[Volatile] - Inception von -Amber- (‚What if I fall?‘ ‚Oh, Darling! What if you fly?‘) ================================================================================ Kapitel 14: Affection --------------------- *Arthur* Er stellte sein Bier in der Küche ab. Als er sich in seinem Schlafzimmer im Spiegel einen Blick zuwarf, war das Schmunzeln nicht verschwunden. Der Brückenbau hatte begonnen. Aber ob die Statik richtig berechnet war oder ob das alles in einer einzigen Katastrophe enden würde, war nicht abzusehen. Das würden die nächsten Tage zeigen. Jetzt würde er erst einmal sehen, was Eames ihm in seinem Traum zeigen wollte. Arthur war gespannt, ob Karneval oder die Eishölle auf ihn wartete. *Eames* Ein eisiger Windhauch kam ihnen entgegen, der Vorbote von Schnee. Die dicken weißen Wolken über ihnen sahen schwer und schwanger aus. Das eigentlich dunkelgraue Kopfsteinpflaster glänzte nass, fast schwarz. Anscheinend hatte es vor kurzem noch geregnet. Vielleicht Überbleibsel seiner emotionalen Ergüsse... Eames trug einen langen, dunkelgrauen Filzmantel und eine Wintermütze mit Webpelz, die seine Ohren mit bedeckte. Die feinen Steinchen, die man aufgrund der Rutschgefahr verstreut hatte, knirschten unter ihren Schuhen. Covent Garden Market lag vor Ihnen; es schien ein gediegener Sonntagvormittag zu sein. Es waren viele Leute auf den Straßen, aber es herrschte keine Hektik. Die Läden hatten geschlossen. Nur Restaurants, Brasserien, Cafés und Sondergleichen hatten geöffnet. Ein Food-Truck stand direkt vor der Halle und verkaufte Mexikanische Spezialitäten. »Hier durch.« Er führte Arthur durch seinen Traum, durch ein kühles, frühwinterliches London; so wie er es in Erinnerung hatte, als er das letzte mal dort gewesen war. Sie durchquerten die Markthalle. Eine Frau auf der untersten Ebene, eine unter ihnen, sang „Affection“ von Cigarettes After Sex, begleitet von einem Kerl mit Cajon und umringt von einer faszinierten Menge. (https://youtu.be/5soixb2U6xM) Das Café dort unten machte immer mächtig Umsatz durch Musiker, die die gute Akustik der Halle nutzten. Die italienische Bäckerei, die er ansteuerte, lag auf der anderen Seite der Markthalle. Sie gehörte eigentlich nicht hier her. Viniero's Pastry stand im East Village, aber Eames hatte den Laden hierher verfrachtet. »Nach dir«, bot er an und wartete bis Arthur vorgegangen war. *Arthur* Mardi Gras? Elender Lügner! Arthur tauchte seine in Handschuhe verpackten Hände unweigerlich in die Taschen des zwar eleganten, vielleicht aber etwas zu wenig warmen Mantels, während er sich überrascht umsah. Kalt und Grau – so hatte es Ariadne beschrieben. Sie hatte nicht übertrieben. Arthur wusste nicht, wo er war, wusste nicht, wie er das verstehen musste. Es war seltsam für ihn und die leichte Angst, die er verspürt hatte, als er Eames in den Schlaf geschickt hatte und die ihn veranlasst hatte, nach der Hand des anderen zu greifen, seinen kleinen Finger mit dem des anderen zu verhaken, bevor er ihm anschließend gefolgt war, wich nicht. Arthur blickte sich unverhohlen um, um mehr Indizien zu erhalten, wo er sich eigentlich befand. Die Straßenschilder, die Signalstriche am Bürgersteig, dass man zuerst rechts schauen solle, letztlich das Underground-Schild ließen ihn ahnen, dass er in London war. London – Eames Heimat. Arthur fiel einmal mehr auf, dass er so gut wie nichts darüber wusste – generellso gut wie nichts von Eames wusste. Immer wenn es um hinging, blockte jener ab, wechselte das Thema oder machte ihm klar, dass es ihn nichts anging. Vermutlich lag es daran, dass er es genauso handhabte, wenn jener mehr über ihn wissen wollte. Schließlich steuerten sie den „Covent Garden Market“ an, ein beliebtes Touristenziel in London. Arthur war einmal in London gewesen, hatte sich dort vor allem mit Architektur beschäftigt. Aber richtig wohl hatte er sich nur bedingt gefühlt. Auch jetzt ging es ihm nicht anders, obwohl er nicht wusste, warum das so war. Vielleicht die Kälte. Die geschlossenen Läden sahen wenig einladend aus, obwohl ansonsten vieles belebt war. Viele Menschen, die ihm guttaten, weil er nicht alleine hier war in diesem Traum - nachdem der letzte so bittersüß geendet hatte. Der Foodtruck mit mexikanischem Essen erinnerte ihn an den vergangenen Abend. Er nickte, als Eames ihm den Weg deutete und folgte ihm durch die untere Markthalle. Arthur fing die Musik ein, die ihn hier an Ort und Stelle erstaunte. Die ruhige, in gewisser Weise hypnotisierende Musik wirkte befremdlich und anziehend zugleich, so dass er sich im Laufen drehte und der Sängerin einen Moment länger zuhörte. Das war Eames‘ Unterbewusstsein, genau das hier. Die Sängerin schien ihn einen Moment anzusehen, während ihre Worte sich in seinen Kopf einnisteten: You're gonna see it someday My attention's on you Even if it's not what you need I think of you I want you too I'd fall for you Arthur zwang sich, sich umzudrehen – gerade rechtzeitig, um nicht gegen Eames zu rennen, der vor einem Café? Einer Bäckerei? stehengeblieben war, um die Tür zu öffnen. Stirnrunzelnd blickte er auf zum Schild, das ihm erklärte, dass es sich um Viniero's Pastry handelte. London oder New York? Arthur dämmerte, dass sich Eames für seinen Traum gerne Rosinen zusammensuchte und alles in einem vermischte. Das passte. Er betrat den Laden, der wirkte, als sei er wirklich im vorletzten Jahrhundert gegründet und seitdem nie verändert worden. Es sah nicht etwa schäbig oder heruntergekommen aus, sondern einfach wie aus einer anderen Zeit. ‚extraordinary ‘ – besser konnte es kein Wort in einer anderen Sprache beschreiben. Die Auslagen, die alle möglichen Leckereien anboten und das breite Repertoire der italienischen Backkunst offenbarten, ließen Arthur den Wunsch nach einem guten Cappuccino und etwas Süßem verspüren, obwohl er eigentlich so gar nicht süß war – also was das Essen betraf. Und auch sonst… Wie auch immer. Er blieb etwas unschlüssig im Raum stehen und wartete, dass Eames zu ihm aufschloss. Wollte er sich hinsetzen oder ging es weiter? Er hatte ihm etwas zeigen wollen. Vielleicht war die Deplatzierung dieses Ortes in Eames‘ London-Traum gar nicht ein „Rosinen-Picken“, sondern vielmehr ein Hilfsmittel, um ihm genau hier etwas zu ihrem Fall zu zeigen. Schließlich war es ja auch die italienische Mafia, mit der er sich angelegt hatte. Es wäre seltsam, wenn die Gruppe, der der Brite auf die Füße getreten war, nicht in New York einen zweiten Familiensitz errichtet hätte. Fragend blickte er Eames an. „Ich vermute, wir sind nicht hier, um Kaffee zu trinken?“ *Eames* Der atemberaubende Duft, der ihnen in der Bäckerei entgegenschlug, übertraf die Realität um Längen. Die Ausstattung, das Mobiliar war durchaus akkurat, aber die Eindrücke schienen gefiltert zu sein, irgendwie romantisiert. »Eigentlich schon«, antwortete Eames und deutete auf einen freien Platz an den hohen, alten Fenstern. Das Glas war dünn und dezent bemalt, wie es vor knapp einem Jahrhundert üblich gewesen war. Er bot Arthur an, auch seinen Mantel mitzunehmen, als er zur Garderobe ging, um sich selbst zu entkleiden. Unter dem Mantel trug er einen dunkelroten Strickpullover mit elegantem Umschlagkragen. So wirkte er wie ein typischer, londoner Snob. Ein Kind aus reichem Hause; ein Doktors-Sohn und Mitglied in irgendeinem Herren-Club. Er besorgte ein paar heiße Getränke für sie und ließ sich schließlich Arthur gegenüber auf den Holzstuhl sinken. »Warst du schon mal im Viniero's?«, begann er in gelassener Small-talk-Laune und rührte sich Zucker in seinen Cappuccino. *Arthur* Arthur zögerte und blickte Eames mit einer Mischung aus Skepsis und Misstrauen an. Er hatte ihn in seinen Traum geladen. Das erste mal überhaupt. Er hatte ihm gesagt, er müsse ihm etwas zeigen. Und jetzt waren sie nur zum Kaffeetrinken hier? Sollte das ein Date sein? Nur weil er ihm ein wenig angedeutet hatte, dass er ihm nicht ganz gleichgültig war? Na das konnte ja heiter werden! Er zog die Handschuhe aus und schob den Mantel von den Schultern. Reichte ihn Eames, der die Sachen aufhängte, während er sich an den Tisch setzte und umblickte. Es war schön hier, keine Frage. Aber er konnte nicht glauben, dass er umsonst hier war. Unruhig glitten seine Augen durch den Raum. Erst als seine Begleitung zurückkehrte, bemerkte er, dass sich Eames in Schale geworfen hatte. Edel sah er aus, gut sowieso. Und doch störte es ihn etwas. Es war so... angepasst. Er sagte nichts dazu. 'Anders gefällst du mir besser', wäre das Ehrlichste gewesen. Nach Lügen war ihm nicht. Wieso kleidete sich Eames so, wie es ihm eigentlich gefallen müsste? Oder war das sein Unterbewusstsein, das den Raum füllte? Aber nicht die Klamotten. Arthur merkte, dass sich seine Gedanken wieder viel zu viel im Kreis drehten. "Danke", sagte er und nahm sich etwas Zucker in den Cappuccino, dessen Milchschaum perfekt war - bis auf das Herz aus Kakaopulver darauf. Es lief leise Paolo Conte ’Via con me‘ im Hintergrund. Er trank einen Schluck und ließ den Blick über die Theke gleiten. Irgendwie kam er nicht zur Ruhe. Er schüttelte den Kopf, auf die Frage, ob er schon einmal hier war. Und endlich schaffte er es, Eames wieder ins Gesicht zu sehen. "Dafür habe ich keine Zeit", erklärte er. Arthur hob die Tasse und trank, nur um etwas zu tun zu haben und Eames nicht mehr ansehen zu müssen. *Eames* Natürlich war Arthur nicht zufrieden. Ein wenig die Atmosphäre genießen, die Eames teils bewusst, teils unbewusst für ihn erschaffen hatte, war halt einfach nicht sein Ding. Das hätte er kommen sehen müssen. Dieser verdammte Stock in seinem Arsch... »Verstehe«, bemerkte er unbeeindruckt und nahm ebenfalls einen Schluck. Die Beine hatte er wie immer übereinander geschlagen. Zwischen den Menschen, die draußen die Straße passierten, entdeckte Eames plötzlich einen Soldaten. British Army in Schutzweste, bewaffnet. Aber er schritt völlig gelassen zwischen den Zivilisten, in Richtung Market Lane. Er musste sich bemühen den Blick von ihm abzuwenden. »Excuse me...«, sprach er eine der Angestellten an. Sie sah aus, wie Candela aus dem mexikanischen Restaurant, in dem sie gemeinsam gespeist hatten. »Könnten Sie mir bitte den Chip bringen?« »Natürlich, sir.« Sein Blick traf wieder Arthur. »Keine Sorge, my dear. Wir kommen kommen gleich zum Geschäftlichen. Lass mich nur einmal den Moment genießen.« Er hatte den Chip gesehen und extra für Arthur eine mentale Kopie davon angefertigt, damit er ihn sich ansehen konnte. Das war noch nicht alles, aber man musste ja nicht gleich alles offen legen. Wann hatte er sonst schon mal die Chance auf ein halbgares Date mit Arthur? *Arthur* Arthur saß mit dem Rücken zum Fenster, weswegen er den Soldaten nicht sehen konnte, wohl aber merkte er, dass Eames etwas draußen entdeckt hatte. Ob Eames doch auf jemanden wartete? Oder etwas? Arthur drehte sich, blickte hinaus, konnte aber durch das bunte Glas nur normale Passanten sehen. Noch bevor er etwas sagen konnte, hörte er das »Excuse me...« , das an die Kellnerin gerichtet wurde. Als er sich drehte, um sie anzublicken, hob er etwas überrascht die Augenbrauen. Er schluckte, wohl erkennend, wen Eames Unterbewusstsein hierher zauberte. Die hübsche kleine Mexikanerin, mit der er gestern so nett geflirtet und nach dem Essen noch gesprochen hatte? Sie schien ihn ja sehr zu beschäftigen. Ein seltsam nagendes Gefühl machte sich in ihm breit. Oder war es gar sein Unterbewusstsein? Seine Mine versteinerte sich etwas, während er noch einen Schluck trank. Sie sollte einen Chip bringen? DEN Chip etwa? Den, den sie suchen und finden mussten? Eine mentale Kopie hatte er hier hinterlegt? Offenbar war dieser Traum Eames Tresor für Gedanken. Was hier wohl sonst noch versteckt war? Deutlich spürte er die Neugierde in sich aufsteigen, aber er ließ es sich nicht anmerken. »Keine Sorge, my dear. Wir kommen gleich zum Geschäftlichen. Lass mich nur einmal den Moment genießen.« Arthur wusste nicht, was es mit ihm zu genießen gab. Er wusste nicht, was sich Eames erwartete und… überhaupt war so etwas so gar nicht sein Ding. Er nickte leicht. War es so schwer, sich zu entspannen? Er dachte an die Hand, die er außerhalb des Traums hielt. Provozierte das etwa diese Situation hier? Er hatte sich fest vorgenommen, zuerst aufzuwachen, damit Eames es nicht merken würde. „Welchen Moment meinst du?“, fragte er. Konnte man das mit ihm genießen? So wie er war? Wohl kaum. Er war hierfür einfach nicht der Typ. Besonders nicht, wenn man von jemandem bedient wurde, der bestimmt das Bett mit seiner Begleitung geteilt hatte. *Eames* ‘Welchen Moment meinst du?‘ Eames Augenbrauen hoben sich und sein Blick sprach deutlich, so was wie „Ist das eine ernst gemeinte Frage?“ - Ja... es war immer noch Arthur mit dem er sich hier unterhielt... Wie konnte ein Traum auch ein Rückzugsort sein? Ein Ort, der vielleicht sogar besser war als die Realität? So etwas war ja noch niemandem passiert, den sie kannten....... (Dom und Mal) Candela schritt unterdes in aller Ruhe hinter die Theke und verschwand erst einmal. »Na das hier.«, er machte eine ausschweifende Bewegung und lächelte, behelfsweise. »Das Café, der Cappuccino, die nette Bedienung.« Er führte seine Tasse zum Mund. »Oder liegt es an mir? Ich dachte, wir hätten uns vertragen.« Er sah schmunzelnd über den Rand der Tasse zu ihm herüber. Und wieder an ihm vorbei, da ein weiterer Soldat die Straße hinab marschierte. Nein... es waren zwei. Irgendwie hatte er gewusst, dass London eine beschissene Idee gewesen war, aber trotz allem, war es noch immer sein Lieblingsort. Und sie würden nicht ewig für die Besprechung brauchen, selbst wenn sie etwas Spaß dazwischen schoben. Letzterer würde ohnehin von Arthur radikal dezimiert. *Arthur* Na das hier – Aber was war das hier? Arthur lauschte den weiteren Worten. Erst bei den letzten sah er auf. Dieser Blick nahm ihm wenig von seiner Unruhe. Sein Problem war, dass er auf das hier nicht vorbereitet war. "Wenn du das so nennst." Er atmete tief durch. "Dann versuche ich das hier zu genießen. Mit dem Café, dem Cappuccino und natürlich der netten Bedienung mit dem süßen Grübchen, wenn sie lächelt." Er drehte sich um, um zu schauen, ob 'Candela' wieder zurückkam. "Bist du in deiner Zeit in New York öfters hier..." Er stutze, als er den Kopf wieder drehte und Eames nach draußen blickte. "...gewesen?" Er musterte ihn kritisch, gleichzeitig fühlte er nach der Waffe. "Geister der Vergangenheit? Oder Wächter?" *Eames* Das war ein Anfang. Mit ein wenig Hilfe würde Arthur schon noch das Laufen lernen, da war sich Eames sicher. Nun hatten sie immerhin einen Zugang zueinander. Er hatte bei Arthur einen Fuß in der Tür. Er winkte ab, auf die Frage hin. »Nichts Beunruhigendes«, log er. »Habe ich mal erwähnt, dass ich nicht zurück nach London kann? Ab und zu erlaube ich mir in meinen Träumen scheinbar selbst nicht hier zu sein.« Doch das war nur die halbe Wahrheit. Für die ganze Story hatten sie einfach keine Zeit. Mal ganz davon abgesehen, dass Eames einen Teufel tun und sich spontan von innen nach außen krempeln würde. Bevor er dazu zurückkommen konnte, wie oft er bereits in dieser bezaubernden Bäckerei gewesen war, kehrte Candela zu ihnen zurück. Sie entblößte besagte Grübchen mit einem höflichen Lächeln. »Der Chip, sir.« Die Mexikanerin servierte eine Art externe Festplatte auf einem Silbertablett. Sie war etwas kleiner, als ein iPhone, flach, schwarz, matt mit zwei verschiedenen Anschlüssen ausgestattet. »Da haben wir's. Das ist das Teil, das wir suchen«, führte er unbekümmert fort und versenkte einen Keks in seinem Cappuccino. *Arthur* Er konnte nicht zurück nach London? Was hatte er angestellt? Nun, er war Thomas Eames. Nichts sollte ihn wundern. Und doch war er neugierig. Gerade, weil Eames es sich selbst verbot. War das nicht ein Zeichen für ein tiefgreifendes Ereignis? Über solche Dinge hatten sie noch nie geredet. Eames redete nie über seine Herkunft, seine Vergangenheit. Jedes Mal, wenn es thematisiert werden könnte, lenkt er geschickt ab oder macht deutlich, dass es niemanden etwas anging. Aber vermutlich war das auch etwas, was er - Arthur - verbockte. Solche persönlichen Gespräche bedeuteten, dass man im Gegenzug auch etwas preisgab. Im Grunde machte er es ja nicht anders. Dieses Stadium des Vertrauens hatten sie nie endgültig erreicht - nur beinahe einmal. Was aber auch an ihm lag – vielleicht. Arthur biss sich auf die Zunge. Nein, er würde jetzt nicht nachbohren. Jetzt noch nicht. Doch nun konnte er ohnehin nicht mehr nachfragen. Die Strahlende kehrte zurück und brachte den 'Chip'. Arthur pfiff durch die Zähne - nicht wegen des Grübchens, sondern zunächst wegen des Chips. So etwas gefiel ihm. Dann besann er sich und lächelte die Kellnerin zuckersüß an. "Vielen herzlichen Dank!", raunte er und blickte sie ein wenig länger an, als es nötig wäre. Das strahlende Lächeln, das er erntete, gefiel ihm. Er griff nach der Festplatte, ohne den Blick von ihr abzulenken. "Könnten Sie mir noch etwas zu essen bringen? Etwas, das mich genauso in den Himmel 'hochzieht' wie Sie?" Die Bedienung stutzte einen Moment, bevor sie begriff und lachte. "Sehr gerne!", erwiderte sie und legte ihm ihre Hand kurz auf die Schulter, bevor sie sich daran machte, ein Tiramisu zu holen. Arthur blickte ihr schmunzelnd hinterher. Dann betrachtete er die Festplatte in Ruhe. Es würde nicht einfach werden, eine exakte Kopie zu bekommen. Das sah nach Spezialanfertigung aus. Aber er wusste schon, zu wem er gehen würde. Er prägte sich alles ein, was er sah. Eine exakte Zeichnung würde seinem Bastler helfen. "Ich denke, wir werden die Schatztruhe einfach austauschen können", sagte er nun. Er würde später nach dem Hotelbesuch gleich Kontakt aufnehmen. Morgen war schlecht. Er konnte nicht abschätzen, wie lange er in Philadelphia sein würde. Als er aufblickte, lächelte er. Jetzt war er schon viel entspannter. "Bei welcher Gelegenheit hast du das Schmuckstück gesehen?" *Eames* Sollte ihn das etwa eifersüchtig machen? Eames schmälerte die Augen, als er Arthur dabei zusah, wie er mit der Bedienung flirtete. Und wie er sich ins Zeug legte! Dann diese Geste... die Hand auf seiner Schulter – exakt gleich, wie aus einem Film. Aus wessen Unterbewusstsein das wohl kam... schwer zu sagen. Der anfängliche Missmut über Arthurs Flirterei wich jedoch schnell einer spitzbübischen Eingebung. Wenn Arthur wüsste, was er damit losgetreten hatte, hätte er es sich vielleicht zweimal überlegt die Mexikanerin so genau anzusehen. Auch er sah Candelas wiegenden Hüften hinterher und wandte sich dann, spitz lächelnd, wieder an Arthur. »Das ist der Knackpunkt«, antwortete er auf Arthurs Frage. Er hielt ihm die offene Hand hin, als Aufforderung den Chip auszuhändigen. »Ich habe das Ding bisher nur auf Fotos gesehen. Was bedeutet, dass das Gewicht und die Oberflächenbeschaffenheit in diesem Fall von mir ergänzt wird.« Dabei fuhr er mit dem Daumen über die matte Oberseite und die abgerundeten Kanten. »Wir wissen, dass der Chip zwischen 1.000 und 5.000GB Datenspeicher enthält. Der Aufbau könnte der einer externen Toshiba Festplatte ähneln, aber das sind nur Jesse's Spekulationen.« Sie mussten irgendwie darauf schließen, wie schwer das Ding war und wie es sich anfühlte. Wenn sie keine exakte Kopie hatten, würden sie vielleicht schneller auffliegen, als sie sich aus dem Staub machen konnten, nachdem sie das Teil entwendet hatten. Er legte das schwarze kleine Gedankenstück zurück auf das Silbertablett und sah Arthur abwartend an. *Arthur* Was er da in einem Anflug von Trotz getan hatte, wurde ihm erst so richtig bewusst, als er Eames Lächeln sah. Er war froh, dass sie über etwas reden konnten, dass sie ein Thema hatten, in das er sich einbringen konnte. Letztlich war er es nur leid mit Eames immer irgendwo zu sein, aber nie wirklich allein mit ihm zu sein... Oder verarbeitete sein Unterbewusstsein hier ihr Essen gestern beim Mexikaner? Candela hatte Eames gestern genau so an der Schulter berührt. Es war verwirrend für ihn. Er legte Eames den Chip in die Hand und sah ihm in die Augen. Es ging um den Job, nicht um ihr fragiles Irgendwas in einem Traum, vor dem er Angst hatte. Dass Eames nur Fotos gesehen hatte, machte die Sache kompliziert. Arthur lauschte den Erklärungen und nickte nachdenklich, folgte Eames' Ablegen des Chips mit den Augen. Als jemand das Tiramisu hinstellte, war er mit dem Kopf nicht wirklich anwesend, sondern bedankte sich nur nebenbei. "Ich kenne jemanden, der mir so eines bastelt. Und als Grundmuster hätte ich auch Toshiba vermutet. Letztlich ist es in dem Moment egal, ob es 100% identisch ist, wenn wir die Daten überspielen können. Aber das wird zeitlich knapp, vermutlich zu knapp sein." Er nahm einen Löffel des Tiramisus und behielt den Löffel im Mund, ließ den Geschmack auf seiner Zunge zergehen, während er weiter nachdachte. Schließlich zog er den Löffel hinaus. "Wenn wir einen Traum kreieren, in dem er lange genug an einem Ort gebunden ist, klappt eine Kopie. Und es wäre gut, wenn der Ort des Geschehens möglichst weit von seinem Zimmer weg ist. Beispielsweise im Wellnessbereich. Er wird massiert und schläft ein. Du extrahierst die Information. Und während er aufwacht und die Massage oder was auch immer beendet, holst du den Chip. Dann hast du genug Zeit, abzuhauen und Jobs wird den Tausch erst merken, wenn es zu spät ist. Wenn dir Zeit für die Kopie nicht reicht, muss ein Austauschen reichen." Erneut nahm er sich einen Löffel von dem wirklich leckeren Dessert. *Eames* Ausgeklügelt und stets auf einen Plan B bedacht, so gefiel ihm sein Point Man. »Der Spa-Bereich des Four Seasons wird mir immer sympathischer.«, antwortete er auf Arthurs Ausführungen hin, nachdem er immer wieder zustimmen genickt hatte. Der schemenhafte Plan, nahm nun bereits klare Züge an, Arthur sei dank. Er trank an seinem Cappuccino, der noch immer angenehm heiß war, wie zu Beginn. Dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. Sie hatten noch ein wenig Zeit, bevor der Timer ablief. »So weit so gut. Willst du dann noch ein wenig mit Candela flirten oder wie sieht deine Abendplanung aus?«, fragte er amüsiert. Die folgende Reaktion war entscheidend für Eames. Natürlich arbeiteten sie gerade, aber das Spielen lag ihm leider im Blut. Das konnte man nicht einfach abstellen, wenn man wollte. *Arthur* Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. "Mir durchaus auch", sagte er. "Nachher sollten wir sehen, wann er dort etwas gebucht hat. Dann haben wir einen Zeitpunkt. Das Zeitfenster von einer Stunde sollte für eine Extraktion und eine Kopie reichen. Stellt sich noch die Frage, wie wir ihn im Traum dazu bekommen, unvorsichtig zu werden." Er war zufrieden. Langsam schlossen sich die Lücken. Eames Blick auf die Uhr ließ ihn auch wieder daran denken, wo sie waren. Die Worte des anderen trafen ihn unvermittelt. Er schob den Teller zur Seite, auf dem noch das halbe Tiramisu lag. Insgeheim hatte er gehofft, Eames würde seine Anwandlung vergessen. "Eigentlich nicht", sagte er leichthin und blickte Eames herausfordernd an. "Ich hatte gehofft, dass du mir etwas zeigst, wo ich niemandem begegne, mit dem du schon im Bett warst - wo wir schon mal hier sind. Aber ich fürchte, dass es kaum einen Ort gibt, an dem das möglich ist." ‘Take me somwhere nice‘ (https://youtu.be/luM6oeCM7Yw) *Eames* Mit der Antwort, die Arthur ihm auf die Job-Belange gab, war Eames durchaus d'accord. Er nickte zufrieden. Natürlich konnten sie zu ihrem Zeitpunkt noch keine Antwort auf jede Frage haben... zum Beispiel, was die eigentliche Extraktion anbelangte. Wenn er mit Henry Foster fertig war, würde er sich allerdings gleich um einen konkreten Plan kümmern, nahm er sich vor. Oder auch nicht. Improvisation war ohnehin seine Stärke und wenn man mal ehrlich war... Extraktionen liefe alle irgendwie gleich ab. Dass es noch kein Handbuch dazu gab, war auch alles. "Ich hatte gehofft, dass du mir etwas zeigst, wo ich niemandem begegne, mit dem du schon im Bett warst - " Nun, das war interessant. Seine Augenbraue hob sich verwundert, leicht verärgert. Dass Arthur ihm im Anschluss noch Hurerei vorwarf, traf ihn tatsächlich ein bisschen – auch wenn er natürlich wusste, wo der Ruf herkam. »Vielleicht ist Traum-Candela kein Auswuchs meiner Libido, sondern eher ein Ausdruck deiner Eifersucht«, konterte er gelassen. Dass er nie mit Candela im Bett war, sondern ihr nur den einen Gefallen getan hatte, als er in New York gelebt hatte, sparte er sich an dieser Stelle. Sollte er ruhig glauben und brodeln. Da war er wieder: der ewige Zwang zu provozieren, der in seine Schläfe pochte. »Ach und was ich noch fragen wollte... Wer war der Kerl nochmal, dem du gestern deine Nummer aufgeschrieben hast?« Natürlich wollte er nicht wirklich eine Antwort auf die Frage. Dann würde er nämlich unter Umständen schrecklich eifersüchtig werden und die üble Laune hatte er gerade erst abgeschüttelt. *Arthur* Da waren sie schon wieder! Back again! Auf dem besten Weg, sich wieder zu prügeln… Arthurs Ärger wuchs mit jedem Wort, das Eames ihm sagte – nun zumindest bis er nach dem Typen fragte, der ihn gestern angesprochen hatte. Sein Mund hatte sich unwillig verzogen, nun musste er amüsiert lächeln. Ihm lagen so viele Bemerkungen auf der Zunge. Bemerkungen, die Eames vermutlich treffen würden. Das Problem war gerade nur: wollte er das wirklich? Wollte er, dass sie wieder so endeten, wie im letzten Traum? Er zögerte mit einer Antwort, während er Eames ansah und auch das kurze triumphierende Lächeln verschwand. Was geschah, wenn er sich nicht immer provozieren ließ?! Es dauerte etwas, bis er seine Wut soweit hinuntergeschluckt hatte. „Um ehrlich zu sein, habe ich darüber auch schon nachgedacht“, sagte er dann absolut ehrlich. Ja, verdammt, es hatte ihn gestern genervt und gerade eben noch viel mehr. Er hatte nichts, was er einer so hübschen und wirklich weiblichen Frau entgegensetzen konnte. Und es war das, was ihn schon immer belastet hatte, was ihn vor sechs Jahren unter anderem auch hatte zögern lassen. Das Gefühl, nur einer von vielen zu sein, nichts Besonderes. Gott, das klang so eingebildet, so dämlich und unreif, aber irgendwie… Er atmete durch. „Der Kerl war ein Namenloser, der vermutlich erst nach fünfmal anrufen begreift, dass ich mit Namenlosen nur einmal ins Bett gehe und ihnen gewiss nicht meine Nummer aufschreibe…“ Er spürte doch wieder Groll aufkommen. Es war so schwierig, einfach normal miteinander umzugehen. Schwierig, weil das hier nicht normal für Arthur war; Schwierig, weil er nie wusste, woran er bei Eames war. Manchmal wurde er dessen sehr müde. Besonders, wenn er dachte, dass es besser werden könnte zwischen ihnen. Wenn er sogar irgendwie das Bedürfnis verspürte, dass es besser wurde. Er stand auf und blickte Eames an. „Lass uns spazieren gehen. Ich war schon lange nicht mehr in London.“ ‚Und ich bin neugierig, was ich hier noch zu sehen bekomme‘, fügte er in Gedanken hinzu. Eames* War das ein Eingeständnis? Hatte er tatsächlich zugegeben, dass er unter Umständen eifersüchtig war?! Eames konnte es kaum fassen und verharrte, ohne Antwort. Was nicht bedeutete, dass Arthur nie eine Antwort darauf kriegen würde... sie musste nur erst in Eames arbeiten, bevor er sie klar formulieren konnte. »Du hast Recht... wir sollten uns bewegen«, stimmte er Arthurs Vorschlag zu und holte ihrer beider Jacken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)