We can never go home von Aka_Tonbo (Steve/Bucky) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Es war nicht ganz so einfach gewesen, unbemerkt zurück ins Haus und in seine Wohnung zu gelangen, war doch schon einiges an Zeit verstrichen und es regte sich das erste morgendliche Treiben in der Umgebung. Zum Glück bot das frühe Dämmerlicht noch den nötigen Schutz den sie brauchten, so dass man nicht wirklich Notiz von ihnen genommen hatte. Die Blutung am Arm des Soldiers hatte ebenso aufgehört, was unschöne Spuren ausschloss, die womöglich noch ungewollte Fragen nach sich ziehen würden, sollte sie jemand entdecken und verfolgen. Das Erste was Steve tat, als er die Tür seiner Wohnung wieder geschlossen hatte, war den Soldier auf sein Bett zu legen, was diesen ein kurzen Laut des Unmutes entlockte, ihn aber nicht zum Aufwachen brachte. Erst jetzt erlaubte sich Steve einen genaueren Blick auf den Mann, dessen letzter Auftrag er gewesen war. Seine Erscheinung hatte sich im Gegensatz zu ihrer letzten Begegnung sichtlich verändert. Die resolute und bedrohlich wirkende Aura, war so gut wie erloschen und ließ nur noch das Bild eines abgekämpften und malträtierten Menschen zurück. Zumindest in diesem Zustand der Besinnungslosigkeit. Steve hegte keinen Zweifel daran, dass sich dieser Eindruck schlagartig ändern konnte oder würde, sobald der Soldier wieder zu sich fand und nicht zuordnen konnte, was mit ihm geschehen war oder wo er sich befand. Aber bis dahin würde er sich erst einmal um ihm kümmern, was beinhaltete ihn aus seinen heruntergekommen Sachen zu befreien, die er sich wohl auf seinem Weg durch die vergangen Wochen, irgendwo angeeignet hatte. Mit Bedacht entfernte er die ausgewaschene, dunkelblaue Sweatjacke, immer ein Auge auf das Gesicht des Soldiers gerichtet, als er dessen Oberkörper langsam ein Stück anhob, um sie ihm gänzlich ausziehen zu können. Der bionische Arm reflektierte das warme Licht der Zimmerbeleuchtung, was fast etwas hypnotisches vermittelte und Steve seine Finger leicht über das kalte Metall streifen ließ, dem solch eine enorme Kraft innewohnte. Es dauerte einen Moment, bis er sich wieder seiner eigentliche Aufgabe besann und sich daran machte das schon recht lädierte Shirt zu entfernen, dessen dünn gewordenen Stoff er einfach zerriss, da es somit einfacher war, als es ihm erst umständlich über den Kopf ziehen zu wollen. Es war eh nichts mehr weiter wert. Es war das erste Mal, dass Steve die harten Vernarbungen sah, die sich über die Schulter und einen Teil des linken Brustmuskels des Soldiers spannten, welche den Übergang von Fleisch und Blut zu Metall und Technik bildete. Dieser Anblick erfüllte Steve erneut mit Wut und Scham über den unwiderrufliches Beweis für sein Versagen, stand außer Frage, dass die Prozedur, die Bucky für diesen Tausch hatte durchleiden müssen, fern jeder menschlichen Schmerzgrenze gelegen haben musste. Denn das Letzte, woran Hydra interessiert war, war Dinge so schonend wie möglich durchzuführen. Ein Blick auf das ruhig wirkende Gesicht des Soldiers und Steve merkte, wie der emotionale Zwiespalt, der sich in ihm aufbaute, dazu führte, dass er sich immer abscheulicher zu fühlen begann. Der Bucky, den er kannte, war stets ein grundfester Charakter gewesen, immer dazu bereit sich für seine Ziele einzusetzen und Rückschläge nicht zu akzeptieren. Der Bucky aus seiner Erinnerung war durch fast nichts zu erschüttern und immer darum bemüht keine Schwäche zu zeigen, selbst wenn es ihn innerlich schon auf die Knie zwang. Bucky war die Person, die ihm ohne Unterlass zu Hilfe kam, wenn er sich erneut in Schwierigkeiten befand. Er war der Mensch zu dem Steve immer aufgeschaut hatte, den er bewunderte und für den er so dankbar war, dass er ihn seinen besten Freund nennen konnte. Ohne ihn, so war sich Steve sicher, wäre sein Leben womöglich schon viel früher zu Ende gewesen, weil er einfach zu stur gewesen war, vor einen Kampf davon zu laufen. Und weil es niemanden mehr gab, der sich so aufopferungsvoll um ihn gekümmert hätte, wenn er wieder einmal von seiner schwachen Gesundheit herausgefordert wurde. Bucky war hitzköpfig, hatte ein zu großspuriges Mundwerk und oft genug viel zu viel Selbstbewusstsein, das ihn in brenzlige Lagen brachte. Sei es wegen einer hübschen Dame gewesen, deren Freund sich durch ihn provoziert gefühlt hatte oder weil er nicht zurückhielt, was er dachte und nach dem handelte, was er als gut und richtig empfand. Bucky war so viel mehr, als das, was er sich selbst zugestand, da er nicht mehr sein wollte als ein einfacher Kerl aus Brooklyn. Nicht mehr als Steve Rogers bester Freund und nicht mehr als jemand der sein Leben selbst bestimmte. All diese Dinge waren es, die ihn schließlich zur Armee geführt hatten, wo er sich durch Ehrgeiz und Begabung seinen Rang erarbeitet hatte. Den Rang, der ihm die Aufgabe auferlegte, eine Division in den Krieg gegen die Nazis zu führen und am Ende vielleicht auch den Grund darstellte, warum man ihn nach ihrer Gefangennahme zu einem Testobjekt ausgewählt hatte. Denn Bucky war stark, war es immer gewesen und das hatte ihn alle Qualen durchstehen lassen, wo andere ihr Leben ließen. Bucky war stark und deshalb… Deshalb hatte er ihn finden können; lebendig. Er war so unbeschreiblich froh gewesen und naiv genug zu glauben, dass er von nun an im Stande wäre Bucky zu beschützen, so wie dieser es all die Jahre zuvor für ihn getan hatte. Als Captain America war er bestrebt gewesen, dass seine Entschlossenheit verbunden mit seinem aufgewerteten Körper und dieser übermenschliche Kraft es nicht zulassen würden, dass Bucky etwas zustieß. Nicht wenn er an seiner Seite bliebe. Das kratzige Stöhnen, das dem Soldier entwich, brachte Steve jedoch zu dieser einzigen, brutalen und ungerechten Wahrheit zurück, die niemand ungeschehen machen konnte. Selbst als Captain America, hatte er Bucky nicht vor seinem grausigen Schicksal bewahren können. Den einzigen Menschen, der ihm trotz allem immer zur Seite gestanden und ihm das Gefühl geschenkt hatte, nicht völlig verloren zu sein, in einer Welt, die die kleinen Dinge im Leben gern übersah oder rigoros niedertrampelte. Doch bevor er sich zu tief in seinen schweren Gedankengängen verirrte, richtete er sich wieder auf und begab sich ins Badezimmer, wo er einige Utensilien zusammen suchte. Mit einem Behältnis, gefüllt mit warmen Wasser und ein paar Dingen, die seiner Wunde am Arm helfen würden ohne eine Infektion zu verheilen, trat er wieder zurück an sein Bett. Steve fragte sich, woher diese Verletzung stammen mochte, war sie eindeutig zu frisch, um schon mehrere Stunden alt zu sein. Schon gar nicht, wenn man dem Soldier ähnliche Eigenschaften geimpft hatte, wie es bei ihm der Fall gewesen war. Sachte setzte sich Steve neben die ruhende Gestalt des Soldiers und wrang das im Wasser befindliche Tuch aus, bevor er dazu überging das getrocknete Blut und anderen Schmutz sorgsam abzuwaschen. Steve war nur zu deutlich bewusst, dass es der Arm war, den er dem Soldier auf dem Heli-Carrier ausgerenkt hatte. Er musste ihn sich dann wohl selbst wieder eingerenkt haben, als er sich zurück in die Schatten verzogen hatte. Steve desinfizierte die Wunde, immer auf der Hut, dass das damit verbundene Brennen den Soldier womöglich wieder zu sich kommen lassen könnte. Doch zeigte dieser keine wahrnehmbare Reaktion auf sein Tun und Steve legte vorsichthalber einen Verband über die Verletzung. Nachdem er das Wasser entsorgt und allen Bedarf wieder aufgeräumt hatte, fiel sein Blick auf die Sachen, die er dem Soldier ausgezogen hatte, beziehungsweise auf das, was davon noch übrig war. Den zerrissenen und nicht grad angenehm riechenden Stoff beseitigte er ohne Umschweife im Abfall. Etwas fiel zu Boden, als er die Sweatjacke aufnahm und Steve sich nach dem Objekt bückte, das sich als ein recht abgegriffenes Portemonnaie herausstellte. Sicherlich nicht das des Soldiers. Der Inhalt war spärlich. Zwanzig Dollar, ein Wettschein von einer Pferderennbahn, ein Abschnitt herausgerissen aus einem Telefonbuch mit einer eingekreisten Nummer. Ein knittriger Schuldschein verriet jedoch, dass die Börse wohl einem Henry Morgan aus Wichita gehört haben musste. Nicht grad ein Ort der um die Ecke lag. Aber der Soldier hatte auch einige Wochen Zeit gehabt herum zu kommen und was auch immer ihn grade nach Wichita geführt hatte, er hoffte das Henry Morgan noch immer unter ihnen weilte und nicht halbnackt und leblos in irgendeiner Seitenstraße aufgefunden worden war. Das leise Surren, das von der Vibration seines Handys auf der Kommode neben ihm ausging, unterbrach Steves Vorstellung, auf welche Art und Weise der Soldier sich diese Kleidung angeeignet haben konnte und er schaute auf den Namen, den das Display anzeigte. Leise begab er sich aus dem Zimmer, um den Anruf anzunehmen, ließ die Tür jedoch einen Spalt weit offen, so dass er noch immer Sicht auf den Soldier hatte. „Hey Sam.“ Steve hatte ihm vorhin eine Nachricht zukommen lassen, dass er den Soldier gefunden hatte oder besser gesagt dieser ihn und nun würde Sam sicherlich die genauen Umstände dazu wissen wollen. „Gib mir ein paar Stunden und ich bin da.“, hatte Sam ihm mitgeteilt, als Steve ihm grob die Lage geschildert hatte, was Steve erneut mit sich hadern ließ. Sam wusste die Pause in ihrem Gespräch allerdings recht schnell zu deuten. „Fang gar nicht erst an, es mir ausreden zu wollen. Ich kenne diese Reden nun zur Genüge!“ Steve war klar, dass Sam es nur gut meinte, auch wenn seine letzte Begegnung mit dem Hydra- Killer nicht grade besonders freundlich verlaufen war. Dennoch stellte der Soldier trotz seines Zustandes immer noch eine ernst zu nehmende Gefahr dar, da dieser kaum einzuschätzen wäre, würde er wieder zu sich finden. „Und genau deshalb sind zwei besser als Einer.“, war Sams Antwort auf seine Zweifel. Steve stritt nicht ab, dass dieser sein militärisches Geschick schon deutlich unter Beweis gestellt hatte. Dass es von Vorteil sein konnte, dass der Soldier Sam nicht fremd war und das dieser mittlerweile auch nachvollziehen konnte, was Steve mit dessen früheren Ich verband. Er hatte ihn so viel darüber wissen lassen, wie er dachte, dass es Licht ins Dunkel bringen würde, warum er so vehement darauf bestand, versuchen zu wollen, ihn aus dieser Starre des Vergessens und der falschen Eingebungen befreien zu wollen. Und Sam hatte seine Beweggründe auch durchaus verstanden. „Wäre ich in deiner Situation und es würde sich um Riley handeln, würde ich definitiv nicht anders denken. Also lade dir nicht alles allein auf, Kumpel.“ Aber Sam hatte ihn auch wissen lassen, dass es durchaus sein konnte, dass Bucky schon vor langer Zeit aufgegeben hatte, sich gegen den Soldier zu wehren und all die Erinnerungsfragmente einfach nur noch reine, unbestimmbare Willkür sein konnten. Ähnlich einem überreizten Nerv der ein Zucken auslöste, das genau so abrupt und farblos wieder verschwand, wie es gekommen war. Und auch wenn Steve wusste, dass Sam es nur gut mit ihm meinte, indem er ihn sich nicht in zu emotionaler Hoffnung verlaufen ließ, wollte Steve seine so unbestrittene Zuversicht nicht aufgeben. Ein optimistischer Blick nach vorn war manchmal alles was es brauchte, um am Ende etwas Positives bewirken zu können. Und solange es auch nur der winzigsten Funken eines Lichtblickes gab, würde er versuchen aus ihm ein Feuer zu entfachen. Eine Landschaft aus grauer Asche war trotz allem nicht ohne Leben. Sam teilte ihm mit etwas zurückhaltender Zustimmung mit, das er in spätestens 5 bis 6 Stunden da sein würde, da er noch ein paar Dinge zu regeln hatte. Abschließend bat er ihn ausdrücklich Wachsam zu bleiben, egal wie der Soldier sich verhalten mochte. „Mach dir keine Sorgen, ich weiß schon was ich tue.“ Steve entging das leise, zweifelnde Murren nicht, das Sam auf seine Antwort hin von sich gab und es brachte ihn unweigerlich etwas zum Lächeln. „Warum hab ich das Gefühl, das „Keine Sorgen“, im Falle von Captain America, leider nicht sämtliche Optionen umfasst?“, fügte Sam noch an und Steve konnte sich einen amüsierten, aber auch leicht schuldbewussten Laut nicht verkneifen. „Ich verspreche dir, dass ich versuchen werde Risiken so gut es geht zu vermeiden.“ „Kumpel, das beruhigt mich kein Stück! Aber damit muss ich wohl lernen zu leben, was?“ Es war eine rhetorische Frage, doch war das, was zwischen den Zeilen stand ebenso deutlich. „Ich schulde dir was, Sam.“ Nun war es an Sam, ein sympathisierendes Schnauben von sich zu geben, auf diese solide Bekundung der Dankbarkeit eines Steven G. Rogers. „Ich hoffe du hast genug Kaffee im Haus, Cap.“ Steve war wirklich froh, jemanden wie Sam gefunden zu haben. Steve hatte sich wieder ins Schlafzimmer begeben, wo er sich in den Sessel, der schräg gegenüber des Bettes stand, setzte und seinen Blick abermals über den Soldier schweifen ließ. Dieser hatte seine Position nicht verändert, das Einzige, was Steve davon überzeugte, dass dieser halbwegs in Ordnung war, war das regelmäßige Aus- und Einatmen, das er wahrnehmen konnte. Doch dann rührte sich schließlich doch etwas. Zuerst nur das vage Bewegen der menschlichen Finger, gefolgt von dem behäbigen Anwinkeln des rechten Beines, um sich schließlich auf die Seite zu rollen. Und Steve konnte verfolgen, wie sich der Soldier gleich einem schutzloses Kind zusammenkrümmte, seine Arme um den Oberkörper schlang und sein Kopf fast auf seine Knie gelangte. Es war ein herzzerreißender Anblick. Ein leichtes Zittern durchzog den so ungewohnt zerbrechlich wirkenden Mann vor sich, worauf Steve sich rasch erhob und eine Decke aus seinem Kleiderschrank zog, die er dem Soldier überlegte. Und es dauerte nur einen Moment, bevor sich dessen linke Hand in dem warmen, weichen Stoff vergrub und er diesen noch enger um sich zog. Steve wehrte sich auch nicht gegen den inneren Drang, den Soldier wissen zu lassen, dass er nichts zu befürchten haben brauchte. Dass er nicht noch einmal zulassen würde, dass ihn jemand etwas derart schreckliches antat, selbst wenn er davon ausgehen musste, dass seine Worte ungehört verhallten. „Hier bist du sicher.“ Es war ein Versprechen, mehr als eine bestätigte Tatsache, dass Steve seine Finger sanft über das sich etwas derb anfühlende Haar des Soldier streifen ließ. Und er erinnerte sich daran, wie ihm Bucky früher stets dieselbe Geste hatte zukommen lassen, wenn er von einem Fieber gebeutelt das Bett hüten musste und selbst nicht sicher war, ob er es diesmal überstehen würde. Buckys Hände waren größer und rauer gewesen als die seinen, aber er konnte ihnen eine ungemeine Sanftheit inne wohnen lassen, die Steve immer ein Gefühl von Geborgenheit vermittelt hatten, wenn er sich so unglaublich elend fühlte. Sicherlich auch ein Punkt, den die Damenwelt zu schätzen wusste, gab es doch kaum ein Mädel in ihrer Nachbarschaft, das nicht für Bucky geschwärmt hatte. Und dennoch, wenn es ihm schlecht ging, war Bucky nur für ihn da. Egal wie lang die Nächte sich auch zogen, in denen er von Hustenattacken gepeinigt wurde, oder sein Fieber trotz Medizin einfach nicht absinken wollte. Es war so typisch Bucky gewesen, ihn im ausgeprägten Brooklyn Jargon die Leviten zu lesen, sobald es ihm wieder besser ging, da ein offensichtliches Zugeständnis der Erleichterung einfach nicht dramatisch genug gewesen wäre. „Ich hab was gut bei dir, Rogers, dass du das ja nicht vergisst.“ War stets der Abschluss seiner wortgewandten Ansprache. Aber egal, was noch auf sie zukam, Bucky hatte nie wirklich auf sein Recht, etwas von ihm einzufordern zu können, zurückgegriffen. „Ich stehe noch immer so tief in deiner Schuld.“, flüsterte er seiner Erinnerung anfügend, hatte er doch nie das Gefühl gehabt, dankbar genug gewesen zu sein. Weder vor noch während des Krieges. Am Ende war nicht mehr als ein zersplittertes Versprechen übrig geblieben, als die Realität, dass Bucky verloren war, unaufhaltsam auf ihn nieder sank und seine Zuversicht und Hoffnung mit ihm gemeinsam den Krieg zu überstehen, als blutroter Schnee in seinen Händen geschmolzen war. Auch siebzig Jahre im Eis hatten nichts dazu beigetragen, diesen Schmerz des Verlustes aus seinem Herzen zu filtern. Das Einzige, was ihm diese neue und nahezu ausdruckslose Welt zu geben im Stande gewesen war, war die Bürde sich so schnell wie möglich anzupassen, um nicht einfach von ihr verschluckt zu werden. Sie hatte ihm somit kaum Zeit gelassen, zu sehr in der Vergangenheit zu verweilen. Seine seelischen Wunden wurden grob zusammengeflickt und mit der ihm auferlegten Pflicht als Captain America verklebt. Er hatte es hingenommen. Was sonst blieb ihm auch übrig? Schließlich war er zum Anführer einer chaotischen Superhelden-Formation auserwählt worden, doch es war bei weitem nicht das, was er von früher und seiner Truppe gewohnt gewesen war. Es gab nicht nur einen Augenblick, wo er sich gewünscht hatte jemanden wie Bucky in diesem Team zu wissen. Jemanden dem er vertrauen, auf den er sich verlassen konnte. Dass sie am Ende doch noch zu einem Ensemble wurden, war wohl mehr mit einem Glücksspiel vergleichbar gewesen, als mit ehrgeizigem Teamgeist. Dennoch war das Gefühl neue Freunde gefunden, eine Kampf gewonnen und Menschen vor schlimmeren bewahrt zu haben, nicht genug um sich einreden zu können nun vollkommen dazuzugehören. Er vermisste sein altes Leben, auch wenn es nie leicht gewesen war und man sich um so viele, heutzutage beinahe selbstverständliche Dinge, stets bemühen musste. In dieser Zukunft war Überfluss nichts, was einen noch in Erstaunen oder Begeisterung versetzte. Viele Dinge hatten keinen richtigen Wert mehr, da sie als alltäglich oder überflüssig angesehen wurden. Er vermisste sein altes Leben, weil dieses ihn gelehrt hatte, trotz aller Widrigkeiten sich selbst treu zu bleiben. Ein guter Mensch zu sein. „Selbst als ich nichts hatte, Bucky war da.“Steve hatte nicht erwartet, dass man die Tiefe seiner Worte verstand, als er Bucky zum ersten Mal unter der Identität des Winter Soldiers erkannt hatte. Nur ihm war das Gewicht seiner Erinnerung gegenwärtig. Und das war es noch immer. Er wusste, dass es egoistisch war, Buckys Präsenz, in dieser neuen Zeit auch nur für eine Sekunde als eine zweite Chance zu betrachten, war Buckys Weg von Schmerz und Drangsalierung geprägt gewesen. Trotzdem war er nicht bereit, ihn als blankes, willenloses Mordwerkzeug zu betrachten. Nicht, nachdem er mitbekommen durfte, wie sehr dieser unter seinem eignen Zustand litt. Ein Blick auf die Uhr auf seinem Nachtisch zeigte, dass es bereits Fünf Uhr war und er seit gut drei Tagen kaum ein Auge zugetan hatte. Es mochte ein Vorteil sein, sich als Super Soldat nicht mehr derart an solch eine Notwendigkeit wie Schlaf gebunden sehen zu müssen, doch auf der anderen Seite war sein Hunger in solchen Fällen nur noch ausgeprägter, benötigte er trotz allem etwas, dass ihn auf den Beinen hielt. Dennoch wollte er den Raum nicht wegen solch einem unpassenden Grund verlassen. Ein Griff in eine Schublade der Kommode ließ ihn einen Notizbuch und einen Bleistift herausholen, bevor er sich zurück in seinen Sessel begab. Das Zeichnen hatte ihn immer die Zeit vergessen lassen und solange, wie Sam noch nicht hier war, würde er sich einfach damit beschäftigen. Wie erbeten ließ ihn Sam durch eine Nachricht auf sein Handy wissen, dass er sich vor der Tür befand, anstelle sich mit einem Klingeln oder Klopfen bemerkbar zu machen, wollte Steve doch jegliche schroffe Störung ausschließen. Es war nicht abzusehen, wie der Soldier auf unerwartete, laute Geräusche reagieren würde in seinem Zustand. Also vermied er es lieber. „Und alles noch dran?“ Steve schenkte Sam auf diese Begrüßung hin ein Lächeln und eine kräftige Umarmung, bevor er ihn in den Flur bat und die Tür wieder hinter ihnen schloss. „Wie versprochen.“ Mit einer Drehung um sich selbst gab er Sam die nicht allzu ernst gemeinte Möglichkeit sich davon zu überzeugen, der dies mit „Dein Glück“ durchgehen ließ. „Wo ist er jetzt?“ Sam stellte seine Tasche, die er geschultert hatte, auf einem Stuhl im Gang ab und folgte Steves Geste, in welcher er mit dem ausgestreckten Arm auf eine nicht gänzlich geschlossene Tür verwies. „Er schläft.“ Mit leisen Schritten legten sie die wenigen Meter zum Schlafzimmer zurück, wo Steve die Tür vorsichtig weiter aufschob. „Er sieht ziemlich mitgenommen aus. Ich habe ihn hertragen müssen, da er mir nach unserer kleinen Auseinandersetzung einfach zusammengesackt war.“ Steve nahm seine Augen nicht vom Soldier, als er Sam dies alles mitteilte und versteckte auch nicht die Mannigfaltigkeit an Emotionen, die sich dabei im Klang seiner Stimme und seiner Mimik wiederspiegelte. „Ich habe keine Ahnung, wie er mich gefunden hat, noch was in den letzten Monaten mit ihm passiert ist.“ Steves Gesichtszüge gaben nun einen fürsorglichen Ausdruck wieder. „Aber ich bin froh, ihn jetzt bei mir zu haben.“ Sam nickte verstehend. „Wir wissen aber nicht wie er reagieren wird, wenn er wieder zu sich kommt. Es ist wahrscheinlich, dass er sich mit seinem Zustand und dieser Umgebung reichlich überfordert fühlen wird. Von daher sollten wir uns auf ein weniger erfreuliches Szenario einstellen.“ Sam schlug vor, dass sie, solange der Soldier noch schlief, alle Dinge, die eine potenzielle Gefahr darstellen könnten, aus dem Raum entfernen sollten, sollte der Soldier etwas zum Angriff oder zur Abwehr zum Einsatz bringen wollen. „Ich hoffe, er zerlegt nicht die Einrichtung, um uns mit einem gesplitterten Stück Holz zu attackieren. Nicht, dass ich mich wehrlos fühlen würde, so ist es nicht, nur wäre es schon schade um deine Möbel, Cap.“ Steve musste über die Worte seines Freundes doch etwas schmunzeln, auch wenn sein Gedanke nicht ganz widersinnig war. Ein kurzes kratziges Stöhnen lenkte ihrer beider Blicke auf die Person im Bett, welche plötzlich von einem deutlichen Zucken durchfahren wurde. Steve war sofort an der Seite des Soldiers. „Vielleicht ein Alptraum?“, gab er seine Einschätzung wieder, was Sam schon in Alarmbereitschaft versetzte. Ein angestrengtes Zischen vermischte sich mit dem heftiger werden Rucken des Körpers auf dem Bett und es war deutlich zu erkennen, wie hastig und unregelmäßig die Atmung des Soldier wurde. Auch wenn es kaum noch möglich schien, so krümmte dieser sich noch mehr zusammen, während sich ab und an ein Wimmern über seine spröden Lippen stahl. Sam war sich nicht sicher, ob es wirklich eine gute Idee darstellte, sich derart nahe an einem Elite-Killer zu befinden, der psychisch äußerst instabil war. Aber ein Blick auf Steve zeigte, dass dieser daran nicht wirklich einen Gedanken zu verschwenden schien. Sachte strich er dem Soldier über die dunklen Haare, die etwas länger schienen, als Sam es in Erinnerung hatte. In einem Flüsterton sprach Steve auf den Soldier ein, im Versuch ihn wieder etwas zu beruhigen, doch schien der gewünschte Effekt nahezu auszubleiben. Doch Steve zeigte sich hartnäckig und wisperte immer und immer wieder, dass er sicher sei, dass niemand ihm hier etwas tun wolle, und dass er für ihn da wäre. „Das verspreche ich dir, Buck.“ Es war der Zeitraum eines Wimpernschlags, als Steve diesen letzten Satz hervorgebracht hatte und dem abrupten Vorschnellen einer metallischen Hand, die sich zielstrebig um Steves Kehle legte. „WOW!“, hörte er Sam erschrocken hervorbringen, der kurz abwog, was das Beste zu tun wäre. „Das scheint zur Gewohnheit zu werden.“, brachte Steve keuchend hervor und sah sich erneut mit dem kalten Blick des Soldiers konfrontiert. Und grade, als Sam sich dessen ungeschützte Rückseite zu Vorteil machen wollte, fügte Steve an, dass es schon ok sei und er die Sache im Griff habe. „Der Griff ist eindeutig gegen dich!“ Steve konnte sich denken, dass Sam es für eindeutigen Wahnsinn hielt, ihn zurück zu rufen, war der Soldier kurz davor ihn zu erwürgen. „Hast du einen Todeswunsch?“, zischte ihm der Soldier aggressiv entgegen und zu Sams völliger Verwunderung sah er, wie sich ein warmes Lächeln auf Steves Lippen legte. „Ganz sicher nicht. Nicht nachdem ich dich wiedergefunden habe.“ Steves Stimme war, trotz seiner Lage, sanft in ihrem Klang und sein Gesicht verlor nicht einen Moment an Milde. Etwas, das den Soldier augenscheinlich zu irritieren wusste. „WIESO TUST DU DAS?!“ Sam war kurz davor einzugreifen, als er das wütende Fauchen des Soldier vernahm, waren seine Nerven eh schon bis zum Zerreißen gespannt. Abermals hielt ihn Steve mit einer Geste seiner Hand davon ab. „Weil du mein Freund bist. Daran hat sich nichts geändert und das wird es sich auch nicht.“ Steve legte eine Hand auf die Schulter des Soldiers, die mit dem bionischen Arm verbunden war. „Lass mich dir helfen.“ Diese Bitte glich einem Echo, das sich immer und immer wieder von all der Gegenwehr, die man ihm gegensetze abstieß und einfach nicht verstummen wollte. „Du bist ein Idiot, Rogers.“ Es mochte dem Soldier nicht bewusst gewesen sein, als er Steve bei seinem Zunamen nannte, aber für Steve selbst war es ein konkreter Wechsel des Soldiers zu Bucky. „Heißt das, ich habe gewonnen?“ Der Griff um seinen Hals war noch immer fest, aber nicht mehr so rigoros wie zuvor. Ein gutes Zeichen, etwas zu dem Soldier oder gar Bucky vorgedrungen zu sein. Ein schnippisches Zischen, mit dem Bucky früher immer angezeigt hatte, dass er sich mal nicht zu viel auf sich einbilden sollte, folgte und für einen Moment war es auch Bucky, dem er in die Augen schaute. Steve war sich sicher. „Wo bin ich?“, war die erste Frage, nachdem er von Steve wieder abgelassen hatte und dieser ihm die Sachlage erklärte, als wäre der Umstand, dass man ihn grade noch umbringen wollte, völlig normal. Und womöglich war es das sogar, ging es Sam durch den Kopf, als er sich erlaubte kurz erleichtert durchzuatmen. Als Captain America hatte Steve wohl schon oft genug solche Situationen über sich ergehen lassen müssen und sich irgendwann damit abgefunden. Der Soldier schaute sich nun prüfend im Raum um und es war nicht auszumachen, was ihm dabei durch den Sinn gehen mochte. Erst jetzt wurde Sam richtig bewusst, was alles auf sie zukommen konnte. Was wussten sie schon darüber, wo der Soldier die letzten Wochen zugebracht hatte? Vielleicht war dies alles ein abgekartetes Spiel der Strippenzieher, die über ihm standen und ihm seine Befehle zuwiesen. Nur weil sie Pierce zur Strecke gebracht hatten, hieß es nicht, dass sie aufatmen konnten. Sie sollten sogar vom Gegenteil ausgehen. Jetzt wo sie einen der Hauptaktivisten ausgeschaltet hatten und Hydra auf SHIELD nicht mehr zurückgreifen konnte, um unbemerkt weiter Schaden anzurichten, wäre es nur denkbar, wenn sie es mehr denn je auf Captain America abgesehen hätten. Es war nicht auszuschließen, dass sie sich Steves Absichten, seinen alten Freund aus dem Geist, den der Winter Soldiers darstellte, wieder herauszukristallisieren, zu Nutze machen wollten. Mit der Hoffnung, dass dieser seine Deckung soweit aufgab, dass es ein Leichtes wäre ihn unschädlich zu machen. Und von dem, was Sam verfolgen konnte, war Steve wirklich nicht dazu bereit zu große Vorsicht walten zu lassen in seiner Mission. Der Soldier indes hatte kein weiteres Wort mehr von sich gegeben, sondern schaute nun starr auf seine Hände, die er in der Decke, die sich nur noch über seinen Beinen befand, vergraben hatte. Als wäre er gedanklich in einer anderen Dimension. „Steve.“ Sam wollte seine Bedenken vorbringen, solange es noch Sinn machte und sie noch die Gelegenheit dazu hatten. Mit einer Kopfbewegung, die in Richtung Tür verwies, zeigte er Steve an, dass er ihm folgen solle. Doch erst nach einem überlegenden Blick auf den Soldier kam er der Aufforderung zögerlich nach. „Und was meinst du Sam? Er scheint weniger aggressiv zu sein, als beim letzten Mal. Ich denke, das ist schon ein recht guter Anfang, meinst du nicht?“ Steves Aufmerksamkeit haftete weiter auf der Gestalt des Soldiers, die sie durch die halb offene Tür noch immer im Blick hatten, während er seine Zuversicht mitteilte. Sam konnte sich auf die so unglaublich optimistischen Worte seines Freundes ein leichtes Seufzen nicht verkneifen, bevor er in Steves positiv dreinschauendes Gesicht blickte und in verhaltenem Ton sein Anliegen vorbrachte. „Ich weiß, dass du in ihm deinen alten Freund suchst, und ich verstehe das auch. Aber; Steve wir wissen nichts über ihn. Wir haben keine Ahnung, wo er die letzten Wochen war. Und auch wenn ich dir ungern deine Hoffnung nehmen will, so müssen wir in Betracht ziehen, dass er noch immer zu Hydra gehört. Am Ende haben sie ihn her geschickt, ihm eingespeichert, dass er sich genau so verhalten soll, wie er es eben tut, nur um dein Vertrauen zu gewinnen. Was der Sinn und Zweck des Ganzen wäre, muss ich ja nicht erklären.“ „Das glaube ich nicht.“ Sam rieb sich etwas frustriert die Stirn über Steves unerschütterliches Vertrauen in eine Person, die beauftragt worden war, ihn auszuschalten. „Ich weiß, was du meinst Sam und ich bin mir dem Wagnis bewusst, aber wenn auch nur die kleinste Möglichkeit besteht, durch sein Programm durchzubrechen, ihn davon zu überzeugen, dass er nicht dazu gezwungen ist, weiter für Hydra zu arbeiten und sich von ihnen manipulieren zu lassen, dann will ich sie nutzen. Alles andere ist keine Option für mich.“ Steves letzte Worte lösten in Sam ein seltsames Gefühl aus. Es mochte nur Einbildung sein, aber Sam besorgte Steves eiserne Entschlossenheit, wenn es um Barnes ging ab und an. Indem was er bereit war für diesen zu riskieren. Deswegen ließe Steve ihm damit auch nur zwei Möglichkeiten offen. Entweder er würde ihn bei seinem Vorhaben unterstützen oder er zog sich aus der ganzen Angelegenheit zurück. Sam war sich sicher, dass Steve beides mit einem Lächeln akzeptieren würde. Würde man denn Umstand entfernen, dass es sich hier um Captain America und einen fast mystischen Attentäter ging, wäre diese ganze Geschichte nahezu mit einer dramatischen Romanze zu vergleichen, in welcher sich der große starke Held um die Liebe seines Lebens bemüht, egal welche Opfer es kosten sollte. „Na dann hoffe ich mal, dass ich zu euer Hochzeit eingeladen werde, wenn das hier alles überstanden ist.“, ließ Sam seinen Gedanken amüsiert nachfolgen, was Steve augenblicklich rot werden und zur Seite blicken ließ. Sam ließ ein offenes Lachen hören über diese Reaktion, war es doch das erste Mal, dass er Steve derart peinlich berührt erleben durfte. „Entspann dich Cap, das sollte nur ein Spaß sein.“ Etwas verwundert musste Sam feststellen, dass Steve sich merklich verspannt zeigte, als er ihm kumpelhaft einen Arm über die Schultern legte. „Ja…ja ich weiß.“ Damit entfernte sich Steve auch schon wieder von ihm und gesellte sich zurück an die Seite des immer noch reglosen Soldiers. Zu spät kam Sam der Gedanke, dass Steve gut 70 Jahre sozialer Veränderungen verschlafen hatte und das zu seiner Zeit die Dinge noch kritischer betrachtet worden waren, als es heutzutage der Fall war. Natürlich sollte es ein Scherz sein, aber womöglich hatte er damit einen Punkt in ihm getroffen, wenn er beim bloßen Gedanken an Homosexualität schon in Abwehrhaltung ging. Er wusste, dass es damals nahezu fanatisch verurteilt wurde, diese Neigung zu besitzen. Es war das Ende des Rufes eines jeden Soldaten, dem so etwas nachgewiesen werden konnte oder aus einem boshaften Verlangen heraus angehaftet wurde. Sie kannten sich eindeutig nicht lange genug, als das er wüsste, wie Steves Einstellung zu diesem Thema war, war dieser ja quasi damit aufgewachsen, dass es etwas grundlegend falsches und verwerfliches darstellte. „Ich kann hier nicht bleiben!“ Die raue Stimme des Soldiers ließ Sam nun ebenso zurück ins Schlafzimmer eilen, wo Steve diesen an den Schultern festhielt und mit einem dieser flehenden Blicke anschaute, den der Soldier aber entschieden ignorierte. Ruppig rückte dieser nun an die Kante des Bettes, während er Steves Hände energisch von sich schlug. „Ich kann hier nicht bleiben.“, wiederholte er etwas ruhiger und schien einen Moment abzuwägen, ob er seinen Entschluss erklären oder sich doch einfach nur den Weg nach draußen suchen sollte. Steves Gesicht gab indes seinen inneren Zwiespalt offen preis. Wenn der Soldier darauf bestand, wieder verschwinden zu wollen, würde er sich entscheiden müssen, ob er dies einfach so zulassen würde. Oder ob er ihn mit Nachdruck dazu zwingen sollte, hier zu bleiben, was auf jeden Fall in einer Auseinandersetzung enden würde, auf die er nicht erpicht war. Es wäre auch gar nicht möglich, ihn mit Gewalt hier festzuhalten, befanden sie sich schließlich nur in einem Apartment in einem durchschnittlichen amerikanischen Wohnhaus. Es gab keine Sicherheitsmaßnahmen, die sie hier würden für sich nutzen können. Ganz zu schweigen was mit den anderen Bewohner in diesem Gebäude passieren könnte, sollte der Soldier plötzlich Amok laufen. Auf der anderen Seite, das war Sam klar, wollte Steve einfach nur verhindern, dass der Soldier am Ende doch wieder Hydra in die Hände fiel, dass man ihn erneut quälte für ihre Zwecke und das es womöglich dann zu spät sein würde, diesem noch irgendwie helfen zu können. Das Letzte, was Sam miterleben wollte, war das Steve sich dazu gezwungen sah, den Soldier liquidieren zu müssen, da er einfach nur noch eine potenzielle Gefahr für die Menschheit darstellte. „Dann lass mich mit dir kommen.“ Sam war sich nicht sicher richtig verstanden zu haben, aber der Ausdruck auf Steves Gesicht zeigte deutlichen Ernst, was auch dem Soldier nicht entging, der ihn auf diese Bitte hin zweifelnd musterte. „Warum?“ „Weil ich mir Sorgen um dich mache.“ Steve kniete sich nun vor den Soldier und schaute diesen weiter eindringlich an. „Lass mich mit dir kommen. Wenn es noch etwas gibt, dass du erledigen willst, wenn du Antworten suchst oder einfach nur etwas Orientierung brauchst, dann könnte ich dir helfen.“ „Was ist wenn ich vorhabe, jemanden zu töten?“, war die prompte und emotionslose Resonanz. „Eine Hausfrau in Michigan vielleicht, während sie ihre Kinder zum Schulbus bringt oder einen Geschäftsmann aus Ohio, während er im Park mit einer Frau flirtet. Oder ich erschieße einfach eine Grundschullehrerin, während sie einer Gruppe Kinder aus einem Buch vorliest.“ Ein düsteres, fast manisches Grinsen folgte seiner Aufzählung. „Würde der große Captain America mir dabei zur Seite stehen?“ Die Provokation war beißend und zynisch, aber ebenso ungewöhnlich, wenn man bedachte, dass der Mann, der vor all den Wochen das erste Mal seinen Weg gekreuzt hatte, nur auf einprogrammierte Befehle handelte und nun so etwas wie eigene Optionen aufgezählt hatte. „Das würde ich nicht. Ich würde dich aufhalten, für diese Menschen und… um deiner Selbstwillen.“ Das folgende, rostig klingende, irrwitzige Lachen, das der Soldier von sich gab, war fern eines jeden Lautes, den Sam je gehört hatte und es bescherte ihm eine frostige Gänsehaut. „Meiner Selbstwillen!?“ Es war eindeutig kein gutes Zeichen, wie sich die Gesichtszüge des Soldiers verhärteten und sich dessen gesamter Körper über diese Aussage hin anspannte, als würde er jeden Augenblick wieder die Kontrolle über sich verlieren. „Ich habe genug von diesem Schwachsinn!“, gab er harsch von sich, bevor er sich in einer raschen Bewegung aufrichtete und an Steve vorbei trat, im Bestreben verschwinden zu wollen. Es brauchte keine zwei Schritte, ehe er ins Straucheln geriet und seine menschlichen Hand angestrengt an seine rechte Schläfe presste, während er mit dem bionischen Arm seinen Fall abfing. Die Schmerzen, die er zu fühlen schien, ließen gepeinigte Laute hervortreten, die immer mehr an Ausdruck und Volumen gewannen und dessen Gesicht einen gequälten und gehetzten Ausdruck verlieh. Die Hand, die plötzlich beruhigend über seinen Rücken strich, unterbrach den Leidensprozess des Soldiers kurz und er schenkte Steve erneut diesen Blick, der ausdrückte, dass er nicht verstand warum dieser sich ständig seiner annahm. „Warum?“, presste er durch die vom Schmerz zusammengebissenen Zähne, und Steve wiederholte sein Versprechen für ihn da zu sein mit einem liebevollen Lächeln, was den Soldier energisch den Kopf schütteln ließ. „Ich bin nicht der, den du suchst…“ Es war nur ein leises Flüstern, als wolle er diese Worte nur mit sich selbst teilen, um diese für ihn bestehende Tatsache wieder aufzufrischen. „Von ihm ist nichts weiter übrig als ein fahler Geschmack.“ Ein dumpfer Klang war zu vernehmen, als der Körper des Soldiers zur Seite sank. „Du kannst ihn nicht retten.“, war das Letze, was er von sich gab. Sein Körper war ihm abermals fremd, als er ruckartig seine Augen aufriss und ihn erneut dieses bittere, wallende Gefühl durchzog. Dieser Körper war schwach geworden, seit er sich allein befand. Viel zu oft reagierte er wider seinen Befehlen, schien regelrecht um ihn herum auseinander zu brechen und er wusste nicht, wie er dies reparieren sollte. Es war nicht der Schmerz, den er gewohnt war zu erdulden. Dieser Schmerz mündete nicht in blanke Kontrolle, verlieh ihm keine Kraft und schirmte ihn auch nicht von all diesen unnötigen Informationen ab, die für eine Mission nicht erforderlich waren. Hydra hatte stets sichergestellt, dass er, wenn nötig auf einer Mission durch das Injizieren eines für ihn abgestimmten Extraktes ohne Probleme über Tage hinweg 100 prozentig leistungsfähig blieb. Sein Körper kannte keine menschliche Schwäche. Hydra hatte alles daran gesetzt, ihn zu einer perfekten Waffe zu machen, die stets einsatzbereit wäre. Auf seiner Flucht hatte er sich von dem, was ihm an dieser Lösung zugeteilt worden war, weiter funktionstüchtig halten können, doch als nichts mehr davon übrig war, hatte er begreifen müssen, dass dies nur ein weiterer berechnender Akt von Hydra gewesen sein musste. Sie wussten, was passieren würde, hätte er sich zuvor schon einmal aus irgendeinem Grund von ihnen abwenden wollen. Entweder wäre er freiwillig zurückgekommen oder er wäre irgendwann eh nicht mehr im Stande gewesen zu entkommen und sie hätten ihn wieder eingefangen. So oder so, er wäre ihnen ausgeliefert gewesen. Denn es bestand kein Zweifel, dass er in seiner jetzigen Verfassung keine Chance gegen ein befehligtes Einsatzkommando der Hydra gehabt hätte. Er fühlte sich blank. Wie eine offene Wunde, die immer weiter aufquoll und in der sich eine säureartige Infektion auszubreiten begann. Und er wusste nicht, was zu tun war, um dem entgegenzuwirken, ohne sich auszuliefern. Sein Programm war nach und nach immer weiter zum Erliegen gekommen, seit er diesen Mann aus dem Fluss gezogen hatte. Er hätte ihn umbringen sollen. Und doch hatte er immer wieder gezögert. Dieser Mann hatte etwas in ihm ausgelöst, das seine Steuerung durch Hydra mit einer Fehlfunktion belegt hatte, seit er ihn auf dieser Brücke mit diesem Namen konfrontiert hatte. Ein Name, den er auch in diesem Museum hatte lesen können und all das, was diese Person, zu dem er gehörte, ausgemacht hatte. Und auch wenn all diese Worte und all diese großen Taten nichts in ihm wachriefen, so blieb diese Stimme, die ihm diesen Namen gegeben hatte stets in seinem Kopf. Diese Stimme, die sich in sein Unterbewusstsein gegraben hatte, ließ ihn zögern, ließ ihn zweifeln, ließ all die dunklen Kammern in seinem Kopf sichtbar werden, von denen er nicht gewusst hatte, dass sie überhaupt existierten. Er spürte dieses ungewohnte Drängen, hörte das Scharren hinter den schweren eisernen Toren, wenn es nichts gab, das ihn abzulenken wusste, bis er glaubte wahnsinnig davon zu werden. „Hey.“ Diese Stimme. Er konnte sie nicht mehr ertragen und dennoch schien ein Teil in ihm geradezu darum zu betteln, sie hören zu wollen. Aufgeschreckt stieß er die Hand von sich, die im Begriff war sich ihm nähern zu wollen. Diese Berührungen hatten es vermocht diesen Körper mehr abringen zu können, als es ihm selbst derzeit möglich war. Das hatte er in diesem verfallen Gebäude nur zu deutlich noch wahrnehmen können. Und es erfüllte ihn mit Panik. Nichts war mehr in seiner Gewalt. Das Einzige, was sich solide zeigte, war das Empfinden zurückweichen zu müssen, körperlich wie auch geistig, sobald ihm dieser Mann zu nahe kam. „Ich…“ „HALTS MAUL!“ Er wollte dessen Stimme nicht hören. Furios presste er seine Hände auf seine Ohren, verlor sich in einem apathischen Summen, während er sich zur Seite und weg von der Person rollte, die ihn sich so erbärmlich fühlen ließ. „Es gibt nichts, dass ich nicht für dich tun würde.“, hallte es mit dieser verhassten Stimme in seinem Kopf wieder. Seine linke Schulter brannte, wie auch seine Kehle und es hörte nicht auf, bis er meinte dieser unnütze Körper stände vollkommen in Flammen, die alles betäubten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)