My bloody Soulmate von Thane ================================================================================ „Unser Geduldsfaden ist gerissen. Wir wollen eine Kompensation für die verlorenen Ressourcen“, las Vincent vom Zettel vor und zog die Augenbrauen besorgt zusammen. Neva musste etwas zugestoßen sein, denn die anderen hatten mir berichtet, dass sie nicht erst an diesem Tag verschwunden war. Irgendwann hat sie einfach aufgehört, am Unterricht teilzunehmen und niemand wusste, warum. Sie hatte niemandem Bescheid gegeben. Bislang hatten wir es geschafft, Neva aus der Sache rauszuhalten. Sie musste nun zum Opfer geworden sein, da sie Yakenos Schwester war. Scheiße. Ich kniff mir in den Nasenrücken, irgendwie rutschten wir in diesem Jahr von einem Extrem ins andere. Vincent musste sogar aufpassen, dass seiner Frau nichts zustieß, denn würde herauskommen, dass sie mit einem Mitglied des STTs verheiratet war, wäre sie ebenfalls im Visier des Widerstandes und der Feinde, die er im Allgemeinen angesammelt hatte. Während unseres Trainings, welches Elisabeth manchmal beobachtete, kamen wir des Öfteren ins Gespräch, um die Stimmung etwas zu lockern. Das geschah vor allem in den Pausen. Da meine Kondition noch am Ausbauen war, mussten wir immer mal wieder welche einlegen. Da kam auch seine Frau ins Spiel, denn diese hatte es sich zur Aufgabe gemacht, aus reiner Freundlichkeit mir immer eine kleine Erfrischung mitzubringen. So hatte ich in ein paar Gesprächen erfahren, dass die beiden bereits seit mehr als 200 Jahren verheiratet sind. Sie selber haben nur einen Altersunterschied von 6 Jahren und zu ihrer Zeit war es sogar unter den Menschen noch sehr üblich, jung zu heiraten. Um nicht aufzufallen, taten die Vampire es ihnen gleich, obwohl es auch viele von ihnen gab, die die Menschen wissen ließen, dass sie noch existierten. Das lag natürlich alles in der Vergangenheit. Schon früh hatte Vincent damit angefangen, für diesen Geheimdienst zu arbeiten. Je mehr die Technik voran schritt, desto einfacher wurde es natürlich für sie. Er war unter anderem dafür zuständig, Neulinge einzuweisen und auszubilden, weswegen es für ihn auch kein Problem war, mich zu trainieren. Er wusste, wie er mit mir umgehen musste, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Darum ging es aber gerade nicht. Mein Training musste verschoben werden, da es sich bei dieser Drohung vermutlich um Leben und Tod drehte. Sie mussten schnell handeln und das Mitglied des STTs setzte sich sofort mit den anderen Mitgliedern in Verbindung. Ich konnte nur daneben sitzen und zusehen, während sogar Caleb einer wichtigen Aufgabe nachging. Da er die letzten Jahre über nicht nur geschlafen hatte sondern auch daran arbeitete, seine Hackfähigkeiten weiter auszubauen, machte er es sich schnell ohne weitere Absprache zur Aufgabe, Informationen zu suchen und sich so nützlich zu machen. Meine Wenigkeit drehte Däumchen, unterhielt sich mit Elisabeth, wenn sie gerade Zeit hatte. Denn sie war momentan eigentlich nur in der Gegend, weil sie in der Nähe mehrere gebuchte Auftritte hatte und somit kam ihr diese Unterkunft sogar ganz gelegen. Vincent entschied sich dazu, die gesamte Schule nach Informationen über Neva abzusuchen. Wir begannen bei ihrem Platz, wo er in die Vergangenheit abtauchte und für etwa eine halbe Stunde nicht ansprechbar war. Es sah schon eigenartig aus, wie er da hockte, eine Hand auf dem Schreibtisch und tief in den Gedanken. Seine Augen waren dabei geschlossen, sodass er keine Ablenkung hatte. Er musste gerade wohl durch fünf Jahre Erinnerungen dieses Platzes gehen, so lange wie es dauerte. Und daraus natürlich noch brauchbare Informationen filtern. Viel konnten wir nicht tun, meist ging er allein los und sammelte Informationen. In der Zwischenzeit gingen wir entweder zum Unterricht, ich machte, wenn ich Zeit hatte, meine Übungen und sammelte auf meine eigene Art und Weise nach Informationen. Kira verständigte Sei, fragte nach irgendwelchen Neuigkeiten, einfach ob er etwas gehört hatte. Leider musste er es verneinen, versprach aber, die Augen offen zu halten. Die Direktoren verständigten und ebenso über jede Kleinigkeit, jede auffällige Bewegung, doch nichts davon brachte uns weiter. Wir schienen in einer Sackgasse und die Zeit lief uns davon. An einem doch recht zufälligen Nachmittag wurden Caleb und ich von dessen Eltern kontaktiert. Wir sollten angeblich in einen extra hergerichteten Chatroom eintreten und uns mit jemanden in Verbindung setzen. Verwirrt starte ich den Computerspezialisten unter uns an. Wer sollte denn etwas von uns wollen? Sofort machte sich der Schwarzhaarige daran, sich in diesen Chatroom einzuloggen, während ich mir einen Stuhl holte, um mich ohne Probleme neben ihn zu setzen. Wie ich erfuhr, hatte ein Angestellter der Familie Harrison diese Kontaktmöglichkeit vor einigen Jahren entwickelt, damit die Familien untereinander leichter Nachrichten austauschen konnten. Diese waren zudem geschützt vor neugierigen Blicken und man konnte nicht so einfach darauf zugreifen, denn jede Nachricht wurde extra von der Firma, in welcher Lucian arbeitete, verschlüsselt. Und wir alle wussten, dass deren Codes ziemlich zuverlässig sein konnten, wenn nicht gerade ein Maulwurf mit an diesen gearbeitet hat. Caleb musste ein unnötig langes Passwort eingeben um in sein Profil zu kommen und selbst da musste er noch eine Bestätigung hinter sich bringen, bevor er vollkommen Zugriff darauf hatte. Ich starrte auf den Bildschirm: Eingehende Videochatanfrage von Hollys. Hollys? Wir kannten niemanden mit diesem Nachnamen. Die Diener der Familien hatten keinen Zugriff auf dieses Programm und keiner der Familien hieß Hollys, geschweige denn eines der Kinder. Wir waren uns beide nicht sicher, ob wir es annehmen sollten. Seine Eltern meinten zwar, dass es dringend sei, aber hätten sie uns nicht verraten können, um wen genau s sich handelte? Seufzend nahm Caleb an, nachdem wer auch immer dahinter war nicht aufgab. Das Problem war nur, dass die Person noch etwas warten müsste, bevor sie uns sehen konnte. „Hallo?“, ertönte es von der anderen Seite, doch war kein Bild zu sehen. „Funktioniert das?“ Damit der Vampir in Ruhe suchen konnte, machte ich es mir zur Arbeit, zu antworten. So tippte ich sofort, dass wir die Frau, was man offensichtlich an der Stimme erkannte, zwar hören, aber nicht sehen könne. Sie fluchte kurz und man hörte Geraschel, bevor sie einen Namen rief. „Roland!“ Der Name kam mir gefährlich bekannt vor. „Du solltest das Ding doch einrichten! Kannst du nicht Einmal nicht zu dumm sein, etwas zu tun?“ „Red nicht so mit mir, sonst kapp ich die Verbindung. Du wolltest mit den Blutsaugern reden, nicht ich“, kam es sofort zurück. Diese Stimme kannte ich ebenso! Und noch bevor die Kamera unserer Gegenüber anflickerte wusste ich auch wieder, um wen es sich handelte. Roland war dieser Vampir, welcher vor einiger Zeit uns besucht hatte und uns das Zeitlimit stellte. Er erwartete, unser Problem in dieser kurzen Zeit zu lösen. Ob sie uns kontaktierten um herauszufinden, wie weit wir bereits waren? Ich fluchte innerlich vor mich her. Wir hatten noch nichts außer eine verschollene Freundin, was sogar sogesehen ein Schritt zurück war. Das Bild unseres Chatpartners erschien. Ein vorgebeugter Mann, Roland natürlich, und dahinter eine doch eher zierlich wirkende Frau, welche neugierig auf den Monitor starrte um zu beobachten, was genau er da machte. Sie winkte als sie bemerkte, dass die Kamera endlich funktionierte und lächelte hinein. Roland verdrehte genervt die Augen und wandte sich mit einem ‚Hier hast du‘ zum Gehen, wobei er kurz aufgehalten wurde und einen Kuss auf die Wange bekam. Ich verzog das Gesicht, was man zum Glück nicht sehen konnte, da Caleb auch gerade erst dabei war, die Kamera einzurichten. Mir hatte er derweil ein Mikrophon gegeben, um immerhin mit ihr sprechen zu können. „Also!“, fing die Frau mi weißgoldenen Haaren an und klatschte in die Hände. „Ihr könnt euch bestimmt vorstellen, warum ich euch kontaktiere. Mein Mann hatte keine Lust dazu, da es ihn nicht stören würde, den Vertrag endlich auflösen zu können. Aber ich finde, dass unser friedliches Zusammenleben wichtig ist“ Sie musste eine der Gestalten sein, die nichts gesagt hatte. Oder sie war an dem Tag gar nicht erst mitgekommen. Vor allem war sie viel zu freundlich um die Frau dieses unausstehlichen Arschlochs zu sein! „Das freut mich zu hören, jedoch …“, fing ich an und sah, wie nun auch unser Bild auf dem Monitor erschien. Jetzt konnten wir uns gegenseitig sehen und Caleb setzte sich wieder neben mich, nahm das Mikrophon vorsichtig an sich, um das Reden zu übernehmen. „Willst du die Wahrheit hören oder eine verschönerte Lüge?“ „Ich bitte euch, Ich möchte euch nichts Böses. Ich habe sogar vielleicht ein paar Infos für euch, die euch weiter helfen könnten“, meinte die Frau und legte ihre Hände auf den Tisch, als wäre sie gerade bei einem Verhandlungsgespräch. Mein Vampir verleierte kurz die Augen, bevor er sich nach vorn beugte und ebenfalls auf dem Schreibtisch aufstützte. „Wir haben so gut wie nichts. Außerdem wurde eine unserer Schülerinnen entführt-„ „Neva Ishta“, beendete der Engel den Satz und wir beide blickten sie erstaunt an. Oder eher, wir starrten ihr Bild in dieser Manier an. Sie kannte Neva? Woher? Wie konnte es sein? „Wir haben einwenig Recherche betrieben. Neva Ishta ist mit Yakeno, dem geglaubten Anführer des Widerstandes, verwandt. Wir vermuten, dass der wirkliche Anführer etwas mit beiden zu tun hat.“ „Ein weiterer Verwandter?“, munkelte Caleb sofort drauf los und blickte dabei nachdenklich auf den Holztisch. „Vielleicht“, meinte die grazile Frau und lehnte sich zurück. „Es ist nur eine Annahme. Es könnte aber auch sein, dass sie mit dem Anführer selber in einer anderen Art und Weise zu tun hat“ Diesmal nahm ich das Wort an mich: „Du meinst doch nicht damit, dass es ein Freund, ihr Freund, oder noch schlimmer, Verlobter oder Mann sein könnte?“ Auch wenn das Letzte gar nicht sein könnte. So, wie sie nach Liebe suchte, konnte sie nicht verheiratet oder verlobt sein. Außer sie war unglücklich damit. „Moment. Wenn Letzteres der Fall sein sollte … Dann hätten sie ein Motiv, Neva zu entführen. Ich kann mir vorstellen, dass die Firma, welche ihr Vater leitete, finanziell vom Widerstand unterstützt wurde. Im Gegenzug dazu bekamen sie Yakeno mit einer wirklich mächtigen Fähigkeit und seine Schwester, um etwas gegen den Jungen und deren Vater in den Händen zu haben. Vielleicht hat seine Angst um seine Schwester ihn dermaßen verrückt gemacht“ Nervös trommelte ich mit den Fingern auf dem Schreibtisch herum. Wenn das stimmte, würde das bedeuten, dass Neva in großer Gefahr war. Die Firma ihres Vaters war so gut wie im Ruin und ihr Bruder eingesperrt, niemand konnte es verhindern. Und niemand könnte ihn von dort rausholen, wo er gerade steckte! Ich schnalzte meine Zunge und kniff mir in den Nasenrücken. Scheiße, was sollten wir nur tun? „Vielleicht solltet ihr versuchen, die Kontakte ihres Vaters ausfindig zu machen. Für uns ist der Mann leider unantastbar … oder eher, unauffindbar. Entweder hat der Widerstand ihn schon ausradiert und jegliche Spuren verschwinden lassen, oder er hat selber reiß aus genommen. Das heißt es dürfte eine ziemlich komplizierte Schnitzeljagd werden“ Der Blick der Frau war fast wehleidig. Ich schätzte es sehr, dass sie versuchte, uns zu helfen. Ihr Mann hätte es definitiv nicht getan und der Tipp, ihren Vater ausfindig zu machen, war recht wertvoll. Vielleicht sollten wir auch versuchen, ihren Bruder zu befragen. Er könnte nützliche Informationen für uns besitzen. Wir redeten nicht mehr lang, vor allem da ihr Mann nervig wurde und verlangte, dass sie dieses Gespräch endlich beende. Wir verdrehten nur unsere Augen, mit einer Entschuldigung verabschiedete sie sich letztlich von uns und wünschte uns noch viel Glück auf unserer Suche. Unglaublich froh zu wissen, dass wir wenigstens eine Verbündete bei den Engeln hatten, wandte ich mich zu Caleb. „War doch ein interessantes Gespräch“, meinte ich nur. „Und es hat uns ein paar Anregungen gegeben. Ich werde mit Vincent reden“, gab er hinzu und ich nickte ihm zu. Wir mussten jeden Schritt mit dem anderen absprechen sonst gerieten wir in das Problem hinein, aneinander vorbei zu arbeiten und vielleicht denselben Schritt zwei Mal zu gehen. Das wollten wir tunlichst vermeiden. An einem längeren Wochenende besuchten wir Leiah, welche ich eine ganze Weile nicht sehen konnte. Im Gegensatz zum ersten Mal, als ich sie traf, sah sie schon viel besser aus. Ihre Haare waren nun etwas länger, wenn auch noch immer sehr zerzaust und unordentlich, da sie ihre Anfälle nicht unter Kontrolle hatte. Apropos Anfälle: Diese hatten immer mehr nachgelassen, ganz zur Überraschung ihrer Ärzte und der Wissenschaftler, welche sie ab und zu besuchen kamen. An dem Wochenende, an dem Caleb und ich sie endlich wieder trafen, war gerade einer ihrer Ärzte vor Ort und begrüßte uns herzlich. Freudig umarmte Leiah mich, als sie mich sah. Ich erwiderte die Umarmung meiner baldigen Schwägerin und lächelte sie an. „Wir geht es dir?“, fragte ich sie und musterte sie kurz. Sie sah besser aus als an anderen Tagen, hatte keine Augenringe was hieß, dass sie gut geschlafen hatte. Während der Umarmung hatte ich auch gespürt, dass ihr Puls normal war. Dinge, die ich erst mit der Zeit mir antrainiert hatte, bei ihr zu beachten. „Gut!“, gab sie zurück und lachte leise. Sie stellte mir ihre Ärztin Fyona vor, welche uns mit einem Lächeln begrüßte. Sie schien neu zu sein, selbst Caleb war verwirrt über die neue Dame. „Ich wusste nicht, dass wir jemand Neues eingestellt haben“, meinte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Momentan konnten wir nicht vorsichtig genug sein, immerhin war es schwierig, Freund von Feind zu unterscheiden. Kurz blickte uns die Frau verwirrt an, bevor sie ihre Hände in Verteidigung hob. „Oh, Eure Eltern haben mich schon überprüft! Ich bin eigentlich nur der Ersatz für meinen Mann, welcher momentan mit der Tageskrankheit ans Haus gefesselt ist.“ Ah, die Krankheit, welche verhinderte, dass Vampire in der Sonne gehen konnten. Trotz ihrer Erklärung blieb Caleb weiterhin misstrauisch und entschuldigte sich kurz, um einen Anruf zu tätigen. Er wollte definitiv seine Eltern anrufen, was ich auch als weise ansah. Die Ärztin hatte nur freundlich genickt und gemeint, er könne es ruhig tun, wenn er sich unsicher war. Sie wusste um die Umstände und verstand ihr Misstrauen. Die Angestellten der Lecrunes mussten also alle eingeweiht sein. „Jedenfalls!“, erhob Fyona wieder ihre Stimme und sah diesmal zu mir. „Ich möchte eine doch sehr interessante Kenntnis mit euch teilen! Deswegen bin ich gerade noch hier. Eigentlich wollte ich gehen, aber ich dachte, es könnte euch etwas helfen. Und vielleicht Hoffnung geben“ Ich sah zu Leiah. „Ist das der Grund, warum du so glücklich bist?“, fragte ich sofort nach. Sie nickte mit zu und klatschte aufgeregt in die Hände. „Unter anderem! Außerdem freue ich mich, mal wieder von euch Besuch zu haben. Wegen der doofen Schule seh ich euch ja so selten und trotz dessen, dass es mir besser geht, darf ich das Anwesen momentan nicht verlassen“ Ein grausames Leben meiner Meinung nach. Ihr Verstand hing am seidenen Faden, manchmal riss dieser, bevor er sachte wieder zusammen gebunden werden musste. Und deswegen war es nicht sicher für sie, sich lange draußen aufzuhalten, da sie in Gefahr lief, sich weh zu tun. Mitten auf der Straße zusammen zu brechen würde kein gutes Licht auf sie werfen und sie vermutlich weiter in den Wahnsinn treiben. „Nun, ich denke mal, Ihr könnt Euren Verlobten ebenfalls darin einweihen, wenn er fertig mit dem Telefonat ist. Ich habe leider nicht mehr viel Zeit“, meinte die Ärztin und tippte mit einem Finger auf die Uhr an ihrem linken Handgelenk. „Wir haben herausgefunden, dank euch, dass es möglich ist, einen Einfluss auf den Wahnsinn zu haben. Das bedeutet, je nachdem, wie man einen Wahnsinnigen behandelt, können die Symptome zurückgehen oder sich verstärken. Bei unserer Patientin hat sich heraus gestellt, dass eure Anwesenheit und Hilfe dazu geführt hat, dass ihre Anfälle abnahmen und sie sogar anfing, sich wieder freiwillig zu ernähren.“ „Und ich wünsche mir nicht mehr so oft, tot zu sein“, fügte Leiah hinzu, wobei mir ein Schauer über den Rücken lief. Es war zwar gut, aber wie sie es einfach aussprach gab mir Gänsehaut. Aus Gewohnheit wollte ich sie glatt in den Arm nehmen, doch Fyona sprach weiter. „Das heißt, wir gehen davon aus, dass man den Wahnsinn sowohl positiv als auch negativ beeinflussen kann. Einige von uns haben, um ehrlich zu sein, sich diesen Ishta angeschaut und … nun ja. Wir vermuten, dass es sich bei ihm auch um eine Form des Einflusses ist“ „Mooooment mal!“, unterbrach ich die Ärztin mit gehobener Hand. „Soll das heißen, Yakeno hat seinen Seelenpartner verloren? Yakeno hatte einen gebundenen Seelenpartner?!“ Denn dieser Wahnsinn trat nur auf, wenn man den Bund bereits eingegangen war! Was zur Hölle? Hatte man den Jungen manipuliert, ihn so gebogen, dass er das machte, was der Widerstand wollte? Vielleicht hatte man seinen Seelenpartner sogar eine Weile lang benutzt, um ihn zu erpressen und als es nicht fruchten wollte, tötete man ihn einfach und nutzte den Wahnsinn, um Yakeno zu brechen. Sie brachen ihre eigenen Leute, zerstörten ihren Verstand, nur, weil sie deren Fähigkeit brauchten! Ich hatte das Bedürfnis, etwas (oder jemanden) zu schlagen. Der Widerstand ekelte mich immer mehr an. Dass sie Menschen brachen war ihnen wohl nicht genug. Sie mussten sogar ihre eigenen Leute gefügig machen, mit Erpressung und regelrechter Zerstörung, weil sie zu unfähig waren, andere auf normale Art und Weise auf ihre Seite zu ziehen. Sie verloren anscheinend Anhänger! „Wie es scheint, ja. Jedoch ist es extrem schwer, mit ihm zu sprechen, da seine Aussetzer ein Ausmaß angenommen haben, wo man so gut wie nicht mehr mit ihm sprechen kann. Er reagiert zwar auf Fragen, antwortet aber nur mit gebrochenen Sätzen. Keine Chance“ Fyona zuckte mit den Schultern. „Er zeigt aber die typischen Anzeichen, welche auch Miss Lecrune am Anfang zeigte. Schreien, Weinen, Lachen. Manchmal alles gleichzeitig. Rausreißen von Haaren, Aufkratzen der Haut, verkrampfen. Rollen auf dem Boden. Es mussten ihm sogar Gegenstände weggenommen werden, damit er sich nicht umbringt“ Hatte ich davon nicht zum Teil sogar schon gehört oder kam mir das nur so vor? Ich hörte gespannt zu, denn die Ärztin schien sehr davon überzeugt, dass es sich um den durch den Verlust des Seelenpartners ausgelösten Wahnsinn handelte. Das würde … das würde einiges erklären. Aber wie kam es dann, dass er sich nicht selber das Leben genommen hatte, sondern danach dürstete, jemand anderen umzubringen? Aber die Ärztin hatte mir einen Denkanstoß gegeben. Man kann doch noch mit Yakeno reden. Zwar antwortete er nur gebrochen, aber er könnte uns ein paar Anhaltspunkte geben. Immerhin musste er mit der Person in Kontakt gestanden haben, welche in Auftrag gegeben hat, Neva zu entführen. Und das könnten wir nutzen. Wir verbrachten das Wochenende noch bei Leah, unternahmen ein paar Ausflüge mit ihr wenn es ging, meistens hingen wir aber im Anwesen und schauten Videos oder Filme, gelegentlich spielten wir sogar Videospiele und ich wies sie nun endlich nach mehreren Jahren in Downlook ein. Es hatte eine therapeutische Wirkung auf sie wie es schien, denn trotz dessen, dass sie lange spielte, zeigte sich kein Anflug von einem Anfall. Sie war so sehr konzentriert darauf, dass es sie wohl ablenkte. Ich wusste doch, dass Zocken zu etwas gut war. Das mussten wir den Ärzten sagen, denn ich konnte mir gut vorstellen, sollte man Leiah endlich etwas mehr spielen lassen, da sie nun auch die Ausdauer dazu hatte, könnte sich ihre Lage weiterhin verbessern. Und vielleicht, nur vielleicht, würde sie bald gar keine Anfälle mehr haben. Oder nur noch so vereinzelt auftretende, dass es keine große Sache mehr war. Mit Vincent machten wir aus, einen Ausflug in die Strafanstalt der Vampire zu machen. Es war eine Art Hochsicherheitsgefängnis und je gefährlicher die Vampire waren und je höher die Straftat ausgefallen war, desto tiefer wurden sie hinein gebracht. Als Anführer eines der renommiertesten Teams der STTs war es Vincent möglich, selbst zu den letzten Räumen Zugriff zu erhalten. Wir durften als Begleitung mitkommen, doch mussten wir aufpassen. Da Yakeno nicht in der Verfassung war, länger als drei Minuten aufrecht auf einem Stuhl zu sitzen, wurden wir in seiner Zelle empfangen. Und der Anblick war wahrlich kein schöner. Er kniete da, den Kopf gesenkt, die Haare hingen ihm bereits lang ins Gesicht. Über die Arme verteilt konnte man blutige, teils verkrustete Kratzspuren ausmachen, an einigen Stellen hatte er blaue Flecken, vermutlich weil er mehrmals gegen die Wände gerannt ist. Er zuckte als würde er schluchzen, doch kam kein Ton von ihm. Man hatte ihm die Hände nicht verbunden, dafür war er aber an den Füßen festgekettet, sodass wir am anderen Ende des Raumes sicher waren. Langsam, nachdem sich die Tür hinter uns geschlossen hatte und nur das kleine Licht den Raum erhellte, hob er den Kopf und starrte und mit blutunterlaufenen geweiteten Augen an. Seine Fratze verzog sich von einen vorher noch überraschten Ausdruck in ein hämisches Grinsen. „Wenn das nicht mal die Schlampe, ihr Schoßhündchen und der Spast vom STT ist!“, sprach er aus und spuckte in unsere Richtung. Oder zumindest, er versuchte es, denn kaum machte er die Bewegung, fiel er vor Schwäche vorn über und röchelte. Ich konnte sehen, wie etwas Blut aus seiner Nase lief. Aus Reflex versteckte ich mich hinter Caleb, sah an seiner Seite vorbei zu Yakeno. Ich hatte tatsächlich Angst vor ihm, mein Herz raste wie verrückt. Mein Verlobter sah mich kurz an und griff nach meiner Hand. Ich spürte, wie eine Welle der Ruhe mich überkam. Er nutzte seine Fähigkeit um mich zu beruhigen. „Es bringt nichts, Angst zu bekommen, wenn wir ihn ausfragen wollen“, meinte er nur während Vincent zu dem Vampir rüber ging, ihn am Kragen packte und aufrichtete. Sein stählerner Blick bohrte sich in den von Yakeno, welcher nur lachte und so weit es ging hin und her wippte. „Du hörst den beiden jetzt zu und beantwortest ihre Fragen, hörst du?“, zischte er ihn an. Der andere lachte laut auf, hob sie Hände und umklammerte das Handgelenk des Brünetten, welcher sich davon aber nicht einschüchtern ließ. Ich im Gegenzug wäre schon längst durchgedreht und wäre vermutlich in Tränen ausgebrochen. „Wenn ich es kann!“, schrie Yakeno und kratzte Vincent, woraufhin er kurz geschüttelt wurde und Würggeräusche von sich gab. Als ob er sich davon wirklich übergeben würde. „Wir wollen wissen, wer etwas im Widerstand von deiner Schwester will“, übernahm Caleb das Sprechen und ich war froh darüber, dass er mitgekommen ist. Wie er meinte, ich musste nicht immer die Starke spielen wenn ich Leute hatte, auf die ich mich verlassen konnte. Und er hatte oft genug bewiesen, dass er eine großartige Stütze und Unterstützung für mich war, weswegen ich mich darauf verließ, dass er das hinbekommen würde. „Meine Schwester?“, wiederholte Yakeno überraschend ruhig, bevor er wieder in Gelächter und Geschrei ausbrach. Diesmal riss er sich aus Vincents griff und knallte auf den Boden. „Es gab nie eine Schwester! Ich habe keine! KEINE KEINE KEINE!“ „Wir reden hier von Neva!“, mischte ich mich diesmal ein. Was sollte das bitte heißen, keine Schwester?! Jemand musste sein Gedächtnis verdreht haben! „Nein nein nein nein! Keine! Keine Keine! Nie da! Nirgends! Nur Lügen verbreitet! Wahnsinnig! Wütend! Keine Schwester! Verrückte!“ Er schaffte es nicht mehr, in Sätzen zu antworten und begann, seinen Kopf gegen die Wand zu schlagen. Tränen rannen über seine Wangen, während er immer wieder ‚Keine‘ schrie. Panisch umklammerte ich Calebs Hand, diesmal schaffte auch er es nicht, mich mit seiner Gabe zu beruhigen. Vincent herrschte uns an, die Zelle zu verlassen und holte sofort einen Arzt, um Yakeno eine Beruhigung zu verlassen. Wenn der Wahnsinn mit dem Tod seines Seelenpartners zu tun hatte, wieso ließ man ihn dann eigentlich am Leben? War es seine Strafe? Wurde er Teil des Experiments? So oder so empfand ich es als sehr grausam, selbst für den armen Tropf. Aber seine Aussage verwunderte mich dennoch. Wieso schrie er, er habe keine Schwester? Hatte man sein Gedächtnis verdreht, sodass er Neva vergessen hatte? Sie mussten wirklich nicht wollen, dass wir die Vampirin fanden. Stellte sich nur die Frage, warum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)