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Ein unfaireres Spiel mit dem Schicksal

von

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Dunkle Schwingungen

Wütend starrte ich auf den Boden zu meinen Füßen! Wie konnte er nur so mit mir sprechen? Er machte mir das Leben unnötig schwer! Glaubte er wirklich, ich sei dumm? Dachten vielleicht alle Männer im Norden, dass Frauen dumm sind? Ich hoffte nicht! Ich mied seinen Blick und achtete nicht auf den Weg, den wir gingen. Noch beachtete ich die Menschen, welche unseren Weg kreuzten.

Wir kamen bei den Zelten an und ich merkte, dass einige der Menschen in Aufbruchsstimmung waren. Zelte wurden ordentlich verpackt und zusammengelegt, die Feuerstätten gelöscht. Vermutlich würden viele nun aufbrechen. Der Weg nach Hause war schließlich schwierig und lange. Verstohlen sah ich die Männer an, waren sie alle Gleich? Hielten sie Frauen wirklich alle für dumm? Den Kopf leicht schüttelnd atmete ich durch. Man kann nicht alle Menschen über einen Kamm scheren, mahnte ich mich selbst in Gedanken. Durchatmend betrachtete ich die großen achteckigen Zelte.

„Wieso schläft deine Familie eigentlich hier unten und nicht oben in dem Haus meines Vaters?“, fragte ich, während ich die anderen dabei beobachtete, wie sie ihre Habseligkeiten zusammen packten. Kurz blickte Ragnar hinab zu mir. Fand er meine Frage albern? Oder fand er sie unpassend? Hätte ich es ihnen auf der Hochzeitsfeier anbieten sollen? „Meine Eltern mögen keine Häuser aus Stein. Sie wollten es nicht. Aber man hatte es ihnen durchaus angeboten“, erklärte Ragnar und geleitete mich mit sicheren Schritten durch das Zeltlager. Fast schon war ich erleichtert, also war ich ihnen nicht unhöflich begegnet. Viele grüßten Ragnar und mich, doch ich erkannte keinen von ihnen. Es waren zu viele Namen gewesen, welche ich in den letzten Tagen gehört hatte.

Als ich in ein halb offenes Zelt hineinspähte sah ich eine Lagerstelle auf denen viele Fälle lagen. So wie Ragnar es gestern noch berichtet hatte. An einem etwas größeren Zelt blieb mein Mann stehen. Man sah deutlich, dass dieses Zelt keinen armen Bauern gehörte. Das Zelt war in einem guten Zustand und bot genügend Platz für drei bis vier Leute. Er deutete mir an, dass ich ihm folgen sollte und so trat ich nach ihm in das mannshohe Zelt. Ich sah zwei Schlafstätten. Die Schlafstätten waren leicht erhöht, damit man nicht auf dem kalten Boden schlafen musste. Eine kleinere, vermutlich für Lillie und eine etwas größere. Ansonsten war nicht viel hier drinnen. Auf dem Boden lagen einige Matten und zwei große Taschen lagen neben den provisorischen Betten. Ich verstand, warum viele schnell wieder aufbrechen wollten. So schwer beladen, würde es sicherlich länger dauern, als ohne die ganze Last.

Wie viele Ragnar und mich begleiten würden? Doch noch bevor ich fragen konnte, erblickte ich Lillie, welche auf mich zugesprungen kam. Fröhlich drückte sie mich an sich. „Guten Morgen“, glücklich war ihre Stimme und als sie sich löste fragte sie: „Wieso kommt ihr erst jetzt? Wir dachten, dass ihr etwas eher kommt.“ Ihre roten gelockten Haare waren im Nacken zusammengebunden und als sie sich löste könnte ich an ihrem Oberarm ein Tattoo erblicken, als sie die Haare zu bändigen versuchte. Ein verzierter Kranz umschlang ihren Oberarm. Es hatte den Anschein, dass es eine Ranke sein sollte. Ob alle solchen Körperschmuck trugen?

„Wir haben mit meiner Familie gefrühstückt. Deswegen kommen wir erst jetzt“, erklärte ich ruhig. Verstehend nickte sie und begrüßte fröhlich ihren Bruder. Eine etwas beleibte Frau mit einem freundlichen und etwas runden Gesicht kam zu uns und wie am Tage meiner Hochzeit schloss sie mich in ihre Arme. „Schön, endlich mit dir zu sprechen“, sagte sie glücklich und als sie sich von mir löste, musterte sie mich mit ihren grünen Augen. Von ihr hatte Ragnar sie also. „Guten Morgen. Ähm… Verzeiht, ich habe Eure Namen vergessen. Es waren so viele am Tage der Hochzeit“, erklärte ich höflich und hoffte, sie nahmen es nicht persönlich. Sie winkte ab und gleich erklärte sie: „Ist doch nicht schlimm! Da waren aber auch viele Menschen. Mein Name lautet Inga, mein Mann heißt Raik und das ist meine Tochter Lillie!“ Das ich Lillie bereits gestern getroffen hatte, schien sie nicht zu wissen. Tatsächlich erleichterte es mich, denn so wusste ich, dass Lillie, jedenfalls bei ihrer Familie, niemanden von meinem Fehltritt berichtet hatte.

Ein wenig dankbar sah ich zu Lillie, als ihre Mutter mir sie vorstellte. Sie zwinkerte frech und drehte sich zu ihrem Bruder. Die Sympathie für sie wuchs in mir schneller als ich dachte. Ich konnte nicht verstehen, was die Beiden Sprachen. Denn Inga drückte meine Hand und verwirrt sah ich hinab. Doch ich kam nicht dazu, meine Verwirrtheit in Worte zu fassen. Glücklich meinte sie: „Ich bin ja so froh, dass mein Ragnar endlich geheiratet hat. Wir haben ihn so oft versucht jemanden vorzustellen und ich würde mich so sehr freuen, wenn ihr euch versteht!“ Ihre Freude war ehrlich, das sah man der älteren Frau an. Hatte sich Ragnar tatsächlich so vehement geweigert den Bund der Ehe einzugehen? Bereute er es jetzt und vermisste das Junggesellenleben?

Der Familie einfach zu sagen, dass ich diese Hochzeit und alles was mit ihr verbunden war abstoßend fand, konnte ich meiner Familie sagen, aber nicht dieser. Ich wollte ihr nicht wehtun. Ich kannte sie schließlich nicht und irgendwie, gehörte sie schließlich nun zu meiner Familie. Ich seufzte schwer und strich mir eine blonde Strähne aus meinem Gesicht. Ich wusste nicht genau, wie ich zu reagieren hatte.

„Was kochst du eigentlich am liebsten?“, fragte sie mich plötzlich und mit großen Augen sah ich zu der Frau, welche tatsächlich etwas kleiner war, wie ich. „Ähm“, war mein wenig intelligenter Kommentar zu ihrer Frage. Kochen? Ich kann nicht kochen. Ich konnte tatsächlich etwas backen, aber gekocht hatten immer andere für mich! „Ich kann nicht kochen“, sagte ich nach einem Moment der Stille, der unangenehm zu werden schien. Überrascht blickten mich die Augen meiner Schwiegermutter an. Es sah aus, als hätte ich ihr versucht zu sagen, dass der Himmel morgen in Rot leuchten würde. „Wieso kannst du denn nicht kochen? Jede Frau kann kochen“, meinte sie und klang dabei so ernst, als würde sie mich gerade eine wichtige Lektion erteilen. Ich zuckte mit den Schultern. Wieso musste ich das als Frau können? Ich brauchte es nie, also hatte ich es auch nie gelernt. Sie angehen, wollte ich nicht. Noch nicht. Vielleicht war sie einfach aufgeregt und wusste auch nicht, was man miteinander besprechen sollte.

„Ich kann etwas Backen“, lenkte ich ein und dachte an den Apfelkuchen, den meine Eltern immer wieder gerne gegessen hatten. Es machte mir Spaß, etwas Leckeres aus den Zutaten zubereiten. Skeptisch betrachtete mich die Frau und verschränkte die Arme. War das etwa auch nicht richtig, was ich gesagt hatte? „Aha… Na ja, wer backen kann, kann auch eigentlich kochen. Mein Sohn und meine zukünftigen Enkel wollen sicher mehr essen, als Brot und Kuchen“, meinte sie und ich hörte tatsächlich einen strengeren Unterton in ihrer Stimme heraus, als mir lieb war. Ich spürte, wie mir die Farbe aus dem Gesicht wich. Vermutlich konnte man dies im schummerigen Licht des Zeltes nicht sehen. Wieso sprach auch sie jetzt schon von Enkeln? Wollte mich diese Familie in den Wahnsinn treiben?

Dankbar war ich, als Ragnars Vater hinter seiner Frau auftauchte und ihr eine große Hand auf die Schulter legte. „Inga, lass das Mädchen doch erstmal ankommen. Alles Weitere wird sich dann noch einpendeln. Überfordere die junge Dame nicht“, meinte Raik mit einer angenehmen tiefen Stimme. Er trat zu mir und reichte mir seine große Hand. Etwas unsicher ergriff ich sie. Seine Hände waren rau von der schweren Arbeit, die er verrichten musste. Seine roten Haare waren von Grau durchzogen und auch er trug einen dichten Vollbart. Doch bei weiten nicht so dicht und lang, wie der meines Mannes. „Hallo Thalia“, grüßte er mich höflich und mit einem freundlichen Blick musterte er mich. Ich bemerkte, wie sein Blick an meiner Hüfte hängen blieb und ein warmer und vielleicht auch stolzer Ausdruck erschien in seinen Augen. „Ich hoffe, der Gürtel gefällt dir“, sagte er und nickte hinab zu dem silbernen Schmuckstück. Ich nickte und strich mit meinen Fingern über das verwobene und glänzende Metall. „Oh ja“, meinte ich höflich und lächelte ihn freundlich an, „ich finde den Gürtel sehr schön. Es war sicherlich sehr schwer, diesen herzzustellen. Ich habe mich sehr darüber gefreut.“ Ich log aus Höflichkeit, ich hatte mich über keines der Geschenke gefreut, doch als ich sah, wie stolz und glücklich der ältere Mann aussah, musste ich es einfach sagen.

„Dann hoffe ich, dass du noch viel Freude an ihm haben wirst“, meinte er und die Freude in seiner Stimme, ließ mich ihn in einem netten Licht sehen. Plötzlich spürte auf einmal eine Hand auf meinem Rücken und als ich mich umdrehte erblickte ich Ragnars große Gestalt hinter mir. „Mutter, Vater hat Recht. Lass meine Frau erstmal bei uns ankommen. Sie ist hier schließlich anders aufgewachsen wie wir.“ Tatsächlich, war ich überrascht, dass er mich verteidigte und konnte es im ersten Augenblick gar nicht glauben. Wieso er das tat wusste ich nicht, doch ein dankbares und nettes Lächeln zierte meine Lippen. Ja, manchmal konnte er viel netter sein, als ich es ihm zutraute. „Na ja, aber man sollte doch kochen können, aber na ja, man kann auch alles lernen“, meinte sie und blickte mich immer noch fröhlich an. Ich wusste nicht genau, was ich von Inga halten sollte. Ich blickte mich etwas um und sah an einer Seite des Zeltes ein Schwert und eine Axt liegen. Ich deutete auf die Waffen und fragte: „Sind das deine, Ragnar?“ Er folgte meinem Blick und nickte du wirkte unschlüssig. Skeptisch blickte er zu mir und wieder zu den Waffen in der Ecke des Zeltes. Es schien, als passe es ihm nicht, dass ich Interesse an den Waffen zeigte. Warum dies so war, konnte ich nur mutmaßen. Vielleicht wollte er einfach nicht, dass eine Frau an Waffen Interesse zeigte. Natürlich, war es auch hier in meiner Heimat nicht üblich, dass alle Frauen an Waffen Interesse zeigten, doch ich war immer schon fasziniert davon gewesen.

„Das sind die Waffen, mit denen mein Bruder am besten kämpft“, plapperte Lillie fröhlich drauf los. Ich nickte leicht und grinste Ragnar an und erinnerte mich wieder daran, wie er aussah, als ich ihn vor Monaten in den Hallen meines Vaters gesehen hatte. „Na ja, wenn er so ein guter Krieger ist, sollte man sich mit ihm besser nicht anlegen“, scherzte ich tatsächlich etwas herum. Das Grinsen auf Lillies Gesicht wurde breiter und sie kicherte ein wenig, während sie nickte. Es war ein komisches Gefühl für mich, dass die Menschen hier sich freuten, mich zu sehen.

Mich umblickend fragte ich nach einem Moment der Stille: „Wie viele begleiten uns eigentlich auf dem Weg zu Euch?“ fragte ich und sah dabei zu Ragnar: „Ich glaube es werden so um die zehn Personen sein. Einige sind gestern aufgebrochen, einige brechen heute auf. Sven und einige meiner Kampfgefährten begleiten uns. Aber einige sind mit den anderen unterwegs. Die Reise wird lang… Ach, Thalia zeigt mir gleich die Umgebung. Wir reiten aus und bleiben deswegen nicht lange, Mutter.“ Inga nickte und meinte sogleich: „Pass aber auf. Dieser schwarze Hengst hatte dich gestern schon fast abgeworfen! Nicht, dass dir noch etwas passiert.“ Inga klang fast wie meine Mutter wenn sie sich sorgte und es ließ mich tatsächlich leicht schmunzeln. Mütter schienen überall gleich zu sein. Ich wusste, dass der schwarze Hengst, den Ragnar geschenkt bekommen hatte ein wildes Tier sein konnte und vermutlich hätte meine Mutter ebenso Sorge, wenn ich ihn reiten würde.

Ob Ragnar ein erfahrener Reiter war, wusste ich nicht. Doch was ich wusste war, dass dieses Tier einen erfahrenen Reiter brauchte. Es war Tradition in meinem Land, dass Mitglieder meine Familie sich mit der Haltung von Pferden gut auskannte. Schließlich gewannen wir unseren Reichtum aus diesen starken und robusten Tieren. Wir, meine Geschwister und ich, waren viel geritten früher und wenn wir den Stallmeister zu sehr geärgert hatten, mussten wir des Öfteren dabei helfen, den Stall auszumisten.

„Ich werde schon aufpassen Mutter“, meinte Ragnar nach einem Augenblick und ich hörte, den fast schon genervten Ton aus seinem Mund.

Ich berichtete der Familie, was ich Ragnar gleich präsentieren wollte, denn ich wollte nicht, dass der Besucht wirkte, als seien wir auf der Flucht. Ich erzählte von den Seen in der Umgebung und dem Moor. Sie waren gefährlich und ich warnte die Familie diese Gegend einfach so zu betreten. Ich erzählte von den lichten Wälder und die weiten Felder der Bauern aus der Umgebung. Hier in diesem Land bestellten die Bauern viel Acker. Lillie hing an meinen Lippen und war begeistert, dass es in unserem Land, dass dank der intensiven Jagt an der Grenze nahezu keine gefährlichen Tiere gab. Sie sagte, dass sie nicht alleine in die tiefen ihrer Wälder gehen durfte, da die Gefahren zu groß seien.

Wir sprachen über das, was Ragnar mir am Vorabend erzählt hatte und wie gefährlich die Bären und Wölfe sein konnten.

Wir verließen das Zelt nach einer Weile und schweigend gingen Ragnar und ich durch das Lager hinüber zu den Ställen. Stuten und Hengste wurden nicht im selben Stall untergebracht, damit die Hengste nicht durchdrehten, wenn eine Stute mal rossig wurde. An mir hinab blickend strich ich mir mit der Hand über mein Kleid. Damit, konnte ich schlecht in den Stall rennen um das Pferd fertig zu machen. Ich deutete in die Richtung meines Hauses und sagte: „Wenn wir ausreiten wollen, sollte ich mich umkleiden. So kann ich mich schlecht auf den Rücken des Tieres setzten.“ Ragnars grüne Augen glitten an mir hinunter und er nickte und sprach: „Ich sag jemanden, er soll dein Pferd fertig machen lassen…“
 

Ich führte Freya hinaus und hielt sie am Zügel. Dank des Stalljungen war die goldfarbene Stute bereits gesattelt und wie sie mit den Hufen scharte schien sie sich darauf zu freuen, sich wieder bewegen zu dürfen. Sanft strich ich ihr über die Nüstern und mit ihrer langen Zunge leckte sie mir über die Hand. Ich schmunzelte und strich meine Hand am Hals des Tieres trocken. „Du großes Schweinchen“, sagte ich sanft und klopfte ihr lieb auf den Hals.

Ich hörte Schritte und Hufgetrappel und blickte auf. Ragnar führte seinen schwarzen Hengst am Zügel und stumm betrachteten wir einander. Wie so oft schwiegen wir. Es war erstaunlich, welche unterschiedlichen Arten des Schweigens es gab. Das Angenehme, das Unangenehme, das Schweigen, welches man nicht mitbekam, genervtes Schweigen, wütendes Schweigen und sicher noch viele mehr. Ich war am Grübeln und meine Gedanken flogen weit weg, während ich das Fell des Tieres streichelte. Wie viele Meilen Freya und ich schon zusammen hinter uns gebracht hatten. Wie sie die lange Reise in den Norden überstehen wird? „Sollen wir“, raunte seine tiefe Stimme zu mir hinüber.

Ich blinzelte, als ich aus meinen Gedanken gerissen wurde und schwang mich nickend auf den Rücken meines Pferdes. Sofort ging Freya einige Schritte und noch während ich aufsaß, musste ich das Tier bremsen. „Ruhig“, sagte ich leise und im fast schon sanften Ton zu ihr und strich die Mähne gerade. Ich blickte mich um und auch Ragnar saß bereits auf dem Rücken des Tieres. Unruhig tippelte der Hengst hin und her und hob aufgeregt seinen Kopf. Er tänzelte regelrecht. „Hm“, sagte ich nachdenklich und beobachtete das Schauspiel. „Lass ihn nicht rückwärst gehen“, mahnte ich ihn. Zu mir blickend beobachtete ich, wie Ragnar bestimmend die Beine gegen die Seite des Tieres drückte und kurz, aber nicht ruppig an den Zügeln zog.

Schnell beruhigte sich der Hengst wieder und trotzdem folgte er den Anweisungen seines Reiters nur störrisch. Wir ließen die Stadt hinter uns und ich zeigte ihm die Umgebung. Wir ritten an einem Waldrand entlang hinüber zu den Hügelkuppen. Die More in der Entfernung und die Hügelkuppen lagen im hellen Sonnenschein.

„Reiten wir dahin?“, fragte Ragnar nach einem Augenblick und deutete auf die so friedlich erscheinende Landschaft. Ein Vogelschwarm stieg in den Himmel empor und nachdenklich folgte ich den Tieren mit den Augen. Den Kopf leicht schüttelnd erklärte ich: „Nein, diese Gegen ist gefährlich wenn man sich nicht auskennt…Die Moore. Ich selbst habe mich als Kind in diesen Gefilden verlaufen und wäre fast ertrunken. Ein ansässiger Bauer hörte meine Schreie und rettete mich in letzter Sekunde.“ Ernst nickte er und musterte mich. Stirnrunzelnd sah er mich an. Noch bevor ich fragen konnte, was er von mir wollte, fragte er: „Wieso hat dein Vater dich so erzogen… Wieso lässt er dich zum Beispiel jagen?“ Ich zuckte mit den Schultern und schmunzelte ein wenig. Freya drehend ließ ich die Stute gemächlich den Hügel hinunter gehen. Als Ragnar mit seinem Tier wieder auf gleicher Höhe war erklärte ich mit ruhiger Stimme: „Dies, wird an meinem Großvater liegen. Meine Großmutter starb kurz nach der Geburt meiner Mutter. Mein Großvater, der immer einen Sohn wollte, vergötterte meine Mutter. Er liebte sie, vielleicht weil sie ihn so an Großmutter erinnerte…. Er verbrachte viel Zeit mit ihr und alles was sie wollte, ließ er sie machen. Er hatte auch nie wieder geheiratet. Als mein Vater sich in meine Mutter verliebte, musste er ihr schwören, dass diese Offenheit bleibt, wenn sie Kinder hätten. Sie wollte uns all die Freiheiten gewähren, die sie uns geben konnte… Natürlich, kann ich auch sticken und nähen… Aber ich scheine nach meiner Mutter zu kommen…“ Stirnrunzelnd betrachtete mein Mann mich. Er schwieg und sein Blick richtete sich auf den Weg vor uns. Was er sich wohl dachte?

Mir auf die Lippe beißend fragte ich ihn neugierig, was er davon hielt. Erst nach einem Augenblick des Schweigens antwortete er: „Ich denke, dass ich das ziemlich seltsam finde. Bei uns im Norden sagt man, dass die Frauen hier ihre Männer beginnen zu unterdrücken und die Männer dies mit sich geschehen lassen…“ Ich kniff die Augen zusammen und richtete meinen Blick auf den Hünen. Wie kamen diese Barbaren darauf, wir würden die Männer unterdrücken?

Ich konnte darüber nur den Kopf schütteln. Ja, seit meine Mutter hier war, hatte sich vieles gewandelt. Frauen konnten, wenn sie es sich leisten konnten, eine Universität besuchen oder arbeiten gehen. Nicht viele, aber immer mehr taten dies auch. Viele Frauen wollten es auch gar nicht und waren mit Kind und Haushalt vollkommen zufrieden. Ich fand es albern, so etwas zu behaupten. „Schwachsinn“, kommentierte ich seine Aussage und ließ die Zügel länger, damit Freya, entspannt den Kopf halten konnte, wie sie es wollte. „Hm… ich war und bin nicht lange genug hier um das Gegenteil präsentiert zu bekommen“, raunte er mit seiner tiefen und kehligen Stimme.

Schwer durchatmend sparte ich mir meine Aussage. Er schien kein Interesse zu haben, es so kennen zu lernen. Und ich schluckte leicht, während ich darüber nachdachte, was er an Erwartungen für mich hatte.

„Ich kann wirklich nicht kochen“, sagte ich nach einem Augenblick und fast schon entsetzt starrten mich Ragnars grüne Augen an. Dachte er, ich habe einen Scherz gemacht, als ich dies seiner Mutter sagte? „Du wirst es schon lernen“, sagte er ruhig, als schien er mir Mut machen zu wollen. Als er erneut das Wort ergriff, prustete ich fast schon empört nach Luft. „Das können doch alle Frauen. Das wird dir sicher leicht fallen zu lernen.“

Zähneknirschend meinte ich: „Und wieso? Ich brauchte es nie… Wieso sollte ich es lernen?!“ Wieso kam er auf so eine bescheuerte Aussage? Dachten dort alle so? Ich hoffte nicht. Ich beobachtete, wie er sich über den langen Bart strich und die Augen zusammen kniff.

„Wie gesagt, meine Mutter wird dir sicher helfen“, meinte er plötzlich und lächelte mich tatsächlich an, als habe er einen wundervollen Kompromiss gefunden. Einen, der uns beiden helfen und glücklich machen würde. Ich konnte nicht wirklich sprechen und so runzelte ich die Stirn und nickte nach wenigen Augenblicken. Irgendwie, schaffte es mich dieser Mann, regelmäßig sprachlos werden zu lassen. Und ich musste sagen, dass mir dies überhaupt nicht gefiel.

Ich war fast ein wenig erleichtert, als wir endlich wieder zum Stall ankamen. Es war bereits Nachmittag und die Sonne strahlte warm auf uns hinab. Erleichtert sprang ich aus dem Sattel und griff nach den Zügeln des Tieres. Gleich kam ein Stalljunge auf uns zu und ich sagte: „Ich mach sie fertig. Nimm doch nur bitte den Sattel mit.“ Ich griff unter den Bauch von Freya und löste den Sattel und reichte diesen gleich an dem jungen Mann. Ich schmunzelte, als ich hörte, wie Freya tief die Luft ausstieß. Ich legte ihr das Halfter um den Hals, bevor ich ihr ihre Trense abnahm. Vermutlich freute sich die Stute, dass sie heute bewegt wurde. Ich streichelte über Freyas Stirn und lächelte zufrieden als mich Ragnars Stimme aus meiner Trance holte. „Du magst Pferde wirklich gerne, oder?“ Zu ihm blickend nickte ich. „Ja, schon ziemlich. Ich bin mit ihnen groß geworden“, meinte ich schmunzelnd.

„Ragnar, Thalia“, rief eine Stimme hinter uns und als ich mich umdrehte, erblickte ich Ragnars besten Freund Sven. Sein dunkelbrauner Wams spannte sich leicht über seiner Brust und die Stiefel, die er trug waren an den Solen verdreckt, als habe er sie häufiger an. Er winkte und kam auf uns zu und sah anerkennend mein Tier an. „Du hast auch ein tolles Pferd und scheinst sicher im Sattel zu sein“, meinte er und lächelte mich an. Er nickte Ragnar kurz begrüßend zu, eher seine Augen wieder zu mir glitten.

„Wo wart ihr?“, wollte er wissen und streichelte Freya über den Hals. Neugierig betrachtete er mich und schmunzelte leicht. „Ich habe Ragnar die Umgebung gezeigt“, erklärte ich und fuhr fort: „Die Hügel in der Umgebung und die Seen. Die sind aber etwas zu weit weg und das Moor haben wir uns angeschaut.“ Überrascht weiteten sich die Augen des Mannes und er sah zu Ragnar, welcher gerade den Sattel auf den Holzbalken ablegte und anscheinend etwas überprüfte. „Die sind doch gefährlich“, sprach der Mann und von mir zu Ragnar blickend fragte er: „Wollte sie dich hineinschicken? Dann weißt du, wie tief ihre Zuneigung ist.“ Man hörte den Schalk in seiner Stimme deutlich heraus und wie er mich fast schon frech anzwinkerte, konnte ich nur den Kopf über seine Worte schütteln. Ohne, dass ich es wollte stahl sich ein leises Lachen aus meinem Mund und ich schüttelte den Kopf. „Nein, das würde ich nicht tun“, sagte ich und berichtete Sven von meinen eigenen, schrecklichen Erfahrungen im Moor. Es war erstaunlich, doch dieser Mann schaffte es tatsächlich, mich zum Sprechen zu bewegen! Als erneut ein Stallbursche fragte, ob er Freya in den Stall führen sollte, ließ ich ihn gewähren.

„Ich habe gehört“, sagte ich nach wenigen Sekunden, „dass du und deine Kinder häufiger zu Besuch kommen?“ Sven war mir sympathisch und ich grinste leicht, während er mir von seiner ältesten Tochter erzählte und wie häufig er zu Besuch war. „Sie zieht jedem gerne am Bart“, meinte er augenverdrehend, „Aber das werden wir ihr schon abgewöhnen. Meine Älteste ist erst vier.“ Ragnar lachte leise und erstaunt sah ich ihn an. „Wer weiß, wie viele deiner Kinder wirklich von dir sind. Vielleicht habe ich ja meine Finger mit im Spiel gehabt“, scherzte Ragnar auf einmal herum. Als ich sah, wie Sven lachte, wusste ich, dass Ragnar diesen Scherz wohl schon häufiger gemacht hatte. Ich merkte, wie froh ich wurde, wenn ich meinen Mann so locker erlebte. Doch gerade, als ich etwas Freches erwidern wollte blieben mir meine Worte im Halse stecken.

Ich bemerkte Leif! Zornig betrachtete er uns und ich konnte sehen, wie es in meinem Geliebten brodelte. Die Männer folgten meinem Blick und ich bemerkte, wie sich Ragnar und Sven in die Augen blickten. Sie hatten also, über ihn bereits gesprochen.

Ich hoffte, er würde sich im Griff haben. Doch die aufbrausende Art, meines Geliebten schien er selbst gerade nicht unter Kontrolle zu haben. Mit wutverzerrtem Gesicht blickte er meinem Mann nach und wütend schrie er ihm entgegen: „Du beschissener Hurensohn, hast sie dir einfach genommen!“

Erschrocken sah ich von Leif zu meinem Mann, dessen Augen sich vor Wut verengt hatten. Ich schluckte leicht, doch noch bevor ich mich bewegen konnte drehte sich der Hüne um und die Verachtung sprach aus seinem Mund als er sagte: „Und wenn schon? Warum hast du sie nicht einfach vorher geheiratet? Dann würdest du jetzt nicht rumheulen wie ein Mädchen!“

Als Ragnar sich gänzlich zu ihm drehte, wollte ich ihn aufhalten. Doch ein fester Griff hielt mich zurück. Bestimmender als sonst sprach Sven: „Nicht einmischen! Das ist Ragnars Angelegenheit.“

Bedrohlich, ließ Ragnar die Knochen knacken und ging langsam auf Leif zu. Angst kroch in meine Glieder und als ich erneut erschrocken zu ihnen rennen wollte, packten mich zwei kräftige Hände und hielten mich fest. Ernst schüttelte Sven den Kopf und sagte erklärend erneut sehr Autoritär: „Misch dich nicht ein. Wenn der Typ meint Ragnar provozieren zu müssen, muss er mit den Konsequenzen leben!“ Ich wollte nicht, dass er Leif weh tat. Ich kannte ihn. Er wusste selten, wann genug war! Ich konnte sehen, wie die Wut ihn leitete. Ich kannte ihn schließlich.

„Du hast keine Ahnung, wie es damals hier war“, hörte ich Leif provozierend sagte und mein Ruf, er sollte endlich aufhören zu sprechen, schien von den beidem Männern nicht beachtet zu werden. Eisig war die Stimme meines Mannes, als er sprach: „Ja, und? Leb damit wie es ist. Ihr wusstet es schließlich nicht erst seit einem Tag, was geschehen würde. Also hör auf zu jammern, wie eine alte Jungfer!“ Ich bemerkte, wie sich Leifs Stirn wütend kräuselte.

„Wenigstens musste ich sie nicht vergewaltigen, damit sie bei mir liegt“, schrie er Ragnar entgegen und Augen aufreißend blickte ich ihn erschrocken an. Ich sah, wie Ragnar erstarrte. Er sah über die Schultern und unsere Blicke trafen sich. Was in ihm vorging, war für mich nicht ersichtlich. Endlich, entließ er mich aus seinem Blick und die Panik kroch in mir hoch, als ich ihn sagen hörte: „Du kannst froh sein, dass ich keine Waffe zur Hand habe… Aber ich kann dich immer noch erschlagen!“ Ich glaubte ihm! Ich glaubte ihm sofort und als er wütend auf Leif zuging schrie ich panisch: „Nein Ragnar! Bitte nicht!“ Ich wollte zu ihnen stürzten, doch unnachgiebig schien der Griff Svens zu sein. Und erneut meine er, ich solle mich nicht einmischen.

Leif riss die Hände empor, um sich zu verteidigen und tatsächlich konnte er so den ersten Schlag meines Mannes aufhalten. Doch ich wusste, dass Leif nicht der beste Nahkämpfer war. Er war eigentlich kein Krieger. Wie gut mein Mann sich in Prügeleien schlug, konnte ich nicht sagen. Mein Geliebter holte mit der Faust aus und schlug dem rothaarigen Mann gegen die Seite. Feste sah der Schlag aus, doch dieser stand unbeeindruckt wie ein Baum. Tat ihm der Schlag wirklich nicht weh oder konnte er nur gut wegstecken? Es dauerte keine zwei Sekunden bis er zum Gegenschlag ausholte. Er versetzte Leif einen kräftigen Schlag gegen sein Kinn, was ihn straucheln lies. Und ich hörte das schmerzvolle Stöhnen aus dem Mund meines Geliebten. Die Angst kroch in mir hoch. Ich wollte nicht sehen, wie Ragnar Leif erschlug! Wie sollte ich dann mit ihm mitreisen? Das würde ich nicht können! Erneut brüllte ich, dass die Beiden aufhören sollten. Doch erneut schien es sinnlos und immer noch, wollte Sven mich nicht aus seinem Griff befreien. Seine enorme Größe war ein Vorteil für Ragnar und diese schien er vollkommen auszunutzen. Leif hatte Probleme an ihn heran zu kommen, was ihn nur noch wütender machte. Erneut schrie er Ragnar eine Beleidigung an den Kopf. Doch auch Ragnar schien keine Geduld mehr zu haben und schlug mit voller Härte auf ihn ein. Ich sah, wie Blut spritzte und hätte mich am liebsten übergeben.

Es war nicht das Blut, welches mir auf den Magen schlug. Es war das Wissen, dass es mein Geliebter war, der zusammengeschlagen wurde. Doch ich konnte meinen Magen unter Kontrolle halten. Ich bemerkte, wie Leif taumelte, vermutlich schien der Schlag ihn benommen zu machen. Es war grauenvoll ihn so zu sehen. Sich krümmend und stöhnend vor Schmerzen. Unbarmherzig holte Ragnar erneut zum Schlag aus.

Leif krümmte sich nach einem weiteren Treffer und es schien, als sei Mitleid ein Wort welches mein Mann gerade nicht kannte. Ragnar warf ihn zu Boden und trat ihm in die Seite, wie ein Tier, welches vollkommen die Beherrschung zu verlieren schien. Ich konnte es kaum mit ansehen. Wusste von diesen Idioten denn keiner wann Schluss war?

Panisch und durch das Adrenalin berauscht, trat ich Sven mit all meiner Kraft auf die Füße und riss mich endlich von ihm los! Ich stürmte auf Ragnar zu und griff nach seinem Arm. „Hör auf!“, schrie ich ihn panisch an und Tränen liefen mir über die Wange! Ich wollte, dass er aufhörte. Ich wollte nicht, dass er Leif noch mehr antat. Er sollte einfach aufhören! Ich sah, wie das Blut von seiner Nase auf den Boden tropfte und mit einem kräftigeren Ruck, als ich selbst dachte, stieß ich Ragnar weg von Leif. Wütend drehte er sich um und mit harscher Stimme meinte er: „Misch dich nicht ein, Weib!“ Ich wusste nicht, woher ich den Mut nahm. Vielleicht, war es das Adrenalin, vielleicht war es auch einfach die Angst um meinen Geliebten, denn ich ging nicht weg! Ich wich nicht vor seinem wütenden Gesicht zurück und stur blickte ich ihm in die grünen Augen. „Doch! Das werde ich. Hör endlich auf Ragnar“, sagte ich und die Wut ließ meine Stimme erbeben.

Er sagte nichts. Er blickte mir nur weiterhin stur in die Augen und sein Blick richtete sich auf den Mann, der hinter mir am Boden lag und sich vermutlich gerade wieder aufrappelte. „Du kannst froh sein, dass du dich hinter meiner Frau verstecken kannst“, sprach er Leif fast schon hasserfüllt an. Mit langen Schritten ging er auf mich zu und griff feste nach meinem Arm, gerade als ich mich umdrehen wollte um Leif auf die Beine zu ziehen.

„Lass ihn in Ruhe!“, sagte Ragnar in einem Ton der eigentlich keine Widerworte zulassen sollte. Doch ich wollte nicht. Ich versuchte meinen Arm aus seinem festen, fast schon schraubstockartigen Griff zu befreien, doch er packte nur fester zu und schmerzvoll keuchte ich auf. „Lass mich los!“, sagte ich und kniff die Augen zusammen, „ich will ihm helfen!“

Es schien als höre er mich gar nicht zu, denn er ging einfach und zerrte mich hinter sich her, wie ein kleines Kind. Ich schrie auf, dass bereits andere aus der Stadt hier waren und uns beobachteten bemerkte ich erst, als mich Ragnar durch die Menge zerrte. Diese verdammten Gaffer! Wie musste ich aussehen? Als Tochter des Fürsten, hinterhergeschleift vom eigenen Mann!

„Lass mich los“, schrie ich verzweifelt und blickte über meine Schulter und sah, wie Leif in Schach gehalten wurde. Es schien, als wollte er weiter versuchen, es erneut mit Ragnar aufzunehmen. „Nein!“, sagte mein Mann herrisch und als er mich ruckartig zu sich zog standen wir näher beieinander, als mir in diesem Moment lieb war. „Du bist meine Frau!“, sprach er und tatsächlich, hatte ich ihn noch nie so wütend mit mir sprechen hören, „du wirst mit diesem Mann nichts mehr zu tun haben. Spätestens, wenn wir aufbrechen und jetzt hör endlich auf zu meckern! Mir ist es egal, was ihr früher miteinander zu tun hattet, aber das war früher!“ Ich merkte, wie mir bei seinen Worten die Luft entwich und das Blut aus meinem Gesicht verschwand. Erneut ging Ragnar los und zog mich mit sich.



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