Ein unfaireres Spiel mit dem Schicksal von Strichi ================================================================================ Kapitel 19: Marktschreie ------------------------ Ich fühlte mich am nächsten Tag unwohl und ich hatte das Gefühl, dass die Blicke der Menschen sich gewandelt hatten. Ob das wirklich so war oder ich mir das nur einbildete, konnte ich nicht wirklich abschätzen. Doch beim Abendessen mit meinen Schwiegereltern sollte ich erfahren, weswegen ich das Gefühl hatte. Inga nahm mich während des Essens beiseite und redete auf mich ein. Ich könne nicht jagen gehen, es sei Aufgabe des Mannes dies zu tun. Der Wald sei gefährlich und was am schlimmsten war, dass ich ihren Jungen bloß gestellt hatte. Das ganze Dorf würde darüber bereits sprechen. Ich war nicht einmal zwei Monate hier und schaffte es schon, dass alle hier über mich sprachen. Also lag ich mit meiner Vermutung nicht falsch, dass ich die ganze Zeit beobachtet wurde. Ich schwieg darauf, denn ich hatte keine Lust mit ihr darüber zu reden. Es ging sie einfach nichts an und ich wollte mich von den Menschen hier einfach nicht so ändern lassen. Mürrisch blickte ich zu dem selbst erlegten Hasen, einen zweiten hatte ich heute noch auf dem Markt besorgt. Ich hoffte, dass Tier würde wenigstens schmecken. Genug Ärger hatte es mich so schon eingebracht. Inga meckerte weiter, doch ich ging nicht darauf ein. Es brachte mir schließlich nur schlechte Laune. Ich schwieg sie an und es schien, als passe es ihr nicht. Ja, ich war eindeutig nicht das Schwiegerkind welches sie sich gewünscht hatte. Doch wieso sollte ich mich für sie ändern? Ich mochte die Jagd wesentlich lieber als Kochen und Putzen. Doch ich bemühte mich. Heute hatte ich alles versucht so zu tun, wie es von mir verlangt wurde. Höflich saß ich bei den anderen am Tisch und auch Lillie schien nicht begeistert, dass ich jagen war. Doch ich vermutete, dass es eher etwas mit meiner Sicherheit zu tun hatte, als tatsächlich darüber, dass ich ihren Bruder bloßgestellt habe. Hatte ich wirklich so viel Glück gehabt? Eine ehrliche Stimme in meinem Kopf sagte klar und deutlich, ja. Jeder der hier Anwesenden hatte mich mehr wie einmal gewarnt in die Wälder zu gehen. Und ich war blindlings hineingeritten. Ja, vermutlich hatte ich gestern mehr Glück als Verstand gehabt. Doch nicht nur die Jagd ging mir durch den Kopf. Während ich den Hasen aß, war ich wieder mit meinen Gedanken bei Ulveig. Es ließ mich einfach nicht los! Dieser Mensch machte mir tatsächlich Angst. Nachdenklich seufzte ich und ich strich mir gedankenverloren die Haare von der Wange. Ich schreckte zusammen, als ich auf einmal jenen Namen hörte, welcher mir seit gestern nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. „Was?“, wollte ich wissen und blickte zerstreut in die Runde. Von Ragnar zu Inga schauen blickte ich verwirrt und alle Augen schienen auf mich gerichtet, denn mein Ausruf schien für sie unverständlich. Tief atmete Inga durch und betrachtete mich mit ihren strengen Blick. „Ich dachte schon, dass du am Tisch mit offenen Augen schläfst“, stichelte sie und fügte hinzu, „Ulveigs Frau ist krank. Die Arme erholt sich nicht mehr von einer Grippe und hat Probleme.“ Eisige Schauer liefen über meinen Rücken. Ich hätte alles was ich besaß darauf verwettet, dass seine Frau gerade in tödlicher Gefahr war. Doch ich konnte es nicht sagen. Sie würden mir nicht glauben. Keiner von ihnen. Selbst Ragnar hatte mir nicht geglaubt, etwas was mir sehr zu schaffen machte. Viel mehr als ich es angenommen hatte. „Das tut mir leid für sie“, sagte ich leise und nachdenklich. Unruhig stocherte ich in dem Essen herum. Wieso musste das passieren? Nicht nur die Hochzeit, nun auch das noch. Ja, vielleicht war ich hier exotisch und sicherlich auch anstrengen, nicht leicht als Ehefrau. Wenn ich ein Mann wäre, hätte ich mich sicher nicht freiwillig geheiratet. „Das hoffe ich auch, sie ist so eine liebe Person“, meinte Inga und seufzte traurig auf. Ich nickte nur und war erneut weit weg mit meinen Gedanken. Würde Ulveig wirklich so weit gehen seine eigene Frau umzubringen? Ich kannte diesen Menschen nicht. Das einzige was ich von ihm wusste war, dass er augenscheinlich ein fähiger Clanführer war, denn sonst wäre er nicht an der Macht. Doch er war ein Schwein, dass hatte er deutlich gemacht als er mich aufgesucht hatte. War er Machthungrig? Vermutlich, aber ich hatte zu wenige Informationen um es mit Sicherheit sagen zu können. Macht veränderte die Menschen und brachte oftmals Züge zum Vorschein, die sie selber nicht von sich kannten. Häufig hatte mein Vater mit mir und meinem Bruder darüber gesprochen und immer wieder hatte Vater betont, dass wir nicht so durchdrehen sollen, wenn wir das Land übernommen hätten. Aus diesem Grund hatte Vater bereits früh begonnen uns unterrichten zu lassen und uns immer mehr Verantwortung übertragen. Verantwortung, die nun Tal allein Schultern musste. Ob ihn das freute? Ich kratzte mich an meinem Kopf und runzelte nachdenklich die Stirn. Vermutlich war es unhöflich, dass ich mich nicht all zu sehr an den Gesprächen beteiligte, aber ich schaffte es nicht die Stimmen in meinem Kopf zu bremsen. Ich war froh, als Raik, Lillie und Inga rüber in ihr Haus gegangen waren und ich mit Ragnar alleine war. Endlich war Ruhe eingekehrt. „Ragnar“, sagte ich und verschränkte die Arme vor der Brust, „Ich bitte dich noch mal, pass auf wegen Ulveig. Ich glaube nicht, dass seine Frau plötzlich krank ist und ich meine es ehrlich, dass ich Sorge habe, dass er dir etwas tun möchte!“ Ich musste ihn einfach warnen. Es war im wahrsten Sinne des Wortes lebensnotwendig, denn ich wollte einfach nicht, dass ihm etwas zustieß! Unschlüssig betrachtete mich mein Mann und verschränkte die Arme vor der Brust. Es war ein deutliches Zeichen, dass er mir nicht wirklich glaubte. „Thalia“, meinte er ruhig, zu ruhig. Er sprach mich an als sei ich ein ungezogenes Kind und ich wollte ihn am liebsten anschreien. „Ich weiß, dass er nicht der netteste Mensch auf Erden ist, aber weswegen sollte er seiner Frau etwas tun?“ Perplex blinzelte ich ihn an und fragte, ob dies sein Ernst sei. „Wirklich Ragnar“, fügte ich gereizt hinzu, „Dies fragst ausgerechnet du? Er könnte tausende Gründe dafür haben. Angefangen von ich liebe sie nicht mehr bis hin zu, er hasste sie oder sie hat was gegen ihn in der Hand. Bitte Ragnar, er hat mir schon gedroht. Glaub mir einfach. Bitte. Vergiss den Streit von gestern. Das ist nicht so wichtig wie Das!“ Unschlüssig betrachtete mich mein Mann und schien immer noch uneinig was er davon glauben sollte oder nicht. „Ich habe doch nichts davon, wenn ich dir das sage. Wenn ich wollte, dass er dir einfach etwas antut, dann würde ich dich doch nicht warnen“, meinte ich fast schon verzweifelt und ging auf den großen bärtigen Mann zu. Ich griff nach seiner Hand und drückte die großen Pranken. Sanft glitten meine Hände darüber und flehend wurde mein Blick. „Bitte Ragnar!“ Leise grummelte mein Mann vor sich hin und als ich ihn aufforderte lauter zu sprechen erklärte er leise: „Ulveig ist seit langer Zeit an der Macht. Die Dorfvorstände wählen den Clanführer… Eigentlich ist es aber immer der, der am stärksten ist. Ulveig hatte sich damals durchgesetzt und sich dann mit Handelsgeschick und guter Kriegsführung oben halten können. Doch in den letzten Jahren wurde es immer… schwerer für ihn und seit ich und mein Bruder so engagiert dabei waren schwand seine Beliebtheit… Einer der Dorfvorsteher sagte mir letztens noch, dass sollte ich mich zur Wahl stellen, er mich wählen würde….“ Fassungslos sah ich ihn an. Ich war einfach nicht lange genug in diesem Land um die Strukturen zu erfassen. Dennoch erschien ein spöttisches Lächeln auf meinen Lippen und ich konnte nicht verhindern, dass ich fragte: „Und du hast mir gestern echt nicht glauben wollen, dass er mir gedroht hat? Nachdem was du mir da erzählst, ist es doch das klassische: Ich schalte meine Gegner aus. Dafür braucht man doch noch nicht einmal in Politik geschult sein wie ich. Dafür braucht man doch einfach nur ein wenig Verstand.“ Ein mürrischer Blick meines Mannes war Antwort genug. Ja, vielleicht war diese Antwort im Nachhinein nicht die Netteste, jedoch war ich aufgebracht und dann kamen auch mal Worte aus dem Mund, die man hinterher sicher anders formuliert hätte. Doch vielleicht brauchte er diese direkte Art einfach, damit er klarer an die Sache herangehen konnte. Ich musste es akzeptieren, dass es vielleicht mal Sachen gab, in denen man einige Dinge erst nach einer Zeit rational erfassen konnte. Mit Abstand schienen einige Sachen viel einfacher zu sein. Vielleicht waren mein Mann und Ulveig wirklich Freunde gewesen und ich wusste nicht wie er mit meinem Mann umging, wenn ich nicht dabei war. Doch er sprühte einfach vor Gefahr und Hinterhältigkeit. „Ragnar“, begann ich eindringlich zu sagen und erneut hielt ich seine Hand feste, „Glaub mir, wenn ich dir sage, dass es gerade wirklich gefährlich für dich ist. Wenn Menschen mit Macht in Verbindung kommen, dann verändern sie sich. Sehr häufig habe ich so etwas schon beobachtet. Vielleicht waren Ulveig und du Freunde, doch wenn er dich als Konkurrenz sieht… Wenn sein Stuhl ihm wichtiger ist, dann wird er versuchen dir etwas anzutun…“ Langsam ließ Ragnar meine Hand los. Er wich meinen Blick aus und runzelte die Stirn. Seine Stirn warf tiefe Falten und er fing an langsam, aber unruhig, durch das Haus zu laufen. Immer wieder strich er sich durch den dichten, roten Bart, entknotete eine Stelle und schien immer noch weit weg mit den Gedanken zu sein. Doch ich ließ ihn. Schließlich kannte ich es von mir, dass man bei manchen Sachen nicht ruhig sitzen bleiben konnte Ich musste dann einfach unruhig und nervös durch das Haus laufen, eigentlich genauso wie mein Mann. Schwer ein und ausamtend fing mich der Blick seiner grünen Augen ein. Wie so oft strich er sich durch den langen Bart und betrachtete ich. „Hm“, raunte er und wirkte ziemlich unzufrieden, „Sagen wir mal, dass es stimmt, wieso sollte er dir das sagen… und mich so vorwarnen?“ Unschlüssig zuckte ich mit den Schultern. Doch sofort fiel mir eine Erklärung ein. „Ragnar, er glaubte mich in der Hand zu haben. Er wusste, dass ich dich mit Leif betrogen habe. Er ist sicherlich davon ausgegangen, dass du mich deswegen verstoßen würdest und zudem ist er sich sicherlich nicht bewusst, dass wir einander wirklich kennen lernen und schätzen. Ich habe häufig genug mitbekommen, wie Männer hier über Frauen denken. Kochen, putzen, nicht jagen, das Haus sauber halten… Deine Mutter ist ein gutes Beispiel! Wenn ich etwas mache, was gegen die Norm ist, werde ich darauf…. Freundlich hingewiesen. Aber hier gibt es sicher genug die es nicht freundlich machen. Ich habe Ulveig sehr deutlich gemacht, dass er mich nicht in der Hand hat und wenn er ein wenig Verstand hat, dann weiß er auch, dass ich dich nun gewarnt habe. Bitte Ragnar, passe auf dich auf. Ich will dich nicht verlieren.“ Stille breitete sich in dem Raum aus und immer noch betrachtete mich mein Mann mit unergründlichen Blick. Doch ich brauchte nicht fragen was er dachte. Mit langen Schritten kam er wieder auf mich zu und blieb vor mir stehen. Seine grünen Augen glitten an mir hinunter und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen und ließ seinen Bart zucken. „Das war ja fast schon eine Liebeserklärung, Prinzessin“, sagte er und überrascht weiteten sich meine Augen. So hatte ich es eigentlich nicht gemeint. Doch es war mir gleich. Er war mir hier, neben Lillie und Sontje, die wichtigste und vertrauteste Person die ich hatte. Ich war mir nicht mal selbst sicher, was ich für diesen Menschen empfand. Auch auf meine Lippe erschien ein leichtes Lächeln und unschlüssig zuckte ich mit den Schultern. „Glaubst du mir denn wenigstens jetzt, dass du aufpassen sollst?“, wollte ich von ihm wissen und schaffte es nicht ein Lächeln zu unterdrücken. Erneut sah er mir kurz in die Augen und es wirkte, als ergebe er sich. „Du bist meine Frau und ich glaube dir. Ich werde Acht geben und mich auch mal umhören“, raunte Ragnar und es war wie ein Befreiungsschlag. Zu wissen, dass er mir glaubte war erleichternd. Ich überwand den letzten Meter zwischen uns und drückte den kräftigen Hünen an mich. „Danke“, sagte ich leise und ich fühlte wie er mit seiner Hand über meinen Rücken streichelte. „Es tut mir wirklich Leid wegen gestern. Ich wollte dich nicht bloß stellen und ich wollte mich nicht unnötig in Gefahr bringen. Ich habe nicht nachgedacht.“ Er sagte dazu nichts, doch ich spürte wie sein Arm sich kräftiger um mich legte. Die Wärme die sich auf einmal in mir ausbreitete überraschte mich und doch war es ein schönes und gutes Gefühl. Sie ließ mein Herz schneller schlagen und ein leises und zufriedenes seufzten verließ meine Lippen. Die nächsten Wochen waren seltsam für mich. Immer wieder schlich sich das Gefühl ein, dass ich verfolgt wurde, doch immer wenn ich mich umblickte war niemand zu sehen. Und seit dem Jagdvorfall stagnierte mein Versuch sich in die Gesellschaft zu integrieren. Nicht, dass ich es nicht versucht hätte, doch seither ging es einfach langsamer. Viele Frauen ob älter oder jünger beäugten mich misstrauisch. Doch auch ich beobachtete genauer und was ich sah gefiel mir nicht immer. Meiner Meinung nach fügten sie sich zu sehr dem Schicksal. Auch wenn es ihnen nicht schlimm vorkam, dass sie das taten, ich empfand es so. Ja, auch in meiner Heimat war es so gewesen, doch ich wuchs auf, in einem Zeitalter der Wandlung. Frauen hatten immer mehr Rechte. Zudem hat mein Vater meine Mutter auf Händen getragen. Nie hatte er sie vor unseren Augen nieder gemacht oder gar beleidigt. Ich bin mit dem Bild aufgewachsen, dass sich Eheleute auf Augenhöhe begegneten und dies war alles andere als Augenhöhe. Auch Ragnar fiel es immer wieder schwer. Doch er half mir beim Kochen und auch bei der Reinigung des Hauses, denn wenn ich ehrlich war überforderte es mich, alles plötzlich selber zu tun. So Selbständig wie ich dachte war ich anscheinend doch nicht. Ich brauchte Zeit um einen wirklichen Rhythmus zu finden. Und außerhalb des Hauses war Ragnar wie jeder andere Mann hier. Vermutlich wäre es ihm ziemlich unangenehm, wenn ich anderen davon erzählen würde. Und so gerne ich Sven auch hatte und so locker und liebevoll er mit seiner Familie umging bekam ich bei den Treffen in seinem Haus mit, dass auch er ein kleiner Patriarch war. Dass er Sontje liebte hätte ich nie in Frage gestellt, doch er selbst ließ es sich in seinem Haus einfach gut gehen. Spielte mit den Kindern und wäre sicher nie auf die Idee gekommen ein Messer zu nehmen um Kartoffeln zu schälen. Als ich Sontje darauf ansprach lachte sie und fragte mich ironisch, was Sven denn sonst Zuhause machen solle. Ich vertiefte das Gespräch nicht, denn abgesehen von dieser Angelegenheit kamen Sontje und ich wunderbar aus. Die einzige Person welche mich zu verstehen schien war Lillie. Sie schien sich auch nicht einfach mit dem Schicksal der Frauen hier abfinden zu wollen. Wir sprachen viel über meine Heimat und vor allem über die Universitäten. Sie hatte reges Interesse daran. Ich war mir unschlüssig, ob ich vorschlagen sollte meinen Vater zu fragen, ob sie nicht dorthin dürfe. Der Gedanke, dass sie in meine Heimat reiste und ich hier blieb war ein komisch Gefühl und außerdem wollte ich sie nicht als Freundin verlieren. Einige Briefe meiner Familie hatten mich erreicht. Jeder von ihnen hatte mir einige Zeilen zukommen lassen und auch Leif hatte mir geschrieben. Doch ich hielt mein Versprechen und schrieb ihm nicht. Denn Rückblickend betrachtet hatte er mich damals auf der Hochzeit zu sehr beleidigt. Er hatte die Grenzen zu sehr überschritten. Etwas was mir damals durch meine Verliebtheit nicht aufgefallen war. Tatsächlich hatte Ragnar noch nie so mit mir gesprochen. Immer häufiger erwischte ich mich dabei wie ich Ragnar beobachtete. So grobschlächtig er ab und zu war konnte er auch anders sein. Es war schwer es zu akzeptieren, doch immer mehr spürte ich wie ich mich zu diesen Mann hingezogen fühlte. Doch noch immer hatte ich das Gefühl, dass ein Damoklesschwert über unseren Köpfen hing. Ich konnte die Worte Ulveigs einfach nicht vergessen und ich glaubte auch nicht, dass mein Wiederstand ihn beeindruckt hatte. Ob es Taktik war, dass er sich zurückzog vermochte ich nicht einzuschätzen. Sowohl meinem Vater als auch meinem Bruder hatte ich von dem Vorfall in unserem Haus berichtet, doch ich wartete noch auf eine Antwort. Wieder war ein Tag vergangen und der Bote hatte keine neuen Nachrichten für mich dabei gehabt. Doch etwas anderes bereitete mir Sorgen. Ich hatte seit über einen Monat nicht mehr geblutet und langsam merkte ich, wie mein Körper sich verändert. Ich brauchte keine Heiler. Zwar war mir nicht schlecht doch meine Brüste spannten und mein Bauch war härter als gewöhnlich. Ich war schwanger. Keine vier Monate nach der Hochzeit. Seit einigen Tagen hatte ich mir darüber Gedanken gemacht, doch ich hatte noch mit niemanden darüber gesprochen. Ich hätte auch nicht gewusst, wie man so etwas einfach anspricht. Doch ich konnte nicht leugnen, dass ich mich freute und als ich abends auf Ragnar wartete erwischte ich mich dabei, wie ich sanft über meinen Bauch strich. Es war ein merkwürdiger Tag als ich über den Markt des Dorfes ging. Überall sah ich Mütter mit ihren Kindern. Wieso waren plötzlich so viele Kinder hier? Ich hatte mir Kleidung besorgt die der Witterung angemessen war. Schon jetzt hatte ich das Gefühl, dass der Somme zur Neige ging und der Herbst unbarmherzig seine kalten und regennassen Fühler nach uns streckte. Auch ich trug nun mehr Leder, wenn auch ohne Felle, denn diese sagten mir einfach nicht so zu. Ich schlenderte über den Markt und kaufte einige Sachen ein, denn auf die Jagd konnte ich ohne Bogen nicht mehr gehen. Einen neuen Bogen hatte mein Mann in Auftrag gegeben, doch es würde noch einige Zeit dauern bis er fertig war. Das er mir wirklich einen neuen kaufen wollte ließ mich glücklich lächeln. Denn er hatte mir versrochen, mich auf eine Jagd mitzunehmen. Ein Schrei riss mich aus meinen Gedanken und als ich mich umdrehte sahen meine Augen wie ein Mann wütend auf eine Frau einschlug. Schützend hob sie die Arme über den Kopf und bettelte darum, dass er aufhöre. Sie kauerte sich zusammen und schluchzte Herzzerreißend. Nicht nachdenkend ließ ich meine Einkäufe fallen und ging zügigen Schrittes auf die Beiden zu. Ich kannte die Beiden vom Sehen, doch hatten sie sich mir nicht vorgestellt. Ich schubste den Mann weg von der Frau und meinte zornig: „Lass sie in Ruhe!“ Wütend funkelte mich die kalten braunen Augen des Fremden an. „Misch dich nicht ein Blondchen“, raunte er zornig und wollte mich grob zur Seite schieben. Feste schlug ich gegen die Hand. „Fass mich nicht an und schlag die Frau nicht“, meinte ich eisig und ließ mich nicht wegdrücken. Unbeeindruckt blickte ich hinein in das fremde Gesicht und runzelte zornig die Stirn. „Hör mal zu“, raunte er der fremde Mann und trat erneut näher an mich heran, „Das ist meine Frau, wenn dir dein Mann kein Benehmen einprügelt, ist das nicht mein Problem! Jetzt verschwinde!“ Ich zuckte innerlich zusammen als er mich anschrie und blieb dennoch standhaft! Ich würde nicht einfach verschwinden! Das Wimmern hinter mir wurde leiser und als mich eine Hand am Arm berührte sah ich die Frau neben mir stehen. Tränen liefen ihr die Wange hinunter. Ich konnte einen verblassten Fleck im Gesicht der jungen Frau sehen, vermutlich war er vor Tagen noch größer. Ihr Gesicht war wie versteinert und tiefe Augenringe waren unter ihren Augen zu erkennen. „Bitte, misch dich nicht ein. Ich…. Ich war unvorsichtig und hab Sachen umgeschubst die wir verkaufen wollten… Es war meine Dummheit… Sie sind weniger wert jetzt“, stammelte sie leise und doch ließ ich mich nicht beirren. Ich schüttelte energisch den Kopf und meinte: „Das ist kein Grund für so ein unrühmliches Verhalten! So etwas sollte dein Mann nicht machen. Ich an deiner Stelle würde mich trennen!“ Das nächste was ich mitbekam war ein dumpfer Schlag gegen mein Gesicht. Schmerzvoll flog mein Kopf zur Seite und meine Wange brannte fürchterlich. Laut stöhnte ich auf und sah mit tränenden Augen in das Gesicht des Fremden. „Arh!“, schrie ich entsetzt und sah wie er erneut die Hand hob. „Du sagst so was nicht noch mal du dreckiges Waschweib!“, schrie er mich an und in letzter Sekunde schaffte ich es einen Schritt zur Seite zu machen. Perplex sah mich der Mann an. Meine Hand glitt an meine schmerzende Wange. Wütend schoss mir durch den Kopf, dass dieser verdammte Bauer nicht das Recht hatte mich zu schlagen! Zornig verengten sich meine blauen Augen und gerade als ich etwas sagen wollte zog mich eine kräftige Hand weg von dem Geschehen. Schmerzvoller war der Griff und als ich mich umwandte sah ich in Svens versteinertes Gesicht. Seine roten Haare waren ordentlich gekämmt und sein Bart gestutzt. „Margold wage es nicht, Hand an die Frau Ragnars zu legen!“ Schützend schob mich Sven hinter sich und als ich mich umsah bemerkte ich die große Traube an Menschen um uns herum. Diese verdammten Gaffer! Immer waren sie da! „Die hat sich nicht in meine Angelegenheiten zu einzumischen!“, schrie er Sven wütend an und trat dennoch keinen Schritt auf ihn zu. Sven blieb eisern und ich wagte nicht zu sprechen. Schneiden war seine Stimme als er sprach: „Wir wissen alle, wie du bist! Dann brauchst du dich nicht wundern, wenn es jemanden zu viel wird. Und glaub mir, Ragnar wird dich sicher auch noch aufsuchen! Du darfst mit deiner Frau machen was du willst, aber Thalia ist nicht dein Weib!“ Zornig funkelte mich Margold an und tobte: „Wenn diese Ausländerin mein Weib wäre, würde sie sich nicht mehr so verhalten! Die muss sich anpassen! Es reicht! Stell dir vor das alle Frauen plötzlich so werden? Sie muss sich unseren Sitten anpassen!“ Ich muss mich anpassen? Dachte ich entsetzt doch ich war klug genug nicht noch mehr Öl in das Feuer zu gießen. „Anpassung liegt im Auge des Betrachters“, zischte Sven und griff nach meinem Oberarm. Bestimmend zog er mich durch die Gaffer hindurch und ich bemerkte die entsetzten Gesichter der Menschen. „Ich hab noch Sachen hier“, meinte ich leise zu Sven und dachte kurz an meine Einkäufe. „Den Korb hat Tom“, raunte er und als ich seinen Blick folgte sah ich den rothaarigen Jungen mit meinem Einkaufskorb da stehen und uns beobachten. „Thalia“, rief er aufgeregt und kam uns entgegen, „Ich hab meinen Papa geholt als ich den Streit sah! Der hat dich geschlagen…Tut es weh?“ Leicht nickte ich dem Kind zu und dankte ihm, dass er so schnell reagiert hatte. Unsicher nickte Tom und reichte mir meine Einkäufe. Das Gefühl des Unwohlseins breitete sich in mir auf. Immer noch spürte ich die Blicke der Menschen und meine Wange brannte. Erst jetzt, wo das Adrenalin nach und nach meinen Körper verließ spürte ich den Schmerz. Dieser Mann konnte wirklich feste zuschlagen. „Komm“, meinte Sven streng zu mir und als sich unsere Augen trafen zierte ein leichtes Lächeln seine Lippe, „Ich geleite dich nach Hause… Ragnar ist in einem anderen Dorf wegen der Anwärter.“ Ich nickte leicht und folgte meinem Vetter. Wir schwiegen und erst als mich Sven in Ragnars Haus begleitete sprach er endlich wieder mit mir. „Thalia“, mahnte er mich strenger als ich vermutet hatte, „Du kannst so etwas nicht machen! Du kannst dich nicht in die Beziehungen der Anderen so einmischen! Das geht einfach nicht. Das ist nicht deine Aufgabe und es macht dir den Stand hier doch nur unnötig schwer…“ Den Korb auf den Tisch stellend betrachtete ich die Maserung des Holzes. Meine Augen zogen sich zusammen und nach einem Augenblick schüttelte ich leicht den Kopf. „Dann ist es so“, meinte ich langsam und drehte mich zu Sven und seinem Sohn um, „Ich… Es kann doch nicht sein, dass ein Mann seine Frau hier einfach schlagen darf. Er verletzt sie! Sie ist doch nicht sein Eigentum!“ Als Sven mit einem leisen doch antwortete lachte ich spöttisch auf. „Wäre mir neu“, fuhr ich ihn zornig an, „Dass ich eine Puppe bin. Und es wäre mir neu, dass Schläge nach einer Hochzeit nicht mehr weh tun! ... Sven du willst mir doch nicht sagen, dass du das toll findest?! Ich bitte dich, du hast selbst Töchter! Stell dir vor eine sei grün und blau geschlagen und dein Schwiegersohn sagt dir: Was ist dein Problem ist doch nun mein Eigentum. Kann ich auch mal kaputt machen, wenn ich Lust dazu habe… Das würdest du also unterstützten?!“ Perplex sah mich mein Vetter an und wieder fragte ich mich, ob es diesen Menschen wirklich nicht bewusst war. Es schien als würde er nicht wissen was er darauf erwidern soll und ich hörte wie er leicht schluckte. „Hier ist es anders als in deinem Land“, meinte er ruhig doch ich ließ mich nicht beirren und der Zorn führte meine Stimme. „Und nur, weil ich jetzt hier lebe muss ich meine ethischen Grundsätze nicht hinterfragen, wenn ich die euren nicht recht finde! Wenn ich mit meiner Haltung, meiner zukünftigen Tochter so ein Leben ersparen kann, dann bleibe ich lieber eine Außenseiterin. Wenn du und dein Volk so leben wollt, dann lebt so, aber zwingt mich nicht so ein Verhalten gutzuheißen. Du bist nicht mehr wert wie ich nur weil du ein Mann bist!“ Ich war in Rage und hatte mich kaum noch unter Kontrolle und der Blick den ich von Sven erhielt zeigte mir, wie perplex er war. Immer wieder öffneten sich seine Lippen und ich bemerkte wie er erneut schluckte. „Dann bring dich aber mit deinem Verhalten nicht in Gefahr“, mahnte er mich und schob Tom aus der Tür bevor er sie hinter sich zuzog. 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