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Ein unfaireres Spiel mit dem Schicksal

von

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Verschwörung

Ich griff nach meinem Bogen und nahm mein Kurzschwert zur Hand. Ich war dankbar, dass mir Ragnar einen Neuen hatte anfertigen lassen. Ohne diesen würde ich mich in diesem Augenblick nackt und unbehaglich fühlen, denn schließlich war es die Waffen mit der ich am besten umgehen konnte. Zwar besaß ich ein Kurzschwert, doch außer während des Trainings war es nie zum Einsatz gekommen. Anders als mein Bogen zur Jagd. Man konnte leider sagen, dass mein Schwert mehr Schein als Sein war, allerdings vermochte ich so den Gegner einzuschüchtern.

Auch Lillie war von den Worten die sie las unruhig geworden. Immer wieder glitten ihre Augen über die Zeilen, welche ihr verstorbener Bruder verfasst hatte, und sie folgte meinem Tun mit den Augen. Ein Zittern ging durch den Körper der jungen Frau und fahrig glitten ihre Finger durch die Locken ihres roten Haares. Ich wollte und konnte mir kaum vorstellen, wie sie sich fühlte. Auch sie vermisste Jari schließlich und noch einmal so mit ihm in Kontakt zu treten, wenn man es vermutlich am wenigsten erwartete, ließ vermutlich alte Wunden wieder schmerzvoll aufreißen. Zumal die Worte Jaris einen nur wenig zu beruhigen vermochten.

„Wenn wir reiten, zieh eine Hose von mir an“, meinte ich schnell zu Lillie und holte aus unserem Schlafzimmer Reitkleidung für sie. Ich bemerkte, wie nun auch ihre Hände zitterten und schnell zog die junge Frau sich um. Ich sprach sie nicht auf ihre Gefühle an, denn ich hatte Sorge, dass ich sie damit vollkommen aus dem Konzept brachte. Und so unempathisch es auch klang, ich brauchte gerade niemanden an meiner Seite, der sich nicht unter Kontrolle hatte. Eine Unruhe erfasste mich. Ich spürte, wie nervös ich wurde und hastig machte ich mich auf den Weg zu den Pferden.

Es war komisch als wir beide durch die Straßen gingen, denn alles wirkte als sei es ganz normal. Alles wirkte wie immer.

Man hörte die Schmiede arbeiten, Rauch stieg von einigen Häusern auf und die Marktleute schrien und priesen ihre Waren an. Es war nicht jeden Tag so, dass alle Marktleute ihre Wahren anprisen, doch einige standen jeden Tag da. So wie der Bäcker der jeden Tag sein frisches Brot verkaufte. Frauen, Kinder und alle anderen die uns begegneten wirkten so normal. Nichts, aber auch gar nichts, schien anders zu sein als sonst. Nur, dass Lillie und ich mit hastigen Schritten zu den Pferden gingen. Wir bemerkten die Blicke der Menschen. Natürlich starrten sie mich wieder an. Schließlich trug ich Hosen und ich hatte einen Bogen in der Hand und ein Schwert an der Seite. Eine Frau sah von mir zu Lillie und was sie zu ihrer Freundin murmelte verstand ich nicht. Vermutlich waren es jedoch keine netten Worte.

„Ist Ragnar mit seinem Hengst, Idril, unterwegs? Oder zu Fuß?“, fragte ich und Lillie zuckte unwissend mit den Schultern.

„Ich habe mit meinem Bruder heute noch nicht wirklich gesprochen“, erklärte sie und endlich kam der Stall in Sicht. „Er sagte mir heute Morgen, das er zu einem Dorf aufbricht in dem ein Bauer sehr viele Ziegen hat… Weißt du wo das sein könnte?“, fragte ich während wir den Weg hinab gingen. Es waren so viele Dörfer, dass ich nicht immer wusste, wo sich welches befand. Jedoch wie ich in die Augen meiner Schwägerin sah, wusste ich, dass sie eine Vermutung hatte, denn sofort nickte sie und erklärte: „Ja, ich weiß wo es liegt. Wir brauchen ein wenig bis wir da sind. Sicher gut zwei Stunden. Wir brauchen also die Pferde.“ Schnell holten wir jeder unsere Pferde. Ich hatte keine Lust auf die Besitzer des Stalles zu warten, auch wenn eine Stimme in meinem Kopf sagte, dass es irrelevant sei, wollte ich mich dennoch beeilen. Zu sehr schon hatte ich das Gefühl verfolgt zu werden. Und irgendwie glaubte ich kaum, dass ich mir dies nur eingebildet hatte.

Ich war froh, dass Freya sich nicht so dreckig gemacht hatte, denn so konnte ich sie schnell satteln. Freya bemerkte meine Unruhe und ich musste sie am Strick greifen, als sie begann immer unruhiger hin und her zu tippeln. „Ruhig“, murmelte ich mit beruhigender Stimme auf meine Stute ein und strich ihr über die dunklen Nüstern. Es reichte schon, wenn ich nervös war, ich brauchte jetzt kein Pferd, das sich nicht beruhigen ließ. Schließlich musste ich auch an das Kind unter meinem Herzen denken. Ein Sturz wäre etwas, was ich nicht provozieren wollte.

Endlich wurde Freya ruhiger und liebevoll strich ich ihr über die Stirn. „Schmeiß mich bloß nicht ab“, flüsterte ich leise und drückte ihr einen Kuss auf die Nüstern.

Lillie hatte Ragnars altes Pferd fertig gemacht. Ein dunkelbraunes und vermutlich schon etwas älteres Tier. Natürlich war mein Mann mit dem schwarzen Hengst unterwegs. Ich schwang mich auf den Rücken meines Pferdes als die Stallburschen zu uns kamen. Sie schienen uns erst jetzt bemerkt zu haben und ich sah an der Wange des Jüngeren noch Reste des Mittagessens hängen. Sie waren also nicht unachtsam gewesen, sondern vermutlich einfach nur beim Mittagessen. Sie schienen außer Atem und vermutlich waren sie gerannt. Vermutlich hatten sie uns aus einem Fenster ihres Hauses gesehen.

Der Jüngere, Tiu, fragten mit skeptischen Blick: „Was wollt ihr machen?“ Ich stockte offensichtlich, denn ich wollte nicht wieder, dass ich mit ihnen Probleme bekam. Schon nach dem letzten Mal, als mein Mann sie geschlagen hatte, waren sie nicht gut auf mich zu sprechen gewesen. Zwar hatten sie nie die Konfrontation mit mir gesucht, doch ihre Blicke reichten aus. Doch dann war es so. Sie kamen mit meiner Art zu leben nicht gut zurecht und ich brauchte ihre Absolution nicht. Kurz ordnete ich Freyas schwarze Mähne, während ich mit ruhiger Stimme erklärte: „Wir suchen Ragnar. Und nur zur Vorsicht habe ich meine Waffen bei mir. Lillie weiß im welchem Dorf er sich aufhalten soll.“ Mir wiederstrebte es diesen Menschen zu sagen, was ich vor hatte. Denn ich war ihnen keine Rechenschaft schuldig, aber ich wollte auch nicht, dass alle dachten ich sei eine unhöfliche Person. Und Gerüchte, dass ich wieder auf die Jagd ging und dazu noch die kleine Schwester meines Mannes mitnahm, brauchte ich nicht. Es würde mich und Lillie nicht weiterbringen. Zudem wollte ich auch nicht, dass Lillie wegen mir Probleme bekam. Skeptisch betrachteten mich die jungen Männer. Es war schrecklich, fand ich, dass sie mich einfach in Frage stellten. Dass sie verlangten zu wissen was ich tat. Doch ich biss mir auf die Lippen. Sie verstanden nicht, welche Stellung ich in meiner Heimat hatte und wie ich sozialisiert wurde.

Tiu nickte mir skeptisch zu. Er glaubte mir vermutlich nicht, denn seine Augen wanderten zu den Bogen und blieben an meinem Schwert hängen. Was ihm durch den Kopf ging, sollte ich schon im nächsten Augenblick erfahren. Verständnislos schüttelte er nur den Kopf und sagte: „Das du wirklich ein Schwert besitzt… Das kann ich mir nicht erklären… und wieso? … Wie deine Eltern dir nur so etwas erlauben konnten.“ Ich biss mir wütend auf die Lippen. Die Worte, welche mir auf der Zunge lagen schluckte ich hinunter. Ich wollte nicht nur unhöflich hier auftreten und die Zeit die ich mit diesem Gespräch verschwendete war mir in diesem Augenblick eigentlich zu kostbar. Immer wieder ermahnte ich mich in Gedanken, dass diese Bauer nicht wissen können, dass sie mit einer Fürstentochter sprachen.

Ich tippte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf dem Sattel herum. „Die Gesellschaft aus der ich komme, ist anders strukturiert. Sie ist weder besser noch schlechter, sie ist einfach anders. Und da ich von klein auf so aufgewachsen bin, kenne ich es nur so. Zu mir gehören einfach einige andere Denk- und Handlungsweisen. Sie machen mich zu der Person, die ich bin und ihr müsst dies nicht gutheißen. Ich habe Euch nicht nach Eurer Meinung gefragt und das werde ich auch nicht. Ich brauche keine Absolution. Nicht von Euch und nicht von anderen Menschen, die ich nicht wirklich kenne. Wir müssen jetzt los.“, beendete ich meinen Monolog und nickte Tiu höflich zu, während ich Freya von dem Mann wegdrehte von dem Mann. Mir war es egal ob es ihm passte was ich gesagt hatte. Es war meine Meinung und ich hatte immer gelernt, hinter dieser zu stehen.
 

Lillie und ich schwiegen und erst nachdem wir das Dorf hinter uns gelassen hatten, ergriff Lillie als Erste von uns beiden wieder das Wort. „Bei den Göttern, Thalia“, meinte Lillie und holte zu mir auf, „ich glaube, dass die es überhaupt nicht gewohnt sich, wie du mit ihnen redest…“ Ich sah zu Seite und blickte Lillie an. Ein breites Grinsen lag auf ihrem Gesicht und ohne mich wegen meiner Art verurteilen zu wollen sah sie mich an. Es schien für mich fast schon so, als sei sie einfach begeistert von meinen Worten und wie ich diese wiedergegeben hatte. Sie schien es wirklich nicht so zu kennen und das, obwohl auch sie nicht schüchtern war. Ein leichtes, zartes Lächeln schlich sich auf meine Lippen während ich meine Schwägerin betrachtete. Etwas in meinem Inneren hoffte, dass sie mich als Vorbild sah. Denn ich wollte einfach nicht, dass diese junge, mutige und hübsche Frau an einen Mann kam, welcher nicht wusste was er an ihr hatte. Sie sollte einfach genauso bleiben wie sie jetzt war.

„Vermutlich sind sie es auch nicht“, meinte ich ruhig und achtete auf meine Worte, denn ich wollte schließlich niemanden beleidigen, „Aber ich kann einfach nicht vergessen, wer ich zuhause war. Ich bin… ich war adelig und hatte einen sehr hohen Platz in meiner Gesellschaft, da hätte ein Stallbursche alles gemacht was ich von ihm wollte und mir niemals Wiederworte gegeben. Aber ich muss mich daran gewöhnen, dass es hier anders ist. Ich kann hier nicht so mit den Menschen umgehen wie Zuhause. Denn ich möchte nicht, dass sie glauben ich sei unhöflich und ich möchte es hier nicht noch schwerer haben… Aber ich will mir auch nicht immer alles gefallen lassen. Es ist irgendwie sehr schwer einen Mittelweg zu finden…“ Nachdenklich schien sich Lillie meine Worte durch den Kopf gehen zu lassen und gedankenverloren strich sie sich einige lose Haarsträhnen aus ihrem Gesicht. Leicht nickte die Rothaarige neben mir und strich sich erneut einige Haarsträhne weg, die in ihre Augen geweht wurden. Gedankenverloren sah sie auf den Weg vor sich und meinte: „Ich glaube, ich verstehe was du meinst. Ich kann mir zwar vorstellen, dass du sicher noch die ein oder anderen Worte wählen wirst die einige unhöflich finden werden, aber mit der Zeit wird es dir leichter fallen. Und die Menschen hier werden auch lernen dich zu akzeptieren.“

Ein erleichtertes und glückliches Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, als ich Lillies Worte vernahm und während ich zu ihr sah spürte ich deutlich, wie sehr ich diese junge Frau in mein Herz geschlossen hatte. Es tat gut diese Worte zu hören, denn zu häufig schon hatte ich das Gefühl, dass mich kaum einer verstand, außer meinem Mann. Es fühlte sich ein wenig so an, wie ein Befreiungsschlag. „Ich danke dir für deine Worte“, meinte ich und fügte hinzu, „Wir sollten uns jetzt aber beeilen. Ich möchte nicht die Zeit vertrödeln. Ich hoffe, du siehst es genauso.“ Sofort nickte Lillie und sagte, dass ich mir deswegen keine Sorgen machen bräuchte und wir trieben unsere Pferde an.

Der dunkle Tannenwald erstreckte sich vor uns und nur an wenigen bestellten Feldern kamen wir vorbei. auch Siedlungen waren rar gesät. Doch der Weg vor uns war nicht verwildert und man konnte ihm sehr einfach folgen. Hier und da sah man in der Ferne ein vereinzeltes Haus stehen, oder Rauch über den Wipfeln emporsteigen. Über uns schrien die Vögel und kündigten allen Tieren an, dass wir hier waren. nicht einmal ein Hase kreuzte unseren Weg.

Steil wurde der Weg vor uns und der Weg wurde steiniger und die hohen Berge des Gebirges kamen näher und näher. So weit oben war ich noch nie gewesen seit ich hier war und ich war dankbar ein Pferd zu haben, das mich mit sicheren Schritten über den Weg trug. Die Tannen waren höher als in der Nähe des Dorfes in dem ich wohnte, immer noch schrie die Vögel über uns und verrieten jedem Tier wo wir gerade waren. Windig war es hier oben und weit weniger angenehm als unten in dem Dorf und wenn ich dort schon dachte, dass der Sommer schnell vorbei gegangen war, war dies hier oben im Gebirge fast schon zu eisig für mich. Eine Gänsehaut überzog meinen Körper und kurz strich ich mir über die Arme und murmelte leise: „Verdammt ist das windig…“ Ein zustimmendes Murren kam von meiner Schwägerin und auch sie rieb sich die Hände.

Ich wollte gerade Lillie fragen wie lange wir noch unterwegs sein würden, als ich in der Ferne Rauchschwaden erkennen konnte. Viele Rauchschwaden. Ich fragte sie, ob diese Rauchschwaden vom Dorf kommen könnten und sofort nickte sie zustimmend. Erleichterung breitete sich in meinem Inneren aus und zufrieden nickte ich. Endlich! Ich musste einfach so dringend mit Ragnar sprechen.
 

Wir erreichten das Dorf. Es war weiter oben im Gebirge und der Wind wehte uns immer noch kalt entgegen. Ich war froh, dass ich mir neue, dickere Kleidung besorgt hatte, denn sie ließ die Kälte nicht zu sehr an meine Haut.

Es war ein recht kleines Dorf. Eine hölzerne Palisade umrahmte und in der Ferne konnte ich einige Ziegen sehen, welche von Hirten bewacht wurden. Ich verstand, weswegen die Männer ihre Tiere nicht aus den Augen ließen, schließlich waren in den Wäldern viele Wölfe und Bären. Für die wäre ein wehrloses Schaf oder eine Ziege eine Einladung zum Essen.

Da es noch mitten am Tag war, war das Tor der Palisade geöffnet und wir konnten ungehindert eintreten. Sofort standen wir auf dem Marktplatz, wo wenige Verkäufer ihre Stände hatten. Sofort richteten sich alle Augen auf uns. Nicht nur, dass wir mit Pferden angereist waren, es war auch noch unsere Erscheinung. Die Augen der Menschen klebten an uns und ich sah, wie einige auf mich deuteten und unverhohlen begannen mit der Person neben sich zu sprechen.

Allerdings störte es mich nur im ersten Augenblick, denn schließlich war ich es kaum noch anders gewöhnt. Ich war auffällig und meine Taten müssten sich bereits so verbreitet haben wie ein bunter Hund. Wir stiegen von unseren Pferden und alle Augen waren immer noch auf uns, doch niemand ergriff das Wort. Waren sie nun alle sprachlos?

„Ich suche Ragnar, meinen Mann“, erklärte ich hinzu, denn vermutlich war Ragnar ein Name der öfter vergeben wurde. Zudem ging ich sowieso davon aus, dass sie wussten wer ich war. Die Frau aus dem Ausland, die die sich nicht anpassen wollte. Ich vermutete, dass die Händler alle meine Fehler weiter berichtet hatten, denn dies erklärte das Gaffen der Menge.. Doch ich war erstaunt, als sie kurz schwiegen und erst nach einem Augenblick meinte eine Frau mittleren Alters: „Er ist unten beim Steinbruch. Mit den jungen Männern. Dort ist genug Platz.“ Sie trat auf uns zu uns ich erkannte, als sie näher kam, dass sie eine längliche, aber recht dünne Narbe im Gesicht hatte. Sie zog sich über ihre Wange bis fast zu ihrem Ohr. Dunkelblonde Haare fielen ihr offen über die Schulter eine kleine Stupsnase im Gesicht. „Ich habe von dem gehört, was ihr getan habt“, meinte sie und ergriff meine Hand. Überrascht sah ich sie an, denn ich hatte nicht mit dieser Reaktion gerechnet, „Es ist das Mutigste was ich hier je von einer Frau vernommen habe. Ich hoffe, dass man Euch dieses Mut niemals nehmen wird.“ Ich blinzelte einige Male und starrte die Frau sprachlos an. Denn ich hatte nicht mit dieser Reaktion gerechnet. Sie kam plötzlich und wie aus heiterem Himmel. Schließlich war ich sonst immer auf Ablehnung und Unverständnis gestoßen. Ich räusperte mich und mit erstaunlich belegter Stimme erwiderte ich: „Ich danke Dir für Deine Worte. Ich werde immer versuchen, ich selbst zu bleiben und vielleicht werden andere Frauen ja auch sehen, dass es nicht schlecht ist.“

Leicht nickte die Frau und ihre dunkelblonden Haare wehten ihr ins Gesicht. Ihre Haut war von der Sonne gebräunt und einige Falten waren um ihre Augen zu erkennen. Offenlächelte sie mich an.

„Ich hoffe es ebenso… Kommt. Ich geleite Euch zum Steinbruch“, meinte sie mit freundlicher Stimme und wandte sich um. Lillie und ich sahen einander an und auch sie wirkte verblüfft, doch dann grinste sie mich erneut an und wir folgten der Frau.

„Wow“, murmelte sie leise und beugte sich zu mir, „Das deine Auffälligkeiten in anderen Dörfern so gut ankommt hätte ich gar nicht erwartet.“ Ich nickte nur, denn ich wollte nicht so erscheinen, als würde ich heimlich hinter den Rücken der Frau schlecht über sie sprechen.

Doch es war wirklich erstaunlich! Ich ließ meine Augen schweifen und erkannte, dass es keine Verachtung war, mit der ich hier betrachtet wurde. Ich sah ein kleines Mädchen an der Hand ihrer Mutter, welche auf meine Waffen zu deuten schien und aufgeregt mit seiner Mutter sprach. Ich straffte meinen Rücken, denn ich wollte nicht aussehen, als ob ich gebeugt durch die Gegend gehe und Freude breitete sich in meinem Inneren aus. Und wenn dort das griesgrämige Gesicht eines alten Mannes war bemerkte ich dieses doch kaum.

Dieses warme Gefühl verteilte sich in meinem Inneren und ließ mich zufrieden lächeln. Mit den Pferden am Zügel folgten wir der Frau, die Inga hieß, hinunter zum Steinbruch. Schon von Weitem erkannte ich die roten Haare meines Mannes und unser Eintreffen blieb natürlich nicht unbemerkt.

Die Augen aller waren auf unsere Ankunft gerichtet und sofort trat Ragnar nach vorne und ging auf mich zu. Ich bemerkte seinen besorgten Gesichtsausdruck und seine grünen Augen wanderten fragend zu meinem Bauch. Doch ich schüttelte nur leicht den Kopf, denn mit dem Kind war alles in Ordnung.

„Thalia, Lillie“, sprach er mit überraschter und verwirrter Stimme, „Was führt euch beide hier hin? Was ist passiert?“ Wollte er wissen und überrascht sah er zum Bogen und zum Kurzschwert. „Ich muss dringend mit dir sprechen“, meinte ich ruhig und wusste, dass alle Ohren gerade zuhörten. Es waren mindestens 10 junge Männer und einige etwas ältere. Sie wirkten alle recht kräftig und einige von ihnen hatten Streitäxte in der Hand. Andere sahen aus, als hätten sie bereits hart trainiert und wären dabei im staubigen Boden gelandet.

„Worum geht es?“, wollte Ragnar wissen und fragend zogen sich seine Brauen zusammen, doch ich wollte hier nicht sprechen. Nicht vor so vielen Ohren. „Könnten wir ungestört sprechen? Es ist wichtig.“, meinte ich ruhig, eindringlich war mein Blick als wir einander ansahen.

Dankbarkeit flammte in mir auf als ich sah, dass er ruhignickte. „Ja“, meinte er und drehte sich zu einem älteren Mann und fragte: „Otwail, kann ich irgendwo mit meiner Frau alleine sprechen?“ Ich folgte seinem Blick und sah den Mann an. An seiner Kleidung waren einige Felle, ein dicker, lederner Mantel kleidete ihn und ich konnte eine Tätowierung an seinem Hals erkennen. Er trat auf uns zu, er war fast genauso groß wie mein Mann.

Seine Augen hatten eine erstaunlich intensive Farbe. Ein sehr helles Braun, es wirkte in dem augenblicklichen Licht fast schon golden. Überrascht sah ich ihn an, als er mir seine große Hand hinhielt und zu mir sprach: „Ich heiße Euch herzlich in meinem Dorf willkommen, Thalia. Ich bin Otwail der Dorfvorsteher.“ Langsam ergriff ich seine Hand und ein warmer und nicht zu fester Händedruck erwartete mich.

Doch schnell ließ er meine Hand wieder los und wandte sich zu meinem Mann. „In meinem Haus am besten“, meinte er und blickte zu den Pferden, „Lasst sie hier. Hier wird auf sie aufgepasst.“ Sofort trat ein junger Mann zu uns und nahm uns die Zügel ab.

Ich mahnte den jungen Mann höflich, auf die Tiere achtzugeben und ging mit Ragnar Lillie, Otwail und Inga wieder hinauf. Schnell wurde mir klar, weswegen Inga uns begleitete. Sie war Otwails Frau.
 

Wir traten ins Haus. Es sah aus, wie unsere, auch in diesem Dorf war die Bauweise ähnlich. Otwail und Inga schienen einige Kinder zu haben, denn einige Holzspielzeuge lagen vor dem Kamin und auf einem Sessel lag eine Puppe. Sie ließen uns alleine. Beide würden hinten im Hof auf uns warten. Eine sehr zuvorkommende Geste.

Lauter als ich es dachte, fiel die Tür ins Schloss und niemand sagte etwas. Als Lillie, Ragnar und ich alleine waren breitete sich die Stille unnachgiebig zwischen uns aus. Doch so schnell die Stille sich zwischen auszubreiten schien, durchbrach ich sie. „Ich habe in dem Zimmer deines Bruders sein Tagebuch gefunden. In dem stand, dass Ulveig mit Intrigen an der Macht geblieben ist und…. Ragnar, dass tut mir so leid, aber er hat geschrieben, dass er vermutet, dass Ulveig ihn töten lassen wollte.“ Mir war bewusst, dass es nettere und vorsichtigere Worte hätten geben können, doch es brauchte gerade keine Nettigkeit. Ich wollte ihm einfach die Wahrheit sagen und ich wusste, dass mein Mann dies ab und zu brauchte. Sprach man zu oft drum herum, oder sagte es nicht direkt, dann verpufften manche Worte bei ihm einfach.

„Ich meine es ernst“, sagte ich und hielt ihm das Tagebuch seines Bruders entgegen, „ Lies! es selbst, wenn du mir nicht glaubst.“ Der überraschte und perplexe Gesichtsausdruck auf Ragnar Gesicht ließ mich erahnen, dass er gerade nur langsam hinterher kam.

Lillie stand neben ihrem Bruder und meinte: „Ragnar, du musst Thalia glauben. Ich meine es ernst. Jari hätte so etwas nicht erfunden. Niemals.“ Immer noch betrachtete uns mein Mann mit skeptischem Blick. Ruhig nahm er mir das Buch aus der Hand und senkte seine Augen auf die beschriebenen Seiten. Langsam glitten seine Augen darüber und da er nicht wusste, wo die wichtigen Informationen begangen blätterte er erst mehrere Seiten um, bis er zu den entscheidenden Seiten vordrang. Immer ernster wurde sein Blick und als er begann, sich über den Bart zu streichen, wusste ich, dass er sehr nachdenklich wurde. Tief atmete mein Mann durch und sah von dem Buch zu mir auf. Den Blick standhaltend sah ich ihm in die Augen, wich nicht aus, denn ich wollte einfach, dass er mich glaubte! Es war ja eigentlich so offensichtlich.

„Ich… ich habe immer geglaubt Jari sei in einen Hinterhalt gekommen“, nuschelte er leise und als Lillie ihn fragte, weswegen er seinen Eltern gesagt hätte, dass Jari in einer Schlacht gefallen sei, erwiderte er: „Es war einfacher Lillie. Ein Hinterhalt… ich war so erschüttert und dann habe ich die Attentäter gesucht und nie gefunden… Ich wollte nicht…. Ich…. Ich hatte Sorge was Mutter sagen würde und mich rechtfertigen zu müssen und deswegen habe ich gesagt, es war in einer Schlacht gewesen….“ Verloren sah er auf das Papier und ich bemerkte wie kurz die Hände des starken Kriegers begangen zu zittern. Ich überwand den kurzen Weg zwischen uns und streckte meine Hände nach ihm aus. Ich drückte seine Hand liebevoll und entschlossen war meine Stimme, als ich sagte: „Wir müssen Ulveig ein für alle Mal erledigen. Er muss weg! Und wenn er nicht freiwillig geht, dann muss jemand anderes dafür sorgen.“

Unschlüssig sahen mich die grünen Augen des Mannes vor mir an und ohne ein Wort zu sagen, drückte er seine Hand gegen meinen Bauch und wiedersprach mit ernster Stimme: „Aber das wirst nicht du sein! Unter keinen Umständen. Und sollte ich sehen, dass du dich in Gefahr bringst, werde ich dich mit Sven wieder in deine Heimat schicken! Ich werde nicht zulassen, dass du euch beide in Gefahr bringst.“ Sprachlos sah ich ihn an und schluckte leicht, als ich seine Worte hörte. Und für einen kurzen Augenblick war es, als sei die Zeit stehen geblieben, während wir einander in die Augen sahen. Obwohl er ernst sprach, betrachtete er fürsorglich meinen Bauch. (So und umso kann man da nicht verwenden)

Ja, er würde ohne Zweifel einen sehr guten Vater abgeben.

„Ich habe es gewusst“, meldete sich eine melodische Frauenstimme hinter uns und erst in dem Augenblick fiel mir wieder ein, dass Lillie noch hier war. In diesem Augenblick hatte es nur mich und Ragnar gegeben! Niemanden anderen sonst. Fragend sahen seine grünen Augen zu ihr hinüber und schmunzelt meinte sie: „Ich habe es geahnt. Als ich dich letztens bei den Hühnern gesehen habe, hast du dir ganz liebevoll über den Bauch gestreichelt und auch so… ich finde du siehst anders aus.“ Meine Überraschung wich der Freude, denn deutlich sah man sie ihr an.

Ein glückliches, liebevolles Lächeln legte sich auf meine Lippen und ich schenkte es der jungen Frau vor mir. „Danke, Lillie“, meinte ich ehrlich und erst nach einem Augenblick zwang ich meine Gefühle zu verdrängen. Denn ich hatte gelernt, dass Gefühle nicht Entscheidungen zu beeinflussen hatten. Natürlich schaffte ich dies nicht immer, doch mein Kopf wusste, dass es gerade Wichtigeres zu besprechen gab. Etwas, was man nicht einfach vor sich her schieben sollte.

Zudem befanden wir uns in einem Haus, welches nicht einmal uns gehörte. Es schien, als hätte Ragnar meine Gedanken gelesen, denn auf einmal sprach er: „Ich werde schauen, wie ich vorgehen muss.“ Sein Blick glitt zu der Tür, welche Otwail hinter sich zu gezogen hatte. Ohne genau darüber nachzudenken fragte ich: „Kann man den Menschen hier vertrauen? Sie haben mich hier sehr offen in Empfang genommen. Etwas, was ich sonst noch nie in diesem Land hatte.“

Nachdenklich kratze sich Ragnar an der Schläfe und nach einem Moment erklärte er: „Otwail und Ulveig mögen sich nicht. Ulveig hat Inga, als er betrunken war, einmal sehr heftig angegriffen und sie mit seinem Messer im Gesicht verletzt… Zudem macht er sich ständig über Otwail lustig, da er keinen einzigen Sohn hat… Er will jetzt wo seine Töchter auf der Welt sind, dass sie es genauso haben sollen wie es Söhne hätten. Etwas womit er sich mit Ulveig nie verstehen wird.“ Perplex blinzelte ich meinen Gatten an. Wie konnte man sich darüber lustig machen? Ich hatte dafür einfach kein Verständnis.

Doch natürlich erfreuten mich diese Aussagen auch, denn vermutlich war Otwail nicht auf Ulveigs Seite und wir hatten Mitstreiter definitiv nötig! „Dann hole ihn rein und sprich mit ihm.“

Kurz betrachtete mich mein Mann und es schien, als würde er sich meine Worte durch den Kopf gehen lassen, bevor er zur Tür trat und sie öffnete. Otwail und Inga betraten ihr Haus und sofort eröffnete mein Mann, was geschehen war. Ernst wurde der große kräftige Mann vor mir und verschränkte die Arme vor der Brust. Auch er nahm das Tagebuch zur Hand und leise murmelte er: „Ich habe deinen Bruder immer sehr geschätzt, Ragnar. Sein Verlust war schrecklich.“ Kurz war ich überrascht, als er das Buch an seine Frau weiterreichte und doch machte es diesen Menschen gleich sehr viel sympathischer. Ihm schien die Meinung seiner Frau wichtig zu sein. Auch Ingas Augen wanderten über das Buch und ernst sah sie ihren Mann an.

„So kann es nicht weiter gehen, Otwail. Das hier war der Anfang. Schau dir an, was er in den ganzen Jahren Schritt für Schritt verändert hat. Unser Ältestenrat wird doch nicht mehr gehört und auch er selbst wird nicht mehr wirklich hinterfragt. Seine Frau liegt im Sterben und niemanden interessiert es. Die Macht hat ihn zu einem Monster werden lassen. Und so etwas braucht niemand. Es muss endlich was getan werden!“, ihre Stimme klang kämpferisch während sie sprach und ich war überrascht von ihren Worten. Ich hatte gedacht, dass ich mit meiner Art hier alleine wäre. Doch anscheinend hatte ich mich geirrt. Und es freute mich sehr, dass ich falsch gelegen hatte. Zufrieden sah ich Inga an.

„Woher weißt du, dass Ulveigs Frau im Sterben liegen soll?“, wollte mein Mann wissen und blickte sie skeptisch an. Auch mein letzter Stand war, dass es ihr nur nicht gut ging. „Ich habe mit ihrer Mutter gesprochen. Das arme Mädchen ist ganz blass und ihre Mutter sagte, dass sie sich regelmäßig übergibt und sie von Tag zu Tag schwächer wird. Ich habe auch gehört, dass ihre Hautfarbe eine unnatürliche Farbe bekommen haben soll. Ich nehme an, dass die junge Frau nach und nach vergiftet wird. Ich verstehe nur den Grund nicht.“

Ragnars und meine Augen trafen sich und schweigend sahen wir einander in die Augen. Doch noch bevor ich abwägen konnte, ob es sinnvoll sei etwas zu sagen, meinte mein Mann: „Ulveig hat anscheinend Interesse an meiner Frau. Er ist in unser Haus gekommen und hat sie bedroht. Doch nach diesem einmaligen Vorfall ist es ruhig geworden und ich hatte gehofft, dass es vielleicht nur der Alkohol war, der aus ihm gesprochen hat. Er selbst konnte Thalia damals nicht zur Frau nehmen, aber ich erinnere mich deutlich, dass er nach dem Kampf häufig über sie und ihr Aussehen sprach.“ Ich war froh zu hören, dass mir Ragnar glaubte und doch war ich wieder einmal von seiner Naivität überrascht. Mir fiel auch kein besseres Wort ein. Vielleicht war er wirklich ab und zu etwas naiv. Doch dann konnte ich das auch nicht mehr ändern. Otwail betrachtete mich und auch Ingas Augen glitten an mir entlang.

„Dann solltet du dich und dein ungeborenes Kind in Sicherheit bringen. Schließlich scheint er nicht einmal davor zurück zu schrecken, die Mutter seines Sohnes umzubringen“, sprach sie zu mir und perplex weiteten sich meine Augen. Ich brauchte nicht zu fragen, woher sie es wusste, denn der Ausdruck auf meinem Gesicht ließ sie schmunzeln und noch bevor ich nachfragen konnte erklärte sie: „Ich bin Heilerin und kenne mich auch mit werdenden Müttern aus. Ich habe gesehen, dass du dir nach dem Ritt sehr liebevoll über den Bauch gestrichen hast. Vermutlich hast du es selbst nicht einmal wahrgenommen“, erklärte sie mit freundlicher und sehr einfühlsamer Stimme. Warum ich etwas rot wurde, verstand ich selber nicht. Doch irgendwie, war es mir unangenehm, dass mich diese Frau so sehr beobachtet hatte. Mit einem flüchtigen Lächeln auf meinen Lippen nickte ich leicht. „Darauf habe ich wirklich nicht geachtet“, murmelte ich vor mich hin und doch glaubte ich, dass alle Umstehenden mich verstanden hatten.

Allerdings sammelte ich mich schnell, denn es gab Wichtigeres zu besprechen. „Wie gehen wir jetzt vor?“, wollte ich wissen und sah zwischen den Beteiligten hin und her. Ragnar und Otwail sahen einander an und sofort meinte mein Gatte: „Sven wird auf meiner Seite stehen, wie vermutlich auch Gunnar und seine Brüder.“

Unschlüssig lauschte ich den Männern und fragte sie, was sie denn vorhatten. „Wollt ihr ihn erschlagen? Ich würde mir das gut überlegen. Wenn er wirklich so ein guter Anführer ist, dann wird er Anhänger haben, welche auf seiner Seite stehen und wie werden die es aufnehmen, wenn er aus den eigenen Reihen getötet wird? Es würde im schlimmsten Falle zu einem Aufstand zwischen den Parteien kommen und ihr würdet ihn vielleicht noch zu einem Märtyrer machen. Sicherlich nichts, was wir wirklich wollt. Außerdem seid ihr nicht so viele.“ Überrascht sah mich mein Mann an und auch Otwail blickte ungläubig zu mir, bevor er lauthals lachte. „Na sieh mal an Ragnar“, meinte er laut lachend und schlug ihm auf die Schulter, „In deiner Frau steckt eine Meuchelmörderin. Gut Thalia. Du meinst also es sei besser wenn wir es heimlich tun?“

Ich stimmte nicht in das Lachen ein. Es störte mich nicht, doch gerade war mir einfach nicht danach. Dafür war ich zu ernst. Ich nickte zustimmend und dachte kurz nach. Leise durchdrang Lillies Stimme die aufkommende Stille zwischen uns. „Und wenn wir es machen wie er es tut? Mit Gift? Gibt es irgendein Gift, welches die Menschen einfach beim Schlafen tötet? So weiß niemand außer uns, was geschehen ist und niemand wird Rache üben wollen.“

Ich betrachtete meine junge Schwägerin. Sie war wirklich alles andere als dumm oder naiv für ihr Alter und als ich sah, wie Ragnar seine kleine Schwester betrachtete schien er sich dasselbe zu denken, wie ich es tat.

„Ich denke“, meinte Inga auf einmal, „Dass ich da was hinbekommen könnte.“



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