[Volatile] - Inception von -Amber- (‚What if I fall?‘ ‚Oh, Darling! What if you fly?‘) ================================================================================ Kapitel 4: Where is my mind? ---------------------------- *Arthur* [[BILD=^8335420.jpg]] Die kalte Luft beim Aussteigen draußen tat ihm erneut gut. Er hatte den Whiskey, den er eigentlich gar nicht hatte trinken wollen, viel zu schnell getrunken. Es war gut, wenn er gleich etwas zu Essen bekam. Seine Mutter hatte zwar nach allen Regeln der Kunst aufgefahren, aber er hatte keinen großen Hunger und das Training hatte einiges davon wieder verzehrt, so dass er wirklich dringend etwas Essen musste, wenn er zurechnungsfähig bleiben wollte. Er folgte Eames zu dem Restaurant, das - wie sich nun herausstellte - wirklich aus einem Straßenimbiss und einem Restaurant bestand. Vor dem Imbiss war einiges los. Etliche Hispanics standen um die Tische auf der Straße herum, andere saßen innen und aßen Tacos oder Burger. Eames steuerte jedoch auf den Seiteneingang zu, der in den Keller hinunterführte, wo sie einen verwinkelten Raum betraten. Es war rustikal aber sehr gemütlich eingerichtet. Ein großes Mosaik an der Wand zog die Aufmerksamkeit der Besuche gleich in seinen Bann. Darauf war ein Azteken-König zu sehen, der eine scheinbar ohnmächtige Frau auf einem Arm hielt, ein Adler flog hinunter, um eine Schlange zu packen und im Vordergrund stand, deplatziert wie Arthur fand, ein rotes Auto. Die Bar offenbarte eine große Bandbreite an Alkoholika, die Musik war spanisch – Chanchan (https://youtu.be/KODWcrncnUU), wenn er es richtig hörte - , entsprach aber keinem Klischee. Eine schwarzhaarige, zierliche Kellnerin kam auf sie zu, lächelte Eames an (offenbar kannten sie sich) und führte sie schließlich in den hinteren Bereich, wo noch zwei Plätze frei waren. Sie brachte kurz darauf die Karte, aber Arthur hatte sich bereits draußen entschieden, was er nehmen würde. Während Eames wohl die Karte studierte, blickte er sich noch etwas um, bis die Kellnerin wieder zu ihnen kommen würde. Er würde den anderen sicher nicht noch einmal wegen des Jobs fragen. Offenbar hatte der einen genauen Plan, wann er ihm Informationen dazu geben wollte – wie immer. Und sicher würde er ihm niemals alles sagen – wie immer. „Tomo un taco con pollo, ensalada de aguacate y una cerveza, por favor!”, bestellte er schließlich mit dem Schul-Spanisch, das er noch konnte. Dann blickte er zu Eames. *Eames* [[BILD=^8335427.jpg]] Sie sprachen kein Wort mehr im Auto worüber Eames im Verborgenen sehr erleichtert war. Eames, in seinem gewohnt, wiegenden Gang, der das volle Ausmaß seines immensen Egos zumindest andeutete, führte sie leichtfüßig in die Eingeweide des urigen Mexikaners. Hier hatte er bereits diverse Male seine Bedürfnisse nach saftigen Enchiladas und gierig fettigen Quesadillas gestillt. Er grüßte herzlich, aber unpersönlich. Gerade keine Kapazitäten für Smalltalk und er wollte Arthur partout nicht warten lassen. »Especialidad de la casa, por favor. Y una botella de vino. Blanco!«, damit schloss er die Karte. »Hoy eres hermosa, Candela.« Damit reichte er ihr die Karte, die sie grinsend entgegennahm. »Un momento«, antwortete sie und berührte Eames' Schulter, bevor sie sich entfernte. Sein unverschämtes Talent, sich Name und Gesichter zu merken, hatte ihn (quasi) noch nie im Stich gelassen. Äußerst praktisch in seinem Job. Wobei er mit Candela zu viel erlebt hatte, als dass er sie vergessen könnte. Die Stühle waren unbequem; er erinnerte sich daran, wieso er so selten vor Ort gegessen hatte. Höchstens an der Bar oder an der Küchentür im Stehen, wobei er die Kellnerinnen trotzdem gern mal vom Arbeiten abgehalten hatte. So was machte er zu Höchstzeiten mit links und verbundenen Augen. Er überschlug die Beine und machte es sich so bequem wie möglich. Dann erwiderte er Arthurs Blick. »Zwei Millionen. Wahrscheinlich mehr.« Candela stellte im Vorbeigehen ein Körbchen frisch geschnittenen Brots auf den Tisch, in den Eames gleich hineingriff. »MoneyGram ist dir ein Begriff?« Er teilte das Stück heller Backware und schob sich die Hälfte in den Mund. Arthur [[BILD=^8335420.jpg]] Ganz offensichtlich war Eames hier öfters schon gewesen. Die Kellnerin kannte ihn und als der Brite sie mit ihrem Vornamen ansprach, bestätigte sich der Eindruck. Die Berührung am Arm verriet noch viel mehr. Ob es in der Zeit gewesen war, als jener hier eine Zeit lang gelebt hatte? Damals hatten sie kaum Kontakt gehabt und Arthur war es ganz recht gewesen. Er war viel unterwegs gewesen, war viel an der Westküste gewesen bei Dom und Mal. Wie auch immer. Eames hatte hier offenbar viel Zeit verbracht und sicher nicht nur ins Essen investiert. Das Spanisch des anderen war flüssig und geübt, nicht so hölzern wie seines. Darauf standen diese Frauen vermutlich. Das und dieses Lächeln mit dem treudoofen Blick. Arthur wischte den Gedanken weg und blickte Eames unverwandt an. Als die Kellnerin gegangen war, schien sich sein Gegenüber endlich dazu herabzulassen, mehr zu verraten, weshalb er um die halbe Welt gereist war, um ihm seine Pläne über den Haufen zu werfen. Die Summe, die der Dunkelblonde nannte, klang hoch. Doch für wen das Geld war, sprach Eames nicht an. Zudem hörte Arthur ein ‚Wahrscheinlich‘ nie gerne, wenn es um dergleichen Jobs ging. Ein Wahrscheinlich konnte auch das Gegenteil bedeuten. Nicht, dass er das Geld so wahnsinnig dringend brauchte. Aber es war auch nicht so, dass er gar nicht wusste, was er mit diesem anfangen könnte. Abwartend sah er Eames an, Ungeduld in sich spürend, hinsichtlich dessen, dass er dem anderen wohl jedes Wort aus der Nase ziehen musste. Er wollte gerade nachfragen, als ihnen das Brot hingestellt wurde. Er ignorierte es, auch wenn sein Magen dankbar gewesen wäre - und sein Kopf sicher auch. Irritiert ob der eher überflüssigen Frage sah er Eames mit hochgehobener Augenbraue an. Moneygram war mit etwa 1,5 Billionen $ Umsatz im Jahr das zweitgrößte Geld-Transfer-Unternehmen der Welt. Natürlich kannte er es. Es ermöglichte vielen Menschen Geld von einem Land ins andere, von einer Stadt in die andere zu übermitteln. Allein in NewYork gab es gewiss über 50 Filialen. Seit 2004 war das Unternehmen unter dem Namen MGI MoneyGram International INC. an der Börse dotiert. Politiker werfen dem Unternehmen vor, den globalen Terrorismus zu unterstützen, da jeder mit einem Ausweis Geld ohne große Zeitverzögerung von A nach B schicken kann. Seit 2001 versuchte sich das Unternehmen mit zahlreichen Charity-Projekten ein besseres Image zu verschaffen. Katrina hatte 2005 ganz gut dafür hergehalten… Die Filialen gab es vor allem in Kanada, den USA und in Lateinamerika. Besonders auf den Inseln des Geldsegens war viel davon zu holen, weshalb dort investiert wurde. Aber auch in Europa, Asien und Afrika gab es Filialen. Gerade in Asien investierte das Unternehmen gerade massiv. „Willst du auf die Frage wirklich eine Antwort?“, war das einzige, was Arthur dazu zu sagen hatte. Nun griff er doch zum Brot. Er musste etwas essen, bevor das schwimmende Gefühl in seinem Kopf stärker wurde. *Eames* [[BILD=^8335427.jpg]] ‚Willst du auf die Frage wirklich eine Antwort?‘ Eames Kopf neigte sich zur Seite und er entgegnete ihm mit einem spitzen Lächeln. »Entschuldigung, meine Intention war nicht deinen Bildungsstand in Frage zu stellen, Arthur.« Provokant, aber längst nicht abwertend. Schließlich versuchte er noch immer Arthur zu überzeugen, bei seiner Sache mit zumachen. Am besten ohne ihm die schmutzigen Details drum herum verraten zu müssen. Also erzählte er ihm von Emanuel Jobs. US-Amerikaner mit italienischer Abstammung, zur Zeit im „Urlaub“ in New York. CEO von MoneyGram Inc. und zwar nicht irgendeiner. Er war zur Zeit der erfolgreichste Mitarbeiter und höchstwahrscheinlich auch Nachfolger des amtierenden Unternehmenschefs. Eine Flasche Weißwein und Bier wurden serviert, Candela schenkte ihnen ein. Eames trank, ohne anzustoßen und ohne besonderes Interesse an der Qualität des Weins, dann fuhr er fort: Trotz Freizeit (wahrscheinlich sah seine Definition davon so ähnlich aus, wie die von Arthur) hatte Jobs mindestens zwei Geschäftsessen in New York, von denen Eames wusste. Des Weiteren bekannt: Aufenthaltsort, Handynummer, Erkrankungen (Hypertonie und Diabetes Typ I) und einiges mehr. Eames behielt sich vor Arthurs Rückfragen, auf das Ende seines Vortrags zu verlegen. Salat und Tacos für beide. Mehr Informationen folgten nach den ersten paar Bissen. Das war bitter nötig gewesen. Die Gratis-Erdnüsse im Terra Blues hatten nicht wirklich satt gemacht. Eames hatte einen Mann bei der ‚fsociety‘, einer Hackergruppe, die selbst daran interessiert war MoneyGram zu Fall zu bringen. Sie wollten Chaos, das Geld interessierte sie nicht, so Eames. Leider hatte MoneyGram eins der am besten geschütztesten Computer-Systeme der Welt; sie hatten auch genug Geld, um in diese Sicherheit zu investieren. Sein Mann »Jesse«, brauchte einen Chip, den Jobs immer irgendwo in seiner Nähe hatte, vermutlich in seinem Hotelzimmer, oder bei einem seiner Sicherheitsmänner, aber sie hatten keine Zeit um das auf wachem Level herauszufinden. Ein paar Passwörter zu ergaunern schadeten auch nicht. Mit diesen beiden Kleinigkeiten; dem Wissen über den Standort des Chips und den Passwörtern; würde Jesse sie in zwei Minuten zu Millionären machen und nebenbei auch noch eins der korruptesten Unternehmen der Welt in den Boden stampfen. »Und nun der spannendste Teil...«, er wischte sich den Mundwinkel mit einer Serviette ab. Sein Blick war selbstsicher, er war vollkommen überzeugt davon, was er gesagt hatte. »Deine Ersteinschätzung.« *Arthur* [[BILD=^8335420.jpg]] Ja, Arthur mochte es nicht, wenn man ihn hinsichtlich seines Wissens und seines Jobs in Frage stellte. Er war Perfektionist und tat sich schwer, Abstand von seiner Arbeit zu gewinnen. Daher füllte er die freie Zeit, die er auch an normalen Arbeitstagen hatte, mit dem Lesen von Büchern, Zeitungen und Online-Nachrichten. Er hatte ein Auge auf die großen Firmen, die Branchenführer, die Unternehmen, die das Sagen hatten. Schließlich waren das diejenigen, die in den Fokus des Dream-Sharings rückten, wenn sie einen Auftrag erhielten. Dass Eames darüber nicht nachdachte, war ihm klar. Er machte sich scheinbargenerell wenig aus den anderen Menschen um sich, bis er sie brauchte oder hintergehen musste. Den leicht sarkastischen Unterton bei seiner Entschuldigung stieß Arthur auf, aber das gehörte zu Eames einfach dazu. Daher schwieg er, wartete ab, dass jener ENDLICH mal mit der Sprache herausrückte. Und während jener sprach, pinnte Arthur bereits in seinem Kopf die Wand voll, die er für sich zu Haues in seinem Arbeitszimmer mit allen wesentlichen Informationen bestückte, die er brauchte, um als Point Man seinen Job gut zu erledigen. Emanuel Jobs sagte ihm vom Namen her nichts. Aber sein Fokus lag im Normalfall ja auch nicht in Europa, so dass ein italienischer CEO ihm nicht unterkam. Dass er den Platz von Alexander Holmes einnehmen würde, klang plausibel, denn seitdem herausgekommen war, dass MoneyGram bei einem versuchten Anschlag auf den Time Square die Gelder dafür hatte fließen lassen, war er in starke Kritik geraten. CEO und für das Unternehmen so wichtig, dass er entsprechende Zukunftsaussichten hatte, bedeutete, dass jener sicher keine Freizeit hier hatte. Arthur vermerkte sich in seinem Kopf, dass er recherchieren musste, woher er in Amerika wirklich kam, welche Kontakte er noch pflegte. Vielleicht würde sich da etwas auftun. Diese Menschen wurden zwar immer mehr abgeschirmt und bewacht, aber viele waren so freundlich, über soziale Medien viele Informationen über sich preis zu geben. Das war meist sehr hilfreich. Als die Getränke kamen, ließ Arthur sein Corona (traditionell mit einem Stück Limette im Flaschenhals) erst einmal stehen. Noch mehr Alkohol vertrug er jetzt nicht. Er musste sich konzentrieren. Daher blieb er zurückgelehnt in seinem Stuhl sitzen, kaute auf dem Brot herum und wartete ab, bis Eames seinen Wein getrunken hatte. Die nächsten Worte bestätigten, dass Jobs nicht wirklich Urlaub im schönen New York machte. Geschäftsessen waren meistens Termine, die für ein Sharing selbst eher schlecht geeignet waren, außer man passte die Hin- oder Rückfahrt ab. Das Sicherheitsaufkommen war zudem meist höher, als wenn derjenige wirklich einer Freizeittätigkeit nachging und alte Freunde, oder besonders Freundinnen traf, bei denen sie ungestörter sein wollten. Dass Eames wusste, in welchem Hotel erlebte und wie seine Handynummer war, war erstaunlich aber gut. Wenn Eames einen Auftraggeber hatte, der ihn schon mit Informationen gefüttert hatte, dann zeugte das hin und wieder von etwas Persönlichem. Arthur runzelte kurz die Stirn. Sogar Erkrankungen waren bekannt? Diese normalerweise unbekannten Informationen waren Gold wert. Mit Bluthochdruck oder einem Abfall des Blutzuckers konnte man Menschen unvorsichtig werden lassen, um die perfekte Illusion zu schaffen. Doch eigentlich wusste so etwas nur jemand, der nah genug an Jobs dran war. Arthur notierte sich auf seiner imaginären Pinnwand, dass er die Kontakte in Italien hinterfragen musste. Wer hatte Interesse daran, dass Emanuel Jobs diffamiert war? Denn dass Eames allein darauf gekommen war, dass dieser Mann hier in New York gut zu knacken wäre und man dadurch an Kohle kommen könnte, wagte er etwas zu bezweifeln. Irgendwer wird ihn zumindest auf Jobs aufmerksam gemacht haben. Ihr Essen kam. Arthur atmete tief durch und ließ das Essen auf sich wirken. „Lass es dir schmecken..“; sagte er aus Gewohnheit. Es sah gut aus, es roch fantastisch und er hatte mittlerweile wirklich Hunger. Daher griff er nach einem der Tacos und biss hinein, während auch Eames erst einmal aß. Und mit jedem Bissen bedankte sich sein Magen und letztlich würde sich auch bald sein Kopf dafür bedanken. Als Eames schließlich fortfuhr, schärfte sich das Bild, wie der Forger auf ihr potentielles ‚Opfer‘ aufmerksam geworden sein könnte. Eine Hackergruppe erklärte einiges und fsociety sagte ihm etwas. Es klang plausibel, dass eine solche Gruppe Interesse an Turbulenzen eines solchen Unternehmens hatte. Nicht nur, um Chaos im Finanzwesen auszulösen und unter Umständen sich auch selbst daran zu bereichern, sondern weil ein Sicherheitssystem, wie es MoneyGram hatte Nervenkitzel und Herausforderung für diese Menschen bedeutete. Zudem würde es ihnen selbst vermutlich einiges erleichtern, Hacker bei der Hand zu haben, wenn sie sich denn aktiv an dem Diebstahl beteiligen wollten. Arthur hielt einen Moment inne, bevor er wieder in seinen Taco biss, als Eames schwammig wurde. Ein Chip? Nun, das war noch irgendwie plausibel. Aber noch „ein paar Passwörter“? Passwörter in falschen Händen fand Arthur eine weniger schöne Vorstellung. Und wieso wollte ‚Jesse‘ nur den Standort des Chips wissen, nicht den Chip selbst kopiert haben? Arthurs Blick wurde nachdenklicher, besonders beim Nachsatz. Dieses Unternehmen etwas der Kohle zu nehmen, die sie sicher auf verbrecherische Weise Jahr für Jahr erbeuteten, war eine Sache. Eine andere, es ‚in den Boden zu stampfen‘. Es gab genügend Menschen, die auf solche Dienstleistungen angewiesen waren, um ihren Familien beispielsweise Geld zu schicken, damit diese sich etwas zu Essen kaufen konnten. Arthur war kein großer Moral-Apostel – wie könnte er?! Aber alles hatte seine Grenzen. Eames endete ungewöhnlich. Seine Einschätzung wäre der spannendste Teil? Wieso so viel Honig? Arthur hatte angefangen seinen Salat zu essen und stach mit der Gabel ein Stück Avocado auf, das er sich in Gedanken versunken in den Mund steckte. „Four Seasons oder Ritz?“, fragte er schließlich und blickte Eames kurz an. Als jener ersteres bestätigte, nickte er nachdenklich. Sie hatten dort schon operiert. Er hatte sogar bereits Material, auf das er würde zurückgreifen können, auch einen Weg, das Gebäude noch einmal inspizieren zu können. Erneut wanderte sein Blick über seine Pinnwand. Einige Lücken klafften natürlich. Aber das würde sein Job sein, sie zu füllen. Der letzte Bissen wanderte in seinen Mund, dann legt er die Gabel weg. „Machbar“, sagte er knapp. „Wenn das wirklich alles ist, klingt es gut. Eine Traumebene sollte reichen, wenn das Setting on point ist. Mein oder dein Traum; eine Situation, in der er gezwungen ist, diese Dinge in Sicherheit zu bringen und aus der Passivität herauszutreten...“ Er zuckte mit den Schultern und sah Eames an, während er überlegte, wie er die nächsten Fragen formulieren wollte. Er griff zu seinem Bier und trank nun endlich einen Schluck aus der Flasche. In Gedanken hatte dieser Job bereits Formen angenommen, die Pinnwand füllte sich mit Fragen, denen er nachgehen müsste, um alles perfekt vorzubereiten. „Drei Fragen“, sagte er schließlich. „Erstens: Das Geld, das abgezwackt werden soll: stammt das aus einer bestimmten Transaktion oder wird es allgemein vom Firmenvermögen entwendet? Zweitens: Warum Jobs? Wie kommst du drauf? Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Hackergruppe auf dich damit zukommt. Wer ist der wahre Auftraggeber? Und schließlich drittens: Wieviel Zeit bleibt dir – bevor noch andere Körperteile von dir in Mitleidenschaft gezogen werden?“ Nicht, dass ihn das wirklich berührte. Aber der Zeitrahmen war wichtig. Zudem war da diese Stimme in ihm, die ihm flüsterte, dass er Eames nicht über den Weg trauen konnte. Nicht seit er ihn in Tokyo belogen hatte, den ganze Auftrag und sein Leben riskiert hatte, um sich selbst auf andere Weise zu bereichern, als abgesprochen gewesen war. War er nachtragend? Ja, vielleicht. Sollte es ihm gleichgültig sein, was damals passiert ist? Vermutlich. Aber zusammen mit dem Gedanken, dass er Eames hatte vertrauen wollen, dass er ihn als einen der wenigen Menschen an sich herankommen hatte lassen wollen, konnte er es nicht. Seitdem war ihm niemand mehr nahegekommen. Er hatte das bis heute nicht verwunden. Es ärgerte ihn sicher selbst am meisten, dass er nicht weiterkam. Seine Hand strich über sein Jackett, fühlte den Würfel in der Innentasche neben seinem iPhone. Er hatte noch keinen Weg gefunden, seinen Frieden mit damals zu finden. *Eames* [[BILD=^8335427.jpg]] ‘Machbar.‘ Allein diese Aussage war für Eames Bestätigung genug, dass Arthur an Bord gekommen war. Er war bereits jetzt so involviert, dass sämtliche Gedanken um die Informationsbeschaffung rund um Jobs kreisten. Das fleißige Uhrwerk drehte sich weiter und es war so präzise wie eh und je. Er kannte diesen Ausdruck auf seinem Gesicht; hatte ihn häufig beobachten dürfen, wenn Arthur scharf darauf war, das zu tun, was er am besten konnte: Informationen beschaffen, kategorisieren, zuordnen. Struktur, Spezifität; wahrscheinlich bekam er davon abends einen hoch. Und nun kamen wir zum Kreuzverhör, darauf war Eames bereits vorbereitet gewesen. Er tupfte sich erneut den Mund ab und ließ die Serviette auf dem leeren Teller liegen. Dann griff er zu seinem Weinglas (die Flasche war nun halbleer) und nahm einen genüsslichen Schluck, während die unangenehmen Fragen auf ihn einregneten. Vor allem die letzte, verpasste ihm einen Schlag. Er verzog das Gesicht, als wäre der letzte Schluck Wein in seinem Glas ungewöhnlich bitter gewesen und dachte kurz nach. Natürlich hatte Arthur mitbekommen, dass er angeschlagen war. Er war ein verfickter Point Man und er war gut indem was er tat. Einer seiner Mundwinkel zog sich nach oben, während er einen kurzen Moment nachdenklich auf die brennende Kerze auf dem Tisch zwischen ihnen starrte. Auch wenn er sich gern einbildete Arthur überlegen zu sein (das war nach wie vor sein verletzter Stolz), musste er sich eingestehen, dass es keinen Sinn machte dieses Spiel bis zu Ende zu spielen. Nicht, wenn er ihn bei der Stange halten wollte. Und dieses Mal ging es nicht nur um die Piepen. Es ging wahrscheinlich um sein Leben. »Jesse ist der Robin Hood der fsociety. Das Geld wird direkt von den Gehältern der hohen Tiere des Unternehmens abgezwackt, beziehungsweise von Jobs selbst. Deswegen die persönlichen Passwörter.« So viel um Arthurs Gerechtigkeitssinn zu beruhigen. »Jesse und ich sind gemeinsam auf Jobs gestoßen. Es gibt keinen anderen Auftraggeber. Alles was ich weiß kommt von ihm, oder von mir. Was deine letzte Frage betrifft...« Er sah sich um, als befürchtete er beobachtete zu werden. ».. du hast doch heute Nacht eine Couch frei, oder? Der Flug war echt hart. Wir können uns gern bei dir darüber unterhalten.« *Arthur* [[BILD=^8335420.jpg]] Die Reaktion des anderen schien ehrlich zu sein: er hatte einen Nerv getroffen, besonders mit der letzten Frage. Eames steckte in irgendwelchen Schwierigkeiten. Würde er ihm darüber die Wahrheit sagen? Oder würde er ihn anlügen? Arthur würde beides annehmen – oder eine Mischung daraus. Vermutlich würde er nur die Hälfte davon hören, was richtig war. Und er durfte nicht enttäuscht sein, wenn gar nichts richtig war und er wieder einmal auf das perfekte schauspielerische Talent des anderen hereingefallen war. Ja, verdammt, er hatte Lust auf einen Job. Er wollte gerne die nächsten beiden Wochen in etwas anderes Investieren, als Zeit tot zu schlagen. Aber er wusste um das Risiko, das ein Job mit Eames mit sich brachte. Geduldig wartete er ab, während sein Gegenüber in die Kerze blickte und vermutlich abwägte, was er ihm sagen wollte. Den Anflug eines Lächelns wusste er nicht richtig zu deuten. Vielleicht galt es sogar ihm und seiner Beobachtung – who knows. Wirklich schlau würde er aus diesem Mann ohnehin nie werden. Dafür waren sie zu verschieden. Die Antwort, die er letztlich bekam, wirkte ehrlich. Jesse war also ein Wohltäter? Er verteilte das Geld an die Armen? Na hoffentlich profitierten dann wirklich noch ein paar mehr, als nur sie beide davon. Ob Eames das Geld von Saito für den Fischer-Fall schon auf den Kopf gehauen hatte? Egal – interessierte ihn nicht. Aber vermutlich schon. Alle Informationen also von Eames und einem Hacker, der sich hinter einem seltsamen Pseudonym verbarg. Arthur biss sich auf die Unterlippe und spielte mit seiner Gabel. Er machte eigentlich nur Jobs, wenn er dem Auftraggeber in gewisser Weise vertrauen konnte. Oder jemand über den Auftrag entschied, der ehrlich war zu ihm – wie Dom. Seine Augen ruhten auf einem unbestimmten Punkt, während in ihm seine Dämonen aus der Vergangenheit kämpften – nun zumindest, bis Eames die letzte Frage beantwortet. Oder eben nicht beantwortete. Hatte sich der andere gerade umgesehen, ob sie beobachtet wurden? Irritiert sah er auf, als er eine Frage hörte, auf die er nicht wirklich vorbereitet war und für die er so schnell keine Antwort finden würde: …du hast doch heute Nacht eine Couch frei, oder? Eames? In seiner Wohnung? Seinem Heiligtum? Dem Ort, an den niemand kam, den er nicht wirklich mochte, oder nur für eine Nacht benutzte? Dieser ungehobelte Mensch sollte in seine Privatsphäre, die kaum jemand sehen durfte, so weit vordringen. Er hob überrascht die Augenbrauen und sah den anderen an, unwissend, was er erwidern sollte. Er schluckte, seine Gedanken überschlugen sich und irgendwie konnte er keinen klaren mehr fassen. Eigentlich war die Antwort klar: NEIN! NEVER EVER! Aber er brachte es auch nicht über die Lippen. „Wenn ich dir bei dem Job helfe, verlange ich eine Sache von dir!“, sagte er stattdessen. „Absolute Ehrlichkeit. Wenn sich hinterher irgendwie herausstellen sollte, dass du mich mal wieder verarscht hast, dann schwöre ich dir, dass ich dich töte, wenn du mich danach nur noch einmal ansprichst.“ Er sah den anderen eindringlich an, seine Augen hatten sich verengt. Zumindest würde das dann das letzte Mal gewesen, sein, dass er sich von dem Briten verarschen hat lassen. „Für eine Nacht“, hörte er sich dann noch sagen. „Und wenn du dich nicht benehmen kannst, schicke ich dich über die Feuerleiter direkt wieder nach unten!“ Hatte er das wirklich gesagt? Er musste von allen guten Geistern verlassen sein. Your head will collapse But there's nothing in it And you'll ask yourself Where is my mind (https://youtu.be/UYfh9YhUVdE) *Eames* [[BILD=^8335427.jpg]] Eigentlich war das keine Sache auf die man stolz sein sollte, aber es gab Eames immer ein triumphierendes Gefühl, wenn er Arthur aus der Fassung brachte. Selbst in dieser eigenartigen Lage und trotz der fiesen, stechenden Schmerzen, die sich gerade wie heiße Metallspitzen in seine Seite bohrten. Rechts, genau unterhalb seiner Brust. Er atmete schwer und konzentriert, als er Arthur zuhörte, wie er seine albernen Bedingungen aufstellte. Sein Gesichtsausdruck sagte nicht viel aus, er hatte eine Art indifferentes Stadium erreicht, indem er einfach nur abwartete und überlegte. Solange bis Arthur ausgesprochen hatte. Und er musste wirklich stark überlegen. Schließlich ging es nicht um irgendjemanden. Nicht irgendeinen Larry, den er nach diesem Job einfach verabschieden und wieder vergessen würde. Danke, dass sie für Thomas Eames Inc. gearbeitet haben. Für Ihre Mühen erhalten Sie: Einen Arschtritt weniger. – nein, es ging um Arthur und er drückte ihm gerade eine geladene Pistole auf die Brust. Ehrlichkeit... - ein weiteres Lächeln zog sich über Eames Gesicht. Diesmal ein sanftes; irgendwie verletzliches. Was Arthur wollte, war keine Ehrlichkeit. Er wollte nicht die „Wahrheit“. Er wollte Transparenz, Sicherheit, Kontrolle. Wahrheit war etwas wovor man Arthur beschützen musste; siehe Tokyo. Aber dieses Gespräch würden sie vermutlich nie führen, weil der Point Man seine eigene Sicht der Dinge hatte und überhaupt kein Interesse daran, wie es von Eames Seite des Ufers aussah. Could you take my place and stand here? I do not think you'd take this pain You'll be on your knees and struggle under the weight Oh, the truth would be a beautiful thing »Eine Nacht.«, wiederholte er. Die leeren Drohungen, bezüglich der Feuertreppe ignorierte er geflissentlich. Er hatte so gut wie nichts getrunken und er war längst darüber hinweg Arthur den Hof zu machen. Nichts Ernstes mehr. Das hieß nicht, dass er ihn nicht immer wollen würde, aber er hatte aufgehört es zu versuchen. »Wenn ich geduscht habe, sag ich dir alles, was du wissen willst.« Er winkte Candela herbei und zahlte für beide. Um die halbe Flasche Weißwein, die übrigblieb, war es nicht allzu schade. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)