SPACE 2064 - 01 von ulimann644 (Die Grauen Falken) ================================================================================ Epilog: -------- Die mehr als zwei Meter große Gestalt im gepanzerten, dunkelgrauen Kampfanzug durchschritt den breiten, sechseckigen Hauptgang des gewaltigen Trägerschiffs. Beide Namen – sowohl der Name der Gestalt, als auch der Name des Trägerschiffs – wären für Menschen nur schwer auszusprechen gewesen. Eine Tatsache, um die jene Gestalt zwar wusste, die sie aber nicht im mindesten interessierte. Das einzige Interesse der Gestalt war der Krieg den sie, die stolze Rasse der Y´Xantomeran, führte, und den sie, über Kurz oder Lang, gewinnen würde. Der gepanzerte Anzug der Gestalt war reich verziert mit goldenen Ehrensymbolen des Volkes der Y´Xantomeran. In dieser Zusammensetzung waren diese Symbole einmalig, denn es gab nur eine Y´Xantomeran, in ihrer verantwortungsvollen Stellung als V´Erctalor, die gleichzeitig auch als religiöse Anführerin ihres Volkes fungierte. Terraner hätten ihren militärischen Rang wohl mit dem eines Admirals gleichgesetzt. Sh´Tiralii gab unter ihrem Helm einige verächtliche, klickende und zischende Laute von sich. Die Terraner verunglimpften ihr Volk mit der verachtenden Bezeichnung Chigs. Diese Ignoranten, die in ihren Lebensraum eingedrungen waren und keinerlei Scham dabei empfanden, wussten nicht einmal, welch ein altehrwürdiges und stolzes Volk von Kriegern sie herausgefordert hatten. Dabei hätte sie ihren Körperpanzer, an Bord dieses Raumschiffs nicht zu tragen brauchen, denn die Atmosphäre hier war für sie atembar. Der Grund, warum sie ihren gepanzerten Anzug inklusive des Helms trug, entsprang der Tatsache, dass es nur Angehörigen ihrer eigenen Kaste gestattet war, ihr Gesicht zu sehen. Entlang der hellgrauen, sechseckigen Wandplatten, zwischen denen hindurch das weiße Licht dahinter befindlicher Lichtquellen den Gang mäßig erhellte, erzählten Schriftsymbole, die denen auf dem Anzug von Sh´Tiralii sehr ähnlich waren, von den großen Taten der Y´Xantomeran, in vergangenen Epochen. Eine Gruppe von Soldaten, die ihr im Gang entgegen kam, wich bis an die Wände zurück und die Männer erstarrten förmlich, als sie mit gemessenen Schritten an ihnen vorbei ging, ohne sie sonderlich zu beachten. Sie gehörten der niedersten Kaste ihres Volkes an, das insgesamt drei Kasten kannte. Die unterste Kaste stellte den Hauptteil der Bevölkerung. Aus ihr rekrutierten sich, unter Anderem, die gemeinen Soldaten, die Unteroffiziere und die niederen Offiziere, an Bord dieses Trägerraumschiffes. Die mittlere Kaste stellte, neben Vertretern nachrangiger, politischer Posten, die Stabsoffiziere beim Militär. Die Soldaten die der mittleren Kaste entsprangen erkannte man an den rot abgesetzten Partien der rechten Armpanzerung und an den roten, zumeist mit kunstvollen, überwiegend goldenen, Rangsymbolen verzierten Identitätsplatten auf dem Fronthöcker ihrer Uniformen. Gelegentlich wurden Soldaten die dieser Kaste entstammten auch als Sonderbotschafter eingesetzt. Die höchste Kaste stellte die Vertreter der Regierung, der religiösen Führung, und beim Militär die Flaggoffiziere. Soldaten die der höchsten Kaste entstammten erkannte man an ihren schwarz abgesetzten Partien ihrer Uniformen dort, wo die der mittleren Kaste durch ein sattes Rot auffielen. Wobei es nur bei sehr wenigen Vertretern der höchsten Kaste vorkam, dass beide Armpanzerungen in Schwarz abgesetzt waren. So, wie bei ihr - Sh´Tiralii. Der Hall ihrer Schritte, der vom metallenen Material ihrer Stiefel auf dem glatten, schwarzen Material des Bodens erzeugt wurde, blieb in einem ruhigen und gleichmäßigen Takt. Weiße Linien, die den Boden in Waben unterteilten, in denen das Zentrum von kleineren, weißen Sechsecken gebildet wurde, unterteilten diese Bodenfläche. Sie gab geringfügig unter jedem ihrer Schritte nach, um sofort wieder vollkommene Glätte zu erreichen, sobald sie nicht mehr belastet wurde. Dabei handelte es sich um eine Art von lebendem Kunststoff, der auch nach seiner finalen Formgebung eine Form von rudimentärem Erinnerungsvermögen besaß, dass ihn immer wieder seine einmal gegebene Form und Oberflächeneigenschaft annehmen ließ. Ein ähnlicher Kunststoff mit etwas anderen Eigenschaften wurde zur bildlichen Darstellung verwendet, was Monitore im eigentlichen Sinn überflüssig machte. Überall auf solchen Kunststoffoberflächen konnten Bilder und Videos wiedergegeben werden. Zielsicher schritt Sh´Tiralii auf das Verbindungselement zum Kommandozentrum dieses Trägers, der KR´ENNARIZAN, zu - im vollen Bewusstsein ihrer unumschränkten Macht. Auf diesem Raumschiff und in diesem Sternensystem. Selbst im gesamten Kollektiv der Y´Xantomeran gab es nur noch zwei weitere weibliche Vertreter ihres Volkes, die im Rang über ihr standen. Natürlich waren beide weibliche Vertreter ihres Volkes, denn diese waren sowohl physisch als auch psychisch robuster. Nicht verwunderlich also, dass sich im Zuge der Evolution ihrer Spezies ein strenges Matriarchat herausgebildet hatte. Als Sh´Tiralii die ersten Geheimdienstberichte über die Rasse der Terraner erhielt, und erfuhr, dass bei dieser Spezies die männlichen Vertreter die körperlich stärkeren waren, da hatte sie dies zunächst für eine Falschmeldung gehalten. Als sich diese Information jedoch als Tatsache herausstellte, empfand sie diesen Gedanken als geradezu obszön, und auch heute noch schien ihr allein die Vorstellung daran abstrakt. Sh´Tiralii sprach leise ein kurzes Gebet zu den Erleuchteten Heiligen, bevor sie ihre Hand auf den Öffnungskontakt legte. In der bisher makellos einheitlichen Fläche der Wand, deren Grau lediglich einen geringfügig anderen Ton aufwies, entstand, beinahe lautlos, eine Öffnung, die sie durchschritt. Ein weiter sechseckiger Saal nahm sie auf. Die Zahl Sechs galt bei Sh´Tiraliis Volk als perfekt. Sie drückte in ihrer Kultur die Einigkeit der Y´Xantomeran aus. Über viele Generationen hinweg hatte sich deshalb das Sechseck, als ein immer wiederkehrendes Element der Architektur des Volkes der Y´Xantomeran durchgesetzt. Auch die Religion ihres Volkes hatte seinen Anteil daran, denn es gab sechs Erleuchtete Heilige. Auch die Hälfte dieser Zahl war bei den Y´Xantomeran sehr beliebt. Ein Beweis dafür war die Panzerplattierung dieses Trägerschiffs, die sich aus dreieckigen Elementen zusammensetzte. An drei der sechs Wände saßen Vertreter der beiden niederen Kasten. Sie strafften ihre Gestalt in einer Art Hab-Acht-Stellung, als Sh´Tiralii in den Saal, der exakt im geometrischen Zentrum des Trägers lag, eintrat. Sie unterbrachen jedoch dabei ihre Tätigkeit, die Kontrollen des Trägers zu bedienen, nicht. Sh´Tiralii nahm diese Ehrenbezeigung mit jener Selbstverständlichkeit zur Kenntnis, wie sie dem Verständnis einer der sechs Mächtigen zu Eigen war. Mit festen Schritten trat sie in die Mitte des Saales, wo sich eine Art Kartentisch halbkugelförmig aus dem Bodenbelag erhob. Seine Oberfläche bestand aus jenem lebenden Kunststoff, aus dem auch die sechseckigen Kontroll-Bildschirme der Besatzung geschaffen waren, die diesen Träger steuerte und die Systeme bediente. Eingefasst war die stark gewölbte, blau-graue Kunststoffoberfläche mit den halb-organischen Verbindungselementen, die ihrerseits mit den Kontrollleitungen verbunden waren, die sich durch sämtliche Zwischenböden und Wände zogen, wie die Adern in einem lebendigen Organismus. Was gar nicht so weit weg war von der Realität, denn durch sein Rechengehirn, das zum Großteil auf organischer Technologie basierte, lebte dieser Träger tatsächlich auf eine gewisse Art und Weise, obwohl er niemals dazu in der Lage gewesen wäre, ein eigenständiges Bewusstsein zu entwickeln. Die Terraner hatten hingegen einen Weg für ihre Technik ausgewählt, bei der die Biologie komplett ausgeschlossen wurde. Allein das war für Sh´Tiralii ein schlagender Beweis für die Primitivität dieser Spezies. In ihren Augen handelte es sich bei den Terranern um ein fehlgeleitetes Experiment der Erleuchteten Heiligen und es lag nun an ihnen, der Spezies der Y´Xantomeran, diese Krankheit aus dem Universum zu tilgen, und es auf diese Weise zu heilen. Bevor es durch die Terraner zu stark verseucht werden konnte. Ein einziger Vertreter ihrer eigenen Kaste befand sich am Lagetisch, den Sh´Tiralii nun erreiche. Auch sie war weiblichen Geschlechts, wie die meisten Vertreter ihrer Kaste. Allerdings trug sie nur am rechten Arm die schwarzen Markierungen, und die Symbole auf ihrer Uniform waren nicht so prunkvoll, wie die ihren. Die restlichen drei Anwesenden am Lagetisch trugen an ihren gepanzerten Uniformen die roten Markierungen der mittleren Kaste. Einen dieser Kaste hatte sie kürzlich zu den Terranern entsandt. Eine Selbstmordmission für den Betreffenden. Als Strafe dafür, dass die Terraner ihn entdeckt hatten, und weil er einen Teil ihrer Brut verloren hatte, auf dem Heiligen Mond. Für einen Moment durchfuhr ein beinahe physischer Schmerz Sh´Tiralii und wilde Emotionen, wie Wut, Hass und der Wunsch nach Vergeltung, für ihre, von den Terranern ermordeten, Nachkommen, durchströmten sie. Ein terranisches Landekommando hatte den Fuß auf den Heiligen Mond gesetzt, und bereits damit das schlimmste, vorstellbare Verbrechen begangen. Doch dann hatten sie eine der heiligen Brutkammern entdeckt und einige ihrer Nachkommen ermordet. Das konnte, nein, das durfte nicht ungesühnt bleiben. Nach diesem schrecklichen Frevel hatte sie durch ihre fünf Schwestern, den anderen fünf Mächtigen, Trost erfahren. Gemeinsam hatten sie sich für einen Tag lang, zum Gebet, in den Tempel der Erleuchtung zurückgezogen. Dort war das Urteil über die Rasse der Terraner gesprochen worden, und es war einstimmig ausgefallen. Jetzt oblag es ihr, die Raumflotten der Y´Xantomeran zum Sieg über die Terraner zu führen. Die optischen Sensoren ihres Helms zeigten ihr das ehrfürchtige Erstarren auch dieser vier Anwesenden und sie wandte sich, ganz selbstverständlich, an die Vertreterin ihrer eigenen Rasse. „Was habt Ihr zu berichten, V´Erclirin Sh´Rillan?“ Die Y´Xantomeran, die den untersten Flaggoffizier-Dienstgrad einnahm, legte ihren Kopf, mit einer unterwürfigen Geste, etwas zur Seite. „Der Bericht des Flottenführers, der gegen die beiden Träger der Terraner kämpfte, ist eingetroffen, Erleuchtete Mächtige. Einer unserer Träger wurde in der Schlacht vernichtet. Dafür haben wir einen ihrer Schlachtkreuzer zerstört. Was soll mit dem Befehlshaber dieser Flotte geschehen? Der Verlust eines Trägers ist nicht zu verzeihen, und…“ „Schweigt!“, schnitt Sh´Tiralii ihrer Untergebenen das Wort ab. „Ich war es, die diese Falle geplant hat, und ich übernehme die Verantwortung. Wie es einer Mächtigen zukommt. Wir haben einen Träger verloren, doch der Stützpunkt Kr´Vrestlan, der von den Terranern Demios genannt wird, ist wieder in unserer Hand, und nun werden wir nachsetzen.“ „Damit werden die Terraner rechnen, Erleuchtete Mächtige.“ Es dauerte einen Moment lang, bis Sh´Tiralii bestätigte: „Natürlich werden sie das. Darauf vertraue ich. Sehen wir uns die Lage an.“ Sh´Tiralii überließ es einem der mittleren Kaste, die, von biologischen Verbindungen umschlossenen, sechseckigen Kontrollpaneele zu berühren, deren Symbole bei jeder Berührung hellblau aufleuchteten, und einen jeweils anderen Ton von sich gaben. Auf der gewölbten Kunststoffoberfläche erschien die taktische Anzeige dieses Raumsektors. Deutlich hervorgehoben war ein Sternensystem, in dessen Nähe drei Symbole für drei Trägergruppen der Terraner aufleuchteten. Zwei weitere dieser Symbole leuchteten etwas weiter abseits dieses Systems auf. Sh´Tiralii deutete auf die beiden Symbole und erklärte: „Unser Geheimdienst hat bestätigt, dass die Terraner den Stützpunkt auf Kl´Zrent massiv ausbauen. Diese beiden Trägergruppen sollen dabei offensichtlich zusätzlich zum Schutz des Stützpunktes dienen.“ „Werden wir diese beiden Trägergruppen angreifen?“, erkundigte sich Sh´Rillan und ergänzte: „Gegen fünf unserer Träger sind sie chancenlos.“ „Nein!“, widersprach Sh´Tiralii ihrer Untergebenen. „Beide Träger werden von mindestens vier Schlachtkreuzern begleitet. Außerdem befinden sich die beiden Trägergruppen bereits so nahe an Kl´Zrent, dass die anderen drei Trägergruppen zweifellos in den Kampf eingreifen würden, bevor wir ihre Träger vernichtet haben. Nein – um diese fünf Trägergruppen werden wir uns später kümmern. Ein viel verlockenderes Ziel für uns ist ihre extrem überdehnte Nachschubverbindung.“ Sh´Tiralii deutete auf zwei Sternensysteme, die den terranisch kontrollierten Raum mit dem Brückenkopf auf Kl´Zrent verband. „Dort werden wir zuschlagen. Wir schneiden die fünf Trägerverbände der Terraner von jeglichem Nachschub ab. Während wir sie anschließend langsam aushungern, werden die Piloten unsere neuen Jagdverbände fertig ausgebildet sein. Unser Angriff, mit den noch nicht komplett an die Systeme unserer neuen Jäger angepassten Piloten, wird diese primitiven Terraner in der Annahme bestärkt haben, dass wir einerseits noch nicht so weit sind, und dass wir, immer noch, nur wenige dieser neuen Angriffsjäger zur Verfügung haben. Dass sie sich in beiden Fällen irren wird schon sehr bald ihr Untergang sein.“ In einer Geste von Zustimmung und Anerkennung drehten ihre vier Untergebenen, die mit ihr an dem Lagetisch standen, ihre Köpfe leicht nach Rechts und wieder zurück. In stolzer Haltung ließ Sh´Tiralii ihren Blick über die Anwesenden schweifen, bevor sie beinahe huldvoll zu der Vertreterin ihrer Kaste sagte: „Ihr kennt also die nächsten Ziele für unsere Flotte, V´Erclirin Sh´Rillan. Bereitet den Angriff auf das erste der beiden Primärziele vor. Danach werden wir hart und kompromisslos zuschlagen.“ „Zu Befehl, Erleuchtete Mächtige.“ Sh´Tiralii wandte sich vom Lagetisch ab. Sie hatte alles gesagt, was es zu sagen gab. Die Ausführung ihrer Anweisungen lagen im Verantwortungsbereich der V´Erclirin. Sie verließ mit gleichmäßigen Schritten das Kommandozentrum, in dem Wissen, dass Niemand die Richtigkeit ihrer Anweisungen in Frage stellen würde. Durch den schwachen, weißlichen Dunst der Bordatmosphäre schreitend freute sich Sh´Tiralii darauf, für eine Weile ihren gepanzerten Kampfanzug ablegen, und ein entspannendes Schlammbad nehmen zu können. Dabei legte sie in Gedanken ihre linke Hand auf jene Gegend ihres Körpers, wo nach der letzten, erfolgreichen Befruchtung nun die Eier einer weiteren Generation heranwuchsen, bis sie, nach einer gewissen Tragzeit, von ihr abgelegt werden würden. Bald. Schon sehr bald… ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)