Ein unfaireres Spiel mit dem Schicksal von Strichi ================================================================================ Kapitel 12: Nachttrunk ---------------------- Noch lange saßen wir in der Wanne und genossen die Wärme des Wassers. Wir redeten viel. So erfuhr ich, dass Lillie für einen Mann schwärmte, welcher wie Ragnar ein Krieger ist. Doch nachdenklich seufzte sie und erklärte: „Es ist nur… Er ist einfach nicht sehr beliebt in unserem Dorf und den umliegenden… Er hat vor einigen Jahren eine Affäre mit einer verheirateten Frau begonnen. Und na ja einmal mit einer, welche jemanden versprochen war. Ich finde ihn zwar sehr nett, aber man weiß bei ihm leider nie.“ Ich dachte über diesen mir unbekannten und fremden Menschen nach und schüttelte leicht den Kopf. Nie würde ich einer Freundin zu so einem Mann raten. Er würde sie sicher verletzten und das wollte ich nicht! Ich runzelte die Stirn und glitt mit meiner Hand über die Wasseroberfläche. Ich genoss einfach das Gefühl des Wassers. In den Sommermonaten war ich auch gerne und häufig geschwommen. In einem See nahe meiner Heimatstadt. Das Wasser dort war eiskalt und in den warmen Sommermonaten immer eine kühle Erfrischung. Doch schnell, war ich wieder mit den Gedanken bei Lillie und dem, was sie mir gesagt hatte. „Hm… Weißt du, Lillie… Ich würde dir auch eher nicht zu so einem raten. Was ist, wenn so jemand in dir nur eine Trophäe sieht? Und nicht mehr?“, fragte ich mit skeptischen Blick. Ich strich mir nachdenklich über mein Kinn und langsam merkte ich, dass das Wasser kälter wurde. Schwer atmete Lillie durch und leicht nickte sie. Vermutlich, hatte sie sich so etwas selber schon häufiger gedacht, war sie doch schließlich nicht dumm. „Ja… Ich weiß doch“, meinte sie und fast schon verträumt klang ihre Stimme als sie weitersprach, „Aber was ist, wenn er sich doch geändert hat. Jeder baut doch mal Mist.“ Skeptisch betrachteten wir einander. Ich kannte den Menschen nicht, über den wir gerade sprachen und trotzdem kannte ich Männer. Änderten sie sich, wenn sie mit so etwas durchgekommen sind? Ich war mir unschlüssig. Jeder Mensch änderte sich. Auch ich hatte mich im Laufe der Jahre gewandelt. „Vielleicht schaue ich mir den Mann mal an“, meinte ich schmunzelnd und freundlich blickte ich ihr ins Gesicht. Dieser Fremde hatte Lillie mit irgendetwas beeindruckt und vielleicht, war er ja doch kein schlechter Mensch. Das Kichern von Lillie erfüllte den Raum und belustig meinte sie: „Du bist meine Schwägerin, nicht meine große Schwester.“ Mein Grinsen wurde breiter und mit einer wegwerfenden Handbewegung erwiderte ich keck: „Ach, das ist doch fast dasselbe!“ Kopfschüttelnd betrachtete mich die Rothaarige, doch ihr Gesicht zeigte deutlich, dass sie sich über meine Worte durchaus freute. „Weißt du, ich habe mir schon immer eine Schwester gewünscht. Mit zwei Brüdern war es häufig sehr anstrengend“, erklärte sie und langsam griff sie nach einem Handtuch. Automaisch folgte ich ihrer Bewegung und nahm eines der etwas kratzigen und rauen Badetücher zur Hand. Immer wieder vergaß ich, dass Lillie und Ragnar noch einen Bruder hatten. „Ich stehe meinem Bruder viel näher, als meiner Schwester“, meinte ich nachdenklich und erhob mich langsam aus dem Wasser, „das liegt sicher auch daran, dass wir Zwillinge sind.“ Unschlüssig nickte meine Schwägerin und schlang sich ebenfalls das Tuch um den Körper. Schnell schlüpften wir in unsere Sachen. Dass ich meine Kleidung nicht gewechselt hatte ärgerte mich. Denn diese war staubig und einfach dreckig. Doch nur mit dem Handtuch bedeckt wollte ich nicht durch die Taverne schleichen. Wir hatten zwar die Zeit vergessen, doch ich war mir sicher, dass Lillie und ich zwei Stunden baden waren. Vermutlich waren viele schon zu Bett gegangen, doch sicherlich nicht alle. So stieg ich, gezwungener Maßen, erneut in meine Reisekleidung. „Ich habe mal gehört, dass es für viele Frauen gefährlich ist… Zwillinge meine ich.“ Ich band mir gerade meine Hose zu, als ich zu Lillie hinaufsah. Ich nickte nur, denn das wusste ich. Auch für meine eigene Mutter war es eine gefährliche Zeit gewesen. Das wir drei es alle unbeschadet überstanden hatte grenzte an ein Wunder. Lange hatten meine Eltern vermutet, dass sie keine weiteren Kinder würden bekommen können. Doch das Schicksal hat es gut mit ihnen gemeint. Ich erinnerte mich, wie sehr meine Mutter gestrahlt hatte, als sie uns erklärt, dass sie schwanger sei. Tal und ich waren nicht erfreut darüber gewesen. Wir fanden immer, dass Vier eine tolle Zahl war, doch natürlich sah ich es nun anders. Auch wenn ich Tal näher stand, war ich froh, meine kleine Schwester zu haben. Wir hatten häufiger Spaß zusammen gehabt, ob unter uns Frauen oder mit Tal. Ich vermisste ihre liebevolle und leicht naive Art. Lillies Stimme riss mich aus meinen Gedanken und sofort war ich wieder im Hier und Jetzt. „Wer von euch beiden, ist eigentlich älter?“, wollte sie wissen und trocknete ihre Locken mit dem Handtuch. Ich glitt mit meinen Fingern durch meine blonde Mähne, während ich sofort antwortete: „Ich. Ich bin die ältere von uns beiden… Damit kann ich meinen Bruder auch immer gut ärgern.“ Ja, Tal war darüber tatsächlich nicht sehr erfreut. Doch es war mir gleich. Ich sagte es ihm immer, wenn er es nicht hören wollte. Ich flocht mir die blonden Haare zusammen und gemeinsam mit Lillie verließen ich den Waschraum. Im Flur hörte ich die lauten und betrunkenen Stimmen von mehreren Menschen. Unschlüssig betrachteten wir einander. Gemeinsam gingen wir hinüber in den Schankraum und ich sah, wie einer der Männer wankend vom Stuhl fiel und laut auflachte. Eine Frau tanzte auf dem Tisch und erschrocken sah ich die Dame an. Doch nein, eine Dame, war diese Frau ganz sicher nicht. Ihr Kleid zeigte zu viel Bein und ihr Busen wurde durch das Mieder viel zu hoch gedrückt. Ein Mann spielte auf einer Geige und sie bewegte sich lasziv zu der etwas schräg gespielten Melodie. „So sieht also ein Nachtrunk bei euch aus?“, fragte ich Lillie und verzog beim Anblick der Dirne das Gesicht. Dass diese Frau eine war, stand für mich außer Frage. Schulterzuckend glitt Lillies Blick von der Frau hinüber zu mir. „Anscheinend…. Ich bin nicht dabei, wenn sich Männer untereinander sich betrinken“, meinte sie und ihre Augen glitten, wie die Meinen, über das Schauspiel, welches sich uns bot. Fast schon automatisch glitt mein Blick zu meinem Mann. Auch er begaffte die tanzende Frau auf dem Tisch. Stirnrunzelnd sah ich ihm dabei zu, wie er lachte und etwas rief, was ich nicht verstand. Den Bierkrug zu seinen Lippen führend lachte er laut auf und unter Gejohle schien er das Getränk in einem Zug zu leeren. Unter lauten Zurufen knallte er den Krug auf den Tisch, gefolgt von einem langen und lauten Rülpser. Angewidert verzog ich das Gesicht und mein Blick suchte den seiner Schwester. Auch sie sah angewidert zu ihrem Bruder und fast schon peinlich berührt sah sie mich an. „Vielleicht ist er auch ab und zu ein Schwein“, meinte sie und ich merkte, dass es ihr unangenehm war. Hatte sie mir doch immer versichert, wie toll und nett er eigentlich war. Ich atmete schwer durch und strich mir über die Stirn. Was sollte ich davon halten? Vielleicht, machte ich mir dazu besser keine weiteren Gedanken. Ich nickte nur und die anderen Männer lachten laut auf und Gunnar klopfte meinen Mann noch auf die Schulter! Den Kopf schüttelnd bemerkte ich, wie Gunnars Blick zu mir und Lillie glitt. Er schlug Ragnar auf die Schulter und sagte etwas zu ihm, was wir durch den Lärm nicht verstanden. Doch sofort glitten seine Augen zu uns. Sie musterten uns und er grinste leicht. Er musste sicher sehr betrunken sein. „Komm, Lillie“, meinte ich zu ihr und nahm ihre Hand. Ich zog sie hinauf zur Treppe. Ich wollte mich nicht zu einer Horde betrunkener setzen, welche sabbernd einer Prostituierten auf die Brust starrten. Ohne sich zu wehren, folgte mir Lillie und erst im langen Flur zu unseren Zimmern, ließ ich ihre Hand los. Sie verdrehte die Augen und sagte einfach: „Bis Morgen, Thalia.“ Ich nickte nur und öffnete die Tür zu Ragnars und meinen Raum. Alles schien, wie ich es verlassen hatte. Das Bett war immer noch durcheinander und das Kissen verknüllt. Schnell zog ich meine dreckigen Sachen aus und zog mir mein Nachthemd über, welches ich aus meiner Reisetasche heraussuchte. Ich war froh, wenn ich bald wieder meine saubere Kleidung hatte. Kurz blickte ich hinaus durch das Fenster. Alle war bereits dunkel und niemand schien mehr auf den Straßen zu sein. Nur eine Katze, welche gerade um eine Häuserecke verschwand schlich sich durch die Stille der Nacht. Ich lehnte meine Stirn an die kühle Scheibe und seufzte tief auf. Ich lächelte leicht, während ich mir den Abend durch den Kopf gehen ließ. Ja, tatschlich mochte ich Lillie sehr und ich war wahrlich dankbar, dass ich diese fröhliche, junge Frau kennen lernen durfte. Ich ließ meine Haare geflochten und legte mich in das noch kalte Bett. Ob es wirklich so weich war, wie ich empfand, oder ob es einfach das Wissen war, heute nicht in einem Zelt nächtigen zu müssen, war mir egal. Ich drehte mich auf die Seite und schloss meine Augen. Ich hörte gedrungen die Stimmen durch den Boden dringen und versuchte sie zu ignorieren. Störte es mich, dass unten eine Hure bei den Männern war? Natürlich wollte auch sie etwas von dem Kuchen abhaben. Mehrere Reisende Männer und unsere Pferde ließen erahnen, dass wir nicht Arm waren. Störte es mich also? Ich konnte diese Frage einfach nicht beantworten. Ich selbst sehnte mich eigentlich nach einem Anderen und doch wollte es mir auch nicht gefallen, dass Ragnar eine andere Frau so anstarrte. Die Männer schienen ihren Nachttrunk jedenfalls sehr zu genießen. Immer tiefer und länger wurden meine Atemzüge und langsam glitt ich hinein in das Reich der Dunkelheit. Auf einmal, wurde mit einem lauten Knall die Tür geöffnet und erschrocken fuhr ich aus dem Schlaf. Ich erkannte Ragnar sofort. Die Größe und der lange Bart ließen keinen Zweifel zu. Er wankte leicht und schien mich gar nicht zu beachten. Er zog sich sein Oberteil aus und ich war fast schon überrascht, dass er dies ohne Hilfe schaffte. Mit einem lauten und tiefen stöhnen legte er sich in das Bett und genervt verdrehte ich die Augen. Ich konnte den Alkohol deutlich an ihm riechen. Zudem roch er immer noch nach Pferd und der langen Reise. Er hatte wirklich ein Bad nötig! Ich drehte ihm den Rücken zu. Tat so, als würde ich schlafen, als ich plötzlich seine Hand spürte, welche nach mir griff. „Da bist du ja“, hörte ich ihn mit tiefer Stimme raunen. Erschrocken keuchte ich auf, als er mich mit einem kräftigen Ruck an sich zog. „Was?“, fragte ich verwirrt, doch kam ich nicht dazu, weiter zu sprechen. Seine Hände drehten meinen Kopf und drückten seine Lippen auf die Meinen! Erschrocken ruderte ich mit meinen Armen, doch die Decke wirkte wie ein dickes Seil! Halb auf seiner Brust liegend brauchte ich einen Augenblick bis ich mich orientieren konnte. Die Decke erstickte meinen Versuch im Keim mich von ihm zu stoßen. Gierig war sein Kuss. Fast schon ein wenig brutal überfiel er meine Lippen und seine Zunge drang in meinen Mund ein. Der Alkohol auf seinen Lippen war deutlich herauszuschmecken. Seine kalte Hand schob mein Nachthemd hoch und feste umschloss seine Hand meinen Busen. Ich stemmte meine Hände gegen seine Brust und keuchte erschrocken und gequält auf. Ich erwiderte den Kuss nicht und versuchte ihn zu lösen! Adrenalin schoss durch meine Venen und mein Puls begann in meinem Kopf zu rasen. Plötzlich lag er neben mir und drückte mich hinunter. Mir war klar was er wollte. Ich wollte nicht! Ich wollte wirklich nicht! Ich war müde, fühlte mich erschöpft und hatte das Gefühl, als wollte Ragnar einfach nur Druck abbauen. Vielleicht hatte die Dirne unten seine Lust angestachelt, vielleicht war es auch der Alkohol oder eine Mischung aus allem! Doch ich wollte gerade nicht sein Ventil sein! Endlich gab er meinen Mund frei und ich keuchte ein lautes: „Nein!“ Doch es schien, als hörte er es nicht, denn feste biss er mir in den Hals und wie er an meinem Nachthemd zog, spürte ich, wie es langsam begann zu reißen. Einige Knöpfe lösten sich und fielen zu Boden. Er erdrückte mich mit seinem Gewicht, als er sich gänzlich auf mich rollte. „Du sagst immer nein“, hörte ich ihn ein wenig lallend sagen. Er hatte nicht unrecht, gewiss nicht! Doch irgendwie, war es anders, als sonst! Die Male zuvor war er zwar bestimmend, aber rücksichtsvoll gewesen. All dies, fehlte gerade! Er schob mit seiner Hand mein Oberteil hinauf und entblößte meine Schenkel. Unkoordiniert zerrte er an meiner Kleidung rum. Scheinbar wollte er es mir ausziehen, doch es gelang ihm im Alkoholrausch einfach nicht. Panik begann in mir zu sieden und ich hörte meinen schnellen Pulsschlag in meinen Ohren widerhallen. Ich schüttelte den Kopf. Erneut sagte ich, Nein, doch es wirkte, als hörte er mich nicht. Vielleicht, wollte er mich auch nicht hören. Er beugte sich zu mir runter und küsste meinen Hals, während er mit einer Hand seinen Hosenbund öffnete. Ich versuchte, ihn von mir hinunter zu treten, doch seine Größe und sein Gewicht waren zu viel. Die Beine aneinanderpressend versuchte ich ihn aufzuhalten. Ragnar jedoch schob seine Hand zwischen meine Beine und versuchte an meine Körpermitte zu gelangen. Ich spürte seine Erregung und ich merkte, wie mir schlecht wurde. Ich schaffte es nicht, gegen diesen großen Mann anzukommen! Im Gegenteil, er drängte sich regelrecht zwischen meine Beine und schmerzvoll stöhnte ich auf, als er diese brutal auseinander drückte. Eine seiner großen Hände fasste mir feste an die Brust „Nein“, jammerte ich leise. Ich spürte, wie erregt er war als er seine Hüfte gegen mich drückte! Deutlich konnte ich sein halb erigiertes Glied an meiner Mitte fühlen! Panik durchströmte meinen Körper und ängstlich keuchte ich auf. Immer noch pumpte mein Herz das Adrenalin durch meine Venen und verzweifelt schlug ich Ragnar gegen Schulter. „Oh bitte, mach das nicht! Bitte…“ Die Tränen kamen ohne, dass ich es verhindern konnte. Ich wollte nicht, dass er mir so nah kam. Ich hatte Angst, wirklich Angst! Immer noch spürte ich seine Hand auf meinem Körper und langsam schien er von mir ab zu lassen. Sein Griff wurde lockerer er richtete sich auf. Was ihn bewogen hatte, aufzuhören, dass wusste ich nicht. Die Tränen liefen mir über die Wange und immer noch versuchte ich ihn wegzudrücken. Seine Augen schienen die meinen zu suchen, doch die Tränen und der halbdunkle Raum ließen mich ihm kaum erkennen. Ein leises, aber deutliches Schluchzen entwich meiner Kehle. „Mach das nicht, bitte“, jammerte ich leise und versuchte das leicht verrissene Nachthemd schützend vor meine Brust zu halten. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie kaputt es eigentlich war. Er hatte meine Brust entblößt und schützend versuchte ich den Stoff darüber zu ziehen. Ich schaffte es nicht, den Blickkontakt aufrecht zu halten und blickte hinauf zur Decke. Ich hörte so deutlich meinen Herzschlag, dass ich dachte, er sei im ganzen Raum zu hören. Stumm sahen wir einander in die Augen, als unsere Blicke sich trafen. Ich zwang mich wieder, ihm in die Augen zu sehen. Ich musste es einfach. Ich wollte nicht noch schwächer aussehen, als ich es vermutlich ohnehin tat. Ich zuckte zusammen, als seine Hand über meine Wange strichen. Vorsichtig, strich er meine Tränen weg. Es schien, als verwirrten sie ihn, als brachten sie ihn regelrecht aus dem Konzept. „Du weinst“, nuschelte er angetrunken und ich schaffte es nicht, den Blickkontakt zu halten. Ich senkte die Lieder und erneu entfloh meiner Kehle ein kaum zu definierendes Geräusch. „Bitte… ich will so nicht mit dir zusammen liegen“, sagte ich leise und mit kratzender Stimme. Erleichterung strömte durch meinen Körper, als er sich langsam neben mich gleiten ließ. Es fühlte sich an, als erlöste er mich gerade. Doch die Angst wollte mich noch nicht verlassen. Er bettete seinen Kopf auf meine Brust und streichelte langsam und vorsichtig meine Seite hinauf. Ich ließ ihn gewähren und wusste nicht, weswegen er dies tat. „Tut mir leid“, murmelte er leise. Erstaunt und auch ein wenig erleichtert, stieß ich die Luft aus meiner Lunge hinaus. Vorsichtig, legte ich meine Hände auf seinen roten Schopf und streichelte sanft, fast schon vorsichtig die langen Haare. Ich konnte nur nicken und sagte nichts. Immer wieder strichen meine Finger durch die roten Haare. Warum ich das machte konnte ich selbst nicht beantworten. Vermutlich, weil ich sonst nicht gewusst hätte, wohin mit meinen Händen. Mein Körper zitterte und immer noch streichelte ich durch seine Haare. Nach einem Augenblick merkte ich, dass Ragnar tiefer atmete, als noch vor wenigen Augenblicken. Er war eingeschlafen! Wie konnte er jetzt nur schlafen!? Ob das am Alkohol lag? Ich selbst war viel zu aufgewühlt um schlafen zu können. Wieso, hatte er das gemacht? Wieso konnte er ein Nein so schwer akzeptieren? Noch lange lag ich wach und immer wieder ging mir die Situation durch den Kopf. Mein Körper erbebte und die Panik hielt den Schlaf lange von mir fern. Die Nacht war unruhig und sehr kurz für mich. Als Ragnar sich, in der Nacht, endlich neben mich rollte und konnte ich die Decke enger um mich ziehend, für mich war es wie ein Schild. Ich zog meine Beine an und machte mich sehr klein und hoffe, dass der Schlaf mich endlich finden würde. Als der Schlaf mich fand, brachte er seltsame und verwirrende Träume, an welche ich mich am nächsten Tag nur vage erinnern konnte. Müde und verschlafen lag ich auf der Seite. Ich spürte den warmen Körper meines Mannes hinter mir. Sein Atem und sein Bart kitzelten meinen Nacken. Immer noch konnte man deutlich den Alkohol an ihm riechen. Es war mir unangenehm und ich fragte mich, ob er mich später, wenn er wach war, darauf ansprechen würde. Was sollte ich darauf sagen? Doch vielleicht machte ich mir auch viel zu viele Gedanken. Vielleicht sollte ich ihm einfach sagen, was ich davon hielt und dass er das, was er getan hatte, nie wieder machen sollte. Dass, ich Angst hatte, dass ich es schrecklich fand. Er musste einfach wissen, wie es für mich war. Ich wollte keine Angst vor ihm haben! Ich wollte nicht immer wieder Sorge haben, dass er betrunken so etwas versuchte! Ich hatte gerade begonnen, meine Sorge vor ihm abzulegen. Was wäre, wenn er nicht irgendwann aufhört, wenn er getrunken hatte? Wenn er zu betrunken ist und es nicht mitbekommt? Was dann? Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und starrte auf die Wand gegenüber. Schmucklos war sie und kein Bild hing im Zimmer. Hier sollte man nur schlafen und sich nicht wohlfühlen. Immer wieder erzitterte mein Körper und obwohl ich es wollte, schaffte ich es nicht, ihn unter Kontrolle zu bekommen. Immer wieder nickte ich ein und die Sonne war dabei aufzugehen. Die Geräusche des Dorfes weckten mich. Ich hörte Stimmen am Fenster und Karren, welche über die Wege geschoben wurden. Müde grummelte ich vor mich hin und streckte meine Glieder müde aus. Etwas Schweres lag um meine Taille und ich spürte sofort, dass es Ragnars Arm war. Ich hörte ihn immer noch tief hinter mir atmen. Ich wusste also, dass er noch am Schlafen war. Ich schälte mich langsam aus dem Bett und auch diese Bewegungen ließen meinen Mann nicht wach werden. Ich betrachtete mein Nachthemd. Einige Knöpfe waren abgerissen und auch an einem Ärmel war ein Loch an der Naht zu erkennen. Schnell zog ich mich an. Eine beige Bluse und eine schwarze Stoffhose sollten für das zwar milde, aber durchaus am Morgen etwas frische Wetter helfen. Ich zog mir ein dünnes und besticktes Wams über und verließ zügig das Schlafzimmer. Im Schrankraum begegnete ich meiner Schwiegermutter gemeinsam mit Raik am Tisch sitzend vor. Freundlich winkte mir mein Schwiegervater zu und ich setzte ein gespieltes Lächeln auf. Mit einem gemurmelten Morgen, ließ ich mich neben ihn nieder und strich mir ein letztes Mal über die Augen. Die Augen von Inga glitten fast schon besorgt an mir entlang und sofort meinte sie: „Du siehst ja schrecklich aus, Kindchen! Ist alles gut?“ Ich nickte leicht, weil ich ihr nicht sagen wollte, was geschehen war Mir vorzustellen, ihr zu berichten war gestern vorgefallen war kam für mich nicht infrage. Ich mochte sie nicht allzu sehr und ich konnte mir kaum vorstellen, dass sie glaubte, dass Ragnar so etwas tun würde. In ihren Augen, schien ihr Sohn unfehlbar zu sein. „Nur schlecht geschlafen“, wich ich schnell aus und es war eigentlich nicht einmal gelogen. Ich blickte mich nach dem Wirt um und sah seinen Schatten hinter dem Raum am Tresen. „Ja“, hörte ich die tiefe und ruhige Stimme meines Schwiegervaters sprechen, „Diese Betten sind auch nicht sonderlich bequem. Aber man soll sich nicht beschweren, die Lager in den Zelten sind auch nicht wirklich besser.“ Sofort nickte Inga und sie strich sich eine lockige Strähne ihres Haares aus den Augen. „Ja, es geht nichts darüber, im eigenen Bett zu schlafen“, meinte sie in dem Augenblick, als der Wirt kam und heiße Becher mit einem Kräuteraufguss reichte. Auch ich bestellte einen Kräuteraufguss und fragte, ob ich etwas zum Frühstücken bekommen könnte. Sofort nickte der Mann und verschwand wieder in dem Raum hinter seines Tresens. Ich versuchte nicht, an Ingas Worte zu denken. Doch ich konnte es nicht verhindern, dass meine Gedanken und mein Geist in mein Zimmer flogen. Zu meinem Bett und zu meiner geliebten, tiefen Fensterbank, auf welcher ich so gerne gesessen hatte. Doch lange, war es mir nicht vergönnt, in meinen Gedanken davon zu fliegen, denn die Stimme meiner Schwiegermutter riss mich aus meinen Gedanken. „Ich hoffe, dass du dich schnell in unserer Dorfgemeinschaft zurecht findest“, meinte sie zu mir und trank einen Schluck des Tees. Ich seufzte innerlich auf. Immer wieder sprach sie davon und nachdem was gestern vorgefallen war, war es mir vollkommen gleich. Ich wusste, sie hatte Sorge, ich würde mich nicht benehmen. Ich würde alles und jeden Schlecht machen. Und natürlich, hatte sie Sorge, ich würde für ihren ach so tollen Sohn eine schlechte Ehefrau sein. Nie kam sie auf die Idee, dass Ragnar sich auch als schlechter Ehemann darstellen könnte. „Ich werde mich bemühen, mich an die Gegebenheiten vor Ort anzupassen“, sagte ich immer wieder diplomatisch. Ich wusste, dass sie diese Antwort nicht hören wollte. Sie wollte hören, dass ich mir Mühe gab, da war ich mir sicher. Doch das war einfach nicht ich! Ich versprach so etwas nicht und vor allem heute würde ich so etwas nicht einfach versprechen. Ich sah, wie Ingas Mund sich hob, doch es war Raiks Stimme, welche über den Tisch wehte und seine Frau in die Schranken wies. „Inga“, sagte er mit etwas mahnender Stimme, „Jeden Tag, sagst du dem armen Mädchen das Gleiche. Sie hat doch keine Ahnung und scheint nicht so blauäugig durch die Welt zu gehen. Lass sie sich doch einfach ihr eigenes Urteil bilden.“ Überrascht glitten meine Augen zu ihm. Er war mir wirklich ein netter und sympathischer Mensch. Ingas Blick glitt zu ihrem Mann und stumm nickte sie. Ob sie beleidigt war, konnte ich nicht sagen. Wir aßen unser Essen und als wir Schritte hörten, drehten sich alle am Tisch um. Ich erschreckte mich innerlich als ich Ragnars große Gestallt wahrnahm. Der lange Bart, dürftig gekämmt und unter seinen grünen Augen lagen dunkle Schatten. Er ging mit langen Schritten auf den Tisch zu und nickte in die Runde. „Morgen“, raunte er und ich hatte für einen Augenblick den Eindruck, als suche er meinen Blick. Doch ich wich seinen Augen aus und starrte auf meinen Frühstücksteller. „Du siehst ja genauso müde aus, wie deine Frau“, meinte Inga und schüttelte leicht den Kopf. „Da hat wohl einer zu viel getrunken“, hörte ich Raiks amüsierte Stimme über den Tisch wehen. Wenn er nur wüsste, dachte ich in Gedanken versunken und schob mir lieber ein Stück Brot in den Mund. „Ja. Viel zu viel“, raunte er und irgendwie, wirkte er komischer, als ich dachte. Er wollte nichts zu essen bestellen und nachdem wir fertig waren spürte ich Ragnars Hand an meinem Unterarm. „Wir sollten…. Kommst du mit nach oben? Bitte?“, fragte er tatsächlich und etwas seltsames lag in seinem Blick. Doch schnell wich ich diesen Augen aus. Ich erhob mich langsam. „Nur kurz. Ich will nach Freya sehen.“ Wieso ich zustimmte? Das wusste ich selbst nicht. Vielleicht, wollte ich das Gespräch einfach hinter mich bringen? Ich hatte gelernt, dass man sich schwierigen Gesprächen zu stellen hatte. Ich konnte mich selbst gerade nicht erklären und so folgte ich meinen Mann hinauf in den dunklen Flur, hinein in das karge Zimmer. Wir betraten den Raum und als die Tür ins Schloss fiel, folgte eine bleierne Stille. Niemand sagte etwas. Weder Ragnar noch ich schienen das Gespräch beginnen zu wollen. Die Sekunden strichen vorbei und nach einem Augenblick, der sich länger anfühlte, als er vermutlich war, hörte ich Ragnars erstaunlich leise Stimme. „Thalia…. Es, …es tut mir leid“, sagte er und die Reue schwang deutlich in seiner tiefen Stimme mit, „Ich war betrunken. Und…. Ich war einfach nicht mehr Herr meiner Sinne. Ich weiß, dass es keine Entschuldigung ist… Ich wollte dir keine Angst machen…“ Langsam hob ich den Blick und als meine blauen Augen auf die Seinen trafen, war es ein seltsames und komisches Gefühl. So häufig war dieser Mann so selbstsicher gewesen. Hatte vieles einfach bestimmt und getan, ob ich es wollte, oder nicht. Er war ein Krieger und hatte ein hohes Ansehen in seiner Heimat und gerade wirkte er von sich selbst einfach erschrocken. „Wieso, hast du das gemacht“, wollte ich nach einem Augenblick von ihm wissen. Er strich sich durch den langen Bart. Ich hatte mitbekommen, dass er dies öfter machte, wenn er nachdachte. „Wie ich bereits sagte, ich war einfach betrunken…. Und dann… Wenn ich betrunken bin, dann bin ich vielleicht sehr anhänglich… egal bei wem“, erklärte er ruhig und ich verstand was er meinte. Er würde mit anderen Frauen mitgehen. Doch gerade war dies nicht das, was mich störte. „Außerdem“, fuhr er fort, als suche er selbst nach einer Erklärung, „Hast du vorher auch immer „nein“ gesagt und hast dann doch mitgemacht…“ Entrüstet sah ich ihn an! Das entschuldigte doch nicht, dass er nicht aufgehört hatte! Dies konnte doch nicht seine Erklärung sein! Ich stemmte die Hände in die Hüfte und schüttelte den Kopf. „Ragnar, das kann keine Entschuldigung sein! Gestern, hatte ich Angst! Du hast meine Kleidung zerrissen und erst aufgehört, als ich dich geschlagen habe! Ich… Das kann einfach nicht dein Ernst sein!“, fuhr ich ihn gereizt an und verschränkte die Arme vor der Brust. Es klang in meinen Ohren so, als spiele er es hinunter. Als sei meine Angst, meine Panik unbegründet! Ich flüchtete mich in die Wut, denn ich spürte wie die Tränen langsam versuchten ihren Weg auf meinem Körper zu finden. Ich wollte ernst genommen werde. Ich wollte nicht, dass man mir noch die Schuld gab, an dem was gestern passiert ist. Ich wollte das was er gerade von sich gab einfach nicht so stehen lassen! Er sollte, nein, musste sich einfach erklären! „Ich habe doch schon gesagt, dass es mir Leid tut“, raunte er und erneut hörte ich Reue deutlich in seiner Stimme. Ich konnte darauf nichts sagen und wich seinem Blick aus. „Es ist doch nichts passiert…. Du hast doch jetzt keine Angst vor mir, oder?“, fragte er mich und trat einen Schritt auf mich zu. Ich konnte es nicht verhindern, dass ich einen Schritt zurückging. Ich wollte es eigentlich nicht, doch ich schaffte es einfach nicht, es zu verhindern. „Du hast nie aufgehört, wenn ich nein gesagt habe. Du hast mich nie vergewaltigt, aber du hast auch nie aufgehört“, sagte ich und spürte deutlich die Tränen in meiner Stimme. Wieso sie so plötzlich kamen, konnte ich selbst nicht beantworten. Ich schaffte es nicht mehr, sie zu unterdrücken. Es war einfach so! So sehr ich sie zurückhalten wollte, versagte ich dennoch bei dem Versuch. „Dir hat es immer gefallen“, sagte Ragnar und es wirkte, als verwirrten ihn meine Tränen. Wieder ging er auf mich zu. Zügig und noch bevor ich etwas machen konnte, hatte er mich an sich gezogen. „Es tut mir leid, Thalia“, raunte er und strich mir über meinen Rücken, „Ich wollte dir keine Angst machen. Du brauchst auch keine Angst zu haben vor mir.“ Ich nickte nur und obwohl ich es nicht wollte, schluchzte ich leise auf. Der Druck um meinen Körper verstärkte sich. Ich roch den herben Geruch von ihm ein und spürte seinen langen Bart in meinem Gesicht. Vorsichtig streichelten seine Hände über meinen Rücken. War es paradox, dass es Ragnar war, der mich tröstete? Vielleicht und vielleicht auch wieder nicht. „Ich habe mir geschworen“, hörte ich ihn nuscheln, „Dass ich diesen Fehler nicht noch einmal machen werde. Ich schwöre dir, ich werde dir das nie antun!“ Fehler? Was für ein Fehler? Ich erinnerte mich an Lillies Worte. Hatte er Das seiner ersten Geliebten angetan? Erschrocken weiteten sich meine Augen und ich drückte ihn weg von mir. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)