My bloody Soulmate von Thane ================================================================================ Wir hatten das, was wir brauchten. Oder zumindest einen Teil davon. Wir mussten nur noch aufpassen, dass den Daten, die wir erhascht haben, nichts passierte. Mit äußerster Vorsicht nahmen wir die Festplatte und brachten sie ins Büro der Direktoren, um dort die Listen auszudrucken und den Männern vorzulegen. Insgesamt hatten wir uns nicht nur die Liste mit den Namen der Gefangenen geschnappt, sondern auch die mit den Namen ihrer Ziele und ihrer Spione an unserer Schule. Jedoch leider alle mit einem Code versiegelt, den wir erst einmal knacken müssten. Und meiner Erfahrung nach kannten wir keinen, der darin begabt war. „Jedenfalls“, fing ich an und nahm mir die erste und wichtigste Liste zur Hand. „Hier sind die Namen von Rika und Lexa zu finden, zusammen mit einem Wirrwarr aus Zahlen, Zeichen und Buchstaben, mit dem wir nichts anfangen können. Vermutung: Es handelt sich um einen Code, der den Standort der Gefangennahme verrät. Sollten wir diesen Knacken können, wäre es uns möglich, auch die Maulwürfe unter uns ausfindig zu machen und diese Gefahr auszuradieren, ohne jemand anderen an den Spieß liefern zu müssen“ So wie Caleb es wollte, wäre keiner von uns in Gefahr, auch ich nicht. Eher im Gegenteil, diese Schriftstücke brachten uns den letzten Schritt, den wir benötigten. Sollten wir es schaffen, die Adressen herauszufiltern, könnten wir nicht nur die Vampire retten, sondern den Widerstand stellen. Wir hätten endlich gewonnen. Lucian, welcher es sich auf dem Sofa der Direktoren gemütlich gemacht hatte, blickte uns mit gehobener Augenbraue an. Ein paar Strähnen seiner blonden Haare hingen ihm ins Gesicht. Was ich herausgefunden hatte – An sich war er nicht das Arschloch, das er momentan mimte. So ziemlich im Gegenteil sogar, doch dadurch, dass seine Verlobte in Gefahr war, wollte er keine Zeit verlieren. Verständlich. Ich würde es auch hassen, untätig dazusitzen, während Caleb’s Aufenthaltsort mir unbekannt und er in den Klauen des Feindes wäre. Die Vorstellung allein war schon sehr … sehr unangenehm. „Damit wollt ihr uns also sagen: Das Einzige, was uns davon abhält, das alles zu beenden, sind ein paar lächerliche Codes?“, der Blonde beugte sich leicht nach vorne und stützte sich auf seinen Oberschenkeln ab. Caleb und ich sahen uns gegenseitig an, während die anderen genau wussten, worauf der Vampir hinaus wollte. Keiner von uns zweien kannte den Rest gut genug um zu wissen, ob irgendjemand ein verstecktes Talent oder sonstiges hatte. Vielleicht die Fähigkeit, Codes sofort zu entschlüsseln? Das wäre natürlich perfekt, aber Lucian klärte uns gleich auf, was er damit meinte: „Ich arbeite für eine Firma, die Daten verschlüsselt. Zeigt mal her“ Ich fasste in meine Tasche und fischte den Ordner mit den Informationen heraus. Bevor ich diesen aushändigte, öffnete ich die Seite mit den gewünschten Daten und überreichte es schließlich dem Vampir, welcher mit den Augen kurz die Zeilen überflog. „Das sollte sogar noch einfacher werden als gedacht. Um ehrlich zu sein, hat ein Freund von mir an diesem Code mitgearbeitet. Es wird wohl bald jemand aus unserer Firma entlassen“, meinte er und fing wieder von oben an zu lesen. „Gebt mir ein paar Tage, dann sollte ich es haben. Natürlich melde ich mich vorher nochmal“ Neben uns klatschte jemand langsam in die Hände. Miss Lecrune, welche zusammen mit ihrem Mann das ganze Spektakel eher still beobachtet hatte und sich nicht einmischen wollte, lächelte uns an. Ich verstand ihre Reaktion noch nicht ganz. Wir hatten zwar einen kleinen Schritt erreicht, aber das Wichtigste müsste nun Lucian übernehmen, damit wir überhaupt etwas damit anfangen konnten. „Das habt ihr schon gut gemacht. Zusammenarbeit ist äußerst wichtig, das Austüfteln eines Planes ebenfalls. Ich denke, ihr werdet das ganze meistern. Nicht wahr, Schatz?“ Die Dame drehte sich mit einem nun eisigen Lächeln zu ihrem Ehemann um, welcher seinen schwarzen Schopf schnell hob, unsere Gruppe kurz musterte und dann einen Daumen nach oben zeigte. „Klasse Unterstützung, Dad“, meinte Caleb nur und schüttelte mit einem leichten Grinsen den Kopf. Dad? So hatte ich den Vampir auch noch nie seinen Vater anreden hören. Ich wusste nicht einmal, wie genau die Familie zueinander stand. Waren sie sich nahe? Verstanden sie sich gut? Dass die Eltern ihrem Sohn viel aufhalsten war mir bekannt, immerhin musste ich ihm helfen, den ganzen Mist auszubaden und zu bearbeiten. Aber das war auch nötig, um ihn auf die harte Realität nach seinem Abschluss vorzubereiten. Neben den paar Dingen und dem kurzen Umgang mit den beiden Älteren wusste ich nichts von ihnen. Xenia Lecrune kam mir freundlich vor, aber unter ihrer Fassade versteckte sich eine durchsetzungsfähige und hartnäckige Frau. Und Antoine Lecrune? Mit seiner kalten und einschüchternden Art hatte er sich den Respekt von vielen Schülern erarbeitet, gleichzeitig hatten aber auch viele Angst vor ihm. Wenn ich mir das Ehepaar aber so ansah, erkannte ich auch, dass er seiner Frau kaum widersprach und ihr nie ins Wort fiel. In der Beziehung musste sie also die Ansagen machen, wobei sich der Mann dennoch nicht sonderlich unterdrückt vorkam. Oder war es eher eine Zusammenarbeit, so wie man sie von mir und Caleb erwartete? Ich sah kurz zu meinem Vampir, welcher einiges mit Jonathan und Lucian besprach. Es ging um Trivialitäten, auf die ich mich nicht konzentrieren musste. Über das nun fast vergangene Jahr hatte er eine ziemliche Entwicklung gemacht – Vom unausstehlichen und egozentrischen Arschloch, welches sich gerne in den Mittelpunkt der Klasse stellte, hin zu einem, welcher bald den Platz des Oberhauptes der Familie Lecrune einnehmen konnte. Es steckte zwar noch viel Arbeit dahinter, bis er tatsächlich für diese Bürde geschaffen war, aber ich konnte mir gut vorstellen, dass wir das schaffen würde. Und ich würde ihm dabei weiterhin so gut wie es ging unter die Arme greifen, ohne mich würde er sowieso in Arbeit versinken. Kurz blickte ich zu den anderen beiden, dem jungen und dem ebenfalls baldigen Oberhaupt zweier wichtiger Familien. Beide stachen nicht mit den Merkmalen eines Urvampires heraus, aber sie strahlten dennoch eine unglaubliche Kraft aus. Selbst Jonathan, welcher auf den ersten Blick eher schüchtern und unbeholfen wirken kann, legte bei Diskussionen eine Maske auf sein Gesicht, welche einen von sich aus dazu brachte, ihn ohne zu hinterfragen ernst zu nehmen. Seine Angewohnheit, nicht lügen zu können, blieb dabei aber erhalten. Eine angenehme Eigenschaft meiner Meinung nach. Der Braunhaarige verschränkte die Finger ineinander und heftete seinen Blick auf die ihm gegenüberliegende Wand. „Ich werde in den Tagen ein paar meiner Männer kontaktieren. Sie werden uns bei der Suche begleiten“, meinte er und nickte sich selber dabei zu, um seine Aussage für sich noch einmal zu bestätigen. Bald wäre es also soweit und wir würden ihnen endlich das Handwerk legen. „Ich habe eine Bitte“, mischte ich mich ein und alle Blicke fielen fragend auf mich. „Ich will dabei sein, wenn wir es zu Ende führen. Es ist mein gutes Recht nach allem, was ich durchmachen musste.“ „Wynne …“, fing Caleb sofort an doch hob ich nur eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Du kannst mich davon nicht abhalten. Wenn ihr nicht zulassen wollt, dass ich mitkomme, suche ich mir einen Weg, es dennoch zu tun. Und ich denke, dir würde es sicherlich besser gehen, wenn du mich im Auge behalten könntest, nicht wahr?“ Der Schwarzhaarige seufzte nur leicht verzweifelt und fuhr sich durch die Haare. Ich wusste sofort, dass ich ihm gegenüber bereits gewonnen hatte, doch musste ich die anderen noch überzeugen. Oder vielleicht auch nicht, denn Lucian nickte mir zu und auch Jonathan schien sofort einverstanden. Wieso sollte man mir diese Gelegenheit auch verwehren? Missmutig stapfte Caleb neben mir her, während er mich auf mein Zimmer geleitete. Der Unterricht würde wieder beginnen und die Woche, die ich Kira gegeben hatte, war ebenfalls vorbei, weswegen es mein gutes Recht war, wieder in unser Zimmer zurück zu kommen. Auch wenn ich zugeben musste: Die Badewanne würde ich schon vermissen. Und Caleb … nun ja, ihn auch irgendwie. Es würde eigenartig sein, wieder allein in einem Bett zu schlafen, was zudem noch viel kleiner war. „Jetzt hört auf, dermaßen Trübsal zu blasen, Mister“, meinte ich nur auf dem halben Weg zum Zimmer. Wir hatten gerade die Stelle passiert, welche mir nur zu gut noch von meinem ersten Tag hier bekannt vorkam. Ich hatte damals Miss Legrand darum gebeten, mir den Weg zu weisen, damit ich mich nicht verlaufen würde. „Es gefällt mir einfach nicht, dass du mitkommen willst. Warum überhaupt? Du musst niemanden beweisen, dass du stark bist“ „Hier geht es nicht darum, irgendetwas zu beweisen. Ich will in dieses Gesicht von dem Arschloch blicken, das nicht nur Kira geschlagen hat, was schon schlimm genug ist, sondern mir auch meine Erinnerungen verdreht hat, sodass ich dir nicht mehr getraut habe. Verdammt, Caleb. Es hätte dir beinahe das Leben gekostet. Und ich will die Verzweiflung in seinen Augen sehen. Die Verzweiflung und den Wut darüber, dass jede Sabotage, die sie gegen uns angewandt haben, nichts gebracht hat. Weil wir einfach besser waren als sie“ Der Schwarzhaarige seufzte und schüttelte erneut den Kopf. Ich sagte nichts weiter dazu, sollte er sich seinen hübschen Kopf doch darüber zerbrechen. „Und … selbst wenn mir etwas zustoßen würde. Du würdest es merken. Du wärst sofort da, nicht wahr?“ Ich stellte mich vor ihn, unterbrach somit unseren Gang, und blickte dem größeren Mann in seine roten Augen, welche mich betrübt und mit Sorge ansahen. Sicher, bislang war jede meiner Begegnungen mit dem Widerstand nicht gut ausgegangen. Meine erste mit Louis hätte mich fast umgebracht, die mit seinen Vater mich für eine Weile in einen Schockzustand versetzt, die mit Yakeno nahm mir jegliche Erinnerungen. Doch nicht diesmal. Diesmal würden wir ein Team haben, professionelle Vampire, die darauf trainiert wurden, gegen andere zu kämpfen. Keiner von uns sollte in Gefahr schweben und durch den Moment der Überraschung sollten wir sie unvorbereitet treffen. Ich war gegenüber der Sache endlich zuversichtlich. Endlich. „Du weißt am besten, was du durchmachen musstest“, gab Caleb kleinlaut von sich und suchte nach einem Funken Angst in meinen Augen. Doch ich erwiderte seinen Blick starr, zeigte ihm, dass ich vollstes Vertrauen hatte. Vertrauen in ihn. „… es ist deine Entscheidung. Aber du wirst nicht von meiner Seite weichen, okay? Und wir werden uns nicht von den anderen entfernen.“ Ich nickte ihm zu, lächelte sogar leicht. Es freute mich, dass er nun auch verbal zustimmte, mich mitzunehmen. Ich nahm seine Hände und drückte sie leicht, um meinen Dank auszudrücken. „Warum muss mein Seelenpartner auch nur so ein sturer Mensch sein“, murmelte er, nachdem ich ihn wieder losgelassen hatte und wir unseren Weg fortsetzten. Ich schmunzelte nur und erwiderte: „Warum muss mein Seelenpartner ein beschützerischer Vampir sein?“ Ich konnte ihn schnauben Hören, drehte mich aber nicht zu ihm, während ich die Schlüssel aus meiner Tasche angelte, um damit die Tür zu meinem Zimmer aufzuschließen. Das hieß auch, dass ich mich vorübergehend von Caleb verabschieden müsste. Wir würden uns das Zimmer nicht mehr teilen. Wieso fiel mir das ganze schwerer, als ich dachte? Nun drehte ich mich doch wieder zu ihm. „Na dann. Wir sehen uns Montag“, sagte ich, wusste nicht ganz, was ich tun sollte. Ich spielte mit dem Schlüsselbund in meinen Händen. Die Aktion überließ ich diesmal Caleb, welcher sich nicht mit Worten von mir verabschieden wollte. Ohne etwas zu sagen legte er seine Hände an meine Wangen und zog mich leicht auf die Zehenspitzen, während auch er mir näher kam, den Abstand zwischen uns überbrückte und mich küsste. Ich erwiderte die Geste, suchte mit den Händen an seinen Oberarmen nach Halt. Er dauerte etwas länger an, als wäre es das letzte Mal, dass wir uns sehen würden. Als ob! Nachdem wir uns voneinander gelöst hatten und ich wieder vollkommen auf meinen Füßen stand, erhob auch er das Wort. „Lass dich die Nacht nicht verschleppen. Bis Montag“ „Ich werd‘ schon aufpassen“, gab ich nur zurück, bevor er sich zum Gehen wandte und ich die Tür schloss. Als ich mich umdrehte, lehnte Kira bereits am Durchgang zu unseren Betten und lächelte mich an. „Ihr scheint euch immer besser zu verstehen“, meinte sie nur und begab sich zum Sofa herüber, um es sich mit einem Glas Wasser dort bequem zu machen. „Wie ist das Gespräch ausgegangen?“ „Gut.“, antwortete ich ihr und stellte die Sachen ab, die ich zuvor noch aus Calebs Zimmer geholt hatte. „Um ehrlich zu sein sogar besser als erwartet. Wir haben bereits einen, der an der Entschlüsselung der Codes arbeitet. Und ich werde mitkommen, wenn wir den Widerstand stellen“ Kira musterte mich ebenso besorgt. „Meinst du, dass das eine gute Idee ist? Du stehst selber auf ihrer Liste“ „Wir werden ein Team haben. Solange ich mich bei ihnen aufhalte, sollte mir nicht zustoßen. Der Gedanke ist irgendwie tierisch aufregend. Nur noch wenige Tage, dann ist es endlich soweit. Kira! Unsere Arbeit trägt endlich Früchte!“ Die Brünette nickte mir zu, nicht ganz sicher, was sie dazu erwidern sollte. Ihr musste noch die Erfahrung vom letzten Mal im Kopf hängen. Was wäre, wenn Yakeno mich von den anderen wegleiten könnte? Dagegen könnten wir uns einen Plan überlegen. Wir könnten gegen alle Tricks Sicherheitsvorkehrungen treffen, welche mehr als Nötig sein sollten! Wir blieben nicht lange bei dem Gespräch geschweige denn in dem Zimmer. Mit meinem Laptop auf dem Schoß legte ich mich auf das Bett, während sich Kira ihren Block schnappte und ihre neuesten Ideen skizzierte. „Jedenfalls“, fing ich diesmal an und tippte die ersten paar Zeilen des Kapitels fertig. „Was hast du die Woche denn so getrieben? Und erzähl mir nicht, dass du alleine warst“ „War ich auch nicht“, antwortete meine Mitbewohnerin ohne zu zögern. „Ich werde dir aber nicht verraten, was wir gemacht haben“ In ihrer Stimme lag ein verspielter Unterton, weswegen ich davon ausging, dass es sich um nichts Intimes handelte. Worum aber dann? Sie musste mir doch nichts verschweigen wenn es um etwas ging, worüber sie sogar reden könnte. Wollte sie mich wegen etwas auf die Folter spannen? Ich schnaubte, sprach aber kurz daraufhin ein anderes Thema an: „Dein Geburtstag ist doch bald, oder?“ „So ziemlich“ Kurz legte Kira ihren Stift beiseite. „Direkt am Ersten Mai. Verrückt, oder? Wie die Zeit verfliegt“ „Mir kommt es vor, als wäre es gestern gewesen, dass ich Caleb in die Hölle und zurück verflucht habe“ „Und die Namen, die du ihm gegeben hast! Göttlich“ Die Brünette lachte auf. Die Namen hatte ich komplett vergessen! Manchmal rutschte mir zwar immer noch einer heraus, aber hatten sie bereits abgenommen. „Hast du etwa diese Liste noch?“, musste ich sofort nachfragen und blickte zu ihr herüber. Meine Freundin nickte mit einem breiten Grinsen. „Doch werde ich dir nicht verraten, wo!“ Sie kicherte und ich warf mein Kissen nach ihr, wobei sie nur noch stärker anfing, zu lachen. Sie schmiss es zurück zu mir, nicht unbedingt, um es mir zurück zu geben, sondern als eine Art Rache gegen meine Person, denn anstatt wie ich nur die Wand zu treffen, erwischte sie mich im Gesicht. Voll ins Schwarze, was? Schule konnten wir nicht umgehen und so mussten wir bald wieder am Unterricht teilnehmen. Schneller als wir uns erhofften kam der Montag und unsere weiteren Stunden. Nur noch zwei Monate, redete ich mir ein, dann wären Sommerferien. Und für einige Tage würde ich vielleicht sogar freigestellt werden, wenn ich mitgehen und den Widerstand aufhalten würde. Oh ja, ich war schon was ganz besonderes! Und manchmal sollte ich mein Ego zurückschrauben. Wie sich herausstellte, sollte es für versemmelte Prüfungen eine Möglichkeit geben, diese auszubessern. Schüler, die besonders schlecht standen, könnten dabei einen Vortrag vorbereiten oder müssten ein kleines Projekt leiten. Die Betreffenden aus unserer Klasse, zu denen ich zum Glück nun nicht zählte, hatten es zudem noch besonders schwer. Anstatt nur von den Lehrern des Faches, in welchem sie das Projekt leiteten, bewertet zu werden, musste auch Caleb und somit ebenfalls ich an der Auswertung teilnehmen. Und ich hatte so gar keinen Plan, was ich da bewerten sollte. Meiner Meinung nach machten die Schüler das alle ziemlich gut, doch nicht nur der Lehrer hatte etwas an der Performance auszusetzen. Caleb übernahm die Aufgabe, mich aufzuklären. „Die Standards hier sind anders als an den öffentlichen Schulen. Während dort mehr Fehler und Ablesen zugelassen werden, ist es bei uns wichtig, nicht nur Ablesen tunlichst zu unterlassen, sondern auch eine gewisse Körperhaltung und Ausstrahlung zu bewahren. Hast du ihre Blicke beobachtet? Sie hat zwar versucht, mit uns Augenkontakt aufzunehmen, doch war dieser kurz und unsicher. Ihre Haltung zeugt ebenfalls vor Angst, vermutlich Nervosität, weil sie das Sprechen vor einer großen Masse nicht gewohnt ist. Die Schultern nach vorn, der Kopf leicht eingezogen und gesenkt. Eine abwehrende und unterwerfende Haltung.“ Ich hätte nicht gedacht, dass der Vampir, den ich vor einigen Monaten noch für vollkommen inkompetent gehalten hatte, dermaßen viel aus einer kurzen Leitung eines Projektes herauslesen konnte. Erstaunt sah ich zunächst ihn an, bevor ich mich wieder auf unsere Mitschülerin konzentrierte. Das arme Ding. Ich glaube, sie hatte mal erwähnt, dass sie sich sehr stark davor fürchtete, vor vielen Leuten zu sprechen und dabei sogar einmal in Ohnmacht gefallen war. Aber das würde sie im Leben auch nicht weiterbringen. Sie müsste lernen, sich zu behaupten und ihren Ängsten entgegen zu stellen. Die Arme schaffte es leider um Haaresbreite nicht. Die kleinen Details, die Caleb mir genannt hatte, waren das Ausschlaggebende in der Bewertung und hatten leider dazu beigetragen, dass die angestrebte Verbesserung nicht erreicht wurde. Sie war aber nicht die einzige aus unserem Jahrgang, die gehen musste. Vor allem viele aus der dritten und vierten Klasse müssten sich von uns verabschieden. Uns war außerdem zu Ohren gekommen, dass einige verwöhnte Bälger aus der fünften Klasse sich beklagt hätten und ausstiegen. Besser so, dachte ich mir in diesem Fall nur. So gab es weniger kleine Kinder, die sich wegen jedem Mist beschwerten. Bei anderen war es so, dass die Eltern entschieden, dass ihre Kinder nicht länger an der Insignia-Akademie unterrichtet werden sollten. Was unsere Gruppe anging: Selbst Neva, welche sich kaum auf ihre Studien konzentrieren konnte, hatte bestanden. Sei war wenige Tage zuvor auf uns zugekommen und hatte stolz verkündet, dass er ins dritte Jahr überging und uns weiterhin erhalten blieb. Überfreudig hatte Kira ihn dabei umarmt und gemeint, sie hoffe doch, dass auch sie es bestehen würde. Der Schwarzhaarige hatte da nur gelacht und gesagt, dass sie es sicherlich in der Tasche hätte. Und damit lag er nicht so weit daneben. Auch wenn selbst die Brünette ein paar Fehler hie und da hatte, auch sie war nicht perfekt, gehörte sie mit zu den besten Schülern unseres Jahrgangs. Ich folgte überraschenderweise nicht weit dahinter, zusammen mit Caleb und Michaela. Das hieß also, jeder von uns würde ins nächste Jahr gehen und wir könnten vermutlich sogar gemeinsam unseren Abschluss machen. In aller Ruhe, hofften wir natürlich. Die Tage zogen sich dahin, doch etwas beunruhigte mich. Nach wenigen Tagen fühlte ich mich bedrückt, hatte das Gefühl, man würde uns beobachten. Natürlich tat man das so oder so, immerhin befanden sich Spitzel des Widerstandes unter uns, aber dieses Unwohlsein hatte mich noch nie so übermannt. Ich erwischte mich selber immer öfter dabei, wie ich mich umsah, in der Hoffnung, ich würde finden, was mich in diesem Unbehagen ließ. Doch nie konnte ich etwas ausmachen bis auf einen kleinen Schatten am Tor des Campus. In einer Pause hatte ich die Nase voll und entschuldigte mich kurz von den anderen. Zielstrebig lief ich auf das Tor zu, viel konnte mir sowieso nicht passieren, da es geschlossen und gesichert war. Je näher ich dem Tor kam, desto mehr drückte es mich in den Boden hinein. Es kam mir vor, als würde man immer mehr Gewichte auf meine Schultern lagern und mich am Vorankommen hindern. Ich schnaubte, zwang mich dazu, näher zu gehen und als ich fast angekommen war, blieb mir der Atem in der Lunge stecken. Hinter dem Tor lächelte mich dieser widerliche Vampir an, den wir schon seit Monaten suchten. Er stand einfach da, grinste mich an. Seine Augen waren blutunterlaufen und weit geöffnet, zeugten von Wahnsinn. Seine weißen Eckzähne blitzten im Licht der Sonne auf und ich hätte schwören können, wäre das Eisen nicht zwischen uns, hätte er mich angesprungen. Doch so stand er nur da, wippte leicht hin und her und bewegte seinen Kopf dazu. „Hallo. Wynne.“, flüsterte er und lehnte sich an das Gitter, streckte eine Hand hindurch. Sah das keiner außer mir? Ich sah mich um, keinen schien das ganze hier zu interessieren! Was zur Hölle? Yakeno lachte auf, wobei ihm einige Strähnen seiner Haare ins Gesicht fielen. Er schwankte zur Seite und schlug mit seiner Hand gegen das Tor. „Komm, Wynne! Lass uns spielen! Wer bricht zuerst? Wer stirbt zuerst? Hast du Angst? Einen Todeswunsch? Ich erfüll ihn dir nur zu gern!“ Diesmal schrie er mich an, doch auch das bemerkte keiner in meinem Umkreis. Mir lief es eiskalt den Rücken runter. „Du wirst dafür büßen, was du Kira und mir angetan hast“ „Aah … ich glaube kaum, dass du in der Position bist, mir zu drohen, oder?“ Erneut lachte er und lehnte sich diesmal mit dem Rücken gegen die Stäbe des Tores. Das wäre meine Chance. Ich könnte ihn greifen und die ganze Sache sofort beenden. Ich machte einen Sprung nach vorn und war drauf und dran, mir seinen Kragen zu schnappen, da machte er einen Satz vom Tor weg und drehte sich auf den Hacken zu mir um, lachte mich aus. „Denkst du etwa, ich mache es dir so einfach?! Vergiss es, Wynni! Du wirst noch sehen, wie machtlos du in diesem Spiel bist. Und diese Erkenntnis wird dir dein süßes kleines Genick brechen. Und dann wird auch der letzte Erbe der Lecrunes dem Wahnsinn verfallen!“ Er wunk mir mit einer übertriebenen Geste zu, lachte noch einmal, bevor er sich wieder von mir abwandte und regelrecht verschwand. Er hatte es doch tatsächlich gewagt, hierher zu kommen. Schnaubend lehnte ich mich an das Tor, umfasste und verfluchte die Stäbe, die alleinig die Schuld daran trugen, warum ich diesem weinerlichen Wahnsinnigen nicht das Gesicht einschlagen konnte. Aber er würde noch sein blaues Wunder erleben. Wie sich herausstellte war ich tatsächlich die einzige gewesen, die ihn gesehen hatte. Mir wurde sogar gesagt, dass ich für einen Moment einfach verschwunden war und am Eingang lehnend wieder aufgetaucht war. Ich musste wie eine Verrückte ausgesehen haben. Natürlich hatte ich meinen Freunden von diesem Ereignis erzählt, genauso wie Jonathan, welcher diesen Vorfall ebenso interessierte. Doch das ganze schien nur eine Illusion oder Wahnvorstellung gewesen zu sein. Ich wollte der Held meiner Geschichte sein und diejenige, die alles zu Ende bringen würde. Deswegen hatte ich mir ihn wohl eingebildet, mein Unterbewusstsein aber hatte ihn hinter das Tor gesetzt, um zu zeigen, um mir vor Augen zu führen, dass mein Wunsch einem Wahnsinn glich. Ich sollte die Festnahme den Spezialisten überlassen, das sah ich auch ein. Ich wollte das auch gar nicht selber übernehmen. Es wäre nur diese Gelegenheit allein gewesen, welche ich genutzt hätte, wäre sie nur real gewesen. Doch wie auch im richtigen Leben war er mir wie ein Aal entglitten und hatte mich auch noch ausgelacht, als hätte er schlussendlich triumphiert. Der ganze Stress musste mich eingeholt haben. Die Angst vor den Auswertungen der Prüfungen war zwar fort, aber zum Teil hatte ich deswegen sehr wenig geschlafen. Dazu kamen die Aufregung wegen dem Widerstand und meine konstante Vorsicht, um nicht plötzlich überrascht zu werden. Ich musste mir selber vor Augen führen, dass ich nur ein Mensch war. Keine Jägerin wie in meiner Geschichte. Kein Vampir mit einer gewissen Unsterblichkeit und besonderen Fähigkeiten. Nur ein normaler Mensch mit Wunschvorstellungen und einem Ziel vor Augen, einer Zukunft, von der er noch nichts wusste. Immer öfter dachte ich darüber nach, wie mein Leben als Maid der Lecrunes aussehen würde. Ob ich ewig bei ihnen bleiben würde? Als Partnerin von Caleb vermutlich. Man würde wohl von uns verlangen, dass ich ebenso zu einem Vampir gemacht werde. Ich schluckte schwer. Die Vorstellung, mein eigentliches Leben hinter mir zu lassen, war erschreckend. Ich konnte es mir nicht vorstellen. Kein normales Essen mehr? Kein Fastfood, kein Salat. Alles würde nicht mehr schmecken. Meine Freunde würden irgendwann nicht mehr sein, genauso wie ich meine Eltern weit überleben würde. Ob man nach einer gewissen Zeit auf der Erde aufpassen musste, ob man sich preisgab? Und mit wem man Umgang pflegte? Die Direktoren waren beide weit über 300 Jahre alt und hatten gewiss schon viele Erfahrungen gesammelt. Außerdem könnte ich bestimmt auch jederzeit Miss Legrand fragen, doch nahm mir das nicht die Angst vor der Verwandlung. Die Welt der Vampire war noch immer etwas, was sich mir nicht ganz erschloss. Als Mensch wurde ich auch nicht in alle Geheimnisse eingeweiht und konnte mir vieles auch nicht vorstellen. Es jagte mir Furcht ein, alles lernen zu müssen und vielleicht zu erfahren, dass nicht alles so rosig war, wie es sich viele wünschten. Ewiges Leben hin oder her. Wäre es irgendwann nicht langweilig, die Jahre an sich vorbei ziehen zu sehen? Genau eine Woche dauerte es, bis Lucian die Codes dechiffriert hatte. Nachdem wir gefragt hatten, erzählte er uns von seiner Arbeit und dass er erst einmal mit seinem Freund in Kontakt treten musste. Er selber hatte auch an einigen Verschlüsselungen mit gearbeitet, aber es war bei ihnen normalerweise der Fall, dass man für verschiedene Firmen, oder in diesem Fall Organisationen, verschiedene Leute einsetzte, sodass nicht eine Person alles wusste. Zum Glück war sein Freund mehr als bereit ihm zu helfen und reichte anscheinend auch sofort die Warnung, dass sich Leute aus dem Widerstand unter ihnen befanden, weiter. „Wie dem auch sei“, meinte Lucian nachdem er uns einiges über die verwendete Verschlüsselung erzählt hatte und er missmutig dazu fügte, wie schade es sei, dass ein dermaßen guter Code so missbraucht wurde. „Wir haben die Adresse, wo sie Rika und Lexa festhalten“ „Und ich“, mischte sich Jonathan ein und hob mit einem Lächeln eine Hand, „Habe mich in der Zwischenzeit um ein Team gekümmert“ Er holte sein Smartphone heraus und drückte einen Knopf. Das war für jemand anderes das Signal, das Büro zu betreten. Na, da wollte aber einer so gar nicht auffallen. Sarkasmus ahoi. Der Mann, der den Raum betrat, war durchaus gut gebaut, was man durch den schwarzen Rollkragenpullover noch gut erkennen sollte. Dazu trug er eine schwarze Hose, Schuhe, sowie eine Mütze und Sonnenbrille, obwohl er diese im Gebäude niemals gebrauchen konnte. Er verzog keine Miene, hatte die Hände auf dem Rücken und eine aufrechte Körperhaltung. „Sie haben gerufen“, sprach er. „Ich stehe mit meinen Diensten zur Verfügung und freue mich, dass ich behilflich sein kann“ Ein Name wurde uns nicht genannt. Er meinte nur, dass er es nicht für nötig hielt, sich vorzustellen. „Außerdem muss es nicht unbedingt sein, dass mich jeder kennt“ „Und genau deswegen laufen Sie herum wie der böse schwarze Mann, vor dem alle Kinder Angst haben“, sagte ich ihm offen ins Gesicht. Aber mal ganz im ernst – Das einzige, was hervorstach, war die fast weiße Haut in seinem Gesicht. Sogar seine Hände waren von, verdammt nochmal, schwarzen Handschuhen bedeckt. Dieser Typ bediente jedes Klischee von Geheimagent, welches es nur gab. Die Handschuhe waren natürlich dazu da um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, das war mir klar. Aber zur Hölle, das ganze Auftreten von diesem Typen entsprang doch geradewegs einem Film! Nicht nur er war so gekleidet. Sein gesamtes Team bestand aus solchen verdeckten Gestalten, welche ihre Identität nicht preisgeben wollten. Firmengeheimnis, Beschützen der Liebsten. Es machte schon Sinn. Sie hatten bestimmt viele Feinde über die Jahre gesammelt, es sah aber einfach nur übertrieben aus. Um sofort mit der Suche zu beginnen, nannte Lucian uns die Adresse und wir begaben uns vom Campus herunter. Die Direktoren blieben, Sei und Kira begleiteten uns auch nicht. So waren es nur die beiden Männer, Jonathans Team, Caleb und ich. Und mein Herz hämmerte bereits so stark in meiner Brust, dass ich nicht wusste, wie lange ich in der Lage wäre, aufrecht zu gehen. Angst hatte ich nicht ungemein. Dieses Team sah sehr kompetent aus und würde nichts dem Zufall überlassen. Es würde mich nicht wundern, wenn sie schon über alles Bescheid wüssten, was die ganze Situation natürlich erleichtern würde. Jonathan hatte ihnen aber bestimmt schon alles erzählt. Vermutlich noch mit der Hilfe von Lucian. Zusammen fanden neun Leute in einem Transporter Platz. Der Anführer des Trupps fuhr, während Lucian auf dem Beifahrersitz war und die Adressen eingab, die er herauslesen konnte. Der Rest konnte nur hinten sitzen und abwarten, bis wir angekommen waren. Keiner gab auch nur einen Ton von sich, die Luft war die elektrisiert vor Anspannung. Ich hatte die Hände verkrampft auf meinen Schoß gelegt und drehte mal Däumchen, mal tippte ich mit den Fingerspitzen aneinander, ein andermal starrte ich einfach aus dem Fenster, wobei ich an Caleb, welcher an der rechten Tür direkt neben mir saß, vorbei schauen musste. Jedes Mal, wenn ich meinen Blick nach draußen wandte, ging seiner auf mich, als würde er erwarten, dass ich etwas wollte. Manchmal erwiderte ich seinen Blick und lächelte ihn zuversichtlich an. Er musste meine Aufregung spüren. Ich hingegen merkte, dass er Angst hatte. Angst um mich, mich wieder zu verlieren. Gerade aber konnte ich ihm nicht aufmunternd zusprechen, versuchte lediglich, meinen Puls zu beruhigen, um ihm somit ein ruhiges Gefühl zu übermitteln. Ich wollte die Konzentration der anderen nicht stören. Wir mussten schon einige Stunden unterwegs sein, bevor wir endlich den ersten Ort erreichten. Die schwarzgekleideten Männer stiegen zuerst aus und sahen sich um, damit wir uns nicht unnötig in Gefahr begaben. Nachdem sie die Lage als ungefährlich einschätzten, durften wir ihnen folgen und durchkämmten gemeinsam das Gelände. Durch unsere Erfahrungen mit einem vorherigen Versteck, ein weiterer Grund, warum es gut war, dass Caleb und ich mitgekommen waren, suchten wir die Gegend etwas anders mit ab. Überall, wo das Team war, suchten wir nach geheimen Verstecken und Schaltern, verschiebbaren Objekten und versteckten Durchgängen. Nach einer Weile rief der Anführer uns auf, die Suche einzustellen. Dann tat er etwas, was ich so nicht erwartet hätte. Er zog seinen Handschuh aus und legte die Hand auf den Boden. Verwirrt sah ich die anderen an, welche in kompletter Stille und ohne sich zu regen auf etwas warteten. Erst nach einigen qualvoll langweiligen Minuten erhob sich der Mann wieder und zog sich den Handschuh wieder an. „Sie waren hier, aber haben die Gegend geräumt, bevor wir angekommen sind. Rika war unter ihnen, Lexa nicht, wie auf dem Zettel stand. Wir könnten Glück haben und sie bei dem anderen Versteck erwischen, ich konnte nicht verstehen, weswegen sie sich bewegt haben. Sie schienen sich sicher zu sein, nicht erwischt zu werden“ Wie hatte er das alles herausgefunden, indem er den Boden berührt hat? Mein Blick musste Bände gesprochen haben, denn als wir wieder im Wagen saßen, sprach mich Jonathan darauf an, welcher zu meiner linken saß. „Er hat die Gabe, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, wenn er etwas berührt. Den Boden zum Beispiel oder eine Wand. Es funktioniert jedoch nicht mit Personen, was ich mitbekommen habe“ „Deswegen auch die Handschuhe?“, hakte ich nach. Jetzt würden die sogar noch mehr Sinn machen. „Nicht unbedingt. Er kann kontrollieren, ob er seine Gabe einsetzt oder nicht, aber es erleichtert die Entscheidung natürlich“ Ach ja, trainierte Vampire konnten ihre Gaben ja in einem solchen Ausmaß kontrollieren, das hatte ich komplett vergessen. Wie es mir schien, war der Anführer schon ein etwas älterer und erfahrener Vampir, was ihn noch einschüchternder wirken ließ, als er sowieso schon war. Auch der zweite Ort stellte sich als eine Null Nummer heraus. Diesmal fanden wir den geheimen Gang ohne der Hilfe von irgendwelchen supertollen Gaben, dennoch musste der Mann in schwarz heran, um herauszufinden, dass wir erneut zu spät waren. Frustriert schlug Lucian gegen die Wand, Jonathan zeigte seinen Missmut nicht ganz so offen. Er ballte zwar seine Hände zu Fäusten, ließ seine Wut jedoch nicht an wehrlosen Gegenständen oder Mauerwerk aus. „Sie haben herausgefunden, dass sie gehackt wurden“, meinte der Anführer gerade, als er sich seinen Handschuh wieder anzog. Caleb zog die Brauen zusammen. „Das kann nicht sein. Ich habe jede Sicherheitsvorkehrung getroffen, um zu verhindern, dass sie es herausfinden“ „Es gibt in jedem System Lücken, die man ausnutzen kann“, meinte der andere nur. „Die digitale Wanze …“, murmelte der Schwarzhaarige nachdenklich und fluchte kurz daraufhin lauthals. „Das kann nicht sein! Ich habe den Laptop nicht angeschlossen. Scheiße. Große Scheiße! Wir müssen sofort zur Schule zurück. Wenn sie wissen, dass wir kommen, bringen uns die anderen Lokationen auch nichts.“ Wo er Recht hatte, hatte er Recht. Nun mussten wir wohl darauf hoffen, noch einmal in deren System zu kommen und nicht noch einmal so aufzufliegen! Was heißen würde, dass wir wieder ein oder zwei Wochen verschwenden würden, nur um an die Informationen zu kommen. So ein verdammter Mist! Als wir wieder auf dem Campus waren, war die Nacht bereits eingebrochen. Auf dem Gelände lag absolute Stille und ein Lehrer erwartete uns am Tor. Wir nannten unsere Namen, als Schüler waren wir so registriert. Die anderen mussten ihre Pässe zeigen, weswegen wir etwas warteten, bevor wir uns zu Calebs Zimmer aufmachten. Der Weg kam uns mit einem Mal viel kürzer vor als sonst, unsere Schritte waren viel schneller. Der Vampir schloss aufgeregt sein Zimmer auf und stürmte in den hinteren Teil, nur um erneut laut zu fluchen. „Verdammte scheiße! Irgendein Wichser ist hier eingebrochen und hat den Laptop via Lan mit dem Internet verbunden! Kein Wunder, dass sie alles herausgefunden haben!“ „Und nun?“, fragte Jonathan mit leiser Verzweiflung in der Stimme. „Nun alles noch mal von vorne“, warf ich ein. „Wir müssen uns reinhacken. Das heißt, Caleb muss das machen. Vermutlich durch ein neues System durch. Und Lucian muss den Code knacken, vermutlich ebenfalls ein Neuer“, meinte ich nur und verschränkte die Arme vor der Brust. Wir hatten kaum eine andere Wahl als und den ganzen Aufgaben ein weiteres Mal zu stellen. „Und dann haben diese Wichser einen anderen Chiffrierer und wir können das ganze vergessen“, warf Lucian ein. „Ich bin vielleicht gut in meinem Gebiet, aber ich bin nicht der Meister unseres Konzerns. Und sollte der zum Widerstand gehören … Tja, sagen wir es mal so: Dann sind wir gefickt“ „Wir müssen es immerhin versuchen“, widersprach ich. Eher missmutig nickte der Blonde meine Aussage ab, gab sich innerlich jedoch nicht ganz damit zufrieden. Es war jedoch unsere einzige Spur. Wir wollten immerhin das Team noch verabschieden, bevor wir sie erst wohl in etwas mehr als einer Woche wiedersehen würden. Gerade, als wir am Tor angelangt waren, kam mir eine Idee. Zwar hatte ich die Begegnung mit Yakeno eigentlich schon als Wahnvorstellung abgehakt, aber ein Versuch war es Wert. „Mister Obergrußelig?“, sprach ich den Anführer an, welcher sich mit einen Schmunzeln zu mir wandte. „Nenn mich einfach Ran. Machen alle“ „Alles klar. Also, Ran … könnte ich Sie um etwas bitten?“ Der Mann hob die Braue, schien aber interessiert. Die anderen rundherum bekamen unser Gespräch gar nicht mit, sie waren vertieft darin, die weiteren Schritte zu besprechen. „Ich … hatte vor einer Weile eine Begegnung mit der Person, die wir suchen. Ungefähr hier. Jedoch hat es niemand anderes mitbekommen. Ich … ich würde gerne wissen, ob ich tatsächlich Wahnvorstellungen hatte oder ob doch ein Funken Wahrheit dahinter steckt“ Nachdenklich musterte Ran den Boden zu seinen Füßen. Ich erklärte ihm noch, dass es nicht unweit vom Tor war, er auch am Tor angelehnt war und sich nur etwas weiter entfernt hatte, bevor er verschwunden war. Ohne etwas zu sagen nahm er seinen Handschuh ab und kniete sich hinter dem Tor hin, um den Boden zu berühren. In diesem Moment verstummten die Gespräche um uns herum, doch Jonathan trat an mich heran. „Was macht er da?“, fragte er mich im Flüsterton, um die Konzentration des anderen Vampirs nicht zu stören. „Ich wollte nur wissen, ob ich tatsächlich eine Wahnvorstellung hatte. Sogesehen handle ich gerade etwas Eigennützig, aber na ja …“ „Nicht ganz“, mischte sich Ran kurz daraufhin schon mit ein und richtete sich auf. „Er war tatsächlich da.“ Mit einem breiten Grinsen wandte er sich um und zog den Handschuh wieder an. „Und hat in einem Telefonat erwähnt, wo sie die Geißeln hinbringen. Wir haben eine Spur!“ Ich konnte es nicht glauben. Nicht nur, dass mein Gespräch mit Yakeno tatsächlich geschehen ist, es hat uns den finalen Hinweis gegeben, wo wir sie finden konnten. Sie hatten nicht mit jemanden gerechnet, der in die Vergangenheit der Umgebung blicken konnte. Was in dieser geschehen war und somit an Informationen gelangen konnte, die anderen sonst vorenthalten war. Wir schöpften neue Hoffnung. Es wurde langsam wirklich spät. Ein Nebel begann, sich auf die Gegend zu legen und so entschlossen wir, die Verabschiedung nur noch kurz zu halten und verabredeten uns sofort für den nächsten Tag. Jedoch als wir uns gerade auf den Rückweg machen wollte, konnte man kaum noch die Hand vor Augen sehen. Aus Reflex griff ich neben mich, um Calebs Hand zu erwischen, doch mit einem Mal war da nur noch Luft. „Caleb?“, rief ich mit leicht zitternder Stimme. Nicht nur, dass mir unglaublich kalt war, mir lief auch ein eiskalter Schauer über den Rücken. Ein unangenehmes Gefühl machte sich in mir breit und jemand hauchte gegen meinen Nacken, sodass sich die feinen Härchen aufstellen. Wie der Wind säuselte mir eine Stimme ins Ohr. „Lass uns spielen, Wynni“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)