Ein unfaireres Spiel mit dem Schicksal von Strichi ================================================================================ Kapitel 7: Zu Tisch ------------------- Ragnar hatte noch einiges berichtet. Tatsächlich wunderte es mich ziemlich, dass dieser Mann so gerne und viel erzählte. Sein bester Freund Sven und seine Frau waren fast schon Stammgäste in seinem Haus. Gerne würde er auf ihre Kinder aufpassen. Stina, Greta, Tom und Merlin. Ob ich mir die Namen merken konnte, bis wir im Norden waren, wusste ich nicht. Er erzählte von dem Bären, den er erlegt hatte und dessen Pranke auf seinem Rücken zu sehen war. Mir fiel auf, dass er gerne Geschichten zu erzählen schien. Ausführlicher, als ich es getan hätte berichtete er davon. Anschaulich und Wortgewandter, als ich annahm konnte er berichten, wie er den Bären erlegt hatte. Eine Falle hatte er mit Sven vorbereitet. Ein tiefes Loch, sie selbst waren als Wachposten dort gewesen und hatten versucht den Bären in die Falle zu locken. Viele Menschen hatte der Bär getötet, vor allem Frauen die nach Beeren und Pilzen gesucht hatten. Es sei ein altes und gefährliches Tier gewesen, erklärte mir Ragnar mit seiner angenehmen tiefen Stimme. Diese Bären, so Ragnar, waren mit am gefährlichsten, da sie unberechenbar waren. Sie seien fast genauso schlimm, wie Mütter mit ihren Jungtiere. Ich wusste dies, dank der Jäger die unsere Grenzen schützten „Ich trieb ihn mit Sven in die Falle. Das Bärenfäll liegt jetzt schön auf meinem Bett und hält mich schön warm“, sagte er schmunzelnd und legte seine beiden Hände wieder auf meinem Bauch. Ich nickte leicht und war beeindruckt von dieser Tat. Er hatte seinem Dorf damit vor weiterten Unheil bewahrt. „Beeindruckend“, sagte ich und blickte hinauf in sein Gesicht. Unschlüssig zuckte er mit den Schultern und raunte: „Irgendwer musste das ja machen.“ Tatsächlich stahl sich ein kurzes Lächeln auf meine Lippe. Er schien wohl kein Mensch zu sein, welcher mit seinen Taten prahlte. Nach einem Moment der Stille fragte ich: „Wie sieht eigentlich dein Haus so aus… Ich weiß nicht… könntest du es mir vielleicht beschreiben?“ Kurz schwieg Ragnar und erneut spürte ich, wie er durch meine nassen Haare strich. Sie schienen es ihm wirklich angetan zu haben. „Hm“, kam es nach einem Augenblick aus seinem Mund, „ich kann es mal probieren… Es ist eine Art Blockhütte. Die Häuser bei uns stehen auf kleinen Stelzen, nicht zu hoch vom Boden. Nur so, dass bei Schnee oder starkem Regen nichts reinläuft. Ähm...hm…wir haben einen großen Wohnraum. In der Mitte ist eine offene Feuerstelle. Dort wird auch gekocht. Im Dach ist eine Luke, die man zum Kochen öffnen muss. Der Schlafraum ist abgetrennt und wir haben ein Badezimmer mit einem Abfluss. Aber fließendes Wasser haben wir dort nicht. Warmes Wasser muss man in Eimern rüber bringen. “ Meine Gedanken flogen dahin und ich versuchte mir diesen Ort, dieses Haus vorzustellen. Natürlich hatte ich schon weniger luxuriöse Häuser betreten, wie das Haus meiner Familie. Doch niemals hätte ich mir ausmalen können, in so einem Haus zu leben. Wenn ich aufbrach zur Jagt, dann hatte ich schon häufiger in einem Zelt geschlafen und ich hatte wenig Probleme damit, doch wusste ich wusste dann auch immer, dass mein weiches Bett Zuhause auf mich wartete. „Weswegen hast du eigentlich darauf bestanden, ein Fell auf das Bett legen zu lassen“, fragte ich ruhig und betrachtete seine Hand, welche immer noch kreisende Bewegungen auf meinem Bauch machte. „Na ja“, erklärte er ruhig, „ich habe bereits die ein oder andere erfolgreiche Jagt hinter mich gebracht. So wird das gezeigt bei uns. Man verkauft nicht alle Felle, einige behält man als Trophäe.“ Ich nickte nur, denn tatsächlich verstand ich ihn. Zwei Mal, hatte ich es geschafft alleine ein Reh zu schießen. Sie waren sehr schwer und es war widerlich gewesen, sie auszunehmen. Doch ich wollte meinem Vater beweisen, dass ich nicht nur Hasen mit nach Hause bringen konnte. Aus dem Leder dieser Rehe wurden eine Hose und eine Weste angefertigt, welche ich immer mit ziemlich viel Stolz trug. „Aus den Rehen, die ich erlegte, wurden Kleidungsstücke für mich gefertigt“, sagte ich ruhig und fragte mich, ob er davon beeindruckt war. Doch er schwieg und als ich hinausblickte, bemerkte ich, dass er stirnrunzelnd zum Fenster blickte. Wieso er auf einmal nichts mehr sagte, verstand ich nicht. „Ragnar, habe ich etwas Falsches gesagt?“, fragte ich und obwohl ich es nicht wollte, klang Unsicherheit in meiner Stimme mit. Er schüttelte langsam den Kopf und sah hinab in mein Gesicht. Erneut schüttelte er den Kopf. „Alles gut. Ich hoffe nur, dass uns kein Bär über den Weg läuft“, raunte er und ich war mir sicher, dass er nicht die Wahrheit gesprochen hatte. Ich hatte mich daran gewöhnt, gerade unbekleidet bei ihm zu sein und trotzdem war es komisch, dass er mich so berührte. Einfach so selbstverständlich. Die Wärme des Wassers war bereits vergangen und langsam, wurde es mir zu kalt in dem Wasser. „Ich werde wohl besser aussteigen. Es wird kühl“, sagte ich und griff mit meiner Hand zum Wannenrand. Auch Ragnar setzte sich auf und überrascht sah ich nach hinten, doch anders als erwartet, waren seine Augen auf den Boden gerichtet. Wasser war über den Rand geschwappt und hatte einige große Pfützen auf den Boden hinterlassen. Schweigend sah er mich an und hielt mir seine Hand entgegen. Erst im zweiten Moment verstand ich, dass er nicht wollte, dass ich stürzte. Ein leichtes Lächeln zierte meine Lippen, als ich diese freundliche Geste von ihm deuten konnte und ich ergriff die Hand die er mir hinhielt. Sofort merkte ich wie rutschig es war, aber es war mir wichtiger nach dem großen Handtuch zu greifen um meine Blöße zu bedecken Ich hatte keine Probleme mit meinem Körper, aber trotzdem war es zu ungewohnt, ihn einfach offen zu zeigen. „Pass auf, wenn du aussteigt“, sagte ich ihm und nur kurz nickte er mir zu. Gerade, als ich das Badezimmer verlassen wollte, fiel mir ein, dass Ragnar kein Handtuch hatte. Natürlich hatte ihm Tialda keines herausgelegt. Erneut erinnerte ich mich an das Versprechen und so ging ich zu einem hohen schmalen Schrank und griff nach einem zweiten großen Handtuch. Einige kleine greifend ging ich hinüber zur Wanne und ließ sie auf den Boden fallen. Ich wollte nicht, dass das Wasser bis zum Morgen stehen würde. „Hier“, sagte ich etwas leiser und legte das Handtuch auf den Platz, auf dem mein eignes zuvor gelegen hatte. Ragnar nickte leicht, doch sagte er nichts dazu. Ich fand es unhöflich, dass er schwieg. Nicht einmal zu einem danke konnte er sich überwinden. Doch was erwartete ich? Ich kannte die Sitten und Bräuche bei ihm nicht. Vielleicht war es dort vollkommen normal. Vielleicht musste, oder sollte die Frau ihren Mann versorgen. Wenn er es nur so kannte, würde er sich natürlich auch nicht bedanken und trotzdem war ich darüber nicht glücklich. Als ich im Schlafzimmer war zog ich mir das Nachthemd über und kämmte meine Haare, ehe ich mich unter die Decke legte. Es dauerte länger, als ich dachte, bis Ragnar wieder ins Schlafzimmer trat. Sowohl der Bart, als auch die Haare auf dem Kopf waren nass, doch bereits gekämmt. Das Handtuch, welches ich ihm gereicht hatte, hatte er um seine Hüfte geschlungen und ich sah, wie er zu seinen Sachen ging. Ich fand es taktlos, ihn dabei zu beobachten, wie er sich umzog. So kuschelte ich mich lieber in meine Kissen, drehte mich zum Fenster und blickte in den schwarzen Nachthimmel. Ich spürte, wie sich Ragnar zu mir legte, doch anders als erwartet langte er nicht mit seinen Armen nach mir. Ich seufzte leicht und streckte meine Glieder und murmelte: „Schlaf gut…“ Ich merkte, wie sich Ragnar drehte und seine tiefe Stimme wehte an meine Ohren: „Du auch.“ Es dauerte, bis der Schlaf mich übermannte und ich war wirklich froh, dass Ragnar mich vollkommen in Ruhe ließ. Erneut erwachte ich sehr früh am Morgen. Etwas, was sehr untypisch für mich war. Ich drehte mich zur Seite und gähnte herzhaft um die Müdigkeit aus meinem Körper zu vertreiben. Doch es gelang nicht und so rieb ich mir müde und verschlafen meine Augen. Dieses Mal, erschreckte ich mich nicht, als ich Ragnar neben mir erblickte. Er schlief noch und als meine Augen zum Fenster flackerten bemerkte ich, dass die Sonne dabei war aufzugehen. Leise stöhnte ich auf und hoffte, dass ich bald wieder in meinem normalen Rhythmus kam. Ein Morgenmensch würde ich wohl nicht werden. Ich hoffte, dass ich heute meine Familie treffen würde. Vor allem wollte ich mit meinem Zwillingsbruder sprechen. Ich hatte ihn bei der Hochzeit nur kurz alleine sprechen können. Langsam erhob ich mich aus dem Bett und ging hinüber zu meinem Kleiderschrank. Ich griff nach einem Kleid und trat in den Waschraum. Die nassen Handtücher lagen zusammen gelegt in einer Ecke und das Wasser war bereits aus der Wanne abgelassen worden. Man konnte von zwei Seiten den Waschraum betreten. Von meinem Zimmer aus und aus einem Gang, welcher von den Dienern des Hauses benutzt wird. Ich zog mir ein Kleid an. Ein schlichtes grünes. Mir fiel das Hochzeitsgeschenk ein, welches Ragnar mir hat überbringen lassen Den silbernen Gürtel, den ich bereits bei der Hochzeit getragen hatte. Er würde vermutlich auch zu diesem Kleid gut tragen lassen. Ob er sich freuen würde, wenn ich ihn trage? Oder fiel es ihm gar nicht auf? Ich hatte versprochen, mir Mühe zu geben. In mein Zimmer gehend blickte ich hinüber zu Ragnar und das gleichmäßige heben und senken der Bettdeckte zeigte mir, dass er noch schlief. Auf einer Kommode schimmerte der silberne Gürtel. Warum ich ihn nicht in eine der Kisten verstaut hatte wusste ich selber nicht. Allerdings, wenn ich darüber nachdachte, war es nicht verwunderlich. Gestern, als ich packte, hatte ich alles was mit meinem Mann in Verbindung stand ignoriert, wollte es nicht sehen, nicht wahr haben. Natürlich hatte ich ihn also vergessen. So legte ich mir den geflochtenen Gürtel aus Silber um, ob mein Schwiegervater auch Waffenschmied, oder nur Feinschmied war? Stirnrunzelnd fragte ich mich, mit was für Waffen der Mann kämpfte, welcher gerade friedlich in meinem Bett schlummerte. Ob ich ihn danach fragen könnte? Spontan würde ich mich dazu entscheiden, ob ich ihn danach fragte oder nicht. Ich griff nach einem Buch, ein Abenteuerbuch in dem der Held auszog um gegen einen Drachen in die Schlacht zu ziehen. Ich ließ mich auf der tiefen Fensterbank nieder und versuchte trotz des Dämmerlichtes etwas zu lesen. Schnell gab ich auf und als ich Bewegungen hinter mir hörte, drehte ich mich um. Der große rothaarige Mann hatte sich erhoben und gähnte lange, während er müde seine Glieder von sich streckte. Ein lautes und durchdringenden Knacken ertönte in der Stille und mit einem schrägen Lächeln auf den Lippen meinte ich: „Morgen, ich hoffe, dass tat nicht weh…“ Mit seiner großen Hand rieb er sich über die Augen und sah zu mir. Er schüttelte nur den Kopf und strich sich das lange Ungetüm von Bart gerade. Schneller, als ich annahm, schwang er seine langen Beine aus dem Bett. Ich betrachtete seinen Rücken. Ich verfolgte seine Tätowierungen, die sich über seinen Rücken und die Schultern schlängelten mit den Augen. Ich gestand es mir nur ungern ein, aber diese Zeichnungen faszinierten mich. Schnell wandte ich den Blick ab, denn ich wollte nicht, dass er bemerkte, wie ich ihn beobachtete. Ich ließ ihn sich anziehen und als ich von dem Buch aufsah hatte er bereits ein beiges Hemd und eine schlichte braune lederne Hose angezogen. Er zog einen dunkelbraunen ledernden Wams über und ein breiter schwarzer Gürtel war um seine Hüfte gebunden. Man erkannte an der Kleidung, dass er Geld zu haben schien. Die Kleidung war sauber und gepflegt und in einem guten Zustand. Ich sah, wie er zu mir kam und sich neben mir auf der Fensterbank niederließ. Zu dem Buch in meiner Hand blickend fragte er: „Ist das interessant?“ Langsam, schloss ich das Buch und nickte leicht, während ich hinaufblickte in die grünen Augen. „Ja“, meinte ich ruhig und fügte hinzu, „es geht um die Bekämpfung eines Drachens. Ich finde es ziemlich spannend. Mein Bruder meint, es sei ihm zu mystisch. Drachen gibt es ja nicht.“ Ragnar nickte leicht und als er schmunzelte sah ich ihn überrascht an. Ohne etwas zu sagen, antwortete er auf meine nonverbale Frage: „Ich finde es lustig zu wissen, dass meine ernste und immer so diplomatische Frau, Bücher mit Fabelwesen liest. Hätte ich dir nicht zugetraut.“ Ich wusste nicht, ob ich die Augen verdrehen sollte, oder nicht. Doch tatsächlich stahl sich ein Schmunzeln auf meine Lippen und als ich ihm das Buch in die Hand drückte erwiderte ich frech: „Dann überrasch du mich doch mal und lese überhaupt mal ein Buch. Dann wäre ich sicherlich sprachlos.“ Er nahm das Buch entgegen und blickte auf den gebundenen Einband und als er mir in die Augen sah konnte ich den Schalk darin erkennen. Er schüttelte den Kopf und legte es zur Seite während er sagte: „Ich will nicht, dass du sprachlos bist. Also lasse ich es lieber, damit ich noch mit dir sprechen kann.“ Ein leises und doch etwas verhaltenes Lachen stahl sich aus meinen Mund, doch noch bevor ich etwas sagen konnte, klopfte es an der Tür. „Herein“, sagte ich mit etwas strenger Stimme und richtete mich auf. Tialda kam herein und sie lächelte mich aus ihrem runden Gesicht gutmütig an. Sie knickste kurz und sprach mit höflicher und ruhiger Stimme: „Meine Herrin, mein Herr. Eure Eltern erfragen, ob Ihr euch zum Frühstück dazu gesellen wollt?“ Ein Lächeln glitt über mein Gesicht und gleich stimmte ich zu, noch bevor Ragnar irgendetwas darauf erwidern konnte. Lächelnd verließ sie mein Zimmer und zu Ragnar blickend fragte ich: „Ich hoffe, dass ist in Ordnung für dich.“ Er nickte nur und meinte mit einer neutralen, sachlichen Stimme: „Natürlich können wir mit deinen Eltern speisen.“ Ein fröhliches und zufriedenes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Ich war wahrlich froh, meine Eltern zu sehen. Dieser eine Tag, den ich sie nicht sehen durfte fühlte sich für mich an wie eine Ewigkeit. Ich erhob mich von der der Fensterbank und wollte gerade zur Tür gehen, als mich Ragnar am Arm festhielt. Erschrocken blickte ich zu ihm und fast schon verwirrt war mein Blick. „Was ist?“, wollte ich von ihm wissen und runzelte leicht die Stirn. Ohne etwas zu sagen langte Ragnars große Hand an meine Hüfte und strich über den silbernen Gürtel. Er strich über das Metall und beide Hände umschlangen meine Hüfte, die unter seinen großen Händen viel schmaler aussah, als sie eigentlich war. „Mein Vater wird sich freuen, wenn er sieht, dass du den Gürtel trägst. Er ist einer unserer Feinschmiedemeister und hat den für dich gemacht“, sagte er ruhig und blickte hinauf in mein Gesicht. Ein erstaunlich sanftes und freundliches Lächeln erschien auf dem bärtigen Gesicht meines Mannes. Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Vermutlich, sah man mir meine Unsicherheit ziemlich an. Meine Finger glitten über den silbernen Gürtel und ich meinte leise: „Ich finde den auch ziemlich schön… Ja.“ Ein Lächeln schlich sich über Ragnars Gesicht. Nein, ein schlechter Kerl schien er nicht zu sein, da hatte Lillie durchaus Recht und trotzdem wollte ich immer noch nicht, dass er mich einfach so anfasste. „Wenn du soweit fertig bist, sollten wir vielleicht los?“, Fragte ich und versuchte das Thema zu wechseln. Ein letztes Mal, schien sich Ragnar zu strecken und er nickte nur. Während er sich im Waschraum fertig machte entdeckte ich auf dem Nachttisch die Kette meiner Mutter. Ich strich über die weißen, fast durchsichtigen Steine des Anhängers und entschied mich, diese umzulegen. Ich kannte meine Mutter, auch sie würde sich freuen, ihr Geschenk an mir zu sehen. Gemeinsam verließen wir mein Zimmer und gingen durch die mir so vertrauten Gänge. Wir betraten das Speisezimmer und an einer längeren Tafel saßen bereits meine Mutter und mein Vater. Wie fast immer trug mein Vater ein rotes Hemd und eine dunkle enger anliegende Weste. Einige Ringe schimmerten an seiner Hand und die braunen Haare waren ordentlich gekämmt. Meine Mutter trug ein besticktes hellbraunes Kleid. An den Rändern am Dekolleté war Spitze verarbeitet worden und eine längere dünne Kette schimmerte um ihren Hals. „Guten Morgen“, wehte die vertraute Stimme meines Vaters an meine Ohren, „setzt euch. Dein Bruder und deine Schwester werden sicher auch gleich zu uns stoßen.“ Meinem Vater zunickend, ließ ich mich gegenüber meine Mutter nieder und sie schenkte mir ein herzliches Lächeln. Sie musterte mich, als schien sie nach etwas zu suchen. Doch noch ehe ich sie fragen konnte sprach sie zu Ragnar: „Ich hoffe, du konntest dich ein wenig in der Stadt und der umliegenden Ländereien umschauen?“ Der Hüne sah zu meiner Mutter und wie ich ihn musterte wollte er einfach nicht in diese feine Halle passen. Auf den gepolsterten Stuhl und den verzierten und bemalten Wänden, stach er mit seiner Größe schon heraus. Seinen Bart und die Haare hatte er zusammengebunden und doch wollten sie einfach nicht in die Halle passen. Er ließ sich gerade von einem Diener etwas Wasser einschenken bevor er meiner Mutter antwortete. „Ich habe mich gestern mit einigen Freunden in der Gegend umgeschaut. Viele der Weiden und Felder werden sich sicher gut bestücken lassen. Aber ich finde eure Wälder viel zu Licht. Hier kann man anscheinend froh sein, wenn man mal einen Hasen schießt.“ Auch mir wurde Wasser eingeschenkt und höflich bedankte ich mich bei dem jungen Mann. Ich kam nicht dazu, etwas zu sagen, denn mein Vater kam mir zuvor. „Hier um die Stadt herum ist nicht viel Wild. Da hast du Recht. Doch weiter im Inneren des Waldes finden sich einige Wildschweinhorden Füchse und Rehe. Und wie du weißt versuchen Jäger an den Grenzen die Bären und Wölfe davon abzuhalten durch das Land zu ziehen“, erklärte mein Vater und schnitt mit Messer und Gabel sein Brot in mundgerechte Stücke. Auch uns wurde Essen gebracht: Zwei Scheiben Brot, etwas Rührei und aufgeschnittener Braten, dazu ein paar Tomaten. Ein herzhaftes und vor allem sättigendes Frühstück. Anders als meine Eltern und ich, nahm mein Mann das Brot einfach in die Hand. Ich hatte nie so speisen dürfen. Keiner sagte etwas dazu und ob es Ragnar überhaupt auffiel wusste ich nicht. Nachdenklich betrachtete Ragnar meinen Vater und wollte von ihm wissen, ob dies tatsächlich gelänge. Vater nickte und sagte: „Zumeist schon. Es ist schon etwas her, dass ein Bär durch die Wälder streifte. Vermutlich wird sich irgendwo einer herumtreiben, aber nicht so viele bei dir.“ Fast schon grimmig nickte Ragnar und erklärte: „Das ist keine schlechte Idee, so können die Leute ohne Sorge in den Wald gehen. Bei uns, ist jedes Dorf selbst dafür verantwortlich. Wobei unsere Dörfer so nahe beieinander liegen, dass wir einander bei der Jagt helfen.“ „Du gehst also gerne auf die Jagt?“, fragte meine Mutter und ihre braunen Augen blickten hinein in die Grünen des Nordländer. Er nickte und erklärte: „Schon, ab und zu, wenn es die Zeit eben zulässt. Das Training der Anwärter nimmt zumeist einiges an Zeit in Anspruch.“ Interessiert nickte meine Mutter und ich fragte mich, ob es sie tatsächlich interessierte, oder ob es nur die Höflichkeit war, welche sie sprechen ließ. Ich war mir selbst nicht sicher, ob es mich interessierte, oder nicht. Irgendwie schon und irgendwie, wollte ich einfach kein Interesse an diesem Mann zeigen. Egal, wie albern es die Menschen fanden. Trotzdem lauschte ich seinen Worten, als er meiner Mutter erklärte: „Wir bilden aus allen umliegenden Dörfern und befreundeten Ländern die Krieger aus. Wir haben ein hartes aber effektives Training und nicht alle schaffen es.“ Ich erinnerte mich, an seine Worte, dass sein Vater Schmied war. Und ohne darüber nachzudenken, dass ich eigentlich nicht sprechen wollte, fragte ich: „Wie wird man denn ausgesucht. Ich meine, sagtest du nicht, dass dein Vater Feinschmied sei? Hättest du das dann nicht auch machen sollen?“ So war es hier. Ein Bauerssohn wurde Bauer, ein Sohn eines Schreibers wurde Schreiber. Nur selten, änderte sich das. Mein Mann sah zu mir und schluckte ein Stück des Brotes hinunter, eher er begann zu erklären: „Jeder Mann, kann sich behaupten. Wir wollen die besten und stärksten ausbilden. Da ist es egal, welche Herkunft man hat. Aber natürlich treten auch viele in die Fußstapfen ihrer Eltern.“ Mich überraschte diese Antwort. So kannte ich es hier nicht. Auf meinen Teller blickend überlegte ich, wie ich es fand, dass es im Norden so anders zuging, als ich es kannte. Hier war es einfach unüblich und im ersten Moment schoss mir durch den Kopf, dass es so, wie ich es kannte besser war. Es gab Ordnung und Struktur! Und trotzdem kam eine Erinnerung hoch. Noch vor dem Krieg war es, als ein Sohn eines Beraters meines Vaters es nicht mehr wollte. Er wollte nicht eingeführt werden, in die Bürokratie und in die Politik. Jon war ein guter Bekannter von mir gewesen und ich wusste, dass er unzufrieden war mit der Entscheidung seiner Eltern. Als er plötzlich verschwand, um auf der See sein Glück zu finden, war es vor allem für seine Eltern ein Schock gewesen. Gerade, als ich den Mund aufmachen wollte um zu fragen, ob die Nordländer nur bei der Auswahl ihrer Krieger so offen waren, hörte ich Schritte hinter mir. Ich blickte mich um und sah meine kleine Schwester, gemeinsam mit meinem Zwillingsbruder den Raum betreten! Fröhlich lief sie auf mich zu und ihre langen, braunen, geflochtenen Haare schwangen bei jeden ihrer Schritte mit. „Thalia“, rief sie fröhlich und drückte meine Hände, als sie bei mir stand. „Schön, dich heute endlich zu sehen!“ Ihre braunen, warmen Augen flackerten hinauf zu Ragnar und auch ihn lächelte sie herzlich an. „Guten Morgen“, sagte sie höflich und knickste höflich vor ihrem Schwager. Ragnar nickte kurz und grüßte höflich meine Geschwister. „Guten Morgen“, sagte Tal und setzte sich gegenüber meines Mannes. Zu meinem Vater blickend fragte er: „Speist Ulveig heute nicht in unserer Mitte?“ Überrascht sah ich auf und natürlich, war er als Clanführer Gast im Hause meines Vaters. Dies hatte ich vollkommen vergessen. Auch Ragnar sah überrascht auf und sah von meinem Bruder zu meinem Vater. Den Kopf schüttelnd erklärte er: „Er hatte gestern beim Abendessen verlauten lassen, heute Morgen auszureiten und die Gegend zu erkunden.“ Höflich nickte mein Bruder und er suchte meinen Blick. Ich verstand ihn sofort! Er war nicht traurig, dass der Mann nicht an unserer Tafel saß. Ich hatte ihn nur gesehen und noch nicht ein Wort mit diesem Menschen wechseln können, der in meinem Leben Schicksal gespielt hatte. „Freust du dich eigentlich wieder auf dein Zuhause“, wehte die freundliche Stimme meiner Schwester über den Tisch und sie lächelte Ragnar offen an. Ja, man merkte ihr die Naivität an und trotzdem war es erfrischend, dass sie in so vielem etwas Gutes sah. Die Grünen Augen des Mannes glitten an ihrem noch recht kindlichen Gesicht entlang und ein leichtes Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Ja, ich freue mich wieder meine Heimat zu sehen. Wer ist nicht gerne Zuhause?“, fragte er und trank einen kräftigen Schluck Wasser. Innerlich seufzte ich schwer, denn ich freute mich einfach nicht. Doch viel Zeit um in Selbstmitleid zu versinken wollte ich mir nicht geben und so lauschte ich lieber dem Gespräch. Ragnar erzählte ohne, dass meine Schwester ihn fragte, wie es aussah bei ihm Zuhause. Man hatte es mir bereits beschrieben und doch lauschte ich erneut den Erzählungen meines Mannes. Die weiche Stimme meiner Mutter drang an meine Ohren. „Ragnar, hat dir meine Tochter eigentlich gesagt, dass sie auch gerne jagt?“ Zur mir blickend nickte Ragnar. Er sah hinüber in das Gesicht meiner Mutter und sprach: „Ja, das hat sie durchaus. Allerdings ist es bei uns nicht wirklich Sitte, dass Frauen jagen, außerdem sind die Wälder gefährlich, wenn man sich nicht auskennt.“ Ich rümpfte die Nase und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich ließ mir das Jagen nicht verbieten. Gerade, als ich den Mund aufmachen wollte um etwas zu sagen, kam mein Bruder mir zuvor. „Ich glaube kaum, Schwager“, sagte er und ich erkannte die Kälte in seiner Stimme, auch wenn er sie gut verbergen konnte, „dass du meine Schwester, von so etwas abhalten kannst. Sie ist außerdem eine gute und geübte Schützin. Du solltest sie diesbezüglich nicht unterschätzen.“ Ich wusste, als er mich musterte, dass er skeptisch war. Kannte er es nicht, dass Frauen so etwas auch konnten? Vermutlich nicht… „Na ja, wir werden sehen, wie es sich so entwickelt“, versuchte er diplomatisch zu sagen. Die Wut in mir begann zu sieden und ich schluckte sie hinunter. Sollte er glauben, dass ich all meine Gewohnheiten für ihn, diesen grobschlächtigen, bärtigen Hünen, hinter mir lassen würde, hatte er sich gewaltig getäuscht! „Ja, werden wir sehen“, sagte ich mir kühler und distanzierter Stimme zu ihm. Wieso konnte er ab und zu nett wirken und dann wieder so unfreundlich?! Stumm sahen wir einander an und erst die Stimme meines Vaters brachte uns beide dazu, das Starren zu beenden. „Na ja, noch ist ja etwas Zeit“, sagte er hastig und fragte, was wir nach dem Essen vorhatten. Wir verließen das Haus meiner Eltern und gingen hinunter durch die Straßen. Nun, ging es zu meinen Schwiegereltern. Wieder schwiegen wir und es war ein unangenehmes Schweigen. Er würde sich noch wundern, wenn er glaubte, mir das Jagen zu verbieten zu können! Wieso fanden wir nicht einfach ein Thema, über welches wir beide gleichermaßen sprechen konnten? Innerlich seufzte ich schwer auf. Hoffte ich, dass es sich änderte, im Laufe der Zeit? Wenn der Clanführer die Vermählung so ernst sah, wie die Anderen sagten, würde ich nicht nach einem Jahr das Handtuch werfen können. Ich würde vermutlich bleiben müssen. Ich hatte den Clanführer immer nur kurz gesehen und die Stirn leicht runzelnd fragte ich Ragnar: „Wird dieser Ulveig eigentlich mit mir sprechen wollen?“ Zu mir blickend zuckte Ragnar leicht den Schultern und als ich ihn fragend ansah erklärte er: „Ulveig ist dieses Bündnis zwar wichtig, doch eigentlich meint er häufig, es sei Zeitverschwendung mit Weibern zu sprechen… Er ist der Meinung, dass man vernünftige und ernsthafte Gespräche nur mit Männern führen kann… Aber ich kann mich auch vertun. Schließlich ist das hier eine gänzlich andere Situation.“ Meine Lippen wurden zu einer schmalen Linie, als ich Ragnars Worten lauschte. Wenn so der Clanführer dachte, wie sah er es dann. Schwer schluckend fragte ich: „Ist das auch deine Meinung?“ Langsam wandte sich der Haupt meines Mannes in meine Richtung. Unsere Blicke begegneten sich und langsam strich er sich durch die langen Barthaare. Er schüttelte den Kopf und nach einem Augenblick der Stille antwortete er: „Ulveig ist da schon sehr… sehr eigen in seiner Meinung. Er hält auch nichts von unseren Ältestenrat. Dieser besteht aus den sieben ältesten und weisesten Frauen. Er ist der Meinung es seien einfach Treffen alter Teeweiber.“ Wage nickte ich und erst, nachdem wir zwei Schritte weiter gegangen waren bemerkte ich, dass er mir nicht geantwortet hatte. Ich sprach ihn darauf an. „Ich habe dich nicht nach seiner Erklärung gefragt. Ich habe dich gefragt, wie du dazu stehst“, sagte ich und sah ihn auffordernd an. Wenn er es ähnlich sah, würden Ragnar und ich es nur noch schwerer haben. Ich hoffte, dass er nicht so seltsam dachte, wie sein Clanführer. „Ich denke, dass es sowohl dumme Männer, als auch Frauen gibt. Manche Frauen haben häufig eine nervige und laute Art an sich. Aber auch einigen Männern möchtest du gerne die Axt in den Schädel rammen, wenn sie das Mau…den Mund aufmachen“, korrigierte er sich und sah fast schon gespannt zu mir. Hatte er gerade wirklich gesagt, man möchte jemanden eine Axt in den Schädel rammen? dachte ich mir und verzweifelt schloss ich die Augen. Mit was für einen Hinterwäldler ich verheiratet wurde! „Das heißt für dich sowohl Männer als auch Frauen müssen erst beweisen ob sie dumm sind oder nicht.“, schlussfolgerte ich nach einigen stillen Momenten. Ragnar nickte leicht und ein gehässiges Schmunzeln glitt über meine Lippen als ich dachte: Ich hoffe, du glaubst nicht, dass ich dich für die hellste Kerze auf der Torte halte… Vielleicht hatte mich ein gehässiges Grinsen verraten, oder vielleicht konnte dieser Mann mich besser entschlüsseln, wie ich ihn. Denn mit einer raueren und finsteren Stimme meinte er plötzlich: „Halte mich nicht für dumm. Nur, weil wir bei uns keine Akademien und so etwas haben, bin ich weder einfältig noch langsam in meinem Denken.“ Es war, als gieße er Öl in ein siedendes Feuer. Denn ohne, darüber nachzudenken, fuhr ich ihn gereizter an, als ich es eigentlich wollte: „Dann hoffe ich, dass du mich nicht für dumm hältst, nur weil ich Brüste habe!“ Zorn flackerte in meinen blauen Augen auf und finster starrte ich hinauf in seine Augen. „Ich kenne dich nicht“, sagte er und auch seine Augen schienen sich zu verengen. Reizte es ihn, dass ich ihm Widerworte gab? Ich wusste es nicht. Und ich wollte es auch nicht wissen! Denn selbst, wenn es so wäre, würde ich mein Verhalten nicht ändern! Er überging meine Art und mit einer auffordernden Handbewegung forderte er mich auf: „Jetzt geh weiter! Meine Eltern wollen dich kennen lernen. Ich habe keine Lust, sie weiter warten zu lassen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)