My bloody Soulmate von Thane ================================================================================ Niemals hätte sie damit gerechnet, sich zwischen zwei Fronten wieder zu finden. Geschweige denn, dass Vampire sie angestellt hatten, um ihre Opposition loszuwerden! Als sie dem Blutsauger gegenübergetreten war, welcher ihre Freundin 'verhext' hatte, hielt sie ihm die Waffe an den Kopf. Erschrocken hatte er zur Verteidigung nur die Hände gehoben und auf sie eingeredet! Eingeredet! Und das war noch längst nicht alles. Er stand in Kontakt mit dem Anführer des friedlichen Clans und hatte die Jägerin mit ihm in Kontakt treten lassen. Was ... Frustriert schloss ich meinen Laptop, ohne den Entwurf abzuspeichern. Nein, nein und nochmals nein. So konnte es nicht weitergehen. Ich konnte mich nicht konzentrieren, schon seit einigen Tagen nicht. Immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich an meinen Hals fasste – Dorthin, wo mich Caleb gebissen hatte. Ich wollte nicht an dieses Geschehnis zurück denken. Ganz im Gegenteil sogar, ich wollte es endlich vergessen! Eigentlich hatte ich gedacht, dass mich das Schreiben ablenken würde. Eher das Gegenteil war der Fall, denn jedes Mal, wenn ich mit den Fingern über meine Tasten wanderte, kam mir das Bild eines neuen Charakters in den Sinn ... und dieser ähnelte Caleb in einer verstörenden Art und Weise. Argh! In den letzten Tagen sind wir uns schweigend aus dem Weg gegangen. Kira hatte unterbunden, dass Neva etwas zu der Situation sagte, immerhin hatte sie miterlebt, wie ich an dem Abend zurück ins Zimmer gekommen war. Dementsprechend stoppten halt auch unsere Ermittlungen in Sachen Widerstand. Ich hatte weder Mut noch Nerven, diesem Vampir ins Gesicht zu sehen. Bislang hatte ich aber auch nicht die Nachricht bekommen, dass ich von der Position seiner Bluts-Maid zurück treten sollte. Die ganze Situation verwirrte mich ungemein. Als eine Woche ohne Kontakt zu Lecrune vergangen war, entschied ich mich dazu, mich allein mit den anderen hinzusetzen und zu überlegen, was wir tun sollten. Ich fing an, davon zu sprechen, was meine Zimmergenossin erwähnt hatte: In der Schule gab es vermutlich einen toten Briefkasten. Die Frage war nur, wo dieser versteckt war und wie gut die Spitzel darauf Zugriff hatten. Das alles mussten wir neben unseren Aufgaben für die Schule managen. Dass wir es bislang geschafft hatten, unsere Noten auf einem guten Niveau zu halten, war eine Auszeichnung wert. Ich für meinen Teil war sehr stolz. Und auch verdammt müde. Anstrengender wurde auch der Unterricht in Etiquette. Nach dem theoretischen Teil kam der Praktische dran. Das hieß, wir mussten lernen, angemessen zu reden und eine aufrechte Haltung beizubehalten. Wie es früher üblich war, mussten wir uns an eine Gangart am Hofe gewöhnen, um uns in der feinen Gesellschaft der hohen Vampire einzugliedern und unseren Familien keine Schande zu bereiten. Tja, ich wäre wohl bald aus der Nummer raus. Aber irgendwie war es doch gut, das alles Mal gelernt zu haben. Wir wurden in verschiedene Gruppen eingeteilt, gemischt unter den Jahrgängen. Ich kam mit zwei Schülern aus dem letzten Jahr und einem aus dem dritten zusammen und wir mussten üben, eine Konversation aufrecht zu erhalten. Es war wichtig, auch harschen Worten mit Würde entgegen zu treten und unsere Gegenüber nicht zu beleidigen. Am Hofe war es nicht nur so, dass sich nur Befürworter der neuen Ordnung einfanden, sondern auch diejenigen, die dem ganzen entweder misstrauisch gegenüber standen, oder sich komplett dagegen aussprachen. Das hieß, es könnten auch Leute aus dem Widerstand anwesend sein. Bei dem Gedanken daran erzitterte ich, weswegen ich von Legrand ermahnt wurde. "Auch wenn du Angst 'ast, darfst du es nicht zeigen, Kind!", sagte sie und klopfte mit ihrem Zeigestock auf meinen Rücken, damit ich diesen wieder durchstreckte. Genau, Rücken durchstrecken, Kinn hoch, Augen gerade aus, bestenfalls während eines Gesprächs Blickkontakt halten, um nicht unhöflich zu erscheinen. Wer Angst hatte, wurde verspottet. Und wer eine schwache Maid oder einen mickrigen Diener hatte, den nahm man nicht ernst. Ich wusste zwar nicht, ob ich mich jemals derartig beweisen müsste, aber es war besser, sich dennoch anzustrengen, sollte es jemals dazu kommen. Als es zur Pause läutete, atmete ich erleichtert auf. Endlich wurden wir von dieser Tortur erlöst. Als ich das Zimmer verließ, erwartete mich ein Anblick, den ich gerne vermieden hätte: Caleb wartete vor der Tür, gegenüber an der Wand gelehnt und wie üblich mit den Händen in der Jackentasche. Kurz vergaß ich zu atmen und überlegte, ob ich ihn ansprechen sollte. Mein Mund war dabei schneller als mein Kopf. "Was machst du denn hier?", fragte ich ihn mit weniger Kraft in der Stimme als man es von mir gewohnt war. Kurz musterte er mich und sah dann an mir vorbei, bevor er antwortete. "Ich soll mit Cécilia reden." Er durfte die Lehrerin beim Vornamen nennen. Kein Wunder, sie war an sich ja eine Dienerin seines Hauses und eine enge Freundin der Lecrunes. Ich nickte nur und wollte gehen, als Miss Legrand aus dem Zimmer trat und Caleb überschwänglich begrüßte. Neugierig drehte ich mich um und sah, wie sie ihn in eine Umarmung schloss. "Caleb, mein Guter. In letzter Zeit scheinst du dich gebessert zu 'aben, was deine Manieren und das Erledigen deiner 'ausarbeiten angeht, wie ich ge'ört 'abe. Liegt das an deiner Maid?", fragte sie nach und sah zu mir. "Warten Sie bitte, Miss Amand. Sie werden auch noch gebraucht" Ich? Wieso ich? Schwer schluckend begab ich mich zu den beiden zurück und stellte mich neben sie, wobei ich versuchte, mir mein Unwohlsein nicht anmerken zu lassen. Manchmal erhaschte ich einen Blick auf den Schwarzhaarigen und bemerkte, dass auch er es so gut wie möglich vermied, mich anzusehen. "Es soll bald eine Feier am 'ofe stattfinden, zu Ehren des 20. Geburtstags von Miss Nocta." Ich überlegte kurz und ging die Kinder der Familie Nocta durch. Als Maid der Lecrunes musste ich die anderen Familien kennen und sie mit Namen nennen können. Bei den Noctas gab es vier Kinder: Rika, Aloise, Nev und Hiron. Aloise und Nev besuchten momentan unsere Schule. Sie waren Zwillinge, wobei es hieß, dass vor ihrer Geburt ihre Persönlichkeiten vertauscht wurden. Es war tatsächlich eine Art Gendefekt, welcher unter Vampirzwillingen vorkommen konnte. Bei diesem begann der Junge, sich wie das Mädchen zu benehmen und umgekehrt. Sie waren beide 18 Jahre alt. Hiron war mit seinen 4 Jahren eindeutig zu jung, um das Geburtstagskind zu sein, wer hätte es gedacht? Es blieb also nur Rika übrig, von der ich bislang nicht einmal das Alter wusste. Sie ging auch nicht an unsere Schule, oder vielleicht hatte sie ihren Abschluss schon? Es würde mich nicht verwundern, denn die junge Frau war dafür bekannt, ein Multitalent zu sein und einen sehr hohen IQ zu besitzen. Wenn man sie also bereits mit 15 schon hier eingeschult hatte, musste es kein Problem für sie gewesen sein. "Jedenfalls wird Euer Auftritt erwartet, Caleb, als Erbe der Lecrune-Familie. Dementsprechend" Und damit wandte sich Legrand nun mir zu und blickte mich erwartungsvoll an. "Wird auch das Auftreten Eurer Maid verlangt. Ich würde sagen, ihr solltet euch gut darauf vorbereiten" Und damit war mein Herz stehen geblieben. Wie jetzt? Ich? Auftreten auf dem Hof? Oh nein. Oh nein nein nein. Bitte, jemand sollte mich kneifen und mich aus diesem Traum aufwecken. Vermutlich würde Caleb sowieso morgen zum Sekretariat gehen und diese Dienerschaft auflösen! Dachte ich zumindest. Und wie war es tatsächlich gekommen? Zu zweit saßen wir im Klassenraum für Etiquette und sprachen mit Miss Legrand, welche uns über die Erwartungen der anderen Familie aufklärte. Ich wusste nicht mehr, wie ich mich verhalten sollte. Seit mehr als einer Woche hatte ich nicht mit Caleb geredet und nun erwartete man von uns, dass wir uns zusammen auf diesem Fest blicken ließen. Meine Nervosität stempelte Legrand als Aufregung ab. "Der erste Auftritt ist immer sehr Nervenraubend.", meinte sie mit einem Lächeln auf den Lippen, als sie mir eine Hand auf die Schulter legte. Sie meinte es nur gut, aber was, wenn sie wüsste, was vorgefallen war ... "Ich glaube an Euch, Miss Amand. Sie 'aben sich als eine sehr vielversprechende Schülerin 'ervorgetan." Das mochte vielleicht sein, aber zur Hölle. Wir konnten uns nicht einmal ansehen! Wie verdammt noch eins sollten wir dann gemeinsam auf der Feier erscheinen? Ich runzelte verzweifelt die Stirn und suchte bei meiner Lehrerin nach Hilfe. Diese aber wandte sich wieder der Aufgabe zu, uns darin zu unterrichten, wie wir gemeinsam uns zu verhalten haben, denn dies unterschied sich stark von dem Beisammensein der anderen Familien. Als Maid der Lecrunes durfte ich an diesem Tag Caleb nicht von der Seite weichen, ihn aber auch nicht berühren. Damit hätte ich zum Teil kein Problem. Unter vier Augen dürfte ich ihn informal ansprechen, wenn wir uns aber in der Öffentlichkeit befanden, nur mit seinem Familiennamen. Ah, ganz große Klasse. Ich dachte eigentlich, dass solche Feiern wenigstens auf die Ferien gelegt werden würden. Wie es in diesem Fall aber schien, sollten wir mitten während der Schulzeit abreisen. In ein fremdes Land. Bislang hatte man uns nicht verraten, wo sich dieser Hof eigentlich befand. Viele würden es nun bald herausfinden, denn nicht nur ich musste meinen Vampir begleiten. Einige andere Familien hatten ebenso eine Einladung erhalten und schlossen sich den Festivitäten an. Es handelte sich hierbei sogar um eine nur halb so große Festigkeit wie man es eigentlich erwarten könnte. Rika hatte darauf bestanden, nur die wichtigsten Familien und deren Diener einzuladen. Im ersten Moment hatte ich mich gefreut, weil es bedeuten würde, dass auch Kira mitkam. Dann aber stellte sich heraus, dass sich die Jüngere etwas eingefangen hatte und dementsprechend ans Bett gefesselt war. Schicksal, du bist ein Arschloch. Neva und Yakeno begleiteten uns nicht, weil ihre Familie keine Einladung erhalten hatte. Sei befand sich noch unter uns, war aber als Diener einer anderen Familie auch daran gebunden, sich bei ihnen aufzuhalten. Ich hatte gesehen, dass er sich nicht wohl dabei fühlte, Kira zurück zu lassen. Ich aber hatte dafür gesorgt, dass sie sich nicht langweilen würde. "Wenn es dir besser geht, hab ich eine Bitte an dich", meinte ich am Abend vor unserer Abreise, als ich dabei war, einen kleinen Koffer zu packen. Wir wären mindestens eine Woche dort, denn so lange gingen die Feste bei den Vampiren. "Versuche, eine Karte der Schule zu zeichnen. Hol dir, wenn du willst, Neva und Yakeno zu Hilfe. Markiere alles, was auffällig ist." "Roger, wird gemacht", stimmte sie zu, bevor sie hustete. Sie war zwar nicht schwer krank, aber es hörte sich dennoch an, als würde sie jeden Moment ihre Lunge hochwürgen. Selbst wenn sie es nicht schaffen sollte, die Karte zu zeichnen, wäre ich ihr nicht sauer. Dann würden wir zusammen daran arbeiten. Nun saß ich bereits im Flieger. Wir hatten einen dermaßen langem Weg vor uns, dass wir fliegen mussten. Mir wurde angst und bange. Mein ganzes Leben lang hatte ich noch nie einen Fuß in eine dieser Verkehrsmittel gesetzt und nun hatte ich einen 12 Stunden Flug vor mir. Vor Anspannung hatte ich die Hände auf meinem Schoß dermaßen zu Fäusten geballt, dass die Knöchel weiß anliefen. "Jetzt beruhig dich endlich" Das war das erste, was Caleb seit mehr als einer Woche zu mir sagte. Ich blickte auf und sah ihn zornig an. Er lehnte sich in seinem Sitz zurück, war bereits angeschnallt und vorbereitet auf den Start der Maschine. "Du hast leicht reden, bist bestenfalls an diese Höllenmaschinerie gewohnt", maulte ich ihn an und vermied es, aus dem Fenster zu schauen. Ich gab es nicht gern zu, aber ich hatte extreme Höhenangst. Natürlich musste ich nicht aus dem Fenster schauen und über den Wolken würde es sicher auch nicht auffallen, aber allein der Gedanke daran, keinen festen Boden unter den Füßen zu haben sondern lediglich ein sich in der Luft befindender Boden. Caleb seufzte auf, schnallte sich ab und nahm neben mir Platz. Was? Was sollte das denn jetzt werden? Nervös sah ich zu, wie er meine Hand mit seinen Fingern umschloss und an seine Lippen führte. Ich musste merklich zittern, denn er sah mich ernst an, bevor er die Augen schloss. Es dauerte nicht lang, da durchfuhr mich ein mildes und beruhigendes Gefühl und ich spürte, wie meine Angst langsam abnahm. Langsam lehnte ich mich zu ihm hin, legte meine Stirn an unsere umschlossenen Hände und schloss ebenfalls die Augen. "Oh, habt ihr euch wieder vertragen?", holte uns eine Stimme aus dieser Ruhe. Aufgescheucht nahm ich meine Hand zurück und rutschte auf die andere Seite meines Sitzes, so weit wie möglich weg von diesem schwarzhaarigen Übeltäter. Er hatte mir zwar nur helfen wollen, aber es war trotzdem verdammt peinlich, so erwischt zu werden und dabei von niemand wenigerem als Miss Xenia Lucette Lecrune, seiner Mutter. "Es gab nie Probleme", meinte Caleb ruhig und setzte sich aufrecht auf seinen Platz, bevor er sich festschnallte. Hatte er jetzt vor, den ganzen Flug neben mir zu sitzen? Lächelnd setzte sich die Direktorin vor uns. Die Plätze waren zum Teil so gestaltet, dass vier Leute beieinander sitzen konnten uns sich zwei dabei immer gegenüber saßen. Miss Lecrune setzte sich in diesem Fall mir gegenüber, dorthin, wo vorher Caleb saß. "Natürlich. Vergiss nicht, dass uns nichts entgeht, mein Lieber", säuselte sie und sah mich kurz daraufhin an. "Sehr aufgeregt?" "Dieses Wort fasst es nicht im Geringsten zusammen", gab ich zurück und rutschte auf meinem Sitz unwohl hin und her. Momentan warteten wir noch darauf, dass der Rest der Familien sich auf ihren Plätzen einfand, damit wir endlich starten konnten. Und ich wollte diesen Albtraum endlich hinter mich bringen. "Keine Sorge, dich wird dort schon niemand fressen. Mmh .. oder vielleicht doch?" Die Frau kicherte, während ich weiß anlief. Wie bitte? "Mutter, bitte. Es reicht, dass sie fast wegen dem Flug in Ohnmacht fällt", mahnte ihr Sohn, welchen ich kurz nach der Aussage giftig anblickte. Er zuckte nur mit den Schultern. "Ist doch so" "Oh, deswegen bist du so nervös." Mitleidig blickte mich nun seine Mutter an. Ich nickte leicht und lächelte sie an. Sie hatte nicht ganz Unrecht, dass ich auch Angst vor der Feier hatte. Mit meinem Temperament konnte ich da so viel falsch machen und ich wollte mich nicht vor den Direktoren blamieren. "Wir sollten gleich starten" Diese tiefe Stimme konnte nur dem letzten im Bunde, Mister Antoine Lecrune, gehören. "Cécilia kriegt sich gar nicht mehr ein. Jedes Mal freut sie sich wie ein Kind über diese Feste" Das konnte ich mir bei der Frau nur zu gut vorstellen. Ich hatte ein Bild vor meinem inneren Auge wie Miss Legrand vor ihrer Kleidung stand, sich nicht entscheiden konnte und sich dementsprechend mehrmals umzog, bevor sie eines auswählte. Der respekteinflößende Mann setzte sich neben seine Frau und schnallte sich ebenfalls an, um sich für den Start fertig zu machen. Kurz sah er mich an, bevor er sich an seine Frau wandte und sich mit ihr unterhielt, worauf ich nicht mehr hörte. Ich schaute nur kurz den Mann neben mir an, welcher seinen Ellenbogen auf die Armlehne gestützt hatte, um seinen Kopf in der Hand abzulegen und den Flur entlang zu starren. Ich hätte meine Musik mitnehmen sollen. Den Flug überlebte ich mehr oder minder unbeschadet. Als die Maschine zum Start ansetzte und ich merkte, wie mein Magen drohte, sich umzudrehen, krallte ich mich aus Reflex in Caleb's Ärmel. Unterbewusst hatte ich die Hoffnung, dass er mir einfach wieder einen Teil meiner Angst nehmen würde. Ich hatte zunächst keine Reaktion erwartet. Ich war sogar der festen Überzeugung, er würde meine Hand wegnehmen und mir sagen, ich solle mich zusammen reißen. Stattdessen aber legte er meine Hand in seine und umfasste diese diesmal eher unauffällig, damit seine Gabe auf mich wirkte. Es war ein Wunder und ein Segen, dass er dermaßen meine Gefühle manipulieren konnte. Er schraubte ohne großen Aufwand meine Angst zurück und schon bald fand ich mich im Land der Träume ein. Bis dahin war auch nichts passiert, was man als Schaden ansehen könnte. Das war aber auch noch längst nicht alles gewesen. Während meines Schlafes musste ich irgendwie auf die Seite gekippt sein, denn als ich aufgeweckt wurde, weil wir uns wegen der Landung anschnallen sollten, hatte ich meinen Kopf auf die Schulter meines Sitznachbars gelegt. Zum zweiten Mal innerhalb einiger Stunden schreckte ich zurück, blickte kurz seine Eltern an – Wobei mich seine Mutter mit einem Schmunzeln betrachtete und ich die Mimik seines Vaters nicht deuten konnte – und rutschte wieder soweit es ging auf die andere Seite. Wann bin ich so verdammt schreckhaft und schüchtern geworden? Dieser Biss wühlte mich noch stärker auf, als ich es erwartet hätte. Unterbewusst kratzte ich mir über die Stelle und schnaubte, während ich den Rest des Fluges damit verbrachte, auf den Boden zu starren. Intelligent wie ich war, und aufgeregt, hatte ich nämlich vergessen, meinen Block mit auf meinen Platz zu nehmen. Nachdem wir alle ausgestiegen waren und unsere Koffer abgeholt hatten, gingen die Familien getrennte Wege. Die Oberen und deren Diener und Maids wurden als erstes abgeholt und zu der Residenz gefahren. Sie sollten als erstes ihre Zimmer beziehen und begrüßt werden. Beinahe hätte ich eine Limousine erwartet, war aber positiv überrascht, als wir von einem doch eher schlichtem schwarzen Bus abgeholt wurden. Das Anwesen war gigantisch und unglaublich alt, dennoch war die Fassade noch sehr gut intakt und man konnte erkennen, dass sich jemand um dieses Haus und dessen Garten kümmerte. Um das Gelände zu betreten mussten wir durch ein riesiges Tor, Von dort aus folgte das Fahrzeug einem Weg bis vor die Türen des Anwesens. Links und rechts von uns waren Bäume, welche auch schon vom Herbst betroffen waren und einen Großteil ihrer Blätter abgelegt hatten, welche auf dem Gras unter ihnen lagen. Es stimmte mich freudig, dass man noch nicht alle Herbstblätter weggekehrt hatte, so wie man es meistens von solchen Häusern erwartete. Vor dem Eingang blieb das Fahrzeug stehen und wir durften aussteigen, sowie unsere Koffer holen. Neben den Lecrunes und mir verließen auch die Harrisons, bestehend aus Mister Harrison und seine Tochter und deren Maid, und die Silvestris, Mutter und Vater begleitet von deren drei Töchtern und einem Sohn, den Wagen. Als wir uns dem Eingang zuwandten, traten zwei elegant gekleidete Gestalten aus der Doppeltür, um uns zu begrüßen. "Willkommen in unserem trauten und bekannten Anwesen, alte Freunde", sprach die Frau und breitete ihre Arme aus. Lachend sah sie sich um und überflog die Anzahl ihrer Gäste. "Ah, wie ich sehe, sind auch zwei neue Gesichter unter uns. Ich freue mich schon darauf, euch während der Feier kennen zu lernen" "Matthew wird euch gleich eure Zimmer zeigen, die wir euch zugewiesen haben", führte der Mann fort. Wie sie das wohl eingeteilt hatten? Sicherlich musste jede Familie vor der Anreise eine Liste ihrer Mitreisenden abgeben, mein Name war also schon bekannt. Bei Matthew handelte es sich um einen schon ausgegrauten Butler der Familie Nocta. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Mensch freiwillig bis an sein Lebensende einer Familie aus Vampiren dienen wöllte. Er aber schien sehr zufrieden mit seiner Anstellung und strahlte eine unglaubliche Würde aus, während er seiner Arbeit nachging. Während wir durch die zahlreichen Gänge geführt wurden und eine Person nach der anderen unsere Gruppe verließ, weil wir an deren Zimmer angekommen waren, arbeiteten weitere Bedienstete an der Gestaltung des Hauses und des Hinterhofs. Die Schlafgemächer befanden sich im hinteren Teil der Villa, weswegen ich vermutete, dass man einen recht guten Ausblick darauf hatte. Anscheinend kam es darauf an, wer etwas in diesem Haus veranstaltete. Derjenige 'mietete' es für die Zeit und hatte so gesehen das Sagen. Ob das so der Wahrheit entsprach, wusste ich nicht, aber so konnte ich es mir einfach vorstellen. Während der Rundführung wurde uns erklärt, wo wir den Essensaal finden konnten und wann es die erste und letzte Mahlzeit vor dem Fest geben würde. Jetzt, wo wir da waren, schlug mir das Herz fast bis in den Hals vor Aufregung. Es machte mich nervös, unter so vielen Vampiren zu sein. Bislang war es immer umgedreht, auf der Akademie waren viel mehr Menschen vertreten als Vampire und deswegen hatte ich mich nie wirklich klein gefühlt. Hier war es genau umgedreht und ich hatte das schlechte Gefühl, dass mein erster Fehltritt gleichzeitig mein letzter sein würde. "Zum Ankleiden, für die Maids, wird euch eine Bedienstete begleiten und euch einige Kleider vorschlagen.", erklärte Matthew Alena und mir, da wir die einzigen waren, die diese Prozedur noch nicht kannten. Kurz nachdem er das gesagt hatte, verabschiedeten sich auch schon Alena und ihre Dame von uns und verschwanden in ihrem Zimmer. Moment, das war mir bis jetzt noch nicht aufgefallen. Teilten sich die Herren mit ihren Dienern das Zimmer? Vielleicht war an diesem einen auch noch ein anderes angebracht, welches man nur von innen betreten konnte. Ich betete dafür, dass dies so der Fall war. Es kam natürlich anders. Caleb und ich teilten uns das Zimmer ohne jegliche Abtrennung voneinander. Es war eigentlich auch zu erwarten, normalerweise standen sich Maid und Herr auch nicht so eigenartig gegenüber wie er und ich. Den Koffer stellte ich neben dem kleineren Bett ab und atmete tief durch. "Ich werde mich definitiv nicht vor dir umziehen", meinte ich nur trocken ohne den Vampir anzusehen, zu dem ich sprach. Ich hörte nur, wie auch er seinen Koffer hinstellte und sich auf das Bett setzte. "Hab ich auch nicht erwartet. Hinter der Tür dort ist ein Bad, da kannst du dich umkleiden. Also ganz ruhig" "Ruhig!" Ich fuhr mir durch die Haare und lehnte mich mit dem Kopf gegen die Wand. "Verdammt, Lecrune. Wir teilen uns ein Zimmer!" "Was soll groß dabei sein?" "Was groß ... Hast du vergessen, dass wir nicht im Geringsten so sind wie die anderen?" Ich sah ihn an, wobei sich unsere Blicke trafen. Kurz merkte ich, wie ein roter Schimmer über seine Augen huschte, jedoch könnte ich mir das auch eingebildet haben. In diesem Moment hatte ich ganz andere Sorgen. "Wir gehen uns an die Gurgel, verdammt noch mal" "Wir können uns auch anschweigen wie die letzten zwei Wochen" Die Möglichkeit bestand auch, na klar. Aber ich hatte das Gefühl, wenn wir gar nicht miteinander redeten, wäre es mindestens genauso schlimm wie wenn wir uns gegenseitig beleidigten. "Außerdem, was zerbrichst du dir den Kopf darüber? Was wollen die machen?" "Ich werde deine Familie bloßstellen, falls dir das auffällt. Sollten die rausfinden, wie ich mit dir umgehe, werden deine Eltern genauso darunter leiden" Caleb lachte auf und ich zuckte zurück. Zum einen, weil mein Herz ungewollt einen Sprung machte und zum anderen, weil ich diese Geste nicht erwartet hatte. Was war denn gerade so lustig? "Meine Eltern wissen schon längst, dass wir uns gegenseitig die Köpfe einschlagen", klärte er mich auf und lehnte sich etwas zurück. "Sie meinen, es wäre gut für meine 'Erziehung'. Vor allem mein Vater kann dich gut leiden" Der griesgrämige Bär konnte mich leiden? Bislang hatte ich immer das Gefühl, dass er gar nichts ausstehen konnte, schon gar nicht eine vorlaute Göre wie mich. Wie ich nun aber erfuhr, amüsierte es den Direktor, wie ich mit seinem Sohn umsprang und in die Schranken wies. Bei seiner Mutter war es die Überraschung, dass ich zu Caleb's Bluts-Maid wurde, was ihr Interesse an mir geweckt hatte. Ich verstand diese Familie einfach nicht. "Also, mach dir keinen Kopf und benimm dich so, wie du es immer tust. Die anderen werden schnell aufschnappen, dass es normal ist" Na, wenn das mal nicht schiefgehen würde. Legrand würde mir für mein Verhalten sicherlich auch den Kopf abreißen. Wobei es vielleicht auch einen Unterschied zwischen Öffentlichkeit und unter den oberen Familien gab. Vermutlich würde es noch mit zum Privaten zählen und ich behielt die Möglichkeit, Caleb bei seinem Vornamen anzusprechen. Wie es nur um seine Eltern stand? Es wäre seltsam, sie mit Vornamen anzusprechen. Ich machte mir aber auch wirklich seltsame Gedanken. Um mich ein wenig abzulenken, beschloss ich, meine Sachen in den Schrank zu räumen, mich auf mein Bett zu setzen und ohne ein weiteres Kommentar anzufangen, an der Überarbeitung meines Kapitels zu werkeln. Diese neue Umgebung brachte mir Inspiration und wenn ich aus dem Fenster sah, konnte ich die Bediensteten beobachten, wie sie alles für die Party herrichteten. Bald würde ich die Familie Nocta vollständig kennen lernen. Ob sich Caleb und Rika sogar schon kannten? Vermutlich, sie hatten immerhin keinen großen Altersunterschied. Ich fragte mich, wie sie wohl so sein würde. War sie wie die meisten edleren Vampire, hochgestochen und fein? Oder konnte man sie, trotz ihrer Intelligenz und ihres Fortschrittes, mit uns normaleren Leuten vergleichen? Obwohl ... in unserer Gesellschaft war doch nichts mehr normal. Ich fragte mich dennoch, was diese Feierlichkeit uns alles bringen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)