorprüfung am nächsten Tag vorbereiten und hatten nicht viel Zeit. Deswegen verabschiedeten Kira und ich uns schnell von den Männern und gingen zurück auf unser Zimmer um zu lernen. Es war langweilig, aber es tat gut, denn so konnte sich mein Puls endlich beruhigen. Ich erinnerte mich daran, wie es vor vier Jahren war. Wie die Aufregung in mir aufbrodelte und dazu führte, dass ich länger brauchte, um meine Gedanken zu sortieren. Meine Reaktionen waren dennoch superb gewesen, weswegen ich nicht einfach umgebracht werden konnte. Ob ich ein weiteres Mal so viel Glück haben werde, das sei dahin gestellt. Aber diesmal hatte ich ein kleines Training erhalten, um Angriffe abzuwehren und sogar vielleicht einen Vampir auszuknocken. Das könnte mir helfen. Meine Mitbewohnerin und ich saßen bis spät in die Nacht, sodass vor allem ich – sie eher weniger, da sie nun ja ein Vampir war -, am nächsten Morgen fast todmüde zur Prüfung erschien. Ich biss mich natürlich durch, kam zum Glück auch nicht als erste dran, sodass ich noch Zeit hatte, um etwas aufzuwachen. Es war aber auch nicht einfach, einfach dazusitzen und zu warten, bis ich dran war. Immerhin nagte das an meiner Zuversicht. Es war zum Glück nur eine Vorprüfung und trotz dessen, dass ich übermüdet war, kam ich recht gut durch. Durch das Training mit Caleb und den Direktoren hatte ich mir Wissen angeeignet, welches wir in der Schule nicht vermittelt bekamen und das konnte ich nun zu meinem Vorteil nutzen. Punkte, die ich aus dem Unterricht nicht mehr wusste, konnte ich mit anderem praktischen Wissen ersetzen und somit meine Fehler ausgleichen. Das Sprechen vor Massen war für mich längst kein Problem mehr. Als Maid musste ich schnell lernen, Angst vor Publikum abzulegen und eine respektvolle Aura zu entwickeln. Und als baldiges Mitglied der Familie Lecrune war dies besonders wichtig, weswegen ich aber auch härter bewertet wurde. Alles in allem ging es aber ganz gut aus – Eine solide 2. Darauf konnte ich stolz sein. Und es gab mir Motivation, in der tatsächlichen Prüfung mehr zu geben. Da Kira erst später dran kam als ich, einiges später sogar, kehrte ich vorerst allein ins Zimmer zurück und wollte mich etwas ausruhen. An Prüfungstagen hatten wir keinen normalen Unterricht, weswegen wir uns nach dem ganzen Stress entspannen und abschalten konnten. Ich hatte vor, meine Freunde von Zuhause zu kontaktierten. Vielleicht auch Sei oder Jonathan, um mich über den neuesten Stand zu informieren. Auf meinem Weg zurück lief ich Caleb über dem Weg, welcher mit erhobenem Haupt und voller Zuversicht auf dem Weg zum Schulgebäude war. Da wurde anscheinend jemand erst später für die Vorprüfung eingeteilt. „Du scheinst dir ja gewiss zu sein, es zu schaffen“, meinte ich und hielt ihn damit kurz auf. Er schmunzelte und legte verspielt den Kopf schief. „Das habe ich einer gewissen Dame zu verdanken, die mir das Lernen beigebracht hat“ „Ach, alles, was du gebraucht hast, war ein Arschtritt. Der Rest kam von allein“ Ich grinste ihn an. Das Lernen hatte ich ihm nicht beigebracht, ich gab ihm lediglich die Motivation. Oder eher das Feuer unterm Hintern, das er gebraucht hatte, um endlich in Bewegung zu kommen. Er steckte die Hände in seine Jackentaschen, seine typische Geste, wenn er so lässig wie möglich wirken wollte. „Wie lief es bei dir?“, fragte er sofort nach. Ich zuckte mit den Schultern, versuchte so zu wirken, als wäre es nicht besonders gut gewesen. Aber meine Lüge kam nicht an ihm vorbei. Caleb fing an zu lachen, als hätte ich ihm gerade den Witz des Jahrhunderts erzählt. Eingeschnappt zog ich einen Schmollmund. „Wynne, du solltest inzwischen wissen, dass das bei mir nicht zieht“, meinte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Also kann ich davon ausgehen, dass ich eine fähige Frau habe“ „Als ob du das nicht schon vor vier Jahren festgestellt hättest“, murrte ich und boxte ihm spielerisch auf den Oberarm. Die Chance nutzte er wiederrum, schlang seine Arme um mich und zog mich an sich. Ich musste fast den Kopf in den Nacken legen, um ihn anzusehen. War er über die Jahre gewachsen? Es würde mich kaum wundern, die Männer in seiner Familie waren bekannt dafür, fast 2 Meter groß zu werden. Ob sie wohl Werwolfgene hatten? Ich schmunzelte bei dem Gedanken. „Okay, was schwirrt dir gerade durch deinen hübschen Kopf?“, fragte Caleb sofort nach und streichelte mit einer Hand über meinen Rücken. Ich erschauderte leicht, als seine Fingerspitzen mein Rückgrat entlang fuhren. Das machte er normalerweise nur im Bett, da er bereits wusste, dass es sich hierbei um eine empfindliche Stelle bei mir handelte. „Ich hatte gerade ein Bild von dir im Kopf“ „Nackt?“ Ich verdrehte die Augen. „Mit Hundeohren“ „Nackt mit Hundeohren?“ Er konnte es aber auch nicht lassen! Schnaubend schlug ich ihm diesmal gegen die Brust, was ihn nur wieder zum Lachen brachte. „Du bist unmöglich!“, rief ich aus und schlug ein weiteres Mal zu, bevor er meine Handgelenke schnappte und mich fest hielt. „Und trotzdem liebst du mich“, schnurrte er mir gegen die Lippen, so nah war er mir dabei gekommen. „Vielleicht ist es ja auch nur der blöde Bund, der da aus mir spricht!“, widersprach ich ohne dabei nachzudenken. Sofort ließ mich mein Verlobter los, ich konnte Schmerz in seinen Augen erkennen. Oh nein, das wollte ich nicht. „Caleb ..“ „Lass gut sein“, meinte er nur. „Du bist wohl nur wegen dem blöden Bund meine Verlobte“ Er wandte sich zum Gehen und sofort rutschte mir das Herz in die Hose. Das waren meine eigenen Gefühle, nicht irgendwelche durch eine dämliche Seelenverwandtschaft hervorgerufene! „Caleb, warte doch!“ Diesmal schnappte ich mir sein Handgelenk, wobei es mir doch eher schwer fiel, ihn zu umfassen, da ich mit meinen Fingern kaum um sein Gelenk kam. Mit einem Schnauben entriss er mir jedoch seinen Arm. „Ich sagte lass gut sein, Wynne. Ich brauch das jetzt nicht“ Scheiße, ich hatte ihn mit der Aussage wirklich verletzt. Das spürte ich innerlich sogar, mein Herz zog sich zusammen, als ich ihn so gekränkt sah. „Meine Güte, jetzt hör mir doch zu!“ Ich versuchte ihn aufzuhalten, indem ich mich ihm in den Weg stellte und die Arme ausbreitete, um breiter zu wirken. Normalerweise nahm er diese Geste meist spielerisch an und umarmte mich, doch diesmal blieb er nur vor mir stehen und musterte mich, anstatt an mir vorbei zu gehen. Das war meine Chance, das alles wieder gut zu machen und ihn nicht mit schlechter Laune in die Prüfung gehen zu lassen. Auch wenn es noch nicht die Richtige war, war sie dennoch nicht weniger wichtig! Sie floss ebenfalls mit in die Bewertung ein! Ich atmete tief durch und nahm meine Arme langsam wieder runter, legte meine Hände auf seine Brust und sah zu ihm hoch. Er behielt die Arme an seiner Seite, aber ich merkte, dass er mich berühren wollte. Seine Hände zuckten. „Es tut mir leid, Caleb. Du weißt, dass ich das so nicht meine“ „Weiß ich das?“ Frustriert fuhr er sich mit einer Hand erst durchs Gesicht, dann durch seine Haare. Schuldig wich ich seinem Blick aus. Ich hatte es doch tatsächlich nicht so gemeint. „Ich habe langsam nicht mehr die Nerven dafür, mir alle paar Monate sowas anzuhören, nur weil ich dich necke. Es tut weh, Wynne. Ich bin kein gefühlsloses Monster, auch wenn du das vielleicht denkst …“ „Das tue ich nicht!“, widersprach ich sofort und hob meinen Kopf wieder. Langsam fing ich an, zu zittern. Solche Streitigkeiten gab es unter Seelenverwandten eigentlich nicht. Bei uns bestand aber die Vermutung, dass es sich um einen gebrochenen und wiederhergestellten Bund handelte, weswegen wir daran arbeiten mussten, ihn zusammen zu halten. Und ich meinte hierbei nicht die Eingriffe von Yakeno. Meine Ahnin musste das Band zu ihrem Seelenpartner eigenständig zerrissen haben, sodass es sich über Generationen hinweg erst wieder aufgebaut hat bis hin zu Caleb und mir. Und das machte unsere Beziehung so schwierig. Leistete ich mir auch nur einen Fehltritt, könnte alles vorbei sein. Und wenn ich daran dachte, zog sich alles in mir zusammen. „Ich … Caleb, du weißt, dass ich damit ganz schlecht umgehen kann“ „Nach vier Jahren?“ Streu noch Salz in die Wunde, du Idiot. Ich versuche hier gerade, mich zu erklären! „Halt jetzt gefälligst die Klappe und hör mir zu“ Ich merkte sofort, wie er an mir vorbei wollte, als ich wieder so mit ihm redete. Sofort drückte ich gegen ihn, versuchte ihn davon abzuhalten und rief immer wieder ‚Halt!‘, bis er endlich zur Ruhe kam. „Tut mir leid. Ich … verdammt nochmal. Ich kann echt nicht reden, ohne mich zu wiederholen. ‚Du weißt doch‘. ‚Ich meine es nicht so‘.“ Ich blickte auf meine Hand mit dem schwarzen Ring. „Lass es mich so ausdrücken … ich denke nicht, dass der Bund einem Gefühle aufzwängt. Zwar schubst er einen in die richtige Richtung, aber … was auch immer man dann fühlt, entwickelt sich eben mit der Zeit. Caleb … Ich weiß, ich sag das nicht oft. Ich finde es einfach eigenartig und … auch wenn ich es schreiben kann, kommt es mir so komisch vor. Ich liebe alles an dir, okay? Deine neckische Art. Deine verführerische, dann wieder vorsorglich und beschützerisch. Du hast so viele Facetten, die ich über die Jahre kennen lernen durfte.“ Ich verkrampfte meine Hände kurz, bevor ich mit einem Finger über meine Augen fuhr. Tränen? Klasse. Das Letzte, was ich tun wollte, war weinen. „Ich würde doch nicht so eine Angst um dich haben, wenn ich nicht wirklich etwas für dich empfinden würde“ Langsam brach meine Stimme. Ich hatte meine eigene Art, mit diesen Gefühlen umzugehen. Bislang schien es ihn auch nicht gestört zu haben. Hätte er einfach mal gesagt, dass es ihm wehtat, anstatt es in sich rein zu fressen! Verdammt nochmal. „Ich bin nicht so romantisch wie die Figuren in meiner Geschichte“ „Nope. Eigentlich bist du so romantisch wie deine Jägerin.“, meinte er und ich fühlte, dass er vorsichtig mit einer Hand über meinen Kopf streichelte. Das machte er immer, wenn ich weinte. Damit wollte er mich beruhigen. Diesmal aber hatte es den gegenteiligen Effekt. „Wynne, lass uns später drüber reden, okay?“ Stur schüttelte ich den Kopf und widersprach erneut. „Ich will das jetzt klären. Ich will nicht, dass du in diese dumme Prüfung mit einem schlechten Gefühl gehst“ Ich atmete tief durch und griff nach seinem Gesicht, um ihn näher zu ziehen und einen Kuss zu geben. Dazu brachte mich niemand. Das wollte ich selber. Um mich zu halten, legte Caleb beide Arme um mich. Sofort merkte ich, wie der Bund von uns stärker wurde. Unsere Gefühle vermischten sich: Unsicherheit, Angst, Aufregung. Liebe. Die ganze Angelegenheit war nur allzu seltsam. „Ich kann leider nicht jedes Wort so gut überlegen wie in meinen Geschichten. Ich kann sie auch nicht einfach wieder löschen, wenn sie nicht den gewünschten Effekt erzielen. Ich bin nur auf Papier ein Wortjongleur, aber mit dir … Es verwirrt mich, okay? Du verwirrst mich auf so vielen Ebenen, dass ich nie weiß, was ich sagen soll. Wie ich reagieren soll“ Nachdenklich sah er mich an, sein Blick bohrte sich regelrecht in meinen, während er nach einer Antwort suchte. Schließlich aber sagte er nicht, sondern entschied sich für eine Geste, die mehr sprach als tausend Worte: Er vergrub seine Nase in meinen Haaren. Das machte er nur, wenn er besonders viel Zuneigung wollte. Ob ich ihm vielleicht zu wenig gab? Besonders momentan konnte ich mir das sehr gut vorstellen, immerhin waren wir dermaßen im Stress, dass ich manchmal einfach keine Zeit für ihn fand. Und das würde in Zukunft nicht abnehmen. Ich legte meine Arme um ihn, wollte ihn noch so lange festhalten, wie es möglich war. „Es tut mir leid …“, flüsterte ich gegen seine Schulter. Als Antwort streichelte er mir beruhigend über den Rücken, wieder keine Worte. „Ich hab was gut bei dir“, meinte er nach einer Schweigeminute, ließ mich langsam los, wobei ich mich nicht von ihm löste. „Zwei, wenn ich in der Vorprüfung perfekt abschneide. Und das werde ich nicht schaffen, wenn du mich nicht los lässt“ Ich murrte nur gegen seine Schulter. Sollte er mich doch mitnehmen zu der doofen Prüfung! „Wynne, das gibt Punktabzug. Ich bin nicht mehr sauer, okay?“ Langsam löste ich meinen Griff, schaute aber nicht weniger bedrückt drein. Ich hob langsam den Bick und sah ihn wieder an, das verspielte Funkeln war wieder da. „Gut so. Also, haben wir einen Deal?“ „… wehe, ich bereue das, weil ich ein schlechtes Gewissen habe“ „Glaub mir, das wirst du nicht“ Er küsste mich noch einmal kurz, bevor er mich schwach anlächelte. Ich sah ihm an, dass die Sache noch nicht ganz vergessen war, aber immerhin war seine Laune wieder etwas besser. Ich sah kurz auf meine Hand, wobei er fragend die Brauen zusammen zog. Mein Vampir wollte gerade gehen, viel Zeit blieb ihm nämlich nicht mehr. Bevor er mich aber aus seinem Blickfeld ließ, berührte ich den Ring kurz mit den Lippen. Überrascht weitete er die Augen, während ich vor Scham eigentlich nur wegsehen wollte. Ich hörte noch, wie er kurz lachte, bevor er im Schulgebäude verschwand. Ich hatte die Situation wohl entschärft. Ich hatte noch immer ein schlechtes Gewissen. Es war nie meine Absicht gewesen, ihm weh zu tun. Das kam einfach über mich. Mit einem Seufzen schloss ich die Tür auf und wie an jedem Nachmittag checkte ich unsere Postbox. Ich war überrascht, als ich einen doch eher seltsam aussehenden Brief darin sah. Das einzige, was auf dem Umschlag stand, war ‚An Wynne Luria Amand‘. Keine Adresse, kein Absender, gar nichts. Wer auch immer das in unsere Box getan hatte, musste also auf diese Akademie gehen und wissen, welches mein Zimmer war. Ich legte die restliche Post, zumeist für Kira, auf einen unserer Schreibtische und musterte den Umschlag. An sich sah er nicht dreckig aus, auch wenn er hie und da etwas geknickt war. So wie es schien, wurde er, bevor er eingeworfen wurde, in einer Tasche getragen, ohne darauf zu achten, ob er knitterte. Neugierig öffnete ich den Brief, faltete das Papier auseinander und las ganz langsam das, was dort geschrieben stand. Wynne Luria Amand. Wir wissen, dass ihr Neva sucht. Komm gegen 17 Uhr zum Tor. Alleine. Kein STT. Kein Erbe. Keine Freunde. Nur du. Wenn du jemanden davon erzählst, bringen wir sie um. Ich denke doch aber, dass wir einen Kompromiss für die Angelegenheit finden können. Jemand wird dich am Tor erwarten. Denk nicht zu viel darüber nach. Der Widerstand hatte mir geschrieben und ein Spitzel hatte dafür gesorgt, dass der Brief mich auch erreichte. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Sicher, mit wurde schlecht und ich geriet in Panik. Sie drohten mir damit, eine Freundin von mir umzubringen, wenn ich nicht hören sollte. 17 Uhr. Ich sah auf die Zeit, 15:30. Lange blieb mir tatsächlich nicht zum Überlegen. Wenn meine Eskorte jemanden bei mir sah, würden sie die Information bestimmt sofort weiter geben. Ich musste mir etwas ausdenken. Wie weit reichte der Bund, um mit jemanden Kontakt aufzunehmen? Caleb und ich hatten das ganze trainiert. Aber was war eigentlich, wenn sie jemanden hatten, der das blocken konnte? Egal. Ich musste alle Möglichkeiten durchgehen. Kompromiss. Das klang, als wöllten sie eine friedliche Lösung. Nach all meinen Erfahrungen stank es für mich natürlich förmlich nach Falle. Ich durfte nicht unvorbereitet dort hin, auch wenn ich mittlerweile etwas besser trainiert war. Schnaubend zerknüllte ich das Papier und warf es achtlos in den Papierkorb, bevor ich mit der Faust gegen die Wand schlug und laut fluchte. Ich musste weg, bevor Kira zurückkam. Oder ich musste mir eben eine gute Lüge ausdenken. Da kam mir Caleb in den Sinn. Es tat mir weh, ihn für etwas Derartiges auszunutzen, aber wir hatten doch sowieso vor, uns später zu treffen. Das Treffen! Er würde schnell mitbekommen, wenn ich verschwunden wäre. Sicherlich, es wäre gefährlich, aber es würde bestimmt wenigstens eine Weile dauern, bevor sie mitbekommen würden, dass ich weg war und ich hätte Zeit, eine Ablenkung zu kreieren, um Neva irgendwie zu befreien. Das konnte ich schaffen. Ich brauchte nicht lange auf meine Freundin warten, doch kaum betrat sie den Raum, wurde ich mehr als nur aufgeregt. Mein Herz hämmerte. Das musste klappen, sonst würden sie Neva umbringen. Das redete ich mir immer wieder ein um die Courage für die Aktion aufzubauen. Noch redete ich ein wenig mit ihr, während sie ihre Post öffnete und mir ebenfalls einen Brief überreichte, den ich durch die ganze Aufregung ganz übersehen hatte. Von meiner Arbeit, aha. Bei ihr sah es nicht anders aus. Andere Firmen hatten sie ebenfalls kontaktiert, da manche diese Variante den E-Mails bevorzugten, obwohl beides nicht zu 100% sicher war. Immer wieder ging mein Blick auf die Uhr. Immer noch kämpfte ich darum, mich nichts anmerken zu lassen. Ich hatte Glück, dass Kira die Fähigkeit noch nicht entwickelt hatte, Gesten zu deuten. Das war zwar ein Nachteil für ihr zukünftiges Leben, aber ein Vorteil für meine momentane Situation. Nach einer Weile zog ich mich wieder an, was natürlich Misstrauen bei meiner Mitbewohnerin erweckte. Ich aber lächelte sie nur an. „Ich habe Caleb etwas versprochen. Deswegen hol ich ihn gleich beim Klassenzimmer ab“, meinte ich nur und erntete ein Grinsen von ihr. Es war eindeutig, woran sie dachte. „Darf ich also davon ausgehen, das Zimmer heute Abend für mich allein zu haben?“ Ich grinste schief, wie Recht sie damit wohl hatte. „Ich denke mal, ja“ Damit musste ich nicht einmal lügen. Ich rechnete nicht damit, alsbald zurück zu kehren. Schnell schnappte ich mir noch mein Handy, verabschiedete mich und kurz nachdem ich aus dem Zimmer raus war, wählte ich eine ganz bestimmte Nummer: Yarias Corp. „Willkommen bei Yarias Corp, Andaleine am Apparat. Wie darf ich Ihnen helfen?“, wurde ich kalt begrüßt. Ich hatte bisher noch nie diese Nummer gewählt, aber Sei hatte mir versichert, mich auf seine Liste ‚Sofort durchstellen‘ zu setzen. Angeblich sollte ich nur meinen Namen nennen und dazu sagen, dass ich mit ihm sprechen wollte. „Mein Name ist Wynne. Ich möchte mit Sei Kentaro Yarias sprechen. Es ist dringend“ Ich fügte das Letzte noch extra hinzu. Es war ja auch nicht gelogen, immerhin befand ich mich gerade auf dem Weg zum Schulhof und brauchte noch etwas. Ich hörte, wie die Frau am anderen Ende etwas murmelte. „Mister Yarias ist momentan sehr beschäftigt. Sie sollten es später noch einmal versuchen“ Gott, die Alte nervte mich jetzt schon. „Hören Sie, Lady. Ich muss jetzt mit Sei sprechen. Fragen Sie ihn doch einfach, ob er Zeit für mich hat, wie wäre es damit?!“ Eigentlich hätte ich ihr am liebsten gesagt, sie solle einen Blick auf diese gottverdammte Liste werfen, doch hatte ich das Gefühl, dass es so schneller gehen würde. Immerhin übersprang ich die Zeit, die sie zum Suchen benötigte. Ich hörte, wie sie den Hörer ablegte und in eine Gegensprechanlage sprach: „Mister Yarias, eine gewisse Wynne möchte Sie sprechen“ „Wie bitte? Ich habe doch ausdrücklich erwähnt, sie sofort durchzustellen!“ Ein Grinsen huschte über mein Gesicht und wäre die Situation nicht so ernst, würde ich nun laut los lachen. Die Frau am anderen Ende schluckte schwer, als sie den Hörer wieder aufhob, sich kurz entschuldigte und mich dann endlich zu Sei durchstellte. „Wynne, meine Gute. Ist alles in Ordnung? Du hast mich noch nie angerufen.“, begrüßte er mich, klang dennoch besorgt. „Um ehrlich zu sein, ich brauche deine Hilfe“ Eine kurze Pause seinerseits. Er schien zu überlegen. „… worum geht’s?“ „Wie weit reicht deine Fähigkeit?“ Das musste ihn misstrauisch stimmen. „Wynne, du begibst dich gerade nicht wieder in Gefahr, oder? Du weißt, Caleb wird durchdrehen“ „Hör mir zu. Es ist wirklich dringend“ „Verrat mir wenigstens, was du machen musst“ Diesmal schluckte ich schwer. Ich wollte es ihm so gerne verraten, aber damit würde ich Nevas Leben aufs Spiel setzen. „Es tut mir leid, Sei. Ich kann das nicht. Bitte, hilf mir einfach so. Wie weit reicht deine Fähigkeit?“ Er seufzte hörbar und deutlich angespannt. „Wenn ich mir die Gegend vorstellen kann, in der du stehst, reicht sie bis zu dir. Wynne, ich bitte dich nur. Mach keinen Scheiß“ „Ich pass auf mich auf, versprochen. Ich bin momentan auf dem Schulhof, dem Mittelweg zum Tor. Kannst du dir das vorstellen?“ „Kann ich. Wynne. Wenn ich irgendwann deine Todesanzeige lese, suche ich höchstpersönlich nach einem Weg, dich wieder zum Leben zu erwecken“ Ich lachte leise. Es war untypisch für ihn, eine doch eher besorgte Drohung auszusprechen. Aber im selben Atemzug versprach er mir noch, einen Schutzschild für mich zu errichten. Somit sollte ich immerhin sicher vor feindlichem Einfluss sein. Ich erreichte das Tor und hatte schon viele Meter vorher das Gespräch wieder beendet. Einmal gewirkt konnte er das Schild nicht mehr zurück nehmen, zum Glück. Nur wenn man immer wieder versuchte, durchzubrechen, könnte es sein, dass er zerstört wird. Aber dank des Trainings, das Sei gehabt hatte, würde es eine Ewigkeit und viel Energie brauchen, bevor sie durch wären. Am Tor stand kein Lehrer. Nur eine vermummte Gestalt, deren blauen Augen mich anstarrten. Die Gestalt deutete auf mein Handy. „Wegwerfen“, meinte sie nur. Eine Frau also. „Echt jetzt?“ Natürlich war ich alles andere als begeistert, mein Handy einfach so in den Dreck zu werfen und zurück zu lassen. Doch mein Gegenüber zuckte nur mit den Schultern. „Selber Schuld. Hättest du es nicht mitgebracht, müsstest du es jetzt nicht wegwerfen. Also los. Oder willst du deine Freundin nie wiedersehen?“ Schweren Herzens schmiss ich mein kleines technisches Gadget auf den Boden, woraufhin die Frau das Tor öffnete und mich mit einer Handbewegung nach draußen bat. Nachdem ich durch war, schloss sie das Tor wieder und wir begaben uns auf einen kleinen Spaziergang. Sie legte mir dabei eine Hand auf den Rücken und ich hörte, wie sie unter ihrer Gesichtsverdeckung leise lachte. „Du bist wirklich nicht blöd“, meinte sie. Also hatte sie wohl versucht, ihre Gabe, was auch immer diese war, auf mich anzuwenden. Ich grinste sie siegessicher an, ihre Augen funkelten verspielt. Sie schien das Ganze zu amüsieren. Unser Spaziergang führte und zu einem Fahrzeug, in welches ich mich setzen sollte. Ich tat, wie mir befohlen und ohne zu widersprechen. Nun war ich gespannt, wo sie mich hinbringen würden. Es dauerte gefühlte Stunden, bevor wir wieder zum Stehen kamen. Eine weitere Person öffnete mir die Tür, diesmal ein großgewachsener Mann mit leeren, grauen Augen und ebenso grauen Haaren. Ein älterer Mensch, wie mir auch an den Falten auffiel. Gebrochen, kam mir sofort in den Sinn. Hätte ich meine bereits voll ausgebildete Fähigkeit, würde ich ihm sofort helfen. Wobei … es würde Neva gefährden. Ich würde also erst sie retten und dann die Menschen. So wäre der Plan gewesen. Da ich aber selber nur ein Mensch war, blieb mir nichts anderes übrig, als mich in das Gebäude eskortieren zu lassen. Ich sah nach oben, man hatte erst vor kurzem das Schild mit einem Namen abgenommen. Ich versuchte, einzelne Buchstaben auszumachen, jedoch vergeblich. Das Haus sah diesmal nicht so heruntergekommen aus, weswegen es mich wunderte, warum man sie bislang nicht gefunden hatte. Ich folgte den Vampiren durch die Gänge bis zu einem Aufzug, weiter oben dann wieder durch einen Gang bis zu einer verschlossenen Tür. Die Frau, welche mich an der Akademie abgeholt hatte, zeigte mir den Schlüssel. „Unsere Vereinbarung“, meinte sie und lachte leise. „Unsere Chefin wird bald da sein. Bis dahin vergnüg dich doch etwas mit deiner Freundin. Dann beginnen die Verhandlungen“ Sie schloss die Tür auf und sofort stürzte ich hinein. Darin stand ein Stuhl, daran wiederrum war eine Frau gefesselt, welche aus dem Fenster hinaus starrte. Ich erkannte sie an ihrem feuerroten Haar! Neva! „Neva!“, rief ich sofort und stolperte nach vorn, doch bekam ich keine Antwort. Was hatte man ihr angetan? Vielleicht war sie ohnmächtig. Oder ruhig gestellt. Ich berührte die Lehne leicht, wobei sich der Stuhl etwas bewegte. So auch Neva, doch als ihr Kopf sich einfach von ihrem Körper löste und auf den Boden fiel, schrie ich auf vor Schock und sprang zurück. Nein! Das hatten sie nicht getan! Das war nicht en Teil der Abmachung! Ich schlug mir gegen den Kopf. Ich hätte diesen Leuten niemals trauen sollen! Zitternd kniete ich mich hin, musste mich zusammen reißen, nicht noch einmal loszuschreien, als ich den Kopf in meine Hände nahm. Er war eiskalt. Es war ein gezielter Schnitt gewesen, doch die Augen waren weit vor Schock geöffnet. Ein violettes Augenpaar starrte mir entgegen und zeugte von unglaublichem Entsetzen. Ich konnte nicht glauben, dass sie ihr das angetan hatten. … Moment mal. Violett? Neva hatte keine violetten Augen. Angewidert ließ ich den Kopf fallen, wobei er unter den Stuhl rollte. Was wurde hier gespielt? Wollte man mich schwächen, um leichter an meinen Kopf und somit an den Bund heran zu kommen? Ich hörte, wie sich Schritte näherten. Absätze klackten auf dem steinernen Boden und wurden immer lauter. Das musste also deren Chefin sein. Die konnte sich auf etwas gefasst machen. Ich ballte meine Hände zur Faust und wartete nur darauf, bis die Tür aufging, bevor ich mich umdrehte und losschrie: ….. oder zumindest wollte ich das, bis mir die Worte im Hals stecken blieben. Vor mir stand eine junge bildhübsche Frau. Goldene Augen sahen mich mit gespielter Wärme und Freundlichkeit an. Ihr Anzug war neu, frisch gewaschen und gebügelt. An ihrem linken Arm befand sich ein Holster mit einer Schusswaffe darin. Was aber am meisten herausstach …. Das waren ihre feuerroten Haare. „Neva …“, brachte ich geschockt heraus. Ich war verwirrt. Ich wusste nicht, was ich von der ganzen Situation halten sollte. Da kam ich her mit dem Gedanken, ich müsste Neva retten und es stellte sich heraus … dass sie diejenige hinter allem war? „Wie konntest du nur …?“ „Wie ich konnte?“, wiederholte sie meine Frage und kicherte. „Meine Liebe, wir Vampire verdienen es nicht, auf ein und derselben Ebene zu stehen wie ihr Menschen. Ihr seid Ungeziefer. Nichts weiter als wandelnde Blutbeutel und Sklaven, die auf uns hören sollten!“ Entsetzt wollte ich mir die Ohren zuhalten. Das musste ein Traum sein. Yakeno musste mit meinem Kopf gespielt haben, als wir bei ihm waren! „Oh Wynne. Wynne, Wynne, Wynne. Ich wollte nicht, dass es so weit kommt. Hättet ihr eure Nasen aus unserer Angelegenheit rausgenommen, wäre es auch nie dazu gekommen“ „Du steckst hinter allem. Hinter den verschwundene Dokumenten. Der vorbereitete Tote Briefkasten. Du hast das alles geplant“ „Schlaues Mädchen“, schnurrte sie, kam näher und fuhr mir mit ihren Fingernägeln über die Wange. Ich zuckte sofort zurück. Diese Berührung war zwar vertraut, aber diesmal zeugte sie nicht von Wärme. Die Neva, die gerade vor mir stand, war eiskalt. Und Mord stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Also hast du das deinem Bruder angetan …? Bist du in die Fußstapfen deiner Eltern getreten …? Und hast Yakenos Kopf so durcheinander gebracht, dass er denkt, er habe keine Schwester mehr, damit er nichts ausplappert?“ Verwirrt blickte sie mich an, bevor sie wieder lachte. Sie drehte mir den Rücken zu, legte beide Hände auf ihr Kreuz und umfasste ein Handgelenk mit der jeweils anderen Hand. So drehte sie ihre langsamen Runden durch den Raum, wobei das Geräusch, welches ihre Schuhe verursachten, regelrecht in meinen Ohren dröhnte. „Ach ja, Yakeno … Nun, die Sache ist die. Ich habe seinen kleinen Verstand zwar manipuliert, aber nicht in der Art und Weise.“ Sie blickte mich an. „Yakeno hat tatsächlich keine Schwester. Es war nur die perfekte Tarnung, da er mir nicht widersprechen konnte. Wie auch? Wer sagt denn Nein zu seiner eigenen liebevollen Mutter?“ Mutter?! Vor mir begann, meine gesamte Welt zu bröckeln. Alles, was die letzten Jahre geschehen war. Was wir zusammen aufgebaut hatten. Unsere Zusammenarbeit. Unsere Freundschaft. Neva stand uns nah. Und genau das hatte sie ausgenutzt. Sie wusste wohl auch von Anfang an, dass Vincent zum STT gehörte. „Ich seh‘ dir genau an, wie entsetzt du bist. Was, Neva? Du bildhübsche junge Frau bist bereits Mutter? Ja, ob man es glaubt oder nicht, Yakeno ist mein Sohn. Mein dummer, inkompetenter Sohn. Weißt du … da stand ich da, in einem Meeting und fand heraus, dass er eine sehr besondere und unglaublich brauchbare Fähigkeit besaß. Aber er hatte kein Training. Er wusste nicht, wie er mit allem umgehen sollte. Um sicher zu gehen, dass er keinen Blödsinn anstellte, musste ich mir eine Deckung aufbauen. Ich erfand Ishta Corps, meinen Vater und meine eigene Figur. Dass deine kleine Freundin so zutraulich war, kam mir gerade gelegen. Nur du. Du warst ein Dorn in meinem Auge, genau wie dein Bruder. Ihr verdammten Nachkommen von Adamantia.“ Sie fluchte vor sich her, kratzte über die Wand. „Wie dem auch sei … Yakeno entpuppte sich als ziemlich unbrauchbar. Nachdem ich es geschafft hatte, dank dem System von Insignia an einen Blutsdiener zu kommen und diesen in unser Versteck zu schleppen, wollte ich meinen Sohn weiter ausbilden. Er sollte lernen, seine Gabe zu nutzen um Menschen zu brechen und sie willig zu machen. Erst hatte ich gedacht, es hätte geklappt. Luc bot freiwillig sein Blut, um Yakeno damit zu befriedigen. Als er mir nichts geben wollte, dachte ich mir erst nichts daran. Vielleicht hatte er es ja geschafft, ihn so zu trainieren, dass er nur auf ihn hörte. Also nahm ich es mir mit Gewalt … oder zumindest wollte ich es. Aber sein Blut war Gift. Ich denke, du kannst Eins und Eins zusammen zählen“ Sie stoppte mit ihrer Erzählung und sah mich abwartend an. Ich musste nachdenken. Das ganze kam mir sehr bekannt vor. Blut, dass sich für Vampire in Gift verwandelte außer für einen? Das klang stark nach einem Seelenbund! Ich weitete die Augen und sah Neva an, wollte gerade etwas sagen, als sie zu lachen anfing. „Genau!“, schrie sie aus. „Mein idiotischer Sohn teilte sich den Seelenbund mit diesem ekelhaften Menschen. Was sollte ich also tun? Ihr seid es nicht wert, verwandelt zu werden. Also machte ich eine Prüfung daraus um zu sehen, ob Yakeno den Mut dazu hatte, einen ungehörigen Menschen loszuwerden. Es dauerte. Es dauerte sehr lang, meiner Meinung nach zu lang, bevor er den Körper des ach so armen Jungens in Stücke zerteilte. Oh, ich sah die Agonie in seinen Augen. Wie er schrie und wie ihm die Tränen über die Wangen liefen wie Bäche, als würde er einen Teil von sich selber zerstückeln. Naja … das tat er ja so gesehen auch. Und dann wurde er wahnsinnig. Das … Das, meine liebe Wynne, nutzte ich aus. Ich machte ihn gefügig“ „Du widerst mich an“, spuckte ich aus. Mit einem Mal empfand ich doch Mitleid für Yakeno. Er konnte nichts dafür. Vom Wahnsinn über den Verlust seines Seelenpartners und seiner eigenen Mutter getrieben blieb ihm nichts anderes übrig, als so zu werden, wie er nun war. Er war nichts weiter als eine Schachfigur in diesem Spiel, eine Marionette gehalten an Strängen, die sich langsam um seinen Hals schnürten. Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Die ganze Zeit empfand ich Wut auf die falsche Person. Sicher, er hatte unverzeihliche Dinge getan. Aber das Wieso … das verstörte mich am meisten. Ich blickte Neva wieder an, diesmal mit Zorn in meinen Augen. Sie musterte mich nur mit gehobener Braue und schmunzelte. Ich machte ihr keine Angst. Mein Blick ging zu ihrer Waffe, welche sie kurz daraufhin mit einem Kichern aus deren Holster zog und entsicherte. „Denkst du, du kannst mir Angst machen, Wynne?“, fragte sie mich rhetorisch. Natürlich konnte ich das nicht. Das hielt mich nicht davon ab, ihr den Hals umdrehen zu wollen. Wenn es nur so einfach wäre, einen Vampir zu töten. Bevor ich reagieren konnte stand sie schon vor mir und ich spürte, wie kalter Stahl an meinen Kopf gepresst wurde. Ich hielt inne, starrte in die mörderisch goldenen Augen meiner ehemaligen Freundin. Sie lächelte mich nur an. „Ach, meine Liebe …“, säuselte sie wieder los. „Es tut mir irgendwie schon leid. Ihr wart so nah dran und doch so weit weg. Und dann hattet ihr die Möglichkeit, das alles ohne Verluste hinter euch zu bringen. Aber nein … dass Yakeno euch verschonen wollte, konntet ihr nicht akzeptieren. Er wollte euch nicht töten, entgegen meiner Anweisungen. Ihr wolltet aber nicht aufgeben … also muss ich dir nun das Licht ausknipsen. Danach ist die Blutlinie von Adamantia am Ende.“ Kurz bevor sie den Abzug ziehen konnte, schlüpfte ich unter ihrem Arm hindurch. Neva jedoch, als Vampir, war schnell genug zu reagieren, sodass der Schuss, anstatt meinen Kopf zu durchbohren, in meinen Rücken ging. Ich schrie vor Schmerz auf und fiel auf den Boden. Die Frau hingegen türmte über mir, blickte auf mich herunter und drückte den Absatz ihres Schuhs in die Schusswunde, sodass ich ein weiteres Mal aufschrie. „Erbärmlich“, zischte sie. „Und hier stand ich, wollte nett sein und dir ein schnelles Ende bereiten“ Sie trat mir in die Seite, sodass ich keine andere Wahl hatte als auf den Rücken zu rollen. Das wiederrum verstärkte den Druck auf die Schusswunde. So viel zu meinem Training. „Was soll ich eigentlich tun, wenn mir jemand mit einer Waffe gegenüber steht? Eine Schusswaffe, meine ich“, fragte ich Vincent in einer der Pausen. „Nun, entweder zu betest zu Gott, dass derjenige scheußlich im Zielen ist oder du gibst einfach auf. Man legt sich mit niemanden an, der einen derartigen Vorteil hat“ Aufgeben war keine Option. Sorry, Vinc, aber diese Lektion muss ich leider vergessen. Ich versuchte, weg zu robben. Neva beobachtete mich dabei und legte den Kopf schief, während sie mit der Pistole in ihrer Hand spielte. Sie schaute ins Magazin, wie viele Schüsse sie noch übrig hatte. Ich musste irgendwie da ran kommen, aber dafür bewegte ich mich in die falsche Richtung. Und zur Hölle, ich hatte derartige Schmerzen, dass ich am liebsten ohnmächtig werden würde! Mir wurde bereits schlecht und ich hätte schwören können, mich fast zu übergeben als ich sah, wie die Rothaarige langsam begann, wieder auf mich zu zielen. Und dabei meinte ich quälend langsam. Sie machte sich einen Spaß daraus, das Entsetzen in meinem Gesicht zu sehen. Kaum aber hatte sie genug gezielt, schoss sie auch und diesmal traf es genau in meinen Abdomen. Es glich einem Wunder, dass ich nicht ohnmächtig wurde. Spätestens der Blutverlust würde mir mein Bewusstsein nehmen, aber die Schmerzen … ja, die nahmen langsam ab. Ich wurde wie taub. Meine Augen brannten, während sich Tränen ihren Weg nach draußen und über meine Wangen bahnten. Auf einmal wünschte ich mir, nicht so dumm gewesen zu sein versucht zu haben, abzuhauen und mich zu wehren. Sie war zu schnell, ich war für sie keine Herausforderung. Mit einem theatralischen Seufzen hockte sich die Vampirin neben mich, blickte mich an. „Das ganze schöne Blut … verschwendet …“, mit einem Finger fuhr sie durch die Lache, welche sich langsam unter mir bildete. Die Waffe hielt sie noch locker in der anderen Hand. Ich zitterte wie Espenlaub, aber … ich musste die Chance ihrer Ablenkung nutzen. Sie war sich ihres Sieges sicher. Eigentlich sollte ich das sogar gar nicht so lang überleben, aber aus einem mir unbekannten Grund war ich noch bei Bewusstsein. Das musste ich nutzen. Neva musterte ihre Fingerspitze verträumt, wehleidig. „Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich dich einfach leer gesaugt. Da du aber leider an Lecrune gebunden bist … na ja.“ Sie schmierte mein eigenes Blut an mir ab. Mit einem Schrei setzte sich mich in Bewegung, schmiss mein gesamtes Körpergewicht auf sie und nutzte das Überraschungsmoment, um ihr die Waffe aus der Hand zu reißen. Sie warf mich von sich zwar runter, aber wir waren in einer sehr eigenartigen Position: Der Lauf der Waffe war direkt auf ihren Kopf gerichtet und obwohl ich schon geschwächt war, schaffte ich es irgendwie, dies aufrecht zu erhalten. Kurz weitete Neva die Augen, bevor sie mich lauthals auslachte. „Willst du mich etwa umbringen?!“, kreischte sie und beruhigte sich gar nicht mehr. „Oh man! Du könntest mir nie etwas antun, Wynni!“ Damit traf sie einen Nerv von mir. Diese Worte hatte sie bereits einmal gegen mich verwendet. Ich war drauf und dran, eine Freundin zu töten. Nein … eine ehemalige Freundin. Eine Verräterin, die uns ausgenutzt hatte, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Und wenn ich gehen müsste, würde ich sie immerhin noch mit mir nehmen. „Und wie ich das kann“, murmelte ich leise, bevor ich den Abzug betätigte. In Filmen würde das ganze jetzt in Slowmotion passieren, doch vor mir lief alles in Realzeit ab. Die Kugel bohrte sich in ihren Kopf und warf sie nach hinten, sodass sie ebenfalls auf dem Boden landete. Anders als ich jedoch bewegte sie sich kein bisschen mehr. Ich dachte eigentlich, dass Vampire dadurch nicht getötet werden konnten … aber was soll’s. Es war mein Triumph. Schnaubend hievte ich mich irgendwie nach oben. Ich hielt mir die Wunde an meinem Bauch fest. Anscheinend hatte ich Glück gehabt und sie hatte keine lebenswichtigen Organe getroffen, weswegen ich mich noch bewegen konnte. Mein Blutverlust war wohl auch noch nicht so enorm. Schlürfend schleppte ich mich aus dem Zimmer, vollkommen in Trance. Jeder, der versuchte, sich mir in den Weg zu stellen, wurde zuerst bedroht. Wenn sie sich nicht bewegten, tötete ich sie einfach. Ich war kaum noch ich selber. Mein Kopf hatte abgeschaltet, nachdem ich den Abzug betätigt hatte, um Neva damit umzubringen. Ich spürte, wie Leute an mir vorbei rauschten. Irgendwie schaffte ich es nach unten und hinaus. Die kalte Lust traf auf meine offenen Wunden und ließ mich frieren. Ich hob den Kopf, jemand sprach zu mir, doch ich sah niemanden. Nichts als gähnende Leere auf den Straßen. Doch da war dieser Ruf, fast wie ein Schrei. Verzweifelt. Ich spürte Schmerz. Seelischen. Zitternd brach ich auf dem Bordstein zusammen, kurz bevor ein Auto in der Nähe hielt. Die dumpfen Geräusche einer Tür, danach spürte ich warme Hände auf mir. „Wynne!“, sprach man mich an, doch ich konnte nicht reden. Ich hatte meine Stimme verloren. Ich zitterte immer stärker, umklammerte die Waffe, mit der ich gemordet hatte. „Scheiße, du bist eiskalt. Vincent! Ich brauch eine Decke! ASAP!“ Langsam hob ich den Kopf, doch dieser fiel mir zuerst in den Nacken, bevor ich gegen die Person neben mir sackte. Ein Schrei entwich mir, als diese ausversehen eine Hand auf meine offene Wunde an meinem Bauch lebte. „Scheiße!“, hörte ich die Person fluchen, bevor ich in etwas eingewickelt und hochgehoben wurde. Langsam schlossen sich meine Augen. Nicht, dass sie noch zu etwas gut wären. Aber meine Kraft ließ immer mehr nach. Ich hatte sogar keine mehr, die Waffe festzuhalten, weswegen sie auf den Boden fiel. „Wynne, bleib wach, Bleib bei mir! hörst du mich?“ Es wurde etwas wärmer. Etwas umschloss meine Hand, drückte sie. Doch mein eigener Körper gehorchte mir nicht mehr. Alles wurde taub. So musste sich sterben anfühlen. Das Schweben in der Leere, in der Dunkelheit. Man spürte nichts mehr, gar nichts. Keinen Schmerz, keine Freude. Man sah nichts mehr. Der Körper war taub. Mein Körper war taub. Zumindest bis er anfing so zu schmerzen, als würde ich in Flammen stehen. Jede Faser meines Körpers reagierte, platzte fast vor Anspannung und Schmerz. Ich musste schreien wie am Spieß, hörte es aber nicht selber. Ich spürte nur, wie meine brennenden Stimmbänder strapaziert wurden. Alles brannte. Ich spürte nichts außer dieser Hitze. Fühlte sich sterben vielleicht doch eher so an? Aber ich sollte doch längst über die Phase des Schmerzes hinaus sein. Ich wollte flehen, mein Leiden zu beenden. Ich konnte nicht. Ich wollte nicht. Wieso musste man mir so etwas antun? Etwas drückte auf mich, hielt mich an Ort und Stelle. Redete man auf mich ein? Ich verstand keinen Ton. Vermutlich übertönte ich denjenigen auch mit meinen Schreien. Irgendwann war es endlich wieder vorbei. Doch die Leere löste sich langsam auf. Es wurde hell. Mein Körper aber war nicht mehr taub. Ich spürte meine Finger, konnte sie leicht bewegen. Auf was lag ich da? Es war weich, samtig. Vorsichtig und angestrengt bewegte ich meinen Kopf. Neben mir hörte ich mehrere Stimmen. Aufgeregt unterhielten sie sich. Ich wollte sie bitten, leise zu sein, doch fehlte mir die Kraft dazu. Ich war gerade mal dazu in der Lage, einen Finger und meinen Kopf ganz leicht zu drehen. Doch konnte ich genügend Kraft zu einem heiseren Murren mustern und die Personen verstummten. „Wynne!“, flüsterte jemand Atemlos und sofort spürte ich wieder diese Wärme um meine Hand. So angenehm. Ich schaffte es, die Wärme festzuhalten und musterte genügend Kraft, um meine Mundwinkel nach oben zu bewegen. „Spar dir deine Kraft, Wynne, bitte. Du bist noch nicht durch“ Durch? Was meinte die Stimme damit? Die Person streichelte mich sanft. Ich wusste, um wen es sich handeln musste und die Tatsache, dass er trotz unseres Streits und meines tonlosen Verschwindens bei mir war, freute mich. Er küsste meine Stirn und sprach beruhigend auf mich ein. Ich konnte nicht tot sein, wenn er so mit mir reden konnte. Und ich wollte mich wieder bewegen können, um in seinen Armen zu liegen. Ich musste mich immerhin noch entschuldigen … Als ich vollends zu mir kam, war es bereits dunkel. Ich öffnete zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit meine Augen und war froh, nicht in irgendein grelles Licht blicken zu müssen. Was mich wunderte: Trotz dessen, was ich durchgemacht hatte, fühlte ich mich nicht mehr besonders schwach. Viel bewegen tat ich mich dennoch nicht, denn als ich zu meiner Linken blickte, entdeckte ich einen mir nur allzu bekannten schwarzen Haarschopf. Dazugehörige Person hielt meine eine Hand fest umklammert, sodass ich immerhin die andere noch frei hatte, um ihm durch die Haare zu fahren. Doch diese Geste allein genügte, um ihn zu wecken. „Huh ..?“, machte er verschlafen, hob den Kopf und sah mich an. Sofort wurde er hellwach, legte beide Hände an meine Wangen und musterte mich ausgiebig. „Hay …“, flüsterte ich und lächelte ihn schwach an. Seine Daumen kreisten sanft über meine Haut, während er zu verarbeiten schien, dass ich wieder wach war. Mit einem Mal, wie von einer Tarantel gestochen, zuckte er nach oben zum aufrechten Sitzen und biss sich selber ins Handgelenk, damit es leicht blutete, bevor er es mir hinhielt. „Hier. Das brauchst du“ Verwirrt musterte ich ihn. Ich brauchte es? Für die Wundheilung? Ich blickte an mir herab, fasste an meinen Bauch. Da war doch alles okay, oder? Kurz darauf sah ich wieder Caleb an, welcher meinen Blick wehleidig erwiderte. „Es tut mir leid“, entschuldigte er sich mit brechender Stimme. „Ich musste es tun. Sonst wärst du gestorben“ Das verwirrte mich nur noch mehr. Was musste er tun? Weswegen entschuldigte er sich? Ich musterte das Blut an seinem Handgelenk. Der süße Geruch stieg mir in die Nase und ab da wusste ich genau, was er meinte. Um mich zu retten hatte er mich verwandelt. Zeitlich ging es gegen meine Vorstellungen, aber … „Es ist okay“, antwortete ich heiser und legte eine Hand an seine Wange. „Ich … wäre sonst gestorben, richtig?“ Er nickte mir zu und deutete wieder auf das Blut an seinem Handgelenk. Ich nahm jeden Mut zusammen, den ich noch hatte, obwohl der Anblick der roten Flüssigkeit Panik in mir verursachte. Er musste es gespürt haben, denn seine Gabe wirkte dagegen. Ich kannte dieses beruhigende Gefühl bereits. Zitternd hielt ich seinen Arm und legte die Lippen an seine Haut. Weil ich mich nicht traute, wartete ich darauf, bis das Blut in meinen Mund floss, um es letztlich zu trinken. „Du musst beißen“, redete Caleb auf mich ein und streichelte mir über den Rücken. Ich aber schüttelte weitestgehend den Kopf, ohne die Lippen von seinem Arm zu nehmen. „Irgendwann musst du es lernen“ Irgendwann ja, dachte ich mir, aber nicht jetzt. Man konnte mich die folgenden Tage nicht allein lassen. Immer wieder hatte ich Panikattacken, schrie vor Schmerz oder Angst. Albträume suchten mich Heim und manchmal hatte ich das Gefühl, ans Bett gefesselt zu sein, während über mir eine grässliche Gestalt schwebte, welche nur so darauf wartete, mir das Leben nehmen zu können. Caleb, welcher meine Gefühle durch den Bund mitbekam, nahm es besonders mit. Um selber nicht zu sehr zu leiden, machte er es sich zur Aufgabe, bei mir zu bleiben, auch während ich in psychiatrischer Behandlung war. Besuch durfte ich in der Zeit nur sporadisch empfangen. Dabei blieb er aber eine Ausnahme. Es dauerte Monate, bis ich zurück auf die Akademie durfte. Und selbst als ich das Bett verließ, brauchte ich noch Hilfe beim Laufen. Ich zitterte noch wie verrückt und mein Verlobter musste mich stützen, damit ich nicht einfach umkippte. Unsere Ankunft wurde angekündigt, sodass wir am Tor erwartet wurden. Alles war ganz langsam, man wollte mir keine Angst einjagen. Schnelle Bewegungen ließen mich noch immer zusammen zucken, weswegen jeder versuchte, mich vorsichtig zu begrüßen. Kira standen die Tränen in den Augen als sie mich in ihre Arme schloss und sie auch ihre Entschuldigungen murmelte. Ich entdeckte Sei unter den Anwesenden, so wie auch Elisabeth. Cécilia war anwesend … und die Direktoren. Vincent kam erst später dazu und erkundigte sich darüber, wie es mir ging. Ich redete die ersten Tage nicht viel. Ich nahm nicht einmal am Unterricht teil. Stattdessen verbrachte ich die Tage in Calebs Zimmer. Ich durfte … oder eher, ich musste bei ihm bleiben, weil man sonst nicht wusste, wie ich auf meine Umgebung reagieren würde. Ich war noch immer labil und hatte regelmäßig Besuche meines Psychiaters, um einige Sitzungen mit ihm abzuhalten und an meiner mentalen Stabilität zu arbeiten. Ich sollte mich öffnen, doch das war leichter gesagt als getan. Ich wurde zu einem schweigsamen Häufchen Elend. Nach meinem kleinen Gespräch mit Caleb in ‚wo auch immer wir da waren‘, hatte ich keinen Ton mehr heraus gebracht. Inzwischen hatte ich mich zum Glück daran gewöhnt, Blut zu trinken. Das Training überließ man ebenfalls meinem Verlobten. Seine Anwesenheit hatte auch ohne Gabe eine beruhigende Wirkung auf mich und ich empfand es als entspannend, ihm zuzuhören, wenn er über den Schultag sprach und sich beschwerte. Manchmal lächelte ich. Meine ersten Worte nach Monaten sprach ich auch zu ihm: „Ich liebe dich“ Verblüfft hatte er von seinem Monitor aufgeschaut, an welchem er gerade Aufgaben für die Akademie erledigte. Eine Weile starrte er mich an, bevor er nervös lachte, zu mir herüber kam, mich in den Arm nahm und mir dieselben drei Worte mit einem ‚auch‘ hintendran ins Ohr flüsterte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)