[Volatile] - Inception von -Amber- (‚What if I fall?‘ ‚Oh, Darling! What if you fly?‘) ================================================================================ Kapitel 23: With you in mind ---------------------------- *Eames* Get out of my life, woman – das war durchaus ein Statement. Er grinste, schüttelte den Kopf, als er den Lyrics zuhörte, während Arthur im Bad verschwand. Was für eine Diva. Sicher, sein Vorschlag sollte tatsächlich eine Art Wiedergutmachung sein; ein weiterer Versuch zu beweisen, dass er nicht nur ein ignorantes Arschloch war. Vor allem, da Arthur scheinbar angezweifelt hatte, dass er je ernstes Interesse an ihm gehabt hatte – das tat immer noch weh, wenn er ehrlich war. Auch wenn er sich gern einredete, dass ihn nichts aus der Bahn werfen konnte. Allerdings war alles was Arthur betraf irgendwie anders und das musste er sich irgendwann einfach eingestehen. Er durchblätterte ein paar der Lieferservice-Kataloge und entschied sich für den Äthiopier. Eins der wenigen Restaurants bei dem er noch nie gegessen hatte, aber wenn Arthur die Speisekarte des Ladens aufbewahrte, müsste wohl was Anständiges dabei sein. Außerdem hatte er Sehnsucht nach Kenia und die beiden Länder teilten ein paar Esstraditionen. Sicherheitshalber bestellte er eine Portion extra, nur für den Fall. Dann räumte er die Couch leer von Bettzeug, legte es halbwegs ordentlich zurück in Arthurs Bett. Die Whiskey-Auswahl bei Arthur war bescheiden, er mochte dieses Bushmills und Tullamore-Zeugs einfach nicht. Höchstens als Absacker. Also genehmigte er sich ein Bier aus dem Kühlschrank und ließ sich auf der Couch nieder. Die Creme zur Versorgung seiner gebrochenen Rippen hatte Arthur ihm gnädigerweise liegen gelassen. Das Zeug war gut, die Schwellung ging bereits zurück. In herrschaftlicher Altmännerpose hatte er sich mit einem Magazin in der Ecke der Couch niedergelassen und las eins der schrecklich langweiligen Architekturmagazine, die auf dem Beistelltisch lagen. »Wusstest du, dass es einen Architekten namens Charles Eames gab?« Er sah nicht auf, als Arthur aus dem Bad kam. Die unausgesprochenen Dinge standen wie ein fetter Elefant im Raum; kaum zu übersehen! Aber er ahnte, dass er bei Arthur gerade nicht weit kam, wenn er einfach los schoss. Ein wenig noch zügeln, vielleicht ein bis zwei Bier trinken (vielleicht bediente sich Arthur ja am Whiskey) und dann ganz langsam anklingen lassen, ob sie neben dem Job nochmal ihren persönlichen Scheiß regeln wollten. Soweit die Theorie. *Arthur* Wesentlich munterer kehrte er aus dem Bad zurück ins Wohnzimmer. Eames saß wie schon am ersten gemeinsamen Abend in seiner Wohnung auf seiner Seite der Couch. »Wusstest du, dass es einen Architekten namens Charles Eames gab?« Er hielt in der Bewegung inne, seine Hände glitten in die Jogginghose, die er angezogen hatte. Das etwas zu große Shirt fühlte sich seltsam an, wenn er nicht alleine zu Hause war. Unschlüssig blieb er stehen. Er wusste, dass Eames gerade das Angebot machte, ihm etwas Persönliches von ihm zu erzählen. Die Brücke kam ihm in den Sinn - aus zwei Richtungen gebaut. Er kaute auf seiner Unterlippe, betrachtete die Szene, die sich ihm bot. Hatte er zuvor lieber übersehen, dass das Sofa ein Chaos war, fiel ihm nun umso mehr auf, dass Eames die Sachen aufgeräumt hatte. Sein Blick glitt zum Sessel, auf dem die Sachen jedoch nicht angekommen waren. Also hatte er sie tatsächlich heute Morgen vergessen, aus seinem Bett heraus zu räumen. Aber das wurde wenigstens nicht thematisiert. Offenbar bemühte sich Eames wirklich, die Wogen glatt zu bügeln. So viel guter Wille ließ ihn fast schmunzeln. Doch dieses Schmunzeln ließ er lieber verschwinden, bevor er das Sofa umrundete und sich nun neben Eames setzte, so dass er ihm zugewandt war, einen Arm auf der Lehne des Sofas auflegen. "Nein, wusste ich nicht", log er. "Erzähl mir von ihm!" Es interessierte ihn, definitiv. – wenn es denn wirklich etwas mit Tom persönlich zu tun hatte. Seitdem sie in Eames' Traum in London waren noch viel mehr. "Wenn du möchtest...", fügte er dann aber dennoch hinzu. *Eames* Vielleicht war es die Jazz-Musik, die so eine stimmungsaufhellende Wirkung auf Arthur hatte. Vielleicht die Dusche... vielleicht die Kombination aus beidem. Tatsache war, dass er ein wenig Kratzbürstigkeit abgelegt hatte zu Gunsten eines sanften, leger gekleideten jungen Mannes. »Er hat mit seiner Frau den Lounge Chair erfunden. Dieses Genie!«, er hasste gehaltlose Gespräche mit vertrauten Personen. Diesen Bullshit hob er sich in der Regel für all die austauschbaren, manipulierbaren Fremden auf, die sein Leben tangierten. Er blätterte um und betrachtete beeindruckt die Abbildungen, die er Arthur anschließend zeigte. »Ein sogenanntes „Eames' House“« »So ein Häuschen, irgendwo in Norwegen... wo einen niemand findet...«, sinnierte er. Er war nicht der Typ, der sesshaft wurde, aber die Sehnsucht nach einer echten Familie, nach einem echten Ort – einem Zuhause – außerhalb seiner Träume, zu dem er zurückkehren konnte, schlich sich seit ein paar Jahren langsam bei ihm ein. Und Arthur war die Sonne in diesem System. »Was meinst du?« *Arthur* Der Schwarzhaarige nickte verstehend. Hm, wenn man so etwas ‚erfand‘ hatte man vermutlich für den Rest seines Lebens ausgesorgt. Dennoch war die Information nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Nonsens letztlich, wenn man bedachte, dass er gehofft hatte, irgendwelche Informationen zu erhalten, die ihm Einblick geben würden, welche Geschichte sich hinter diesem Mann hier neben sich verbarg, der ihn sein Leben lang vermutlich immer beschäftigen würde. Aber vielleicht musste er geduldiger sein, so wie er es von Eames ja auch verlangt hatte. Dass er gerade dabei war, alle gestern von ihm aufgestellten Prinzipien über den Haufen zu schmeißen, merkte er gar nicht. Kryptonit ließ ihn eben immer wieder schwach werden, immer und immer wieder. Egal, was vorher geschehen war. Überrascht betrachtete er das Haus, das der andre ihm zeigte. Das Eames‘ Haus. Wunderschön, symmetrisch, in die Umgebung eingepasst, behaglich, waren wohl die Worte, die ihm dazu in den Sinn kamen – und sündhaft teuer. Aber definitiv wünschenswert. Vor seinem Inneren Auge könnte er durch die Räume wandeln und sah sie genau vor sich. »So ein Häuschen, irgendwo in Norwegen... wo einen niemand findet...« Arthur blickte auf und sah Thomas an. Hm, vielleicht war es gar nicht so sehr das, was dieser ihm mitteilte, sondern das, was er zwischen den Zeilen zu lesen glaubte zu können. Denn dass jener sich ganz offenbar nach einem Zuhause sehnte, an einem Ort, an dem ihn niemand finden konnte, sagte viel aus, ungewohnt viel und Überraschendes. Dem Bild, so wie er Eames vor 8Jahren kennengelernt hatte, als unruhigen Geist, der überall und nirgendwo war, schien das hier völlig zu widersprechen. Aber dennoch passte es zu den wenigen Momenten der vergangenen Tage, in denen er das Gefühl gehabt hatte, dass sich etwas bei Thomas veränderte. Der Blick auf den Central Park, die Kleidung, die er in seinem Traum getragen hatte - waren nur wenige Beispiele für diese Momente. »Was meinst du?« Ihre Blicke trafen sich und das Blau, das ihm so oft so undefiniert schien, war so klar, dass es ihn umso mehr in seinen Bann zog. Er schluckte, dachte über die Frage nach. „So ein Haus ist ein Traum“, sagte er leise. „Auch wenn ich nicht genau weiß, ob mir Norwegen nicht zu dunkel wäre…“ Er ließ den Blick sinken, er spürte, dass es ihn unsicher machte. Und doch brannte eine Frage noch auf seinen Lippen. „Wenn du sagst niemand…“, begann er zögerlich. „… schließt das mich mit ein?“ Er sah einen Moment wieder auf, wollte die Antwort sehen, auch wenn er keine ehrliche vermutlich zu hören bekommen würde. *Eames* Norwegen wäre ihm also zu dunkel. Und da hatte er durchaus einen Punkt. Eames erwischte sich wieder dabei, wie er sich eingestand, dass er selbst es nie im Leben in so einem Versteck im dunklen Wald aushalten würde – nicht ohne Sonne. So bezaubernd und friedlich es auch sein mochte. Es war einfach nicht das, was sein unruhiger Geist von ihm verlangte. Arthur konnte ihm Frieden geben, nicht für immer, aber immer wieder. Sie brauchten so einen Ort, aber noch mehr als das. Die Frage war so unerwartet, wie der direkte, schonungslose Blickkontakt. Letzterem hielt Eames stand, erwiderte ihn schließlich müde lächelnd. Arthur konnte nicht ernsthaft befürchten von ihm ausgeschlossen zu werden. Hatte er ihm nicht allzu deutlich gemacht, dass er ihm die Welt bedeutete? Sicher, er hatte seine eigene verkorkste Art und Weise, aber Mr Know-it-all war doch nicht auf den Kopf gefallen... »Natürlich nicht... Du bist der einzige Mensch, der mich wirklich kennt.« Der mich kennt und trotzdem nicht für immer vor die Tür setzt. Auch wenn Arthur es versucht hatte. Es war ihm nicht gelungen und das lag nicht allein an Eames Beharrlichkeit, sondern auch daran, dass Arthur ihn gar nicht wirklich loswerden wollte. Worte waren immerhin nicht alles was man deuten konnte. *Arthur* Arthur wusste in dem Moment, in dem er die Frage ausgesprochen hatte, dass es sein Verlangen nach Sicherheit war, das ihn veranlasste, eine solche Frage zu stellen. Er brauchte Sicherheit über all die Dinge, die so in seinem Kopf herumspukten und die er sich zwar erschließen konnte, aber nicht mit Bestimmtheit wusste. Bei Thomas wusste er diese Dinge eben nie mit 100%iger Sicherheit. So, wie er andere Dinge in seinem Leben nie mit Sicherheit würde wissen können. Vermutlich hoffte er deshalb auf eine Antwort. Und weil er tief in sich einfach diese Brücke wollte. »Natürlich nicht... Du bist der einzige Mensch, der mich wirklich kennt.« Diese Antwort überraschte ihn dann jedoch ziemlich, auch wenn er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. War das so? War er der einzige Mensch, der ihn wirklich kannte? Das würde bedeuten, dass er der Einzige wäre, dem er nichts vorspielen würde und könnte. Arthur war sich nicht sicher, ob er das so glauben konnte. Dennoch schlich sich der Gedanke ein, dass es vielleicht wirklich so war. Egal wie verworren die Situationen oft waren, wie unterschiedlich sie waren. Eames war so oft ehrlich zu ihm gewesen, hatte sich ihm ehrlich gezeigt, so oft. Aber er hatte es nicht wahrhaben wollen. Vermutlich aus Angst – aber das waren Ausreden. Im Grunde erkannte er ihn immer. Deswegen hatte er diese Wirkung auf ihn, deswegen kam er auch nie los von ihm. Deswegen ließ er ihn sein Kryptonit sein. Arthur ließ den Blick sinken. Er schluckte, betrachtete seine Hand, ohne sie wahrzunehmen. Ihm wurde bewusst, dass er diese Antwort hatte haben wollen, weil er der war, der nie wirklich ehrlich gewesen war. Zu sich, zu Thomas, zu vielen anderen Menschen. Es tut mir leid,… dass ich dich verletzt habe! Ob diese Worte schmerzhaft gewesen waren? Vermutlich – ihn hätten sie verletzt. Er atmete ein, blickte wieder auf das Haus. „Wie wäre es in Tennessee?“, fragte er ohne recht nachzudenken, um etwas zu sagen, und deutete auf das Bild. Ein Bundesstaat, der sie am ehesten an ihre Heimat erinnerte und wo es Orte gab, an denen sie auch niemand finden konnte. „Und du kommst mich immer mal wieder besuchen, während du in der Welt unterwegs bist?“ *Eames* Ihr Schweigen war diesmal nicht unangenehm, eher bedächtig, nahezu ehrfürchtig. Wahrscheinlich musste Arthur erst einmal verarbeiten, was er da von von sich gegeben hatte. Eames wurde sich selbst nur langsam über das Ausmaß seines Aussage klar, aber er bereute sie nicht. Er meinte jedes Wort so. »Tennessee?«, er grinste. Country-Musik und Republikaner waren das erste was ihm zu diesem Staat einfiel, aber Eames ahnte worauf Arthur hinaus wollte. In Tennessee würde sie auch niemand finden. „Und du kommst mich immer mal wieder besuchen, während du in der Welt unterwegs bist?“ Die Frage schmerzte ihn ein wenig. Eames meinte einen stillen Vorwurf mitschwingen zu hören und war sofort geplagt von Selbstzweifeln. Konnte er Arthur überhaupt ein Leben bieten, das sie beide glücklich machen würde? Von seinem krankhaften Egoismus abgesehen... schwer zu beantworten. »Du könntest einfach mitkommen«, begann er. Leider wurde er von der Türklingel unterbrochen. Arthur stand auf, als hätte er nur darauf gewartet von der Couch runter zu kommen. Eames war eher versucht gewesen das Klingeln zu ignorieren, damit sie ihr Gespräch ungestört weiter führen konnten... Er ließ Arthur zahlen, es gab noch genug Möglichkeiten sich zu revanchieren. Also ging er in die Küche und besorgte Arthur eine Flasche Bier und sich eine neue. »Die Hälfte ist für dich. Falls du nicht mehr zu wütend für Hunger bist.« *Arthur* „Oder wo auch immer...“, gestand er zu und musste lächeln. Es gab viele Orte, die man zu seiner Heimat machen könnte, an denen man untertauchen konnte. Dann, wenn alles andere passte. Letztlich sprachen sie von einem Wir, in das sich ihr fragiles ‚Etwas‘ nach und nach zu verwandeln schien. Ein Wir, das nur mit großen Abstrichen möglich wäre. Aber vielleicht gab es das dennoch irgendwann. Dann nämlich, wenn nichts mehr zwischen ihnen stand. Wenn aufgearbeitet war, was sie entzweit hatte. Dann, wenn sie ehrlich zueinander waren und sie sich einfach so akzeptieren konnten, wie sie waren. Ohne jedes Mal beleidigt zu sein, wenn der jeweils andere über die Strenge schlug. Nur dann würden sie das verzeihen können und den anderen bei der Hand nehmen können, um ihn aus dem Tief herauszuführen. Er hatte sich gefragt, ob er es könnte: Eames immer wieder ziehen zu lassen. Vermutlich konnte er das, wenn sie sich nicht mehr ständig gegenseitig und selbst belogen. »Du könntest einfach mitkommen.« Er sah auf und Thomas an. Noch bevor er etwas erwidern konnte, klingelte es und er stand auf, um den Lieferanten hochzulassen und zu bezahlen. Er könnte einfach mitkommen... Eine Zeit lang gewiss. So wie Thomas auch nur eine Zeit lang bei ihm sein könnte. Bis sie sich gestritten hätten wegen einer Kleinigkeit. Bis er wieder mehr Ordnung bräuchte und sie eine Auszeit voneinander. So seltsam das klang, so wahr war es. Und damit war es doch ok. Die Frage war nur, ob sie es schaffen würde, diesen Punkt zu erreichen. Diesen Punkt, an dem sie sich voreinander ausziehen würden - psychisch. Und danach endlich auch physisch. »Die Hälfte ist für dich. Falls du nicht mehr zu wütend für Hunger bist.« Arthurs Lächeln war vermutlich Antwort genug. Wenn er der war, der Thomas am besten kannte, dann war dieser es, der ihn am besten kannte. Der einzige, der ihn kannte. Der einzige, der ihn kennen wollte. Der einzige, der ihn kennen durfte. „Der Hunger kehrt langsam zurück“, entgegnete er und holte noch Besteck, bevor er ins Wohnzimmer zurückkehrte. Er hatte gar nicht nachgesehen, was es überhaupt gab, auch gar nicht recht darauf geachtet, wie der Lieferant ausgesehen hatte und woher er kam. Seine Gedanken waren an anderen Orten gewesen. Er stellte die Tüte auf den Couchtisch, legte das Besteck ab und holte das Essen heraus. Äthiopier hatte er schon lange nicht mehr gehabt. Er bestellte da gerne, wenn er an Mombasa denken musste. Er breitete das Essen auf dem Tisch aus und betrachtete die Köstlichkeiten. Sambusa als Vorspeise, Rindfleisch mit Gemüse, Hähnchen, Lamm dazu den so typischen Frischkäse und das Fladenbrot. „Die Hälfte von allem und du bekommst mich heute nicht mehr vom Sofa.“ Er lächelte Eames an. „Aber probieren möchte ich gern von allem...“ Er zögerte kurz. Ihr Gespräch eben hatte gut getan, es war blöd gewesen, dass sie unterbrochen worden waren. „Muss ja wissen, was es so zu essen gibt, wenn ich dich mal begleite.“ Er griff zum Bier und trank einen Schluck. Auf der CD begann soeben ein neues Lied. „With you in mind, things just ain't bad as they seem With you in mind, I can fill my wildest dreams With you in mind, I can do anything, I know I can With you in mind... *Eames* „Der Hunger kehrt langsam zurück“ In der Übersetzung hieß das so viel wie: Ich bin bereit mich zu versöhnen. Er lachte über Arthurs Kommentar, dass er nicht mehr aufstehen könnte, wenn er die Hälfte aß. Sollte Eames nur Recht sein. Sie hatten beide mehr als genug gearbeitet, wozu sollten sie denn noch irgendetwas anderes tun, als essen und saufen? Eames besorgte ein paar Teller und Besteck und ließ sich wieder auf seinen beanspruchten Platz nieder. »In Mombasa essen wir, wie Könige. Die Stadt wird dir gefallen.« With you in mind, wirkte vielleicht schrecklich kitschig, aber wenn er Arthur so ansah und dem Text mit einem Ohr folgte, fühlte er es. Natürlich wusste er nichts davon und das war gewiss nicht das Schlechteste, aber Arthur hatte ihn in vielen Entscheidungen seines Lebens gelenkt, ohne überhaupt anwesend zu sein. Er schaufelte sich von so ziemlich allem etwas auf den Teller, während er sprach: »Wie wär's wenn du Ariadne einen förmlichen Brief schreibst und dich für ein paar Wochen entschuldigst? Wenn du seit sechs Monaten keinen Urlaub hattest, wird es höchste Zeit für dich, mein Lieber.« *Arthur* Da war es, das „Wir“. Deutlich und nicht zu überhören. Die Vorstellung, die dieses Wir, die Eames Lachen und ihre Harmonie in ihm heraufbeschworen, gefiel ihm. Es war ein guter Gedanke, ein angenehmes Ziel, ein Lichtblick. Seltsam, dass sie eine Zukunft planten, bevor sie überhaupt im Hier und Jetzt aufgeräumt hatten. Woran es wohl lag? Ob es an der Angst lag, dieses Gespräch zu führen? Und wenn man mal begann - genau genommen hatten sie es in Eames‘ Traum getan - würde es bis zum bitteren Ende geführt werden? Oder würde es scheitern? Wegen Tokio? Wegen Eames‘ Ego? Wegen Arthurs Stolz? Wegen ihrer Verbohrtheit? Vielleicht malten sie deshalb jetzt eine Zukunft aus Wolken, um zu ahnen, worauf sie hinarbeiteten. Damit sie dann durchhielten? Er nahm sich etwas von allem, übersichtliche Portionen. Er war einfach kein großer Esser. Dann setzte er sich im Schneidersitz zurück und begann. Er hatte richtig Hunger - für seine Verhältnisse. Er hatte kaum etwas heruntergebracht den ganzen Tag. »Wie wär's wenn du Ariadne einen förmlichen Brief schreibst und dich für ein paar Wochen entschuldigst? Wenn du seit sechs Monaten keinen Urlaub hattest, wird es höchste Zeit für dich, mein Lieber.« Erstaunt blickte er auf. Ein seltsames Gefühl beschlich ihn. Eben hatte er noch Zusagen gemacht, aber nicht weiter über die Realisierbarkeit nachgedacht. Wolkenschlösser... nun er hatte auch nicht von ‚gleich’ gesprochen. Er hatte das generell gemeint - mit etwas mehr Vorlauf. Wieso kam er sich plötzlich so blöd vor? Er aß hinunter. „Wir haben am Samstag unseren ersten großen Auftrag an Land gezogen. Es ist die Chance, der Firma einen Namen zu geben“, erklärte er zunächst neutral. Er würde Ariadne in den Rücken fallen, wenn er ihr nicht dabei helfen würde. „Du hast recht, dass ich Urlaub nötig habe. Aber so schnell geht das nicht.“ Es fühlte sich seltsam an. Ob es daran scheitern würde? Dass er nicht einfach mal sagen könnte „Ich bin dann mal weg...“ So war er nicht, das widersprach ihm. Er seufzte lautlos. „Solltest du nach dem Job nicht erstmal die Sachen in Italien regeln?“, fragte er nach. *Eames* Da war er schon: der Cock-block, den Eames irgendwie erahnt hatte, aber nicht wahrhaben wollte. Firma hier, Karriere da, Ariadne, blah blah blah... Es musste an der Assoziation mit seiner eigenen Familiengeschichte liegen, dass er eine tiefsitzende Abneigung gegen ein Leben hatte, dass in erster Linie aus Arbeit und erst in zweiter Instanz aus Quality-time bestand. Natürlich gab es auch das Spektrum in dem sich beides überschnitt, aber das zu erreichen war in den meisten Fällen eine große Ausnahme und immer mit Kompromissen verbunden. »Verstehe.«, erwiderte er mit einer Spur Enttäuschung in der Stimme, aber hütete sich allzu viel davon preiszugeben. Er wollte nicht kaputt machen, was sie gerade erst wieder aufbauten. Er nahm einen Schluck aus seiner Flasche und begann zu essen. »Sicher, als erstes kümmere ich mich um die Sache in Italien. Das erledige ich mit zwei Klicks.« Er schwang seine Gabel wie einen Dreizack. In freudiger Voraussicht diese Scheiße endlich erledigt zu haben und nicht mehr befürchten zu müssen, dass ihm irgendwelche Mafiosi auflauerten. Bislang hatten Lorenzos Männer wirklich gut die Füße still gehalten und Eames konnte nur hoffen, dass dies so blieb, bis sie den Fall erledigt hatten. »Vielleicht bleibe ich dann noch ein Weilchen in New York. Ich habe Yusuf auch seit einem halben Jahr nicht gesehen, der Zausel braucht auch ein bisschen Aufmerksamkeit.« Normalerweise hielt ihn kaum etwas in New York, aber diesmal war die Situation anders. Er spürte, wie es ihn nach Kenia trieb; er musste dringend mal wieder dort vorbeischauen. Aber Arthur war vorerst hier, also wieso sollte er dem ganzen nicht noch etwas Zeit geben? Ein oder zwei Wochen vielleicht. Das klang einigermaßen realistisch, bevor im die Decke auf den Kopf fiele und er in seine Schlecht-Wetter-Depression verfiel. *Arthur* »Verstehe.« Und da war er wieder verflogen, der Hunger, den er eben noch gespürt hatte. Das Essen schmeckte an sich gut, sehr gut sogar. Unschlüssig stocherte er im Essen herum. Sollte er wirklich ein schlechtes Gewissen haben, nur weil er jemand war, der einen ganz normalen Job und noch dazu eine eigene Firma hatte, eine, von der er sein Leben lang geträumt hatte, die noch kein ganzes halbes Jahr bestand und damit noch in den Babyschuhen steckte? Irgendwie sah er das nicht ein. Aber es zeigte ihm nur zu deutlich, dass sie einfach ihre Prioritäten anders setzten, grundlegend anders setzten. Wenn es ein WIR geben sollte – sofern es realistisch war, was sie sich da skizzierten – würde das bedeuten, das sie beide Kompromissbereit waren und nicht nur einer zurücksteckte. Der Optimismus, den der andere hinsichtlich Italien an den Tag legte, wirkte echt. So richtig bekam er ihn nicht mit. Dafür blickte er auf, als Eames weitersprach. »Vielleicht bleibe ich dann noch ein Weilchen in New York. Ich habe Yusuf auch seit einem halben Jahr nicht gesehen, der Zausel braucht auch ein bisschen Aufmerksamkeit.« Da war er, der Kompromiss. Ein Angebot, ein Zugeständnis – zwischen den Zeilen. „Das klingt gut“, sagte er lächelnd. „Und bis du ihn wieder aufgebaut hast, hab ich meinen förmlichen Brief geschrieben.“ Der vermutlich darin bestand, dass er versuchte, so viel zu arbeiten, wie nur irgendwie ging, um Ariadne dann guten Gewissens den Rest alleine machen zu lassen – zumindest für eine absehbare Zeit. Zumal er ja auch unterwegs arbeiten konnte. Sein iPhone, sein Laptop und eine Internet-Verbindung reichten aus. Klang doch nach einem praktikablen Plan – dennoch kehrte der Hunger noch nicht zurück. Denn da waren noch andere Dinge. Und sie wussten beide, dass diese Dinge geklärt werden mussten. Eames schaffte es immer, ihn über eine Hintertür zum Sprechen zu bringen – so wie vorhin diese seltsame Geschichte über Charles Eames, von dem er noch immer nicht wusste, ob er überhaupt wirklich ein Verwandter war. Und was diese Anekdote überhaupt sollte. Er kannte diese Hintertüren nicht. „Erzählst du mir, warum du nicht nach London kannst?“, fragte er vorsichtig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)