Akai Tsuki no mukou ~ Beyond the Red Moon von eurydike (Eine Dir en grey-/Merry-/MUCC-/Kagerou-Story / Final chapter 24 uploaded!) ================================================================================ 18. [Samhain] ------------- "Noch zwanzig Minuten". Der Ruf verbreitete sich wie ein Lauffeuer in den Gängen und Backstageräumen. Daisuke richtete sich auf und betrachtete zufrieden sein Werk im Spiegel. Das Makeup passte schon mal, nun musste er sich um seine Haare kümmern. Gerade als er nach dem Glättstab griff, betrat Kazu den Raum, die Mundwinkel zu einem verschmitzten Grinsen hochgezogen. Fragend fing der Sänger den Blick seines Bandkollegen im Spiegel auf. "Was ist?". Das Lächeln des Bassisten wurde grösser. "Gute Neuigkeiten". "Was denn?". Eine Ahnung keimte in ihm auf. Konnte es tatsächlich sein...? "Die für Kyo reservierte Karte wurde abgeholt". Daisukes Puls fing an zu rasen. "Er ist hier?!". Kazu lächelte nachsichtig und setzte sich neben seinen Freund. "Anzunehmen. Die würden die Karte ja nicht sonst wem geben". Der Sänger nickte und verfiel in nachdenkliches Schweigen. "Freust du dich nicht?". Kazu rückte seinen Stuhl näher zum Spiegel und begann, seinem Makeup den letzten Schliff zu geben. "Doch, schon. Aber jetzt bin ich nervös". Der Bassist zog die Augenbrauen hoch. "Hätte ich bloss nichts gesagt...". Er legte den schwarzen Kajalstift beiseite und blickte Daisuke im Spiegel fest an. "Ganbatte, ne. Ich weiss, du packst das. Ganz hervorragend sogar, wie immer, wenn er im Publikum steht". Damit erhob sich der Schlaksigere und liess den Sänger allein zurück. Dieser griff mit leicht zitternden Händen nach Kamm und Haarspray. In seiner Brust pochte das Herz wie wild. * * * Gara stellte das leere Wasserglas auf den Tresen und liess seine Augen umher schweifen. Er fühlte sich noch immer etwas matt, obwohl er die letzten Tage einen Gang zurückgeschaltet hatte. Doch alle Ruhe half nichts, wenn Kyo sich weiterhin rar machte. Diese Erkenntnis schmerzte und zeigte ihm, wie machtlos er war. Mit einem Seufzen wandte der Sänger sich an Yuu und brachte so etwas wie ein Lächeln zustande. "Kagerou werden immer populärer, was?!". Yuu zog genüsslich an seiner Zigarette und bedachte die Menge der Fans in der Halle mit einem anerkennenden Blick. Gara nickte stolz. Er freute sich für die Band und vor allem für Daisuke. Nach all den Hindernissen, den Entbehrungen, der harten Arbeit und nicht zuletzt Daisukes Kampf ums Leben konnten die vier jungen Männer, die in wenigen Minuten die Bühne stürmen würden, endlich die Früchte ernten. Entgegen aller Vorbehalte und der Kritik von Pessimisten oder vielmehr Neidern, die das Potential des jungen Sängers sehr wohl erkannt hatten, dessen Aufblühen aber im Keim zu ersticken hofften. Gara konnte sich schon gar nicht mehr an den Daisuke erinnern, der hinter dem Schlagzeug gesessen war. Sein Freund war Sänger geworden - und hatte somit den Platz gefunden, der ihm zustand. Ja, es war unbändiger Stolz, der den Sänger von Merry heute erfüllte. "So wortkarg? Woran denkst du?". Yuu hatte ihn beobachtet. "An Äpfel, die hoffentlich nicht so bald verrotten". Das Gesicht des Gitarristen war ein einziges Fragezeichen. Gerne hätte er Gara über die Bedeutung dieser Metapher ausgefragt, doch dieser griff in dem Moment in die Tasche seiner grünen Oldschooljacke und brachte ein vibrierendes Handy zum Vorschein. "Daisuke?" Garas Stimme klang erstaunt. Was konnte der Jüngere von ihm wollen, so kurz vor Konzertbeginn. "Stimmt was nicht?". An Garas immer grösser werdenden Augen sah Yuu, dass der Sänger von Kagerou überaus schockierende Neuigkeiten haben musste. Hoffentlich war mit der Band alles in Ordnung. "Nein, hab ich nicht". Täuschte er sich oder zitterte Garas Stimme? Nun war Yuus Neugier endgültig geweckt. Unauffällig lehnte er sich über den Tresen näher an seinen Freund. Lauschen war unanständig, aber hier war etwas im Gange, das er, soviel war ihm klar, nicht verpassen durfte. "Ich kann mir denken, wo er ist". Des Bandleaders haselnussbraune Augen wanderten zum Balkon, zur dunkelsten Ecke des VIP-Bereichs. Auf einmal wusste Yuu, um wen sich die Unterhaltung drehte. Er senkte den Blick und widmete sich wieder seinem Bier. Kyo war da? Schön. Das bedeutete jedoch, dass er, Yuu, es sich abschminken konnte, das Konzert mit Gara anzugucken. So, wie er den Sänger kannte, würde dieser sich gleich nach Beendigung des Anrufs absetzen. "Lass mich nur machen. Und jetzt macht, dass ihr auf die Bühne kommt, ihr seid eh schon zu spät dran". Garas tadelnder Ton sollte aufmunternd klingen, doch der Merry-Gitarrist bezweifelte, dass Daisuke dies so auffassen würde. "Ich weiss. Aber du bist ein wundervoller Sänger und genau das findet Kyo auch. Mach dich nicht verrückt. Hier ist ne Halle voller Leute, die ganz wild drauf sind, euch zu sehn - also rockt, verdammt nochmal!". Yuu grinste und leerte sein Bier. "Okay, alles klar? Wir sehen uns nachher, ja? Viel Spass! Oh, und Daisuke, ich bin stolz auf dich...". Der Gitarrist traute seinen Ohren kaum. Gara zeigte gerne Anerkennung, wenn sie gerechtfertigt war, und sein Lob war immer aufrichtig. Neu jedoch war der Tonfall. Da war gerade eine Zärtlichkeit mitgeschwungen, die sich äusserst selten in seine Stimme stahl. Yuu hatte bisher nicht allzu oft die Gelegenheit gehabt, persönliche Gespräche zwischen Daisuke und Gara mitzuverfolgen. Eigentlich hatte er angenommen, dass sich der Merry-Gara nicht allzu sehr von dem Gara, der privat mit Freunden sprach, unterschied - aber nun wurde er eines besseren belehrt. Daisuke und Kyo waren für Gara weit mehr als nur gute Freunde - und dies wurde Yuu erst jetzt so richtig bewusst. Wie hatte er auch so naiv sein und etwas anderes erwarten können?! Vorwurfsvolle Augen trafen Garas unbehaglich, ratlos zwinkernde. Der Sänger heilt sein Handy noch immer in der Hand und schien nicht recht zu wissen, was er tun sollte. Yuu erbarmte sich und nahm ihm die Entscheidung ab. "Nun geh schon, such Kyo. Und nein, es macht mir nichts aus. Hau ab!". Die letzten zwei Worte unterstrich er mit einem breiten Grinsen. Gara sollte seine Enttäuschung nicht allzu offensichtlich zu spüren bekommen. So wie er den Sänger kannte, wusste er jedoch, dass dieser es schon längst bemerkt hatte. Nichts entging Gara. Oft kam es dem Gitarristen von Merry vor, als ob sein Bandkollege ganz tief in seine Mitmenschen reinsehen konnte. Zumindest in die, in die er Einblick haben wollte. Meistens versuchte Gara zu vermeiden, andere wissentlich vor den Kopf zu stossen oder gar zu verletzen. Heute jedoch hatte Wagamama-Gara von ihm Besitz ergriffen, heute scherte er sich nicht um die Gefühle anderer. Und Yuu liess ihn ziehen. * * * Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er oben an der Treppe ankam. Sein Puls raste. Und dies bestimmt nicht, weil er so schnell gerannt war. Seine Kondition liess in keiner Weise zu wünschen übrig. Die Halle war bereits dunkel, die Show konnte jeden Moment losgehen. Wo war er denn bloss? Gehetzt scannten die ungeschminkten Augen die Sitzreihen und blieben schliesslich an einem kleinen, allzu bekannten Gesicht hängen, das in einem gespenstischen Hellblau die einzigen Lichtquellen im Saal, die Scheinwerfer auf der Bühne, reflektierte. Mit einem zufriedenen Grinsen nahm Gara die letzten vier Tritte rechterhand und stahl sich schnell, Entschuldigungen und gelegentlich auch kurze Begrüssungen murmelnd durch die Sitzreihe an sein Ziel. War ja wohl typisch, dass Kyo sich an das äusserste Ende gesetzt hatte. Der jüngere Sänger konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Wortlos setzte er sich auf den freien Platz neben seinem Sempai und starrte auf die Bühne. Am liebsten hätte er ihn mit Fragen bestürmt, ihm gezeigt, wie sehr er sich freute, ihn endlich wiederzusehen - und ihn um Verzeihung gebeten. Doch er zwang sich zu Zurückhaltung. Ein falsches Wort konnte seinen Freund gleich wieder vergraulen. Auf der Bühne tat sich immer noch nichts. Langsam wurde die Menge unruhig. Gerade als Gara anfing, sich Vorwürfe zu machen, dass er nicht backstage gegangen war, um Daisuke zu beruhigen, erklang die so lange vermisste Stimme an seinem linken Ohr. "Habt ihr mir nachspioniert?". Noch immer wandte Gara sich nicht seinem Freund zu. Er nickte bloss mit einem angedeuteten Grinsen, blieb aber weiter so sitzen und blickte geradeaus. "Und was ist nun, müssen sie Daisuke da hinten erst noch wiederbeleben?". Der trockene und doch so humorvolle Unterton brach das Eis. "Das hab ich mich auch grad gefragt - meinst du, wir müssen uns Sorgen machen?". Kyos Lippen erzeugten ein Lächeln, das sich auch in seine Augen stahl. Sein Kouhai drehte sich nun doch zur Seite und musterte ihn eingehend. Das kleine, runde Gesicht. Die freundlichen, haselnussbraunen Augen, in denen immer ein Schimmer von Trauer lag. Die breite Nase. Die vollen, trockenen Lippen. Die kleinen Narben. Die durchgestuften, verwuschelten Haare. Wie sehr hatte Gara vermisst, all dies zu sehen. So viel Zuneigung stieg in ihm auf, dass sein Herz beinahe übersprudelte. Am liebsten hätte er Kyo umarmt, doch hier gab es zu viele Augen, für die dies zu sehen nicht bestimmt war, also beschränkte er sich darauf, kurz und herzlich den muskulösen Oberarm des älteren Sängers zu drücken. Und er wusste, alles, was er hatte sagen wollen, würde er nicht aussprechen müssen, denn sein Freund verstand ihn auch ohne Worte. Sicher, es gab einiges zu bereden, aber nach dem Konzert würde sich dazu backstage bestimmt eine Gelegenheit ergeben. Entspannt lehnte Gara sich zurück. Alle Sorgen waren von im abgefallen. Alles würde gut werden. Und als ob Daisuke eine Verbindung zu ihm aufrecht gehalten und nur auf diesen Moment gewartet hätte, stürmte die Band die Bühne. * * * "Und dann hat das Puchi sich doch tatsächlich das ganze Wasser in den Schritt geleert!". Garas Stimme überschlug sich beinahe vor Vergnügen. Neben ihm hielt Tatsurou beim Schminken inne und gluckste belustigt. "Scheisse, warum hab ich mir das nicht auch angeguckt - er wird ja immer besser". "Ja, so ein kleiner Perversling". Tatsurou verzog amüsiert das Gesicht. "Da fragt man sich doch, woher er das wohl hat...". "Hey!!!". Der Sänger von Merry drehte so schnell den Kopf, dass die langen Extensions in seinem Gesicht hängen blieben. "Was denn? Fühlst du dich etwa betroffen?". Unschuldsmiene. Nero, der gerade in den Raum kam, um eine seiner extravaganten Brillen zu suchen, lachte los. "Dass ihr beide euch auch immer streiten müsst". Klischeeschwuler Tonfall. "Vertragt euch". Gara befreite seinen Mund von den Kunsthaaren und zog die Augenbrauen hoch. "Ich bin von Irren umgeben - bin ich froh, muss ich euch Anfang Januar ne Weile nicht sehn". Erstaunt suchte der Sänger von MUCC den Blick seines Freundes im Spiegel. "Warum? Fährst du weg?" "Ja. Nur Kyo, Daisuke und ich. Da bist du neidisch, was?!". Tatsurou lächelte nachsichtig und widmete sich wieder seinem Makeup. Enttäuschung nagte an seinem Herzen. Sie hatten ihn nicht mal gefragt. Nicht, dass er mit Kyo seinen Urlaub hätte verbringen wollen, aber...es ging ganz einfach ums Prinzip. "Und du? Was hast du vor?". Garas Stimme klang arglos. Tatsurou war stolz auf sein Pokerface und zuckte leichthin die Schultern. "An Silvester wird gefeiert, und sobald's mir wieder gut geht, fahr ich zu meinen Eltern". Erstaunlich, wie leicht ihm diese Lüge von den Lippen kam. Naja, eine so deftige war es auch nicht. Seine Eltern hatten ihn eingeladen gehabt - aber er hatte abgelehnt. Das war gewesen, bevor er erfahren hatte, dass die meisten seiner Kumpels Anfang Januar wegfahren würden. Und nun waren also auch Gara und Daisuke weg. Hätte er sich nur mal eher umgehört. Um das Gespräch aufrecht zu halten, fragte er: "Wann fahrt ihr denn los? Wohin geht's eigentlich?", nur um sich danach wieder in seinen Gedanken zu verlieren. Die Antwort seines Freundes bekam er nur zur Hälfte mit. "An Silvester gucken wir uns das Jahresendkonzert von Dir en grey an, an Neujahr wird entkatert und gepackt und am 2. Januar geht's los nach Hokkaido. Tetsus Eltern haben da ein Haus. Schade, dass du zu deinen Eltern fährst, wir hätten bestimmt noch nen Platz für dich gefunden". Tatsurou schreckte auf. "Was?! Ach so, ja...danke, aber...nein...". Die beiden verfielen in Schweigen und widmeten sich voll und ganz ihrem Styling. Der Sänger von MUCC beobachtete fasziniert, wie sich Garas hübsches Gesicht immer mehr in eine gruslige Fratze verwandelte. Er betrachtete sich selbst. Prüfte peinlich genau das ihm eigene schwarze Makeup und gab sich schliesslich zufrieden. Nero war inzwischen fündig geworden und verliess unbeachtet und nachdenklich den Raum. Gara war doch sonst nicht so schwer von Begriff, warum war ihm Tatsurous Enttäuschung nicht aufgefallen? Bevor der Schlagzeuger sich weiter mit dieser Frage beschäftigen konnte, wurde er beinahe von Yuu und Kenichi umgerannt, die vor Lachen prustend durch den Gang stürmten. Alles, was der Schlagzeuger unter dem Gelächter und den Heiterkeitsbekundungen mitbekam, war irgendwas von Miyavi und einem ominösen Kuss. Auch die beiden Sänger, die sich noch immer für ihre Auftritte stylten, hörten den Aufruhr. Resignierend schüttelte Tatsurou den Kopf. "Dass der Kerl aber auch immer übertreiben muss". "Man sollte meinen, diese Zeiten wären mittlerweile auch für ihn vorbei", doppelte Gara nach. Die beiden tauschten im Spiegel einen verschwörerischen Blick. Der Sänger von MUCC stand auf und zupfte an seinem Outfit rum. "Schaut wirklich gut aus". Garas Stimme klang ehrlich bewundernd. Überrascht musterte der Jüngere seinen Freund. "Danke. Ich find's auch nicht schlecht". "Untertreib nicht - die Sachen stehen dir blendend". Überaus bestimmt. Auf Tatsurous Gesicht zeigte sich ein glückliches Lächeln. Dieses Kompliment war genau das gewesen, was er gebraucht hatte. Mit einem Mal war ihm egal, dass Gara und Daisuke ohne ihn Urlaub machten. Denn ihm wurde wieder bewusst, dass die beiden trotz allem zwei seiner besten Freunde waren. Und auch wenn er sich für einmal ausgeschlossen fühlte, war das kein Grund, neidisch zu sein. Ihm fiel ein Interview ein, das er vor etwas über einem Jahr zusammen mit den beiden für Fool's Mate gegeben hatte. Während des Interviews hatte Gara zugegeben, dass er am Anfang, als Daisuke und Tatsurou sich kennengelernt hatten, eifersüchtig auf Tatsurou gewesen war, aus Angst, er würde Daisuke an ihn verlieren. Nun konnte der MUCC-Sänger endlich nachvollziehen, von welcher Art Neid Gara damals gesprochen hatte und wie weh er tat. Um sich abzulenken, half er Gara dabei, sich fertig zu machen. "Strippst du heute?". Der Sänger von Merry grinste breit und zeigte dabei die Zähne. "Worauf du dich verlassen kannst!". "Rawrrrrr...". Tatsurou imitierte eine Raubkatze und erntete dafür eine freundschaftliche Kopfnuss. "Baka! Hättest du wohl gern, was?! So viel zu sehen gibt's dann doch nicht". Schmollen. "Schade. Aber einen Blick auf deinen knochigen Arsch darf ich mir doch erhaschen, oder?!". Mit einem verächtlichen Schnauben und einem erneuten "Baka!" liess Gara seinen Freund stehen und wandte sich zur Tür. Bevor er auf den Gang hinaustrat, hielt ihn Tatsurous Stimme noch einmal zurück. "Hey...toi toi toi! Tu dir nicht weh." Verwunderung. Abwinken. "Ich doch nicht. Aber danke. Gleichfalls. Ihr seid doch nach der Show auch noch da, oder?". "Klar, wir wollen euch doch unter den Tisch saufen". Tatsurous Grinsen erstarb, sobald Gara den Raum verlassen hatte. Er setzte sich wieder hin und hypnotisierte sein Spiegelbild, bis ihm die Augen weh taten. Eine ihm unbekannte Angst brodelte in seiner Brust. Fast so, als ob er an einer Weggabelung gestanden wäre und sich nach den ersten Schritten in die eine Richtung bewusst wurde, dass er den falschen Weg gewählt hatte. Und nicht mehr würde zurückgehen können. * * * "Ich hätte es nicht ertragen, diesen Mist ins neue Jahr rüberzuschleppen." Daisuke betrachtete seinen Freund und bezeugte mit einem Nicken, dass es ihm genau so ging. "Meinst du aber, wir wären auf Kyo zugegangen, wenn er nicht den ersten Schritt getan hätte? Hätten wir den ersten Schritt gewagt?". Die Stimme des jüngeren Sängers klang ängstlich. Gara setzte sein Champagnerglas ab und überlegte. Dann schüttelte er den Kopf. "Nein, vermutlich nicht. Oder doch. Vielleicht wären wir genauso hier auf dem Balkon gesessen und hätten uns aufs Konzert gefreut. Und wären danach backstage gestürmt und hätten Kyo und den anderen alles Gute gewünscht. Vermutlich wäre so oder so alles gut geworden." Der Jüngere sinnierte eine Weile, nippte an seinem Glas und nickte wieder. "Wahrscheinlich hast du recht. Aber ich bin froh, dass Kyo uns die Last abgenommen hat. So erleichtert wie die letzten paar Tage war ich schon lange nicht mehr." "Und ich erst. Auch wegen Chieko. Sie tut Kyo gut, es wäre schade, wenn er sich wegen dem Mist von ihr abgewandt hätte." "Schaut so aus, als ob Kyo sehr wohl wüsste, wer gut für ihn ist." Daisuke nahm einen weiteren Schluck und blickte sich um. Die Halle unter ihnen füllte sich mit immer mehr Menschen. Hauptsächlich jungen Frauen. Der VIP-Bereich war auch gut gefüllt. Familienmitglieder und Partnerinnen der Bandmitglieder. Kollegen aus anderen Bands. Angestellte der Plattenfirma und des Managements. In einer Ecke erkannte der Sänger von Kagerou Kyos Bruder, einen von Dies Brüdern, Toshiyas Eltern. Etwas abseits standen Shinyas Eltern und seine Freundin. Unmittelbar neben Gara und ihm tauschten Chieko, Sachiko, Akiko, Yoshie und Yumi den neusten Tratsch aus. Yumi sah davon ab, sich in Umstandskleidung zu verstecken, dazu war sie viel zu modebewusst - dementsprechend klar zeichnete sich ihr kleines Bäuchlein im enganliegenden, schicken Wollpulli ab. Daisuke erinnerte sich daran, dass er Kyo bei nächster Gelegenheit fragen musste, wie es zwischen Kaoru und ihr lief. Doch dies würde er erst tun, wenn sie gemütlich in der Hütte von Tetsus Eltern sassen und alle Zeit der Welt hatten. Er freute sich auf die Tage mit zwei seiner besten Freunde. Es gab so vieles zu bereden, zu fragen, zu ergründen. Weil er in letzter Zeit keinen Kontakt mehr zu Kyo gehabt hatte, war er bezüglich bandinterner Probleme bei Dir en grey nicht mehr auf dem neusten Stand. Und genauso ging es Gara auch. Chiekos helles Lachen drang ans Ohr des Kagerou-Sängers. Interessiert betrachtete er die junge Frau eingehender. Die Stupsnase. Die frechen, verwuschelten Haare. Die strahlenden Augen. Es erstaunte ihn, dass Kyo sich eine so sehr vor Lebensenergie sprühende Partnerin ausgesucht hatte - aber vielleicht war es genau dies gewesen, was ihm gefehlt hatte. Kyo war ein eher lethargischer Mensch, da konnte es nicht schaden, wenn er eine energetische Frau an seiner Seite hatte. Fragte sich bloss, ob Kyo es schaffen würde, trotzdem das Sagen zu behalten. Chieko erschien ihm nicht wie jemand, der sich von irgendwem etwas vorschreiben liess. Aber er konnte sich ja auch täuschen. Er würde Gara bei Gelegenheit genauer über dessen Cousine ausfragen müssen. Ein Seufzen des Merry-Sängers liess ihn aufhorchen. "Schon müde?". Der Ältere verzog das Gesicht und zog an seiner Zigarette. "Ich möchte dich mal sehen, wenn du gestern und vorvorgestern einen Gig gehabt hättest und jetzt hier stehen müsstest." "Oh, armer alter Mann...". Daisuke begleitete die neckenden Worte mit einem Grinsen, und Gara schüttelte nur ergeben lächelnd den Kopf. "Wart nur, bis es dir auch mal so geht!". Der Sänger von Merry blickte auf seine Freundin und dann zurück auf seinen Freund. "Aber ein Gutes hat es - Sachi ist immer viel zärtlicher, wenn ich so kaputt bin." "Aha, so kriegt man also die Weiber dazu, zu machen, was man will." Lachen. "Sag bloss, du hast das bisher noch nicht rausgefunden gehabt." Schmollen. "Nein, ich bin ein ehrlicher Mensch." Garas Arm fand seinen Weg kumpelhaft um Daisukes Schultern. "Ach komm, vor mir musst du diese Unschuldsmaske nicht aufbehalten, du Schurke." "Warum denken alle, das sei ne Show?". "Warum nicht? Nach all dem, was du auf der Bühne abziehst!". "Aber... das ist die Show!". Gara sah seinen Freund in die Augen und liess sich für ein oder zwei Sekunden darin treiben "Das glaubst du also? Tatsächlich? Du wirst Kyo mit jedem Tag ähnlicher...". Gerade als Daisuke etwas darauf erwidern wollte, wandte Chieko sich zu ihnen um. "Was ist mit Kyo?". Gara winkte grinsend ab und machte die paar Schritte zur aufgebauten Bar, um für sich und Daisuke mehr Champagner zu holen. Als er wieder zu seinem Freund zurück kam, fand er diesen schweigend und in Gedanken versunken vor. "Gara? Wollt ihr nicht lieber mit Chie und Sachi in die Hütte fahren?". Vor lauter Erstaunen liess der ältere Sänger beinahe die Gläser fallen. "Was?! Wie kommst du denn darauf?". "Ich...dachte nur...jetzt, wo ihr euch alle wieder richtig vertragen habt, möchtet ihr vielleicht zusammen Urlaub machen...". "Daisuke, ich hatte die Idee, mit Kyo und dir da hinzufahren. Es war als Männerurlaub geplant, und genauso wird's durchgezogen. Mit den Mädels können wir auch sonst mal wieder was machen. Wie kommst du denn auf einmal auf solche Gedanken?". Schulterzucken. Leicht gerötete Wangen. "Manchmal fühlt man sich seltsam, wenn man die besten Freunde auf einmal mit Frauen teilen muss, von denen man weiss, dass sie im Leben eben dieser Freunde einen höheren Stellenwert haben, als man selbst...". Gara brauchte eine Weile, um diese Worte zu verdauen. Dann atmete er einmal tief ein und blickte Daisuke fest an. "Richtig, ich liebe Sachiko. Und Kyo liebt Chieko, zumindest macht es den Anschein. Aber das heisst nicht, dass die beiden zwischen Kyo, dir und mir stehen. Haben wir dich vernachlässigt, seit wir die beiden haben? Sind wir anders seither? Du bist einer von Kyos und meinen besten Freunden - und wie wir gesehen haben, sind die Bande zwischen uns stark. Worüber also machst du dir Sorgen?!". Der Jüngere leerte das prickelnde Nass in einem Zug und musste mehrmals nacheinander niesen, bevor er zu den Worten seines Freundes Stellung nehmen konnte. "Sorry. Ich...manchmal überkommen mich diese Gefühle einfach. Und heute...liegt dies wohl am Jahresend-Blues." "Baka! Vergiss nie, Kyo und ich sind immer für dich da, egal, wen wir an unserer Seite haben. Und jetzt sollten wir uns wohl mal nen guten Platz suchen, bald geht's los...". In Daisukes Augen, die trotz des jungen Alters ihres Besitzers schon so viel Weisheit ausstrahlten, stahl sich ein erregter Glanz, wie bei einem Kind zu Weihnachten. Und in Garas Herz breiteten sich Wärme und Zufriedenheit aus. Sachiko stand auf einmal neben ihm und liess sich von ihm umarmen. Kurz bevor aller Uhren Mitternacht zeigten, liess der Merry-Sänger seinen Blick umher schweifen und bemerkte, dass nicht nur Daisukes Augen vor Freude glänzten. Alle Anwesenden schienen sich ganz unheimlich auf Dir en greys erstes Konzert des Jahres 2004 zu freuen. Und Gara hoffte, dass die Freude und die Energie, die von ihm, Daisuke, Sachi, Chieko und allen anderen auf dem Balkon und unten in der Halle ausgingen, ihren Weg zur Bühne finden würden, um sich dort in den Herzen der fünf Musiker einzunisten und ihnen für das nächste Jahr die Kraft zu geben, die sie brauchten. + + + Macht das, was ich hier fabriziert hab, noch irgendeinen Sinn? Ich hab mir die Geschichte schon so lange nicht mehr ganz durchgelesen, ich weiss nicht, ob sie noch in sich stimmig ist. Falls dem nicht so sein sollte, weist mich bitte darauf hin. ^^; Mir ist bewusst, dass ich mir ein paar Freiheiten erlaubt habe, was die Tourdaten von Kageoru und Merry angeht - aber ich bin die Autorin, ich darf das. ^^ Genauso wie ich für dieses Kapitel den Titel "Samhain" setzen darf, obwohl dies ja Halloween bezeichnet und nicht etwa Silvester. Ich fand aber, es passt sehr schön. Danke fürs Lesen! ^__^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)