Zum Inhalt der Seite

Akai Tsuki no mukou ~ Beyond the Red Moon

Eine Dir en grey-/Merry-/MUCC-/Kagerou-Story / Final chapter 24 uploaded!
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

15. [Mantis]

Entschuldigt die lange Schreibpause! Die war nicht geplant - tut mir wirklich leid!
 

Dieses Kapitel widme ich Ravanna (deine Begeisterung für diese Geschichte ist Schuld, dass ich dieses Kapitel nun doch recht schnell abgeschlossen habe) und Rei-ka (als kleine Entschädigung dafür, dass du so lange warten musstest! XD).
 

+ + +
 

"Magst du meinen Rest auch noch?"

Mit einem Schmunzeln betrachtete der Sänger von Merry, wie sein Freund fein säuberlich mit den Fingern den kleinen Alubehälter ausputze.

Kyo blickte auf die ihm hingehaltene, noch halbvolle Schale und musterte Gara eingehend.

"Entweder esse ich zu schnell oder du zu langsam...".

Schulterzucken.

"Willst du nun oder willst du nicht?"

Der Sänger von Dir en grey schüttelte verständnislos den Kopf und nahm Gara das Essen ab.

"Aber nicht, dass es irgendwann heisst, ich würde dir alles wegfressen!".

Gespielt-drohender Blick.

Die dünne Gestalt ihm gegenüber erhob sich und begann, das dreckige Geschirr in die Küche zu räumen, während Kyo sich über die letzten Happen des mit Ei gebratenen Reises hermachte.
 

Als er das nächste Mal aufschaute, lehnte Gara am Türrahmen und führte gemächlich eine Zigarette an seine vollen Lippen.

"Man könnte meinen, du hättest die letzten Wochen Hunger gelitten...".

Breites Grinsen.

Der ältere Sänger setzte die mittlerweile leere Schale auf dem Glastischchen ab und lehnte sich zufrieden zurück.

"Und du schaust aus, als würdest du das die ganze Zeit tun...".

Noch im selben Moment bereute er die so lakonisch daher gesagten Worte - so früh morgens sollte er es wohl doch unterlassen, Witze zu reissen.

"Sorry...".

Sein Freund kam wieder zu ihm rüber, die Lippen aufeinander gepresst, und drückte den nur halb runtergerauchten Stummel im bereitgestellten und bereits überquellenden Aschenbecher aus.

"Sorry, ich wollte echt nicht...".

Gara schenkte seinem Sempai ein nachsichtiges Lächeln, fläzte sich aufs Sofa und gähnte.

"Warum entschuldigst du dich? War doch nichts...".

Das Lächeln wurde...traurig?

Kyo vermochte nicht, es zu deuten. Doch genau so wenig konnte er die Worte zurücknehmen, die ihm vorhin so leichtfertig rausgerutscht waren.

Sie sprachen nie darüber, und doch wusste er, wenn auch nur aus zweiter Hand, dass sein Kouhai manchmal unter seiner Figur litt. Nicht, dass sie sich um vieles von der anderer Musikern in der Szene unterschieden hätte - doch während die meisten sich kasteiten und quälten, um am Ende so auszusehen, konnte er, Gara, nichts, aber auch gar nichts daran ändern. Und verdammt, Kyo konnte sich nur zu gut vorstellen, wie gerne der Sänger von Merry manchmal in einen anderen Körper geschlüpft wäre.
 

Um die Gedanken einzudämmen, die sich gerade zu formen versuchten, stand der kleingewachsene Sänger auf und räumte das restliche Geschirr vom Tisch.

Aus dem Schutz der Küche wagte er einen Themawechsel.

"Du kommst doch am 5., oder?!".

Das bekannte Klicken von Garas Zippo ertönte, bevor Kyo eine Antwort bekam.

"Ja, klar. Und Tetsu und Ken auch. Daruma hat ebenfalls Tickets. Und Tatsurou wollte auch kommen...".

"Und Daisuke?".

Erstaunen klang in Kyos Stimme mit, als er wieder ins Wohnzimmer trat.

Schulterzucken.

"Lange nichts von ihm gehört, aber ich schätze, Tatsurou nimmt ihn mit - schliesslich hab ich ihm zwei Tickets gegeben".
 

Das kurze Gespräch versiegte und die beiden sassen eine ganze Weile einfach nur da und rauchten vor sich hin. Stille umfing sie. Gespenstisch. Doch für zwei Nachtschwärmer wie sie durchaus vertraut.
 

"Wie läuft's eigentlich mit Chieko?".

Raus war sie, die Frage, die der Jüngere so lange zurückgehalten hatte.

Immer, wenn er seinen Sempai sah, fing das schlechte Gewissen an ihm zu nagen an. Heimtückisch und unerbittlich. Wie Nidhögg an Yggdrasil.

Die Unbefangenheit, mit der Kyo darauf reagierte, sagte Gara jedoch, dass sein Freund auch nach wie vor keine Verbindung zwischen seinem Kouhai und seiner neuen Flamme herstellte.

Erneute Schonfrist also.

Der selbsternannte Prophet beugte sich mit einem sinnigen Lächeln vor und fuhr sich leicht verlegen durch die verstrubbelten Haare.

"Soweit ganz gut...".

"Und warum bin ich dann hier und nicht sie?".

Kurze Denkpause.

"Weil...ich nichts überstürzen will. Aber...als ich vorhin in dieser leeren Wohnung aufgewacht bin...habe ich sie seltsamerweise vermisst...".

Ungläubiger, resignierender Seitenblick.

"Und weil du sie vermisst, hast du mich angerufen?"

Seufzen, gepaart mit einem hilflosen Grinsen.

"Ich wusste doch nicht, ob sie mich überhaupt sehen will. Es war schon so spät...".

"Gibt's zu, du hast dich nicht getraut!".

Schweigen.

Dann, mit leiser Stimme:

"Ja...ja...vermutlich war es das". Tiefer Seufzer. "Gara...ich habe solche Angst. Dies ist mehr als...diese kurzen Fick-Sachen, die ich zwischendurch am Laufen hatte. Ich darf nichts vermasseln, verstehst du?!".

Der Sänger von Merry streckte seine Hand aus und drückte den Unterarm seines Sempai, ganz sanft nur und spielerisch, doch er hoffte, seinem Freund dadurch Mut zu machen. Und ihn nicht spüren zu lassen, in welchem Dilemma er sich befand.

Erstaunlich genug, dass Kyo dabei war, sich einer Frau zu öffnen, sie nicht nur als Objekt zur Befriedigung seiner Lust zu sehen. Dass er allerdings auch noch mit dem Gedanken spielte, sie in sein Leben zu lassen, ihr Einblick in seine Welt zu gewähren, dass war allerhand. Und damit hatte Gara nun definitiv nicht gerechnet. Nicht, dass er es sich für seine Cousine nicht gewünscht hätte, aber...

"Nun denk nicht so viel nach - tu einfach, was du als richtig erachtest".

"Wenn ich bloss wüsste, was richtig ist. Es ist so lange her, dass...".

Verdrossen verzog sich der Mund des Älteren.

Gara wagte einen scheuen Blick in sein Gesicht. Seine Augen.

Schmerz. So viel Schmerz in diesen dunklen Seen. Und Müdigkeit. Ja, Kyo schien der Dämonen in sich endgültig müde zu sein - und doch hatte er nicht die Kraft, sie zu verbannen. Sie, die ihn seit Jahren peinigten.

"Lass deine Vergangenheit dir nicht deine Zukunft verbauen! Bitte...".

Die Stimme des Jüngeren durchbrach beinahe flehend die eingetretene Stille.

Anstelle einer Antwort liess der Dir en grey-Sänger bloss ein hämisches Grinsen hören. Und schämte sich gleich darauf dafür. Was war heute nur mit ihm los? Gara war hier, bei ihm, hatte sich Zeit für ihn genommen, hörte ihm zu - und was tat er?! Wenn er so weitermachte, würde sein Kouhai bald frustriert und angenervt das Feld räumen.

"Aber... sie ist immer noch da! Ich träume von ihr ! Ich sehe Chieko in meinen Träumen, aber sie hat ihr Gesicht!".

Verzweiflung begleitete den Ausbruch des älteren Sängers - und in Gara machte sich immer mehr Hilflosigkeit breit.

Was hatte er getan? Was taten er und Chieko Kyo an? Und vor allem...was sollten sie tun?!

"Und...wenn du Chieko von ihr erzählst?"

Ganz leise nur brachte der Jüngere den Vorschlag hervor. Fast so als fürchte er, seinen Freund dadurch noch stärker zu belasten.

Doch dieser nickte nur und zündete sich eine Zigarette an.

"Vermutlich wird es nicht anders gehen - es muss etwas passieren, ich muss etwas tun. Ich hoffe bloss, Chieko wird stark genug sein, sie aus mir zu vertreiben".

"Das ist nicht Chiekos Job. Dafür bist allein du zuständig. Stelle dich deinen Dämonen und biete ihnen die Stirn...".

Ergebenes Nicken.

"Ich weiss...aber manchmal hilft es mir, mir einzubilden, dass nicht die ganze Last auf mir liegt. Dass irgendwo da draussen jemand ist, der mich errettet...".

Einem plötzlichen Impuls folgend legte Gara seinem Sempai den Arm um die schmale Schulter und zog ihn vorsichtig an sich.

"Du trägst diese Last nicht alleine. Ich bin doch da, und auch Daisuke, und das weißt du...".

Tiefes Luftholen.

"Ja, ich weiss, danke...es ist nur...die letzte Schlacht werde ich ganz alleine schlagen müssen, da kann mir niemand helfen...".

Mit einem Seufzen liess der Jüngere von Kyo ab und fuhr sich hilflos mit beiden Händen übers Gesicht. Seine trockene Haut spannte sich unangenehm über die hohen Wangenknochen. Wahrscheinlich war es doch langsam an der Zeit, dass er in sein Bett kam. Doch konnte er seinen Freund so alleine lassen?

Als hätte er die Gedanken seines Kouhais gehört, erhob sich der Ältere plötzlich und war auf einmal wieder ganz unbefangen. Was für ein verdammt guter Schauspieler er doch war.

"Du schaust aus, als könntest du etwas Schlaf vertragen...".

Er bedachte Gara mit einem breiten Grinsen.

Der Jüngere nickte bloss und erhob sich ebenfalls.

"Danke, dass du gekommen bist, ne...".

Liebevolles Lächeln.

"Keine Ursache, immer gern...".

"Soll ich dir ein Taxi rufen?".

Der Merry-Sänger holte sich seinen Mantel, kramte sein Keitai hervor und warf einen schnellen Blick aufs Display.

"Nein, die ersten Züge fahren schon wieder...".

Kyos Augen wurden riesengross.

"Haben wir so lange gelabert?! Wow...".

"Hat gut getan...".

"Naja...wohl nur mir - du hast ja kaum was erzählt...". Zerknirscht.

Gara schlüpfte in seinen Mantel und lächelte gutmütig.

"Na und? Irgendwann komm ich auch wieder auf meine Kosten...sorg du jetzt erstmal dafür, dass die Sache mit Chieko Gestalt annimmt".

Und er würde dafür sorgen, dass seine Cousine Kyo die Wahrheit beichtete - er konnte es nicht.

"Genau, apropos Chieko, was ich noch fragen wollte...meinst du, sie mag Ryokans?".

Amüsiert hob der Jüngere die Augenbrauen.

"Gegenfrage: Wer mag sie nicht?!". Lachen.

"Naja...ich bin mir halt nicht sicher...".

"Ich sag's dir nochmal: Tu, was du für richtig hältst!".

Nun musste der Ältere ebenfalls lachen.

"Okay, okay, hab schon verstanden...und nun hau ab, du schaust verdammt fertig aus".

Gara band sich sein Halstuch um und drehte den Schlüssel der Eingangstür.

"Gleichfalls!". Freches Grinsen.

"Komm gut nach Hause, ne, und danke nochmal!".

Der grosse, dünne Sänger nickte und trat ins Treppenhaus. Gerade als er schon die Treppe runtergehen wollte, wandte er sich noch einmal um und sah seinem Sempai fest in die Augen.

"Kyo, schaue ich echt so furchtbar aus?".

"Natürlich nicht - keine Angst, die Leute auf der Strasse werden schon nicht schreiend vor dir davonlaufen...".

"Das meinte ich nicht - ich meinte...du weißt schon...".

Sofort erstarb das Grinsen des Älteren und machte tiefer Betroffenheit Platz.

"Gara...nein...vergiss meinen doofen Spruch, das war nicht so gemeint!".

Am liebsten hätte der Sänger von Dir en grey seinen Freund zurückgezogen und ihm die dummen Gedanken ausgeredet, doch Gara wandte sich nun endgültig zum Gehen.
 

Und während Kyo reglos in der offenen Tür stehen blieb und Nidhögg wieder an sich nagen fühlte, trat Gara raus in die kalte Morgenluft, begleitet von seinen eigenen Dämonen.
 

* * *
 

Der Kloss in seinem Hals wuchs mit jeder verstreichenden Minute, und sein Herz wurde schwer. Gerne hätte er jetzt Zigarette um Zigarette geraucht, doch nach der Erkältung, die er gerade durchgemacht hatte, erschien ihm dies nicht allzu vernünftig. Stattdessen tigerte er - schon seit er aufgestanden war - nervös durch die ganze Wohnung.

"Meinst du nicht, es reicht? So schlimm wird's doch wohl nicht werden...".

Yoshie schaute von ihrem Magazin auf.

Der Angesprochene zuckte nur die Schultern und fuhr sich durch die kurzen Haare.

"Du hast gut reden. Ich fühl mich, als ob Kaoru und ich heute entscheiden würden, ob unsere Freundschaft Begnadigung kriegt oder ob wir sie aufs Schafott schicken...".

"Naja, ganz so abwegig ist das Bild nicht, dass du da vor dir hast".

"Und da sagst du mir, ich solle ruhig sein?! Danke auch...".

Die junge Frau legte die Zeitschrift beiseite, stand auf und zog Die in ihre Arme.

"Was ich meine ist: Die Sache wird so ausgehen, wie sie ausgehen muss. Egal, ob ihr danach bereit seid, euch eine Chance zu geben, oder nicht - diese Aussprache muss sein. Aber es bringt doch nichts, dass du dich hier verrückt machst".

Die letzten Worte nur noch ein Flüstern an seinem Ohr.

Statt zu antworten, drückte der Gitarrist seine Freundin ganz fest und liess erst von ihr ab, als die Türklingel ertönte.

"Okay, es ist soweit...".

Mit einem unsicheren Grinsen ging der junge Mann zur Gegensprechanlage, um den Buzzer zu betätigen, während Yoshie sich eine Stola umlegte und ihre Tasche schnappte.

"Kopf hoch, das wird schon".

Ein ermutigendes Lächeln.

"Denk an mich. Und viel Spass mit Yumi...".

Ein noch breiteres Lächeln, ein Küsschen von rosa Lippen auf eine blasse Wange, dann war die junge Frau auch schon zur Tür raus.
 

Die atmete tief durch.

Sollte er hier stehen bleiben? Nein, das wirkte so linkisch.

Mit ein paar langen Schritten machte er sich auf ins Wohnzimmer, um seinen Gast auf der Couch sitzend zu erwarten.
 

Kurz darauf wurde die Tür geöffnet und fiel gleich danach wieder ins Schloss.

Leise Schritte.

Das Knistern von Stoff.

Kaoru war oft genug hier gewesen, um zu wissen, wo er seine Sachen ablegen konnte.

Als Die schliesslich den Kopf zur Tür wandte, stand sein alter Freund da und starrte ihn an.

"Hallo, komm rein...".

Auch Kaoru war unsicher. Sein flackernder Blick wanderte unstet im Zimmer umher.

"Hi...geht's dir besser?!".

Nicken.

"Ja, geht so. Hab seit gestern Abend kein Fieber mehr, von daher...Willst du was trinken?".

Nun nickte der ältere Gitarrist und nahm auf dem komfortablen Sofa Platz.

"Kaffee? Bier? Wasser? Saft? Tee?".

"Kein Kaffee. Und auch kein Bier. Apfelsaft?".

Die erhob sich und machte sich kurz in der Küche zu schaffen, bevor er zu Kaoru zurückkehrte.

Verdammt, das würde so schwer werden...

"Wie geht's Yumi?!".

Small Talk

"Gut. Der Arzt ist zufrieden. Und ich erst. Hab die Kleine heute zum ersten Mal auf dem Bildschirm gesehen".

Ein Strahlen stahl sich in die nervösen Augen.

"Nun kriegt ihr also eure Aiko...". Die lächelte.

Erstaunen.

"Du erinnerst dich noch dran?".

Der jüngere Gitarrist schlug die Beine übereinander und liess seinen Blick auf Kaoru ruhen.

"Naja, du hast oft genug davon gesprochen".

Nicken.

"Ja, stimmt...".

Befangene Stille kehrte ein.

Beide nippten an ihren Getränken, liessen eine Minute verstreichen.

Erst dann brachte Die wieder ein paar Worte über die Lippen.

"Ich freu mich für dich und Yumi. Wirklich. Egal, was zwischen uns war und ist, ich gönne euch dieses Glück".

Kaoru liess sein Glas sinken und das Gesagte auf sich wirken.

"Danke, Die. Erinnerst du dich, was du im Tourbus zu mir gesagt hast? Dass ich mit Sicherheit einen guten Vater abgeben werde? Alle haben diese Erwartung an mich, alle sehen mich in der Rolle des Vaters. Aber sag mir: Warum hab ich solche Mühe damit? Warum kann ich Yumis Schwangerschaft nicht geniessen?! Verdammt, ich wollte das doch immer! Ich liebe Kinder! Doch jetzt, wo's soweit ist, schneidet mir die Angst die Luft ab...".

Die spülte seinen trockenen Mund mit Bier.

"Hast du dich schon gefragt, ob deine Ängste nicht eher mit anderen Dingen zusammenhängen?".

Nicken.

"Ja. Und sehr wahrscheinlich tun sie das. Die, was geschieht mit uns?".

Jetzt kamen sie also auf den Punkt. Wesentlich schneller, als Die erwartet hatte. Vermutlich konnte auch Kaoru es kaum abwarten, alles hinter sich zu bringen.

Bevor er antwortete, putzte er sich die Nase, doch danach konnte er das Unvermeidliche nicht mehr länger rauszögern.

"Das vermeintliche Paradies ist zu einer Hölle geworden, der wir nicht entrinnen können. Doch statt zusammenzuwachsen, driften wir auseinander, weil wir nicht anders können. Weil es in unseren Naturellen liegt. Weil zuviel geschehen ist. Scheisse, Kaoru, 7 Jahre, beinahe 7 verdammte Jahre! Hättest du am Anfang je gedacht, dass du mich einmal hassen würdest?".

Der Ältere zuckte zusammen. Das Herz schlug ihm bis zum Hals.

"Warum sollte ich dich...", fing er an, doch sofort schnitt Die ihm das Wort ab. Wenn er jetzt nicht weitermachte, würde er sich nie wieder trauen.

"Du tust es, und ich weiss es! Und das im Endeffekt nur wegen eines bescheuerten Songs. Musstest du dich deshalb so grausam an mir rächen? Nur weil dein verdammter Stolz dich nicht einsehen lässt, dass du nicht immer die erste Geige spielen musst, obwohl du der Leader bist?!".

Die letzten drei Worte waren so voller Verachtung, dass der Jüngere sich vor sich selbst erschreckte.

Doch er war noch nicht fertig.

"Ich habe dieses Mädchen damals sehr gern gehabt. Wirklich. Und ich weiss bis heute nicht, wie du's angestellt hast. Aber vermutlich stehen solche Weiber auf Leader-Typen, da kann so einer wie ich natürlich nicht mithalten. Doch weißt du was? Im Nachhinein gesehen bin ich dir dankbar, dass es so gelaufen ist; deine Aktion hat mir die Augen geöffnet und nun hab ich Yoshie. Eigentlich hatte ich gehofft, dass du dich änderst, als du Yumi kennen lerntest. Sie ist ein gutes Mädchen. Aber selbst bei ihr baust du nur Mist. Du hast so viele Gesichter - und das für mich strotzt vor Hass. Ich hatte gehofft, irgendwann, vielleicht sogar noch vor drei Tagen im Tourbus, dass alles wieder so wird, wie es mal war. Dass wir alle wieder die Freunde werden würden, die wir waren. Doch wie du heute zu dieser Tür rein gekommen bist, wurde mir bewusst, dass es kein Zurück mehr gibt. Für keinen von uns. Wir haben unsere Seelen dem Teufel verkauft".

Dies Stimme brach ab, und er leerte sein Bier in schnellen Zügen.

Mit einem Mal fühlte er sich unglaublich leer. Er hatte gehofft, eine grosse Erleichterung zu verspüren, doch da war nichts als Leere.

Von Kaoru kam eine ganze Weile keine Reaktion. Nur als er das Glas an seine Lippen führte, nahm der jüngere Gitarrist das Zittern seiner Hand wahr und wusste, dass gleich ein Sturm losbrechen würde.

"Ja, ich hasse dich! Für dein Aussehen, deine Figur, deine Ausstrahlung! Dafür, dass alle dich mögen. Für dein Lächeln. Und dafür, dass du bessere Solis spielst als ich. Und dass deine Songs alle gleich beim ersten Hören umhauen. Und noch für einiges mehr, aber das tut nichts zur Sache. Und ja, du hast Recht, ich bin ein ganz schönes Arschloch - aber weißt du was? Ich bin gern eins! Anders komm ich in dieser Welt nicht mehr klar. Aber pass bloss auf, was du über Yumi sagst - ich liebe sie und gebe mein Bestes! Ich hab auch Gefühle und Bedürfnisse, selbst wenn du mich für ein Monster hältst."

Der Jüngere grinste verächtlich, sagte aber nichts.

"Deshalb sag mir eins, Die, und sei ehrlich, ich muss das wissen: Gibst du mir die Schuld an dem, was mit Dir en grey geschehen ist?".

Diese Frage hatte er nun allerdings gar nicht erwartet. Dies Kopf fuhr herum und seine grossen Augen richteten sich auf den Bandleader. Er hätte ihn ohne weiteres anlügen können - hier und jetzt. Am liebsten hätte er es getan und den Älteren damit bis ins Mark getroffen. Doch wenn es etwas gab, wozu Die nicht neigte, waren es Unfairness und Boshaftigkeit.

"Nein, Kaoru. Er ist Schuld. Wir waren alle blind. Vermutlich hätten wir auf dich gehört, wenn du schon zu Beginn Zweifel gehegt hättest, doch...du warst genau so enthusiastisch wie wir alle. Verdammt, es ging schliesslich um die Verwirklichung unseres gemeinsamen Traums. Wer denkt da schon an die Folgen?!". In Die keimte plötzlich ein Verdacht auf. "Wie lange hast du dir die Schuld daran schon eingeredet?".

"Schon viel zu lange. Manchmal erscheint mir alles, was wir getan haben, falsch, so schrecklich falsch".

Kopfschütteln.

Seufzen.

"Es hat keinen Zweck, dass wir uns deswegen verrückt machen. Die Dinge sind nun mal so geschehen. Du hättest schon viel früher mit einem von uns drüber reden sollen, dann wär dir vermutlich das mit deinem Magen erspart geblieben".

Kaoru nickte und trank seinen Apfelsaft aus.

"Ja, vermutlich".

Wieder herrschte Schweigen, bis der Leader erneut das Wort ergriff.

"Können wir uns auf etwas einigen, Die?".

Der Angesprochene blickte erwartungsvoll auf.

"Versuchen wir, so gut es geht auszukommen? Die anderen wissen auch, wie's um uns steht, aber sie haben ihre eigenen Probleme und kämpfen ihre eigenen Schlachten, wir sollten sie nicht zu sehr mit reinziehen".

Die holte tief Luft.

"Ja, wollt ich auch vorschlagen. Ich fürchte nur, Toshiya wird sich nen Deut darum scheren - er steckt schon zu sehr mit drin".

"Das ist ja wohl aber deine Schuld!".

"Ja, klar, hab ja nichts anderes behauptet". Der Jüngere ging in die Defensive.

"Okay, dann...weisst du, ich hatte auch gehofft, dass wir alles irgendwie klären können, aber wie du schon gesagt hast, es hat keinen Sinn mehr. Versuchen wir einfach, uns zu arrangieren, okay?".

"Was anderes bleibt uns wohl kaum übrig...".

Seufzen.

"Redest du mit Toshiya?!".

"Traust dich wohl nicht, was?". Die rang sich ein Grinsen ab.

"Es besteht die Gefahr, dass er mir eine reinhaut".

"Toshiya? Das glaubst du wohl selber nicht!".

Nun musste der Jüngere ehrlich lachen und schüttelte dabei den Kopf.

Kaoru wurde sofort wieder ernst.

"Wie auch immer. Ich wollte, ich könnte dir verzeihen. Aber ich kann es genauso wenig, wie du mir. Belassen wir es dabei und tun, was das Beste für die Band ist. So ist es eigentlich recht fair, findest du nicht?".

Nein, fand er nicht. Was Kaoru ihm bis heute nachtrug, hatte er, Die, nicht selber verschuldet, während der Bandleader mit voller Absicht gehandelt hatte. Wie ein schwarzer Racheengel. Bei dem Gedanken fröstelte der Jüngere. Er würde sich hüten, Kaoru zu widersprechen. Stattdessen nickte er bloss.

"Ja, konzentrieren wir uns auf die Band und versuchen wir, das Persönliche auszuklammern, wo es nur geht."

"Es sollte nicht beim Versuch bleiben."

Der ältere Gitarrist schien sich plötzlich an etwas zu erinnern und zog einen zusammengefalteten Umschlag aus der Gesässtasche seiner Jeans.

"Die erste Feuerprobe gibt's schon bald."

Neugierig und auch etwas ängstlich nahm Die den Umschlag entgegen, riss ihn auf und widmete sich dem Inhalt.

Das Augenpaar das sich danach auf Kaoru richtete, schien voller Leid.

"Dieser verdammte Sadist!".

"Da stimme ich dir ausnahmsweise zu - lass dir aber ja nichts anmerken, ja?! Oh, und keine Angst, ich werde nicht den ganzen Nachmittag bleiben können - muss an dem Tag noch zum Arzt".

"So ganz zufällig?"

"Natürlich".

Für eine Sekunde trafen sich ihre Blicke, verschwörerisch, als hätten sie gerade eben einen Pakt geschlossen. Dann erhob sich der Ältere und brach den Zauber.

"Schön, dann wär also alles geklärt. Bleib ruhig sitzen - ich find schon alleine raus."
 

Als die Tür ins Schloss fiel, stieg Verzweiflung in Die auf. Gehässig starrte er auf die Eintrittskarte zum Universal Park und steckte sie zurück in den Umschlag. Auf so eine Idee konnte auch nur Tommy kommen. Ihn und Kaoru zusammen in nen Vergnügungspark zu schicken, und das nur, um gegenüber den Fanclub-Mitgliedern den schönen Schein zu wahren.
 

Schön, dann wär also alles geklärt.
 

Ja, das war's dann wohl.

Eine jahrealte Freundschaft - geopfert für einen Traum, der zum Albtraum geworden war.

Der Schlund zur Hölle hatte sich endgültig geöffnet und nie war dem Gitarristen der Himmel ferner erschienen.

You in the dark

You in the pain

You on the run

Living a hell

Living your ghost

Living your end

Never seem to get in the place that I belong

Don't wanna lose the time

Lose the time to come
 

Whatever you say it's alright

Whatever you do it's all good

Whatever you say it's alright

Silence is not the way

We need to talk about it

If heaven is on the way

We'll wrap the world around it

If heaven is on the way

If heaven is on the way...
 

* * *
 

Der Sänger von Merry schob seine schmale Gestalt durch die vielen Fans und bahnte sich mühevoll seinen Weg zum VIP-Bereich. Er spürte, wie einige Blicke an ihm haften blieben und ihm folgten, doch der Anstand seiner Landsleute verbot es ihnen, ihn anzusprechen. Also gelang es ihm nach einigen Minuten, unbedarft den etwas erhöht stehenden, abgesperrten Teil der Halle zu erreichen, wo er vom Sicherheitsdienst ungefragt durchgelassen wurde. Unter und neben ihm Wogen von Köpfen. Aufgeregtes Getuschel lag in der Luft, durchbrochen von den oft surreal anmutenden Klängen der Nine Inch Nails.

Irgendwann musste er Kyo dazu bringen, für andere Background-Mucke zu sorgen.

Rauchend stand er da und warf einen Blick auf die Bühne. Düster, wie immer. Dir en grey-Konzerte hinterliessen bei ihm meist einen schalen Nachgeschmack, und doch freute er sich, die Band eines seiner besten Freunde wieder einmal zu sehen.

Seltsamerweise war er nervös - und konnte sich nicht erklären, warum. Irgendetwas bahnte sich an, er konnte es praktisch fühlen, und doch konnte er nicht bezeichnen, worauf sich seine Empfindungen stützten.
 

Das Eintreffen seiner beiden Bandkollegen lenkte ihn von seinen Gedanken ab. Ken und Tetsu hatten in der Menge noch Bekannte getroffen gehabt und es erst jetzt bis hierher geschafft.

"Hey, warum bist du denn so schnell weitergegangen?".

In Kens Stimme lag ein leichter Vorwurf.

Schulterzucken.

"Hatte grad einen Bock, mit den Leuten zu reden".

"Deine Laune ist ja mal wieder berauschend", murmelte Tetsu mit verzogenem Mund und wandte sich dann ab. Er hatte in einer Ecke des Bereiches Daruma entdeckt, ihren Freund und Illustrator vieler ihrer CD-Cover.

Mit einem Seufzen blickte Gara ihm nach und schenkte Ken danach ein entschuldigendes Lächeln.

"Hältst du's für ne gute Idee, dir heute Abend Dir en grey anzuschauen?".

Ken kannte den Sänger, wenn er in dieser lustlosen Stimmung war.

"Meinst du, zuhause hocken wär mir besser bekommen? Ausserdem bin ich es Kyo schuldig...".

Der Gitarrist nickte nur und schwieg. Gara hatte ja recht. Hier konnte er sich wenigstens von dem ablenken, was ihn quälte. Was auch immer es war. Manchmal wünschte er sich, sein Bandkumpel wäre offener zu ihm. Ihn seit Wochen in einem Gefühlschaos dahindümpeln zu sehn, gefiel Ken gar nicht. Aber da er nicht einmal wusste, was Gara so sehr beschäftigte, hatte es keinen Sinn, tiefer in ihn zu dringen.
 

Schon in der nächsten Minute jedoch dämmerte ihm, was mit Gara los war.
 

Eine hochgewachsene Gestalt näherte sich der VIP-Zone. Es fiel Ken nicht schwer, Tatsurou zu erkennen. Und hinter ihm...
 

...Garas Ex-Freundin.
 

Ken brauchte nur einen Blick auf den Sänger zu werfen, um zu sehen, dass dieser Sachiko ebenfalls erkannt hatte. Unauffällig entfernte er sich, um sich zu Tetsu und Daruma zu gesellen; hier war er eindeutig fehl am Platze.
 

Garas Herz tat einen Sprung, als er Tatsurous Begleitung sah. Was zum Teufel sollte das denn bitte? Gehetzt sah er sich nach einem Fluchtweg um, doch der MUCC-Sänger und die junge Frau hatten ihn bereits erblickt und steuerten nun direkt auf ihn zu. Verdammt, was dachte Tatsurou sich dabei?
 

Der grosse Sänger war als Erster bei ihm; Sachiko blieb etwas abseits stehen und tat so, als würde sie der Soundcheck auf der Bühne brennend interessieren.
 

"Was soll das?!".

Garas Stimme war nur ein Zischen.

"Guten Abend, freue mich auch, dich zu sehen".

Ein selbstüberzeugtes Lächeln zeigte sich auf Tatsurous Gesicht.

"Warum ist sie hier?!?".

Das Lächeln verschwand.

"Kannst du dir das nicht denken? Ich hab das ganze Getue endgültig satt und dachte mir, ich helf nach".

Entsetzen stand Gara ins Gesicht geschrieben. Seine Vorahnung hatte ihn also nicht getäuscht. Verdammt, ja, er hatte sich nach Sachi gesehnt, er hatte sie wiedersehen wollen - doch eine gewisse Vorbereitung darauf wäre nicht schlecht gewesen. Jetzt traf ihn ihre Anwesenheit wie ein Schlag.

"Hättest du mir nicht wenigstens Bescheid sagen können?!".

"Was denn? Damit du dich dann einfach drückst?! Nein, mein Lieber!".

Tatsurou schüttelte bestimmt den Kopf, seine fransigen Haare wippten hin und her.

"Hat sie gewusst, dass ich hier bin?".

Nicken.

"Ja - und weißt du, ich glaube, sie wollte dich insgeheim auch endlich wieder sehn. Vermassel es bloss nicht!".

Fassungslos starrte Gara seinem Freund nach, als dieser sich zwinkernd abwandte und mit einem breiten Grinsen zwischen den Anwesenden verschwand.
 

Die junge Frau hatte sich ihm zugewandt und ihre Blicke trafen sich im Halbdunkel. Als die brachialen Klänge von "G.D.S." aus den Boxen drangen und die Fanmenge in Hysterie versetzten, machte Gara einen Schritt auf Sachiko zu. Und auf einmal konnte das bevorstehende Konzert unwichtiger nicht sein...
 

* * *
 

Als sie die Backstage-Räumlichkeiten durch die Hintertür verliess, wusste sie nicht, ob sie vor Freude hüpfen oder vor Verzweiflung in Tränen ausbrechen sollte.

Eigentlich hätte sie allen Grund gehabt, der glücklichste Mensch auf Erden zu sein - und doch wog das schlechte Gewissen schwerer. Sie fühlte sich wie eine Verräterin und wusste nicht, wie sie alles sollte klären können, ohne Kyo zu sehr zu verletzen und am Ende auch noch seine Freundschaft zu Gara zu gefährden.

Was hatten sie bloss angerichtet? Warum war sie auf Garas wie ihr jetzt schien blöde Idee eingestiegen?

Sie wusste nicht, wie Kyo auf ihre Eröffnungen reagieren würde - doch die reine Vorstellung erfüllte sie mit Furcht.
 

Kühler Wind wehte über den mittlerweile menschenleeren Platz. Nur liegengelassene Flyer, Zigarettenstummel und ein paar vergessene PET-Flaschen zeugten davon, dass hier noch vor zwei Stunden erschöpfte, aber aufgedrehte Fans das Konzert verlassen hatten.

Sie war länger bei der Band geblieben, als sie vorgehabt hatte. Eigentlich war nicht vorgesehen gewesen, dass sie backstage ging, doch einer der Crew hatte sie nach dem Gig gesehen und nach hinten geholt, wo ihr Misstrauen entgegen geschlagen war, bis Kyo auf der Bildfläche erschien. Und auch nachdem er bei ihr war, konnte sie sich des Gefühls nicht verwehren, dass ihre Anwesenheit einigen Leuten nicht passte. Sie hoffte bloss, dass Kyo für diese Aktion keine Scherereien bekommen würde. Ganz offensichtlich hatte keiner der anderen Jungs seine Freundin dabei.
 

Kaoru und Shinya waren früh gegangen und auch die Leute von Crew und Security hatten sich nach getaner Arbeit verabschiedet. Am Ende war sie nur noch mit Kyo, Die, Toshiya, Yukie, Inoue und einem der Fanclub-Mädchen rumgelümmelt und hatte mit ihnen Bier getrunken, geraucht und das Konzert Revue passieren lassen.
 

Aus Inoue wurde sie auch jetzt, wo sie ihn etwas besser kannte, nicht schlau. Doch auch er schien nicht mehr als in kleines Rädchen in der grossen Maschinerie zu sein. Er war freundlich zu ihr gewesen, um nicht zu sagen zuvorkommend - aber die Art, wie Kyo sich ihm gegenüber verhielt, hatte sie wachsam gemacht und sie wusste, dass sie dem Manager nicht trauen konnte.
 

Mittlerweile hatte sie den Platz überquert und bog in eine der schmalen Strassen ein, die von der Halle wegführten. Trotz der späten Stunde waren immer noch viele Menschen unterwegs und bevölkerten die Cafés, an denen sie vorbei ging. Wenn sie sich beeilte, würde sie es mit der Subway bis nach Hause schaffen und kein Taxi rufen müssen. Eigentlich hatte Kyo drauf bestanden, dass sie mit ihm und den anderen im bandeigenen Van nach Hause fuhr, doch sie hatte Inoues Toleranz nicht noch mehr ausreizen wollen und hatte sich verabschiedet, bevor Kyo weiter in sie dringen konnte. Der Sänger hatte es sich jedoch nicht nehmen lassen, ihr bei der Verabschiedung einen kleinen Zettel in die Hand zu drücken, den sie, sobald sie vor dem Backstage-Raum im Gang stand, gelesen hatte.
 

Komm in zwei Wochen nach Osaka. Wir spielen dort zweimal - und ich kenn ein tolles Ryokan...
 

Vermutlich hatte Kyo den ganzen Abend darauf gehofft, ihr diese Worte persönlich sagen zu können, doch Inoue war nie von seiner Seite gewichen und wahrscheinlich war der Sänger auch nicht sonderlich erpicht darauf, dass seine Bandkollegen über seine Pläne Bescheid wussten. Soweit Chieko von Gara gehört hatte, war es den Jungs von Dir en grey nicht erlaubt, sich auf ner Tour in einem anderen als dem vom Management ausgesuchten Hotel einzuquartieren. Kyo schien also gewillt zu sein, für sie jede Menge Ärger in Kauf zu nehmen. Und sie hatte es immer noch nicht geschafft, ihm die Wahrheit zu sagen...
 

Mittlerweile hatte der Wind noch mehr aufgefrischt und trug den Geruch des nahenden Regens in sich. An den Tischen draussen vor den Cafés sassen nur noch vereinzelt junge Leute, alle anderen hatten sich nach drin in die Wärme verzogen. Beim genaueren Hinsehen erkannte sie im Pärchen am Tisch, an dem sie gerade vorüber ging, Gara und Sachiko. Voller Überraschung blieb sie stehen und näherte sich den beiden.

"Dass ich das noch erleben darf - konban wa".

"Chie-chan...". Sachikos Gesicht begann zu strahlen. "Setz dich doch zu uns - hab dich beim Konzert gar nicht gesehen!".

Chieko liess sich auf einem der Holzstühle nieder und erwiderte mit einem grinsenden Blick auf Gara: "Na, kein Wunder...".

Der Sänger zog eine Grimasse.

"Und wo warst du? Bei deinem Koibito?".

"Ja, erzähl, gibt's was Neues?!", schlug Sachi in die selbe Kerbe.

"Ja und ja. Und ich erzähl nur weiter, wenn du mich morgen anrufst und mich aufklärst, was das hier soll".

Sachiko wusste auch ohne weitere Erklärung, worauf ihre Freundin ansprach, und gab ihr mit einem geheimnisvollen Lächeln zu verstehen, dass sie ihr einiges zu erzählen hatte. Garas empörtes Gesicht wurde von beiden Mädchen konsequent ignoriert.
 

Nachdem Chieko sich ein Glas Rotwein bestellt hatte, klaubte sie Kyos Zettel aus der Tasche ihres Blazers und hielt ihn den beiden anderen hin.

"Kuso!".

Sachi blickte verwirrt von ihrer Freundin zu Gara.

"Was ist denn?".

"Kyo weiss noch immer nicht, dass sie meine Cousine ist und dass..."

"...das alles deine blöde Idee war!", vollendete Chieko den Satz und zündete sich eine Zigarette an.

"Hey, ich hab's nur gut gemeint! Ihr mögt euch doch!".

Verteidigend erhob der Sänger seine Stimme.

"Du weißt genau, dass das nicht reicht! Wir sitzen ganz schön in der Tinte!".

Chieko nahm den Zettel wieder an sich und steckte ihn sorgsam zurück in ihre Tasche.

Seufzend nippte Gara an seinem Bier und starrte vor sich hin.

Eine ganze Weile sagte keiner was. Nur Chiekos Inhalieren des Rauches war zu hören.

Dann ergriff der Sänger wieder das Wort.

"Ich weiss, warum er dich dahin einlädt. Er hat mich gefragt, ob du sowas magst. Er möchte dir gern mehr von sich erzählen...".

"Und das sagst du mir erst jetzt?!".

"Ich weiss es doch auch erst seit vier Tagen!".

"Na toll...er vertraut mir - und dann komme ich und mache alles wieder zunichte. Super".

Gehässig nahm Chieko ihrer Zigarette das Leben.

"Aber je länger ihr wartet, umso härter wird's, oder?!", meldete sich Sachiko zu Wort.

Gara und seine Cousine nickten.

"Weißt du, was er mir erzählen will?".

Chieko mustere Gara forschend.

Dieser atmete erstmal tief durch und rückte danach mit der Sprache raus.

"Die Sache mit seiner Verlobten, du weißt schon. Er ist noch immer nicht drüber weg - und er meint, wenn er's dir erzählt, wird's vielleicht besser...".

Verzweifelt reib seine Cousine sich die Stirn.

"Das wird ja immer schöner - er schüttet mir sein Herz aus und als Dank dafür ramme ich ihm gleich danach ein Messer rein. Na denn Prost!".

Sprach's und stürzte den bisher unangetasteten Wein in wenigen Schlucken runter.

"Versuch halt, ihm zuvor zu kommen - da hat er wenigstens noch die Möglichkeit, dich aus dem Ryokan zu schmeissen".

Sachikos witzig gemeinte Bemerkung lockerte die Stimmung etwas auf - doch sie alle wussten, dass Chieko eine schwere Aufgabe bevorstand.

"Naja, wie auch immer - jetzt seh ich ihn erstmal ne Weile nicht und hab genügend Zeit, mir die richtigen Worte zurecht zu legen. Ich hoffe nur, er versteht, wie wichtig er mir ist, auch wenn ich ihn angelogen habe...".

Gara lächelte seiner Cousine aufmunternd zu.

"Keine Angst, das wird schon".

Zweifelndes Grinsen.

"Tu nicht so, ich weiss genau, wie nahe dir die Sache geht...".

Mit diesen Worten erhob sich die junge Frau, hänge sich ihre Handtasche um und zündete sich eine weitere Zigarette an.

"Okay, ich lass euch dann mal wieder. Danke fürs Zuhören."

"Gern geschehen - ich ruf dich morgen an, dann reden wir weiter".

Chieko nickte ihrer Freundin dankbar zu, bedachte Gara mit einem Zwinkern und verschwand in die Nacht, deren schwarzgewandeter Himmel gerade anfing, Tränen zu vergiessen.
 

* * *
 

"Na, wie ist's gelaufen? Ihr scheint euch ja prächtig amüsiert zu haben".

Tatsurous gut gelaunte Stimme drang an sein Ohr.

"Ich weiss gar nicht, wie ich dir danken soll...".

"Oh Gott, nun werd ja nicht rührselig, ja!".

"Alleine hätte ich mich aber nie überwinden können, wieder mit ihr zu reden, geschweige denn mich überhaupt bei ihr zu melden".

"Und da ich dein Kumpel bin und mir das alles bekannt war, habe ich gehandelt. So einfach ist das".

Gara grinste über die Worte das anderen Sängers und setzte sich bequemer hin.

"Wie gesagt: Danke!".

"Keine Ursache. Wie schaut's denn jetzt mit euch beiden aus?".

"Wir haben lange geredet. Haben uns nur die Hälfte des Konzerts angeschaut und uns dann abgesetzt".

"Kyo wird Verständnis dafür haben".

Das war es, was Gara an Tatsurou schätzte - seinen trockenen Humor.

"Das will ich doch sehr hoffen".

Für eine Sekunde übermannte ihn wieder das schlechte Gewissen, wenn er an die Sache mit Chieko dachte. Dafür würde Kyo bestimmt weniger Verständnis aufbringen können. Tatsurou gegenüber sprach er seine diesbezüglichen Ängste jedoch nicht aus. Es reichte, wenn Chieko, Sachiko und er sich Sorgen machten - mehr Leute würde er nicht mit reinziehen.

"Und, wie geht's jetzt weiter? Komm schon, red mit mir!".

Tatsurous Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

"Naja, mal sehn. Wir treffen uns morgen wieder. Sie hat noch Gefühle für mich - und du weißt ja selbst, wie ich zu ihr stehe. Wir wollen nur nichts überstürzen, aber...es schaut ganz gut aus".

"Dann kann ich also davon ausgehen, dass meine Aktion ein Erfolg war?".

"Auf der ganzen Linie!".

"Ha - ich bin so gut!".

Gara konnte hören, wie der MUCC-Sänger im Zimmer umhersprang und so tat, als würde er sich vor Freude nicht mehr einkriegen.

"Baka! Wie schaut's eigentlich mit deinem Liebesleben aus?".

Der plötzliche Themenwechsel brachte Tatsurou dazu, sich wieder zu beruhigen. Er blieb jedoch stehen und kratzte sich am Hinterkopf.

"Wie kommst du darauf?".

"Weiss nicht - ich vermisse deine Fick-Geschichten. Keine Eroberungen mehr gemacht?".

"Klar doch, hab dir nur nicht mehr davon erzählt, um dich nicht zu frustrieren".

Trotz des Lachens in der Stimme des Anderen wusste der Merry-Sänger, dass er einen wunden Punkt getroffen hatte und Tatsurou dabei war, sich rauszureden.

"So viel Rücksicht kenn ich von dir ja gar nicht...".

Schweigen.

Gara konnte hören, wie sein Freund sich hinsetzte und eine Zigarette ansteckte.

"Naja...ehrlich gesagt...hatt ich schon länger keinen anständigen Fick mehr. Letzthin hab ich sogar geträumt, wie ich's mit Miya getrieben hab - meinst du, ich sollte mir Sorgen machen?!".

Am anderen Ende der Leitung konnte Gara gerade noch das Lachen unterdrücken, das die Vorstellung von Miya und Tatsurou in Aktion bei ihm auslöste.

"Öh...mir scheint, du brauchst tatsächlich mal wieder ne Braut...".

"Und was ist, wenn ich auch endlich sowas haben möchte wie du mit Sachi hast?".

Okay, das kam nun wirklich überraschend.

"Es klingt blöd, wenn ich sage, dass dir die Frau fürs Leben auch noch irgendwann über den Weg läuft, oder?!".

"Ja, schon".

"Du wirst sie aber nicht finden, indem du wahllos rumfickst".

Entrüstetes Schnauben.

"Was heisst hier wahllos? Ich hab meine Ansprüche!".

"Jaja, schon klar. Du weißt, wie ich's gemeint hab".

"Und wie hast du gemerkt, dass Sachi die Frau für dich ist?".

Kurzes Nachdenken.

"Ich weiss ja noch nicht mal, wie's mit uns genau weitergeht. Ich weiss nur, dass sie immer noch die Einzige ist, mit der ich mir eine feste Beziehung für längere Zeit vorstellen könnte. Mach dir ganz einfach klar, was du willst. Und dann geh raus und schau dich um - gibt genug süsse Mädels".

"Und woher weiss ich, dass die mich wollen und nicht mich, den Sänger von MUCC?".

"Sorg halt dafür, dass du eine findest, die deine Band noch nicht kennt. Oder treib eine auf, mit der du in der Schule befreundet warst".

Nun musste Gara endgültig lachen - er konnte nicht fassen, dass Tatsurou sich tatsächlich über sowas Gedanken machte. Unglaublich, wie naiv der Sänger von MUCC sich manchmal anstellte.

Dieser grinste am anderen Ende der Leitung nur gutmütig vor sich hin - doch tief in ihm drin nagte ein bisher nie gekannter Schmerz und er fühlte sich mit einem Mal sehr unverstanden und allein auf dieser Welt.
 

+ + +
 

[Lyrics: "Letting the cables sleep" © Bush]



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2005-06-23T07:21:34+00:00 23.06.2005 09:21
schön *.* endlich gehts weiter ^^" hab ewig drauf gewartet... naja was solls ^^ mir gefällts immernoch... @pyrobaby: danke für die erklärung die stelle hatte ich nämlich garnicht gecheckt xD
nyu bye ^ ^ Moon
Von:  Stormborn
2005-06-20T20:57:38+00:00 20.06.2005 22:57
Also, ich hab die fic ja eigentlich nur angefangen um mich mal ein bisschen mit deinem Schreibstil vertraut zu machen, habe aber dann doch die letzen paar Stunden damit verbracht sie zu lesen. Und ich muss sagen ich bin wirklich begeistert. Du hast einen wunderschönen, sehr poetischen und einprägenden Schreibstil. Beindruckend. Und du hast ein gutes Gespür dafür Stimmungen und Situationen zu beschreiben. Ich bin kein Deg-Fan XD Aber mittlerweile bin ich auch gespannt wie es weitergeht und was noch alles passieren würd.
Im Allgemeinen eine sehr düstere Stimmung, und ich hoffe doch mal das es den Jungs nicht wirklich so schlecht geht (^^°) aber unheimlich gut und glaubwürdig beschrieben.
:) Ich bin jedenfalls schwerstens beeindruckt und hoffe doch bald ein neues Kapitel lesen zu können.

@Rei-ka Nidhögg und Yggdrasil sind aus der germanischen Mythologie (Odin usw.) Yggdrasil ist die Weltesche. Nidhögg ist eine Schlange, die unten an ihren Wurzeln nagt. ^^ Wenn ich das alles jetzt richtig zusammenbekommen habe *lach*
Von: abgemeldet
2005-06-18T19:03:45+00:00 18.06.2005 21:03
*umschau*
waaaaaaaaaaaaaaaas?! noch keine kommentare... *grummel*
aber irgendwie gut, dann bin ich die erste *lach*
sooo, was gibt es zu erst zu sagen....

Die FF ist einfach genial, toll geschrieben und eine super story und chap 15 ist genauso toll wie alle anderen! das warten hat sich gelohnt!
*knuddel* und danke für die widmung *ästchen freu*

so zum chap. now
ich überlege schon seit gestern... die zwei namen Nidhögg und Yggdrasil... kommen die aus Angel Sanctuary?? sind das nciht die beiden in der Unterwlt oder so? *lang nicht gelesen hab*
das gespräch zwischen kyo und gara hat mri sher gefallen und wie du das thema vo n gara figur reungebracht hast und das beide so ausgalugt sind.... toll *~*

aber dann das gespräch zwischen kao und die... pfuiiii
ganz böses eury!!! ich hoffe das die sich noch zusammenraffen *zwinker*
und yeah es wird ein mädchen... *lach*

und ganz toll ist es auch das sachko und gara sich langsam wieder zusammenraufen. die beiden gehören zusammen. genauso wie chieko und kyo. nur das kyo langsam die wahrheit erfahren sollte. nicht wahr?

so jetzt weiß ich auch nciht emhr weiter!!! *knuddel*

schreib schnell weiter!!!
rei~chan


Zurück