Akai Tsuki no mukou ~ Beyond the Red Moon von eurydike (Eine Dir en grey-/Merry-/MUCC-/Kagerou-Story / Final chapter 24 uploaded!) ================================================================================ 03. [Aurora] ------------ Er ist vollbracht, der 3. Teil... Sorry, dass ich euch eine Weile habe darauf warten lassen, aber aufgrund meiner PMS hatte ich letzten Freitag auf einmal das Gefühl, dass alles, was ich bisher geschrieben habe, einfach nur Blödsinn ist. Gestern hab ich das Tief allerdings überwunden und konnte mich dazu aufraffen, weiterzuschreiben... ^.^ Ich danke allen ganz lieb, die meine Geschichte lesen und mir Kommis schreiben - sowas ermuntert einen natürlich ungemein! ^^ + + + Das Wasser kochte. Shinya nahm die kleine Pfanne vom Herd, goss den Kaffee auf. Sofort verbreitete sich ein herrlich-würziger Geruch. Kaffee am Morgen. Genau das Richtige für den verkaterten Gitarristen, den er auf der Couch vorgefunden hatte. Ein erbärmlicher und doch mittlerweile vertrauter Anblick. Im Studio war es noch ruhig, beinahe unheimlich ruhig. Und die Energie, die sonst morgens kurz nach Sonnenaufgang allgegenwärtig war, fehlte hier. Gänzlich. Für Shinya ein kleiner Kulturschock. Als käme er in eine völlig andere Welt. Weg aus seinem vertrauten Zuhause, weg von Akemi, weg von seinen Hunden, weg von der von ihm so geschätzten Geborgenheit, Sicherheit. Normalerweise schätzte er den Morgen. Das gemeinsame Aufstehen. Ruhig gewechselte Worte. Gemütliches Beisammensitzen in der Küche. Den grossen Tisch im Wohnzimmer benutzten sie nur, wenn sie Gäste hatten. Ansonsten bevorzugten sie den Bistrotisch. Klein aber fein. Völlig anders war es hier. Schlechte Luft. Wie konnte Kaoru bloss die ganze Nacht bei geschlossenem Fenster schlafen? Schlechte Energien. Shinya vermied es zuhause geziemlich, elektrische Geräte im Schlafzimmer zu haben. Nicht, dass er sich viel aus Feng Shui machte, doch er konnte viel besser schlafen, seit sie den Fernseher ins Wohnzimmer verbannt hatten. Das harte Sofa. Kein Kissen, nur eine dünne Decke. Yumi war schon eine ganze Weile nicht mehr hier gewesen. Das fiel Shinya jetzt auf, wo er drüber nachdachte. Es hätte so vieles gegeben, worüber er mit Kaoru gern gesprochen, Dinge, wo er liebend gern genauer nachgehakt hätte. Doch er traute sich nicht. Wollte nicht der sein, der Steine ins Rollen brachte, die nun schon geraume Zeit sicher und ruhig dagelegen hatten. Aber irgendwann würde es jemand tun müssen. Irgendwann konnte man gewisse Dinge nicht mehr länger unter den Teppich kehren und so tun, als würde man nichts, aber auch gar nichts mitbekommen. Mit einem leisen Seufzen nahm der Schlagzeuger die beiden Tassen und verliess die Küche. Nicht, dass dieser Raum tatsächlich die Bezeichnung Küche verdient hatte. Doch er erfüllte seinen Zweck, hier brauchten sie gar nicht mehr. Shinya war froh, dass er früher als vereinbart gekommen war. Er wusste, dass Kaoru um Neun den Termin hatte, und bis dahin musste er den Leader wieder zum Leben erwecken und dafür sorgen, dass sie wenigstens noch einen oder zwei Drumparts besprechen konnten. Ein schwieriges Unterfangen. Aber mit der dem Schlagzeuger eigenen Beharrlichkeit durchaus machbar. Ein kühler Luftzug wehte durch den Raum. Die Fenster standen sperrangelweit offen. Eine absolute Notwendigkeit. Frische Luft würde Wunder wirken, und der Kaffee, ein Schälchen Reis und eine Dusche würden den Rest tun. Shinya grinste in sich hinein. Ja, er war sogar umsichtig genug gewesen, dem übernächtigten Gitarristen was zu Essen mitzubringen. Weise Voraussicht. Nicht gerade leise stellte er die Tassen auf den Tisch, ging zu den Fenstern und machte diese genau so geräuschvoll zu. Der Lärm zeigte Wirkung. Die halb zusammengerollte Gestalt auf der Couch regte sich. Brummte. Murrte. Fluchte? Shinya konnte die Worte nicht verstehen, war sich jedoch sicher, dass sie nicht gerade freundlich waren. Erbarmungslos zog er die Decke weg und setzte den Gitarristen der abgekühlten Temperatur aus. Noch lauteres Murren, doch schliesslich öffnete Kaoru die Augen, blinzelte und versuchte scheinbar angestrengt, die Gestalt vor sich zu fokussieren. "Ohayou". Shinya gab sich zu erkennen und hielt seinem Bandkollegen den Kaffee unter die Nase. "Trink. Iss etwas. Und dann geh duschen". Oh ja, er hatte Mitleid - doch dies war nicht der richtige Zeitpunkt, es zu zeigen. Und er wusste, Kaoru war ihm dankbar dafür. Es dauerte jedoch noch ein paar Sekunden, bis der Gitarrist sich soweit gesammelt hatte, dass er sich aufsetzen konnte. Mit leicht zitternden Händen umfasste er die Tasse, klammerte sich daran, als bräuchte er etwas zum Festhalten. Shinya wandte sich ab. Er konnte das nicht mit ansehen. Es tat weh. Stattdessen begann er, im Studio Ordnung zu machen. Hob Zeitschriften vom Boden auf, legte diese fein säuberlich auf den Tisch, rollte Kabel zusammen. Unsinnig, doch als Ablenkung sehr willkommen. Er wusste, dass Kaoru die Situation genau so unangenehm war. Plötzlich fiel sein Blick auf Etwas, das er zuvor noch nie gesehen hatte. So unauffällig wie möglich kniff er die Augen zusammen, versuchte, die Schrift auf der kleinen weissen Packung zu entziffern. Schlaftabletten? Oh Kaoru... Fast bereute er es, so unbarmherzig mit ihm umgegangen zu sein...und doch...es ging nicht anders. Kaoru hatte gewusst, worauf er sich einliess - und er schien dazu entschlossen zu sein, es in Kauf zu nehmen. Als Shinya das nächste Mal aufschaute, sah er, wie dunkle, müde Augen ihn musterten. Rot. Trocken. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal seine Kontaktlinsen rausgenommen. Keine Worte. Stillschweigendes Verständnis auf beiden Seiten. Wahrscheinlich war Kaoru ihm dankbar, dass er keine Fragen stellte. "Ohayou...und danke...". Der Gitarrist liess die Tasse sinken. Der Kaffee hatte seine Lebensgeister zumindest soweit wieder geweckt, dass er seine Stimme wiedererlangt hatte. Shinya nickte nur. Für ihn war das alles eine Selbstverständlichkeit. Selbst wenn Kaoru das letzte Wort nicht ausgesprochen hätte, hätte er gewusst, wie dankbar er ihm war. "Essen wäre auch keine schlechte Idee...". Angeekelt verzogener Mund. Stirnrunzeln. Kopfschütteln. "Nein...nein...vielleicht später...erst mal duschen...". Der Gitarrist stand langsam auf, stakste auf unsicheren Beinen durch den Raum und verschwand schliesslich hinter einer Tür gleich neben der Küche. Shinya blickte ihm lange nachdenklich nach, trank ohne Genuss seinen Kaffee fertig. Heute schmeckte er ihm nicht. Obwohl es die genau gleiche Sorte war, die sie zuhause hatten. Lag dies nun am Wasser? Der Tasse? Oder...? Der Schlagzeuger nahm Kaorus leere Tasse von Tisch und trug diese zusammen mit seiner noch halb vollen zurück in die Küche. Der Rest der braunen Flüssigkeit verschwand gurgelnd im Abfluss. Durch die Wand war stetiges Rauschen zu hören. Es tat gut - wahnsinnig gut. Kaoru aalte sich genüsslich unter der lauwarmen Herrlichkeit, drehte das Wasser extra stark auf. Eine Massage wäre natürlich um einiges effektiver, doch... Heute musste er sich wohl oder übel mit dem Wasserdruck begnügen. Guter Shinya. Der Schlagzeuger hätte sich um so vieles besser in der Rolle des Leaders gemacht, als er selbst. Nicht auf das Alter kam es an, sondern darauf, dass man Zusammenhänge erkannte, Schlüsse zog, die richtigen Dinge zur richtigen Zeit tat. Manchmal war Kaoru sich nicht mehr sicher, ob er alles richtig machte. Wie fühlten sich Versager? So wie er? War er denn einer? Wohl nicht - und doch war er nicht zufrieden. Ganz und gar nicht. Geld, Marketing, Promotion, Interviews, Aufnahmesessions, Releases, Konzerte, Fans, Merchandise, Geld - ein Kreis, der sich stetig drehte, sich bewegte, nie zum Stehen kam, ihn und die anderen vier nicht zur Ruhe kommen liess. Alles im Fluss. Was, wenn das Wasser schneller zu fliessen begann, als das Boot? Würde dieses dann in der Schwebe stehen bleiben? Oder versinken...? * * * Als er aufwachte, war die andere Hälfte des Bettes leer, Yoshie bereits gegangen. Konnte es sein, dass er seit beinahe 60 Stunden nicht mehr mit ihr geredet hatte? Die Zeit verging so schnell - er hatte jegliches Gefühl dafür verloren. Mit dem für den letzten Abend geplanten Abendessen hatte er einiges wieder gut machen wollen. Aber neuerdings schien er ein Talent dafür zu entwickeln, solch wichtige Dinge zu vermasseln. Er hatte sich immer geschworen, diesen Fehler nicht zu begehen. Doch nun erkannte er, dass er drauf und dran war, das zu verlieren, was er und Yoshie sich in den letzten drei Jahren aufgebaut hatten. Und diese Erkenntnis lähmte ihn. Stocksteif lag er im Bett. In seinen Ohren pochte der Puls, sein Kopf dröhnte, der schale Geschmack im Mund verursachte ihm Übelkeit. Aufstehen? Unmöglich. Paralysiert. Sein Hirn schien auf Sparflamme zu laufen. Draussen dämmerte der Tag heran - doch in ihm war noch immer dunkle Nacht. It's 58 hours since that I last slept with you... Warum spielte nun gerade dieser Song in seinem Hinterkopf? Aus dem Nichts. Nichts? Nein, wahrscheinlich hatte sich Thom Yorke schon genau überlegt, was er da geschrieben hatte. Seltsam, wie einem manchmal die Hintergründe von Songs klar wurden, sobald man sich mit ihnen identifizieren konnte. Aber waren die Hintergründe des Radiohead-Sängers auch die seinen? Ein tröstlicher, beruhigender Gedanke. Als Mensch war man nie allein mit seinen Problemen. Das Umfeld und die Begebenheiten mochten sich ändern, aber nicht grundlegende Charakteristiken und Wesenszüge. Doch er wollte nicht der schwarze Stern sein. Er fühlte sich so schon schuldig genug. Und wie. Es tat höllisch weh. Und einmal mehr bestätigte sich hier die Theorie, dass man meist erst im Nachhinein klüger war. Es musste sich etwas ändern! Er musste sich ändern! Und auch die anderen... Kein leichtes Unterfangen. Besonders dann nicht, wenn man sich vor Augen führte, dass dies hier erst der Anfang war. Der Anfang eines langen Wegs zurück zu einem für sie alle zufriedenstellenden Leben. Aber man musste die Dinge an der Wurzel packen, Ursachen eliminieren. Heute würde er die ersten Schritte tun - und sachte dafür sorgen, dass die anderen ihm folgten, die lange Strecke mit ihm gingen. Und ihm halfen, den Himmel zu stützen, bevor er über ihrer kleinen Welt zusammenbrach. * * * Eklig. Der ganze Abfall. Kaum zu glauben, dass der Inhalt all der Tüten letzte Nacht in seinem kleinen Magen gelandet war. Naja, zumindest würde er sich heute die Zeit zum Essen sparen können. Auch nicht schlecht. Kyo kämpfte sich aus der Decke, die sich während des Schlafens um seinen Körper geschlungen hatte. Das Basketball-Shirt war ganz zerknittert und klebte an seinem verschwitzten Oberkörper. Magenbrennen. Die Jeans war eindeutig zu eng. Zumindest, um darin zu schlafen. Und vor allem nach... Die Schmolllippen verzogen sich, die Falte zwischen den Augenbrauen vertiefte sich. Er stank. Sein Bett stank. Sein ganzes Zimmer war ein einziges Chaos, das auch vor dem Rest der Wohnung nicht Halt machte. Mit einem bitteren Lächeln hievte sich der Sänger aus dem Bett, zog sich das Shirt über den Kopf. Elektrizität. Seine Haare waren geladen. Er zog sich die Jeans über den Po, liess sie runterrutschen, stieg aus den Hosenbeinen. Oh Mann, er hatte es heute früh nicht mal mehr geschafft, die Jeans nach getaner Arbeit wieder zuzuknöpfen. Achtlos fielen die Kleider zu Boden, bildeten ein trauriges Häufchen neben dem Abfall und dem ganzen Rest, der noch auf dem Boden lag. Kaoru und Shinya hatten sich immer gefragt, wie er sich in so einem Zimmer überhaupt wohlfühlen konnte. Wahrscheinlich fragten Toshiya und Die sich dasselbe, aber die beiden vermieden es seit einiger Zeit, das Thema anzusprechen. Vermutlich hatten sie die Hoffnung aufgegeben, ihn noch umzukrempeln. Und der Leader und der Schlagzeuger waren schlicht und einfach zu verantwortungsbewusst und besorgt, um das Thema ein und für allemal fallen zu lassen. Als ob er nicht selber auf sich aufpassen könnte. Als ob er bemuttert werden müsste. Als ob er jemanden bräuchte, der ihm sagte, wie er zu leben hatte. War ihnen eigentlich bewusst, was sie ihm mit ihren ewigen Vorhaltungen antaten? Sie meinten es ja nur gut - aber verdammt, warum kümmerten sie sich nicht endlich mal um ihren eigenen Dreck?!? Bei Shinya fand sich Etwas derartiges wohl sowieso nicht - weder in seiner Wohnung noch in seinem Leben. Bei Kaoru sah es bestimmt anders aus, doch er war ein Meister der Illusion. Mister Perfect. Manchmal fragte sich Kyo jedoch, wen Kaoru davon überzeugen wollte. Undenkbar, dass einer aus der Band ihm seine Charade abkaufte. Die Crew? Ja, vielleicht, einige. Diejenigen, die ihn nur flüchtig kannten und sich von der strahlenden Fassade blenden liessen. Die Fans? Die wussten eh nichts. Rein gar nichts. Trauriges Grinsen. Die Gewissheit, dass der Leader wohl am allermeisten sich selbst davon zu überzeugen suchte, dass alles in Ordnung war, versetzte den Sänger in eine fast hoffnungslose Stimmung. Langsam schlurfte er in seinen verwaschenen, grauen Socken, die einst schwarz gewesen waren, durchs Zimmer, den Gang, ins kleine Bad. Dort entledigte er sich dem letzten Rest seiner Kleider. Aus dem Spiegel begrüsste ihn ein kleiner, zierlicher, junger Mann mit wirrem Haar und einem abstossend niedlichen Gesicht. Vermutlich würde er noch mit 40 so aussehen, wie ein kleiner Junge. Vermutlich würden auch dann noch alle auf ihn aufpassen und ihn behüten wollen. Keiner nahm ihn ernst. Egal, was er auch tat. Wie er sich auch gab. Was er auch sagte. Er war dazu verdammt, ein Leben in Niedlichkeit zu fristen. Nicht, dass dies seiner Beliebtheit bei Frauen bisher Abbruch getan hätte. Nur... Er war verdammt nochmal kein Baby mehr! In knapp zweieinhalb Jahren wurde er 30! Und doch betütelten ihn alle, nutzten seine Naivität und seine Gutgläubigkeit aus. Hatten ihren Spass mit ihm, solange sie ihren eigenen Spass hatten. Doch sobald es darum ging, ihn näher kennenzulernen, sich wirklich auf ihn einzulassen, ihn vor allem voll und ganz in ihr Leben aufzunehmen - verschwanden sie. Liessen ihn fallen. Am Anfang hatte es noch wehgetan - doch mittlerweile... Kyo blinzelte in den Spiegel. Ja, wie war das eigentlich? Tat es heute weniger weh, weil er abgestumpft war? Oder spürte er die Qualen nur deshalb weniger, weil der Schmerz, den er damals in Kyoto gefühlt hatte, durch nichts zu übertreffen war, egal, was auch kommen würde? Die feinen Härchen auf seinen Unterarmen stellten sich auf. Seine glatten, sehnigen Muskeln spannten sich unter der vernarbten Haut. Zitternde Knie. Auch heute noch verfolgte ihn die Pein. Die Erinnerung liess nie von ihm ab, gewährte ihm keinen Frieden. Mit einem Keuchen riss Kyo sich von seinem eigenen Anblick los und stellte sich in die enge Duschkabine. * * * Strecken. Verhaltenes Gähnen. Genüssliches Stöhnen. Sanfte Berührungen. Blinzeln. "Ohayou gozaimasu...". Ein Kuss auf volle, rosa Lippen. "Ohayou, mein Prinz...". Wohliges Seufzen. Lange, filigrane Finger in schwarzem, zersaustem Haar. Dunkle Augen verloren sich in den Tiefen eines zweiten, ebenso dunklen Augenpaares. Stille. Atemzüge. "Wann hast du deine Linsen zum letzten Mal richtig reinigen lassen?". Überraschung. "Huh?". "Deine Augen sind rot...". Nachdenken. "Keine Ahnung. Müsste schon über ein Jahr her sein...". Wieder Stille. Liebkosende Hände. Erschauern. Kaum zu fassen, dass diese Frau, die über die Laufstege in aller Herren Welt stolzierte und die Titelbilder aller möglicher Magazine schmückte, tatsächlich hier neben ihm lag. Seine Koibito. Schon nur der blosse Gedanke daran, dieses eine Wort in seinem Kopf, reichte, Toshiyas Atem schneller werden zu lassen. War dies das vollkommene Glück? Die volle Befriedigung? Oh ja, er hatte mit vielen Frauen geschlafen. Vergleiche anzustellen, viel ihm nicht schwer. Doch Akiko liess sich mit keiner seiner bisherigen Liebhaberinnen vergleichen. Hier war nicht mehr nur pure Lust im Spiel - sondern etwas, das wesentlich tiefer ging. Ihm ein Gefühl von Sicherheit gab, das er bislang nicht gekannt hatte. Und ihm Stärke schenkte. Selbstvertrauen. Und eine gespannte Vorfreude, was die Zukunft wohl bringen würde. Wie lange hatte er einfach nur gelebt, ohne zu wissen, warum. Voller Zweifel. Ungewissheit. Schon möglich, dass er sich immer viel zu viele Gedanken gemacht hatte - die meisten lebten einfach vor sich hin, ohne sich über den "Sinn" ihres Lebens klar zu sein, oder? Aber er war anders. Und es hatte ihn beinahe zerrissen, nicht zu wissen, was er aus seinem Leben machen sollte. Nicht einmal die Tatsache, dass er mittlerweile ein berühmter Musiker war, hatte diese Gedanken eindämmen können. Sie waren immer da gewesen, wie ein zweites, dunkles Ich, das sich unter seiner strahlenden Oberfläche verborgen hatte. Und dann, auf einmal, war sie da gewesen. Aus heiterem Himmel. Ohne Vorwarnung. Und jetzt...ja...jetzt hatte sich alles verändert. Und das innerhalb nur eines halben Jahres. Unglaublich. Sanft zog er den Körper, der sich vertrauensvoll an ihn schmiegte, näher an sich heran. Küsste Akikos langes, glänzendes, in allen möglichen Braunschattierungen leuchtendes, von Goldfäden durchzogenes Haar. Auch ihre Haut schimmerte golden im heller werdenden Licht. Die weisse Satin-Decke bedeckte kokett den Intimbereich, die perfekt geformten Brüste mit den dunkelroten Brustwarzen begrüssten die aufgehende Sonne. Ob wohl die Vestalinnen im alten Rom so ausgesehen hatten? Verführerisch. Und gleichzeitig so unschuldig. Doch glücklicherweise war sie keine Unberührbare, sondern die Frau an seiner Seite. Jetzt, und hoffentlich noch für lange lange Zeit. Kühle, prickelnde Finger auf seinen markanten Bauchmuskeln schreckten ihn aus seinen Gedanken. Kichern. "Wo warst du denn?". "In Rom...". Amüsiert-fragendes Gesicht. "Deine Gedankengänge überraschen mich immer wieder aufs Neue...". "Ich muss schliesslich dafür sorgen, dass ich dir nicht langweilig werde...". "Das könnte dauern, bis wir alt und grau sind". Lachende Mandelaugen. "Das wäre schön...". Auf einmal sehr ernstes Gesicht. Fester Blick. "Ja, da hast du recht...". Langer, feuchter Kuss, gegenseitiges Erschmecken. Unwillig riss sich der Bassist los. "Gomen...ich...es wird Zeit...Shinya wartet bestimmt schon auf mich...". Trauriges, doch verständnisvolles Nicken. "Und ich habe mich schon gefragt, wie lange du es noch hinauszögern willst...". Grinsen. Der Musiker stieg aus der Wärme des gemeinsamen Doppelbettes, suchte auf dem Boden die Kleider von gestern zusammen, zog diese an. "Keine Dusche? Frische Kleider?". Kopfschütteln. "Nein. Ich rieche noch nach dir, meine Kleider auch - ohne deinen Geruch überstehe ich diesen Tag nicht". Schweigen. Schöngeformte, mandelförmige Augen verfolgten jede seiner Bewegungen. Forschendes Mustern. "Ich glaube, du hast mir eine Menge zu erzählen". Seufzen. Leeres Schlucken. Dann ein Nicken. Die sich im Bett räkelnde Schönheit setzte sich auf. "Wakarimashita...". Toshiya wandte sich ihr zu. Erleichtert. Kein Drängen. Keine Fragen. Immer liess sie ihm die Zeit, die er brauchte... Langsam beugte er sich zu ihr runter, küsste ihre Stirn. "Ich komme so früh wie möglich wieder. Wir liegen gut in der Zeit, da sollt ich schon mal etwas früher aus dem Studio kommen...". Vorausgesetzt, alles lief am Schnürchen. "Ich werde auf dich warten...". Liebevolles Lächeln. Weitere Küsse. "Halt die Ohren steif...". "Danke. Ja mata...". Damit drehte der Bassist sich schnell um, zog sich seinen Kapuzenpulli über und liess sein Paradies hinter sich. Der goldene Engel im Bett sah ihm lange nach. + + + [Lyrics: "Black Star" © Radiohead] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)