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Ein unfaireres Spiel mit dem Schicksal

von

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Aufrichtige Worte

Perplex sah er mich an. Es schien, als brauchten meine Worte bis sie in dem Kopf des Hünen angekommen waren. Er richtete sich auf und blickte mich aus einem für mich unergründlichen Blick an. „Was? Wann“, raunte er und die Überraschung schwang deutlich in seiner Stimme mit. Er schien sogar zu überrascht um wütend zu werden. Auch ich erhob mich langsam, doch hielt ich das Bärenfell um meinen nackten Körper geschlungen. Ich blickte hinab und unschlüssig strich ich mir durch die Haare. Erneut forderte Ragnar auf, dass ich sprechen sollte und langsam begann ich zu erklären: „Es war kurz nach der Hochzeit. Ich war so wütend auf dich und auf das Schicksal und wie unfair es mir mitgespielt hatte. Und…. Ragnar ich konnte die Gefühle einfach nicht abstellen und Leif-.“Als dieser Name über meine Lippen kam fiel mir Ragnar gnadenlos ins Wort.

„Wenn ich diesen Namen schon höre“, grollte er und richtete sich auf. Erschrocken zuckte ich zusammen und blickte hinauf in sein Gesicht. War er wütend? Ich konnte mir nur das vorstellen, denn ich wäre es an seiner Stelle. „Bitte Ragnar“, flehte ich fast schon, „Bitte, ich habe diesen Menschen geliebt und es war auf einmal alles so viel. So viele Menschen wollten etwas von mir und haben so vieles verlangt. Er hat mir einfach in dieser Zeit Halt gegeben. Bitte, wenn du über mich urteilst… Bitte überleg dir was du getan hättest.“ Beendete ich meinen Monolog und strich mir mit der Hand fahrig durch das Gesicht. Ich biss mir auf die Lippen und mein Körper erzitterte. Ich spürte, wie er sich auf dem Bett neben mir bewegte und als ich den Blick hob bemerkte ich, dass er sich gerader hingesetzt hatte. Tief atmete er durch und immer noch lag ein merkwürdiger Blick auf mir. Ich hasste das Schweigen welches gerade zwischen uns herrschte und ich hielt es nicht aus und fing erneut an zu reden: „Ich weiß, dass er sich unrühmlich verhalten hat, als du da warst und doch… Du hattest doch auch ein Leben vor mir und Geliebte…“ Als ich sah, dass er den Mund öffnete verstummte ich augenblicklich. Ich wusste, dass ich irgendwann ehrlich zu ihm sein sollte, doch die Angst, dass er nun die Kontrolle über sich verlor wuchs ins unermessliche.

„Es ist… in Ordnung. Du hast ihn geliebt. Und wir mochten uns nicht besonders“, waren seine Worte und sie klangen weder erzwungen noch traurig. Er betrachtete mich und sprachlos starrte ich ihn an. Ich hatte angenommen, dass er, wenn ich es ihm sagte, wütend werden und vollkommen die Beherrschung verlieren würde. Dass er mir Vorwürfe mache und seine Ehre vollkommen verletzt sehe. „Wirklich?“, fragte ich unschlüssig und runzelte meine Stirn. Ich konnte es kaum glauben, wie dieser Mann gerade vor mir saß.

Er nickte nur und kurz war es still zwischen uns. „Ich will wütend sein, aber…“, sagte er langsam und schien einen Moment lang nicht zu wissen, was er sagen sollte, „Aber wenn ich mir vorstelle, dass es meine Geliebte gewesen wäre, dann wäre ich sicher auch nicht treu geblieben… Wenn ich eine hier hätte, wäre ich vielleicht auch nicht treu gewesen, wenn ich sie wahrlich lieben würde.“

Ich konnte kaum glauben, was er da sagte. Nie, niemals hätte ich mit dieser Reaktion gerechnet! Wie dankbar ich für hierfür war, hätte ich nie in Worte fassen können. Sprachlos sah ich meinen Mann ins Gesicht und verstand endlich vollkommen, was Lillie meinte, als sie sagte Ragnar sei ein netter Mensch. Eigentlich hatte ich damit fast gerechnet, dass er ausflippte wie damals vor dem Stall. Doch nichts dergleichen geschah. Ich beugte mich zu ihm und liebevoll drückte ich meine Lippen auf die Seinen. Meine Hände umschlossen sein Gesicht und es störte mich gerade auch nicht, dass sein Bart mich kitzelte. Das Fell rutschte mir von der Schulter und der kalte Windzug der mich erfasste ließ eine Gänsehaut meinen Arm entlangkriechen. Ragnar erwiderte den Kuss und strich vorsichtig durch meine Haare. Ich löste mich von ihm und leise sagte ich: „Danke. Ich dachte, du siehst dich und deine Ehre verletzt… und ich weiß auch nicht…“ Unschlüssig zuckte er mit seinen breiten tätowierten Schultern. Er griff nach dem Fell und legte es mir wieder um meinen Körper. Mit einem sehr kräftigen Ruck landete ich neben ihm und er sagte: „Ich dachte auch, wenn so etwas passiert, dass ich wütender werde. Aber vermutlich liegt es wirklich daran, dass ich dich irgendwie verstehen kann… Ich hatte mir in den Tagen nach der Hochzeit gewünscht, dass ich eine Geliebt hätte, wenn ich ehrlich bin… Ich war neidisch auf dich.“ So ehrlich wie er war, konnte ich kaum glauben, dass er tatsächlich eifersüchtig darauf war, dass ich jemanden geliebt hatte und er nicht. Das klang in meinen Ohren surreal. Und dennoch konnte etwas in meinem Inneren verstehen, was er mit damit sagen wollte. Wir waren beide wenig begeistert gewesen wie das Schicksal mit uns gespielt hatte, doch ich hatte etwas, was mich dieses Schicksal wenigstens für einige Augenblicke vergessen ließ. Doch nun bereute ich es, was ich getan hatte. Wenn ich gewusst hätte, wie sich alles entwickeln würde, hätte ich diesen Fehler mit Leif nie begangen. Doch niemand vermochte es in die Zukunft zu blicken.

Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und war erstaunt, dass er seinen Arm um mich legte. Sein Geruch stieg mir in die Nase und immer noch konnte man das Pferd an ihm riechen. Ich spürte, wie vertrauter der Geruch wurde und ich merkte, wie dankbar ich war, dass er so ruhig reagierte. Ich hätte nicht gewusst, wie ich reagiert hätte. Sanft strich er über meinen Oberarm und drückte mich wieder an sich. „Ich bin aber nicht schwanger oder so, falls du sorgen hast, ich könnte es sein von ihm“, sagte ich leise und entsetzt starrte mein Mann mich an.

„Du hättest schwanger von ihm werden können?“, fragte er und klang ziemlich erschrocken. So surreal es war brachte er mich damit doch zum Lachen. Daran hatte er wirklich nicht gedacht? „Nein. Natürlich nicht“, scherzte ich und schüttelte nur den Kopf. Immer noch blinzelte mich mein Mann verwirrt an und zog mich nah an sich heran. Feste stupste er mich und raunte, dass ich endlich aufhören sollte zu lachen.

„Tut mir leid“, meinte ich und griff nach seiner Hand. Ich ließ meine Finger zwischen die Seinen gleiten. Es war schon seltsam, wie sich dieser Mann im Laufe der Zeit sich entpuppte. Er schien sehr viel vielschichtiger zu sein, als ich ihm am Anfang zugetraut hätte. Er war kein Schläger und spätestens ab diesem Zeitpunkt wurde mir bewusst, dass ich wirklich keine Angst vor ihm haben brauchte. Ragnar war wirklich kein schlechter Mensch. Vielleicht waren wir nicht immer einer Meinung, aber war das nicht normal? Wer verstand sich schon immer mit allen Menschen? Nach einem Augenblick fragte Ragnar mit seiner tiefen Stimme: „Aber du kannst wirklich nicht schwanger sein?“ Ich schüttelte den Kopf und erklärte sofort: „Ich habe geblutet. Also nein.“ Er nickte und blinkte stirnrunzelnd zu mir hinunter. Ich fragte mich, was er sich gerade dachte. Er verstärkte den Druck um meinen Körper und als er erneut fragte: „Aber du bist dir wirklich sicher?“ Lachte ich erneut leise auf.

Irgendwie, war es auch niedlich und mir war die Unwirklichkeit dieser Situation durch aus bewusst. Ich hätte damit gerechnet, dass er tobte wie ein Stier und nun brachte er mich tatsächlich zum Lachen. Ich schüttelte erneut den Kopf. „Nein. Wirklich nicht…. Ähm, wenn du dich darüber auslassen willst, ähm, Lillie weiß davon.“ Verblüfft sahen die grünen Augen in mein Gesicht. „Wieso?“, wollte er sofort wissen und die Überraschung zeichnete sich deutlich in seinem Gesicht ab. Ehrlich sagte ich ihm, dass sie mich dabei gesehen hatte.

„Hm“, meinte er nachdenklich und streichelte mir weiterhin leicht über meinen Oberarm und fuhr die Tätowierungen nach, „Ich werde es nicht breittreten. Mach dir darüber keine Sorgen.“ Eine Wärme breitete sich in mir aus und ich seufzte leise, als ich seine Worte hörte. Ich drückte mein Gesicht an seine Brust und konnte ein erleichtertes seufzten nicht unterdrücken.

„Deine Schwester hatte echt Recht, als sie mir sagte, dass du eigentlich ein toller Kerl bist“, flüsterte ich leise und drückte leicht seine Hand, welche ich immer noch festhielt. Er drückte meine Hand und leise sagte er: „Ich möchte das Thema nicht vertiefen, Thalia… vielleicht reden wir über etwas anderes…“

Ragnar schwieg darauf und erst nach einem Moment viel mir etwas ein, worüber man noch sprechen konnte, in diesem Augenblick. Leise fragte ich: „Wie sieht morgen der Alltag aus?“

Ich löste mich von ihm und blickte hinauf in sein Gesicht. Er betrachtet mich, als schien er sich nicht sicher, ob es doch gut war das Thema zu wechseln und nach einem Augenblick sagte er: „Na ja, wir… ich werde dir die Umgebung zeigen und den Hof. Wir lassen das entspannt angehen. Aber… verrate mir eins? Wieso dieser Leif? Wieso dieser Volltrottel“, wollte er ruhig von mir wissen und fügte hinzu: „Der ist ein arrogantes und widerliches Arschloch. Hält sich für etwas Besseres. Er sah nicht mal nach einem ganzen Kerl aus. Kein Bart, keine Tattoos.“ Er konnte das Thema wohl selbst nicht beenden… Doch ich wusste, dass ich nun Rede und Antwort stehen musste.

Das er Leif nicht mochte, war nur zu offensichtlich, doch was ich darauf sagen sollte, dass wusste ich gerade selber nicht. „Ragnar bitte… Es tut mir leid, aber ich möchte dir nicht sagen, warum ich diesen Menschen liebe. Er ist weg und wird nicht hier hinkommen. Wir haben uns einfach irgendwann in einander verliebt. Und du hast auch nur die schlechten Seiten an ihm kennen gelernt. Sowie er von dir auch.“ Stumm nickte Ragnar und als er leise lachte meinte er: „Na ja, aber trotzdem ist er ein… komischer Mensch gewesen.“ Ich schmunzelte leicht und fragte nach einem Augenblick: „Willst du vielleicht etwas essen? Wir haben ja Braten da.“ Ich wollte, dass endlich das Thema gewechselt wurde. Es musste gewechselt werden.

Ragnar nickte kurz und als er mich betrachtete meinte er, dass ich liegen bleiben sollte und erhob sich aus seinem Bett. Wieder einmal überraschte er mich an diesem Tag und ich legte meinen Körper unter die Decke, denn auch mit dem Fell wurde es kühl.

Wir aßen den kalten Braten auf dem Brot und schnell fühlte ich mich satt. „Sontje ist wirklich nett“, meinte ich, da ich nicht wollte, dass wir schwiegen. Ragnar nickte nur und grinste mich frech an. „Wenn ihr euch nicht mögt, dann zwingen Sven und ich euch dazu. Ihr habt euch zu mögen“, scherzte er und schlag sein drittes Brot hinunter.

Leise lachte ich und zuckte mit den Schultern. „Wenn du meinst“, sagte ich ruhig, während ich mich an die Wand hinter dem Bett lehnte. Herzhaft gähnte ich und sah hinaus aus dem kleinen Fenster. Vermutlich war es noch nicht so spät, doch zu wissen, dass diese lange Reise endlich ein Ende hatte, meine Knochen unheimlich schwer werden. Nach seinem vierten Brot stellte Ragnar den Korb neben sich auf den Boden.

Nachdenklich betrachtete er mich. Ich konnte mir vorstellen, worüber er nachdachte und als ich ihn fragte, was er habe meinte er: „Ich weiß, dass du deiner Familie schreiben wirst. Doch ich will nicht, dass du deinem Geliebten schreibst. Ich will, dass das mit euch endet. Ich verzeihe dir was passiert ist, aber ich werde dir nicht verzeihen, was noch geschehen könnte. Kannst du dich daran halten?“ Ich schluckte als ich diese Worte vernahm, doch nachdem wie er gerade reagiert hatte, konnte ich nicht anders als zu nicken.

Jedoch fühlte es sich nicht so schwer an wie ich dachte, ihm diese Bitte abzunehmen. Mit den Meilen die ich gereist war, war der Gedanken Leif nicht zu schreiben nicht mehr so schlimm wie befürchtet. Ich nickte und leise flüsterte ich: „In Ordnung. Ich werde Leif nicht schreiben.“ Zufrieden blickte mich mein Mann an und ernster als ich dachte nickte er. Er beugte sich zum Nachttisch, blies die Kerzen aus und der Raum versank in Dunkelheit. Ich spürte, dass er näher an mich rückte und sein Körper zu mir unter die Decke glitt. „Komm her, Prinzessin“, raunte er und griff nach meinem Handgelenk. Ich rückte zu ihm und sofort schlangen sich seine Arme um meinen Körper. Er streichelte meinen nackten Bauch und drückte mich an seine Brust. Sein langer Bart kitzelte mir im Nacken, doch ich sagte dazu gerade nichts.

„Weißt du“, murmelte ich nach einer Weile, „Ja, deine Schwester hat wirklich Recht, dass du kein schlechter Mann bist.“ Ich grinste leicht und schrie kurz auf, als er mir frech in die Brust kniff. Leise und tief lachte er hinter mir und ließ seinen Bart erzittern. „Und du bist anscheinend nicht so anstrengend wie ich am Anfang dachte“, stichelte er mit freundlicher Stimme und drückte seine Lippen auf meine Halsbeuge. Es dauerte nicht lange, bis der Schlaf mich heimsuchte und mich hinunterzog in seine Tiefen. Immer wieder waren seine Worte und Reaktionen in meinem Kopf präsent. Denn ich hatte einfach mit einer anderen gerechnet. Wie erleichtert ich war schaffte ich nicht in Worte zu fassen. Sanft streich ich über den Arm des Mannes und ich war mir sicher, dass er nicht schlief. Seine Atmung war nicht tief und gleichmäßig. Wir schienen beide anscheinenden Ruhe zu brauchen. Niemand sagte etwas, als schienen wir beide stillschweigend überein zu kommen, dass gerade jeder seine Gedanken brauchte. Ich hoffe, dass er mir keine Vorwürfe machen würde. Vielleicht war er auch nur so ruhig geblieben, da er mir bereits von seinen Gräueltaten berichtet hatte. Auch diese Beichte hätte viele Veranlasst ihn in der Nacht einfach zu verlassen. Doch ich wollte ihn nicht darauf ansprechen. Umso überraschter war ich, als er plötzlich seine Stimme die Stille durchbrach. „Ich dachte, wenn man mir Hörner aufsetzt, dass ich vollkommen durchdrehen werde“, murmelte er leise und doch verstand ich jedes Wort, „Doch ich schaffe es nicht… Als ich dir damals sagte, was ich getan habe… Ich dachte du würdest reis aus nehmen und mich als Barbaren hinstellen. Ich habe damit gerechnet, dass du sagst mit einem Mann, der einer Frau etwas so schändliches angetan hat, kannst du nicht leben. Doch du bist nicht gegangen. Du hast es meiner Familie nicht erzählt und bist wirklich hier hingekommen… Ich hatte das Gefühl, dass ich dir etwas schulde, das du mich nicht einfach blindlings verurteilt hast… Ich glaube, wir sind jetzt quitt, Thalia.“ Auf einmal verstand ich, weswegen dieser Mann nicht die Beherrschung verlor und auch ihm schien es vollkommen bewusst zu sein… Leicht nickte ich und flüsterte: „Ich habe dich nicht als Barbaren gesehen, jedenfalls nicht als du es mir berichtet hast… Ich werde es nicht noch mal machen, Ragnar.“ Feste drückte er sich an seine Brust und erneut legte sich das Schweigen über uns. Sanft strich er über meinen nackten Bauch und beide schienen wir darauf zu warten, dass uns der Schlaf heimsuchte.
 

Früher als mir lieb war, weckte mich mein Mann. Er wolle früh los und ließ es nicht zu, dass ich mich noch etwas ausruhte. Leise vor mich hin fluchend verließ ich das warme Bett und zog mir bequem und nützliche Kleidung über. An die Kleidung der Nordländer musste ich mich noch gewöhnen. Ihre Stoffe schienen dicker und überall hingen Felle. So etwas hatten meine Kleider nicht und ich fand es nicht sonderlich schön. Doch irgendwie glaubte ich, dass sich dies im Laufe der Zeit ändern würde. Doch noch besaß ich nur meine Kleidung und vermutlich fiel diese hier auch ziemlich auf, so gänzlich ohne Felle und den dünneren Stoffen.

Ich betrachtete mich kurz in der Reiterkleidung. Viele Frauen mit Hosen hatte ich noch nicht sehen können. Ich mochte sowohl Kleider als auch Hosen und dank der Pferdehaltung in meinem Land war eine Frau in Hosen nicht sonderlich ungewöhnlich. Sollten wir heute ausreiten wäre ein Kleid nicht sinnvoll. Die Haare band ich schnell nach hinten und zwang mich etwas Brot mit Honig hinunter zu bekommen. Ich folgte Ragnar auf den Hinterhof und war von der Größe durchaus überrascht. Angrenzend an sein Haus, hatte ich bereits gesehen, dass das Haus seiner Eltern stand. Ich sah in der Ferne einen offenen überdachten Platz stehen und glaubte Schmiedeöfen zu erkennen. „Die Schmiede deines Vater?“, fragte ich und deutete dahin. „Ja“, raunte Ragnar und deutete auf sein Elternhaus, „Früher gehörte uns nur dieses Haus und der kleine Stall hier hinter, „Als Jari und ich Krieger wurden konnten wir das Haus hier bauen lassen. Wir haben hier zusammen gewohnt. Bis einer von uns eine Frau hätte, dann sollte einer sich sein eigenes Haus bauen… Wir haben nur Tiere hier, die uns selbst versorgen. Ein paar Hühner, Enten und worauf meine Eltern stolz sind drei Kühe. Wir haben aber keinen Bullen.“ Ich beobachtete Ragnar als er sprach. Es schien als sei es wirklich in Ordnung gerade. Als habe es meine Beichte nie gegeben. Ich konnte nur hoffen, dass ich Recht. Als ich Ragnar fragend anblickte, als er mir sagte, dass sie keinen Bullen hatten, schmunzelte er leicht und schüttelte nur den Kopf. „Oh, Prinzessin so viel Ahnung von Politik, aber von den einfachen Dingen im Leben nicht?“, raunte er und ich hörte heraus, dass er sich über mich amüsierte, „Kühe geben nur Milch, wenn sie Trächtig sind. Wir haben im Dorf nur vier Bullen und wir bezahlen die Bauern, dass sie unsere Kühe von ihm besteigen lassen.“ Verstehend nickte ich und als ich ihn fragte, was sie mit den Kälbern machten sah ich wie er mich immer noch amüsiert ansah.

„Also sagen wir so“, begann Ragnar mit einem scherzenden Ton zu sagen, „Ich wäre als Kuh lieber ein Mädchen. Die werden meistens verkauft, da sie Milch geben sind sie von nutzen. Wenn keiner einen Bullen möchte, wird das Kalb geschlachtet. Du kannst davon ausgehen, dass die meisten Bullkälber geschlachtet werden. Vermutlich werden wir irgendwann eines unserer weiblichen Kälber behalten, wenn die Mutter nicht genug Milch gibt.“ Ich grinste leicht und schüttelte den Kopf. Als ich leise fragte, ob ich Schlachten müsse schüttelte Ragnar den Kopf. „Das ist Männersache“, erklärte er und führte mich zu den einzelnen Ställen und zeigte mir die Tiere. Ich war froh, als ich das hörte und dagegen würde ich sicher nicht rebellieren. Zu blutig und widerlich fand ich diese Arbeit.

„Aber die Pferde stehen nicht hier?“, wollte wissen, nachdem wir unseren Rundgang beendet hatten. Den Kopf schüttelnd erklärte Ragnar mit seiner so angenehmen und tiefen Stimme: „Nein, wir leben hier mitten im Dorf. Ein Bauer hatte, nachdem die ersten Pferde hier hinkamen aus seinem alten Kuhstall einen Pferdestall gemacht. Ihm gehört einiges an Land und er hat Wiesen, wo sich die Tiere auch mal die Beine vertreten können. Wir zahlen eine Pacht, damit er sich um die Pferde kümmert und da alle gerade Pferde gerne haben wollen, verdient er ordentlich daran. Seine Söhne wollten sich auch gar nicht als Krieger bewerben. Sie wollten lieber weiterhin bei ihrem Vater aushelfen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Jeden Abend werden die Tiere in den Stall gebracht und Hengste und Stuten trennt er. Also gibt es keine bösen Überraschungen. Wir sollten vielleicht nur die Sättel und das Zaumzeug mit nach Hause nehmen. Gelegenheit macht schließlich Diebe.“ Ich verstand, was er meinte und so nickte ich nur.

Ich folgte Ragnar zu dem Ort, wo ich gestern Freya übergeben musste und als wir hinter eine Biegung traten sah ich eine lange umzäunte Koppel. Viel steiler war sie hier am Hang als ich sie von uns kannte. Ich roch sofort, dass hier Pferde waren und für mich roch es nicht ekelig oder nur nach Mist. Ich mochte den Geruch.

Ich sah, dass es zwei recht große Ställe gab. Einer, so erklärte mir mein Mann, sei für die Stuten und der andere für die Hengste. Als wir zwischen den Ställen entlang gingen konnte ich zwei junge Männer sehen. Einer saß auf einem Zaun, der andere lehnte sich daran. Sie unterhielten sich und als wir uns näherten blickten sie in unsere Richtung. Ragnar winkte ihnen zu und als sie ihn erkannte, grüßten sie zurück. „Das sind Björns Söhne Havard und Tiu. Wenn du kein Pferd hier stehen hast, kommst du so einfach nicht hinein“, meinte er und ich folgte dem Mann zu den Ställen. Sie grüßten uns höflich und Ich spürte die Blicke der Männer auf mich und zwang mich, mich nicht zu ihnen umzudrehen. Wir betraten den großen Stall und ich stellte fest, dass es keine Boxen gab. Es war nur ein großer Laufstall. Ich verzog leicht das Gesicht, denn in solchen Ställen konnten sich die Tiere schnell verletzten.

Wir gingen zum Stutenstall und besorgt blickte ich mich um und sah meine goldene Stute sofort. „Ich hoffe, die Pferde treten sich hier nicht kaputt“, meinte ich und ging durch das Stroh auf mein Pferd zu. „Hm. Das ist bis jetzt nur einmal vorgekommen“, meinte Ragnar und erschrocken sah ich ihn an. „Dafür hat Björn aber einzelne Ställe hinten bei seinem Nutzvieh. Die die sich nicht verstehen müssen dorthin. Aber Freya sieht doch ganz gut aus. Wenn sie so ist wie du Prinzessin, wird sie hier schnell die…. Na ja dann versucht sie ihren Kopf durchzusetzen.“ Streng sah ich über meine Schulter hinweg meinen Mann an und fragte mit gespielter, strenger Stimme: „Wolltest du mich gerade wirklich beleidigen? Dir ist klar, dass ich in einem Haufen von dreckigen Stroh und Pferdehaufen stehe.“ Er lachte leise und ging mit langen Schritten auf mich zu. Leicht zog er an meinem Zopf und meinte gut gelaunt: „Prinzessin, wenn du anfängst mit Pferdemist um dich zu schmeißen, wird der nächste Spitzname eindeutig Schweinchen sein.“ Ich grinste leicht und leise sagte ich zu ihm nur, er sei ein Mistkerl.

Wir gingen zu Freya und sofort schaute ich nach, ob sie irgendwelche Macken an den Beinen oder dem Wiederrist hatte. Doch nichts war zu sehen. „Habt ihr eigentlich viele Hengste. Zu viele auf einem engen Raum ist nicht immer gut“, meinte ich, während wir den Stall verließen. „Mit meinem sind es jetzt vier. Und so wie sich Idril benimmt, wird er sicher bald Chef sein“, meinte Ragnar und auch er kontrollierte sein Pferd, als wir in dem Stall waren. Es waren tatsächlich Recht wenige Tiere her. Gerade mal um die zwanzig Pferde. Wir gingen aus dem Tor heraus und viele der Menschen grüßten uns. Ich bemerkte, dass sie mich musterten und es wunderte mich nicht. Ich war neu hier und alle wussten, wie Ragnar und ich zueinander gekommen waren. Zudem trug ich fremdartige Kleidung und auch eine Hose. „Sie schauen alle, oder?“, fragte ich leise und merkte, dass ich unter den Blicken begann mich etwas unwohl zu fühlen.

„Es wird aufhören“, meinte er ernst und ich nickte nur. „Ja“, meinte ich leise, „Da hast du wohl Recht. Trotzdem ist es etwas komisch“, murmelte ich und seufzte schwer. In der Ferne konnte man Rauch aufsteigen sehen und ich wusste, dass es ein Dorf war, welches in der Nähe lag. Ich betrachtete die dunklen Wälder und langsam glitten meine Augen zu den hohen Bergen. „Glaubst du, wir könnten dort mal hin?“, fragte ich und Ragnar folgte meinem Blick.

„Vielleicht. Aber erst, wenn wir etwas mehr Zeit haben. Ich zeig dir den Ort, wo der Markt stattfindet“, sagte er und ich folgte ihm wieder hinein in mein neues Heimatdorf.
 

Noch etwas länger waren wir herumgegangen und ich ließ mir die Orte zeigen. Viele der Menschen grüßten Ragnar und einige Gesichter erkannte ich von der Hochzeit wieder. Ich nickte höflich und doch hielt ich mich lieber an meinen Mann. Wir kauften etwas Gemüse und auch Kartoffeln ein und gingen langsam wieder nach Hause. Schließlich, war ich gestern nicht dazu gekommen alle meine Kisten auszupacken.

Ragnar half mir beim Aufstellen meiner privaten Sachen. Meine Bücher landeten in einem Regal und als ich ein kleines Holzschiff hoch hob fragte ich ihn skeptisch. „Von wem ist das denn? Kann das weg?“ Für mich war es Wertlos. Es sah aus, als sei es bereits häufiger geflickt worden. Doch sofort schüttelte Ragnar den Kopf. Er nahm mir das Schiff aus der Hand und schüttelte den Kopf als er sagte: „Das kommt auf keinen Fall weg.“ Mein skeptischer und fragender Blick schien auszureichen, um ihm zum Sprechen zu bewegen. Und erneut überraschte mich mein Mann. „Das habe ich gemeinsam mit meinem Bruder gebaut. Als wir Kinder waren, Es stand bis zu seinem Tod im Haus unserer Eltern. Ich… es bleibt“, meinte er und vorsichtig stellte er das verleimte und ziemlich kaputt aussehende Schiff zurück in das Regal. Ich sah den traurigen Ausdruck in den Augen meines Mannes. Es war derselbe Ausdruck den auch Raik hatte, als wir über Jari sprachen. „Du vermisst deinen Bruder, habe ich Recht?“, fragte ich leise und vorsichtig strich ich über seinen Rücken. Kurz trafen sich unsere Augen und er nickte nur.

„Ja. Du hättest ihn gemocht. Vielleicht auch lieber wie mich. Er ist… er war zwar ein Krieger doch er war ruhiger als ich. Er war belesener als alle anderen in der Familie. Er hatte immer viele Bücher auf seinen Reisen mitgenommen. Vielleicht lässt meine Mutter dich ja mal durch seine Sachen schauen, wenn es dich interessiert.“ Ich nickte leicht und wusste nicht wirklich, was ich darauf sagen sollte. Ich würde garantiert nicht heute zu meiner Schwiegermutter rennen. Ich war viel zu froh, sie endlich nicht um mich herum zu haben.

Wir verstauten meine restlichen Sachen und irgendwie war es trotzdem noch ein komisches Gefühl. Ragnar versuchte wahrlich, dass ich mich hier zuhause fühlte und doch war mir bewusst, dass es einfach noch dauern würde. Als es an der Tür klopfte und Ragnar sie öffnete betrat ein Junge das Haus. Er hatte rote Haare und grinste Ragnar über beide Ohren hinweg an. „Hallo“, sagte er fröhlich und drückte meinen Mann feste an seine Mitte. „Papa fragt, ob du kurz rüberkommen willst, er braucht deine Hilfe“, plapperte das Kind und ich vermutete, dass es Svens ältester Sohn war. Seine Augen glitten zu mir und ich war erstaunt, als das Kind fröhlich zu mir ging und mich gleich freudig begrüßte. „Guten Tag! Ich heiße Tom. Ich weiß auch, dass du Thalia heißt, dass haben mir meine Eltern gestern gesagt“, sagte er glücklich. Ich reichte Tom meine Hand und freundlich lächelte ich den Knaben vor mir an.

„Dann wusstest du mehr über mich, als ich über dich“, sagte ich freundlich und als das Kind mich angrinste bemerkte ich Zahnlücken. „Kriegst du deine neuen Zähne?“, wollte ich wissen und sofort nickte er und präsentierte gleich, dass bereits ein weiterer Zahn wackelte.

„Mutter findet es nicht toll, dass alle gleichzeitig wackeln. Sie meint dann muss ich noch wie Merlin Brei essen“, sagte er fröhlich und ich schmunzelte ein wenig. „Willst du vielleicht mit zu Sven und Sontje?“, fragte mich mein Mann und erst wollte ich ablehnen. Ich war nicht eingeladen worden, doch noch bevor ich dies aussprach, merkte ich wie albern es war. Ich wollte schließlich versuchen hier zurecht zu kommen. Ich wollte ihm auch Fassetten an mir zeigen, die er noch nicht kannte. Schließlich hatte er mich gestern ziemlich überrascht.

„In Ordnung“, meinte ich und folgte meinem Mann und dem Kind hinaus aus dem Haus.



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