Out of the Blue. von Ikeuchi_Aya (Out of the box.) ================================================================================ Kapitel 8: Hypogeal sounds -------------------------- Klickklack. Klickklack. Meine Augenlider zuckten. Klickklack. Klickklick. Schon wieder. Warum fiel es mir aber nur so schwer, diese anzuheben? Klickklack. Klicklack. Ich murrte. Konnte das bitte mal aufhören? Langsam aber sicher war ich einfach nur von diesen ständigen komischen Tönen genervt und überreizt. Klickklack. Klickklack. Aber es hielt mich wach und sorgte dafür, dass ich schließlich meine Augen doch noch öffnete. Ich erblickte nur eine hell verputzte Decke. „Oh, Sie sind wieder wach?“ Das erstaunte Gesicht des Doktors kam in mein Sichtfeld. „Schön Sie wieder bei uns zu haben“, zeigte sich ein ehrlich erfreutes Lächeln. Ich murrte ein weiteres Mal, versuchte mich dann aufzusetzen, wurde aber an den Handgelenken davon abgehalten, meine Arme als Stütze zu verwenden. Etwas kaltes und hartes hielt mich fest. Irritiert hob ich den Oberkörper an und sah, dass so etwas wie Handschellen anlagen, die mich fesselten. „Keine Sorge, die sind Sie gleich los.“ Nun wusste ich auch, was diese Geräusche veranstaltete: Der Doktor war daran, die Handschellen aufzuschließen. Oder zu brechen. „Wo … ist Ihr Schallschraubenzieher?“ „Das war wohl das erste, was sie mir abgenommen haben“, erklärte er ruhig und arbeitete weiter mit irgendetwas anderem Kleinen in der Hand, „Ich musste zu altmodischen Methoden greifen“, zeigte er mir nun die zwei Drahtnadeln, mit denen er vorging, „Ihre Füße sind bereits frei.“ Stimmt. An diesen hatten auch Fesseln gelegen und ich konnte sie ohne Probleme bewegen. „Wie lange haben Sie dafür gebraucht?“, brachte ich tief durchatmend hervor, da mir immer noch etwas schwindelig war. „Vielleicht ein, zwei Stunden. Ich bin etwas aus der Übung.“ Stöhnend ließ ich mich wieder zurückfallen. „Aus der Übung also ...“ Ich seufzte und schaute zurück zur Decke. Das konnte noch eine Weile gehen. Ich ließ meinen Blick nach links und nach rechts schweifen, aber alles in diesem Raum schien mir absolut weiß zu sein. Steril. Ich blickte an mir hinab, so weit ich es mit bloßem Kopfheben konnte: Nein, meine Klamotten hatte ich noch nicht gegen eine Patientenkluft getauscht. Immerhin. „Was ... war das überhaupt? Irgendwelche Ultraschallwellen? Ich dachte, mir zerspringt der Schädel.“ „Gut erkannt“, sprach der Doktor fokussiert auf seine Arbeit und sah kurz zu mir auf, „So etwas in der Art. Die Radekaner besitzen eine Stimmlage, welche gerade noch so für euch Menschen zu hören ist. Bei Ihnen verursachen sie Kopfschmerzen und Schwindel sowie Ohnmacht. Meinesgleichen gehen sie einfach nur sehr auf die Nerven.“ „Dann ... warum sind Sie dann hier?“, schlussfolgerte ich empört. Er hätte sich ja zur Wehr setzen können?! Warum hatte er sich ebenso überwältigen lassen? „Wer würde Sie an meiner Stelle befreien?“ Guter Konter. Vermutlich niemand. „Außerdem gibt es mir so die Möglichkeit, ein bisschen nachzuforschen, wo wir uns befinden und was hier passiert. Ich glaube kaum, dass die Radekaner diese Hightech-Systeme entwickelt haben.“ „Was meinen Sie?“ „Die Handschellen. Das sind keine bloßen Eisenringe oder sonstige metallische Verbindungen. Nein, was Sie hier an den Handgelenken tragen ist ein äußerst interessanter Komplex aus verschiedenen Molekularverbindungen. Und Quecksilber.“ „Quecksilber??“ „Keine Sorge. Nicht so schädlich, als dass Sie gleich Ihre Hand verlieren würden.“ „Wie beruhigend.“ „Außer Sie schlucken sie.“ „Hatte ich nicht vor.“ Ja, ein bisschen herumzuscherzen half zumindest, die Fassung zu bewahren. So ein klein wenig. Ich konnte eh nichts anderes machen, als darauf zu warten, dass der Doktor mich befreite. Was mich zu einer weiteren Frage brachte: „Wie sind Sie eigentlich Ihre Fesseln losgeworden?“ „Kein Kunststück. Die Dinger hatten auf mich keine Wirkung. Vollkommen nutzlos in ihrer weiteren Funktion.“ „Was für eine Funktion meinen Sie? „Nun, nachdem man bereits versucht hat, Ihr Gehirn abzutasten, können Sie sich doch vorstellen, dass es da noch mehr zu erforschen gibt?“ Ein guter Einwand. „Erinnern Sie mich bitte nicht daran, okay?“ Ich wollte mir auch gar nicht vorstellen, was sie mit mir vorhatten. Was war an mir schon so besonders, dass sie mich unbedingt als Laborratte brauchten? Ich war ein einfacher Mensch, hatte keine Superkräfte, keine Visionen, nichts. Das sagte ich auch dem Doktor, der daraufhin nur mit den Schultern zuckte: „Gerade deswegen sind Sie vielleicht erst recht begehrenswert. Sie kennen alle möglichen Rassen, aber ein Mensch, der anscheinend keine rechten Fähigkeiten besitzt und sich dennoch auf einen fernen Planeten befindet … fänden Sie das nicht interessant?“ Vermutlich. Aber das war mir gerade recht schnurz. Meine Neugierde war fürs Erste gestillt, was außerirdische Lebensformen betraf. Zumindest, solange wir uns hier auf Radekan befanden. „Nun, wie ich jedenfalls sagte: eine komplexe Molekularverbindung und Quecksilber. Wissen Sie, wofür Quecksilber in Ihrer Welt verwendet wurde? Ha, geschafft!“ Es klickte einmal etwas lauter und mit einem Mal wusste ich mein rechtes Handgelenk befreit. Ich richtete mich nun auf und schaute mich um. Der bis eben so minimalistische und sterile Raum offenbarte auf der gegenüberliegenden Seite seltsame Konstruktionen von Gerätschaften, die allesamt aussahen, als könnte man damit medizinische Experimente begehen: eine Apparatur mit Metallbohrern auf der einen und Düsen auf der anderen Seite. Ein kaum beständiges metallisches, mehreckiges Gehäuse, aber dafür viele Schaltflächen auf der vorderen Armatur. Vielleicht so etwas wie ein neumodischer Computer ihrer Zeitrechnung? Links davon etwas, was wie eine Liege aussah, aber gewiss keine darstellen sollte. Und dann waren da noch Einstülpungen an den Wänden, welche vielleicht Vorratsschränke sein könnten? Ich sah keine Tür oder dergleichen, aber es würde mich auch nicht wundern, wenn diese durch einen Mechanismus versteckt wäre. „Ich kenne es als Bestandteil von Thermometern oder Blutdruckmessgeräten. Vielleicht auch noch in Batterien? Oder Vampirjagd“, antwortete ich schließlich vollen Ernstes. Der Doktor begutachtete mich auf meine letzte Bemerkung hin allerdings skeptisch und hielt kurz inne, ehe er aufstand und dann zu meiner Linken war, um auch dort die Fessel zu lösen. „Was denn? Es sind nicht alle glitzernd und in einer Midlife-Crisis“, setzte ich entgegen auf sein eindeutiges Schweigen entgegen. „Quecksilber wurde auch bei Krankheiten verwendet. Darmverschlüsse oder Syphilis. Leider nur mit einschlägigem Erfolg.“ „Wer hätte das gedacht.“ „Ich bin überrascht, dass es hier ein Quecksilbervorkommen gibt. Wenn Sie doch der anscheinend erste Mensch auf Radekan sind. Oder vielleicht sind Sie es auch gar nicht und Sie sind nur der erste Mensch seit langer Zeit?“ Bei dem Gedanken wurde mir nicht gerade warm ums Herz. Es erzeugte erst Recht das Gefühl, dass ich hier als Laborratte gehalten werden sollte. Stempel im Buch der seltenen Arten gesetzt. Klickklack. Klickklack. Ich guckte auf mein rechtes Handgelenk, welches bis eben noch gefesselt gewesen war und bemerkte einen blauen centgroßen Fleck, genau auf Höhe des Karpaltunnels. „Was ist das denn?“, murmelte ich und zog die Augenbrauen zusammen. „Auf der Innenseite der Metallriemen befinden sich Sensoren. Die werden vermutlich Ihre Vitalitätszeichen überprüft haben.“ „Geht das wieder weg?“ „Ich nehme es an, ja.“ „Sie nehmen es an? Wie beruhigend, die Zweite.“ „Seid wann sind Sie eigentlich so sarkastisch?“, guckte mich der Doktor nun mit ebenso zusammengekniffenen Augenbrauen an. „Seit man mir die freundlichen Zellen meines Hirns verbrannt hat“, gab ich zurück und zuckte mit den Schultern, „Hilft mir, nicht die Nerven zu verlieren. Und bei Ihnen?“ „Berufskrankheit.“ Ich nickte verständnisvoll. Klang logisch. KlickklackKLACK. „Fertig.“ Ich konnte nun auch meine zweite Hand wieder heben und die Handschellen blieben geöffnet an der Trage verankert. Ich sah jetzt erst, dass sie mit Nieten in dieser befestigt waren. Sehr praktisch. Mich wieder auf beiden Beinen befindend, bedankte ich mich und rutschte von meiner Sitzgelegenheit. „Was ... ist mit Metatropeasis und Duma passiert?“ „Sie sind vermutlich immer noch dort, von wo aus sie uns weggebracht haben. Die beiden stellen keine Gefahr für die Bewohner da.“ Ganz im Gegensatz zu uns. „Okay“, nickte ich, „Und weiter? Der Ausgang. Irgendwo … muss ein Ausgang sein.“ Der Doktor räusperte sich. „Was?“ Er deutete mit seinem Kopf zu meinen Füßen. „Was?“ „Sie stehen drauf.“ Ich sah hinab und tatsächlich. Meine Füße berührten den verschlossenen Deckel zu einem Zugang. Ich staunte nicht schlecht, dass ich mit einer eigentlich nur scherzhaft gemeinten Vermutung recht zu haben schien. Einen Schritt zur Seite tretend, kniete sich der Doktor daraufhin nieder und tastete die Kerben der Falltür ab, welche kaum sichtbar waren, wenn man sich nicht konzentrierte. Er legte sein Ohr an den Boden und lauschte ein paar Sekunden. „Also gut. Wir haben eine 50 zu 50 Chance, damit rauszukommen. Ich habe keinerlei Ahnung, was uns erwarten wird und keinerlei Ahnung, wo wir hinmüssen. Es ist also reine Spekulation, was wir sehen werden.“ „Und wie lautet Ihre Spekulation?“ „Ich denke, es könnte Ärger geben.“ Das waren Aussichten, die mir nicht gefielen, aber alles war besser, als hier zu bleiben und zu versauern. Oder darauf zu warten, dass ich Zeuge von waghalsigen Experimenten wurde. Der Doktor fand eine tiefere Einkerbung zwischen Klappe und Boden. Geschickt hob er den Zugang mit den Fingern an und klappte ihn hoch. Tiefe. Die ersten Leiterstufen waren erkennbar, aber schon bald verschwanden sie in ein unbekanntes Dunkel. Prüfenden Blickes und den Sitz der Stufen kontrollierend, machte er sich allerdings ohne Umschweife daran, hinabzuklettern. Es schien, als kannte der Doktor keine Angst vor solchen unmessbaren Tiefen und Gängen. Etwas, wofür ich ihn in diesem Moment ein klein wenig beneidete. Zwar ging ich ungern solche unbekannten Gefilde an, aber eine Wahl hatten wir nicht. Die schmalen Stufen daraufhin ebenso hinabsteigend, kamen wir nach einiger Zeit in einer unteren Ebene an. Fünf Meter? Sieben Meter? Ich war froh, dass ich wenigstens nicht an Höhenangst litt. Wir befanden uns nun auf einem breiten Gang. Da ich oben in unserem Gefängnis keine Fenster hatte erkennen können, wusste ich nicht, ob wir uns überhaupt noch oberhalb oder doch schon unterhalb der Erde befanden. Der Korridor war lang, gerade und schien mir keinerlei Ausbuchtungen an den Seiten zu besitzen. Es war unser einziger Weg und ich hoffte inständig, dass wir Niemandem begegneten. Irgendwie bekam ich ein Déjà-vu: Gefangen, auf der Flucht und der Doktor ohne Schallschraubenzieher. Ich wusste ja, dass sich Geschichte wiederholte, aber das war mir dann doch etwas zu schnell. „Kommen Sie, bevor sie unser Verschwinden bemerken“, wies der Doktor mich an, schnellen Fuß zu fassen und ging bereits vor. Ich eilte ihm nach, wenn auch mit verwunderten Ausdruck in den Augen. „Reden Sie von Sicherheitskameras?“ „Schlimmer. Ich bin der Überzeugung, dass wir es hier mit eine Spezies zu tun haben, die zu weitaus mehr in der Lage ist als das.“ Wir rannten zwar nicht, aber dennoch erklangen unsere Schritte im Hall durch den Gang. „Moment mal“, setzte ich da plötzlich ziemlich verwundert an, „Sie meinen schon noch die Radekaner, oder?“ Wir erreichten das Ende des Ganges und von hier aus war links ein eingefasster Durchgang, den wir öffnen mussten. Er hatte eine kreisrunde Schließmechanik und bedurfte wohl etwas Fingerfertigkeit. Für mich sah es aus wie eine Art Tresor. Vermutlich war es aber etwas ganz anderes. Der Doktor legte die Hand an den auffällig großen Knauf und führte seine andere Hand oberhalb diesen entlang, als wollte er etwas abtasten. „Glauben Sie denn, dass das Volk Radekans dazu fähig ist?“, fragte er zurück, hatte sein übliches angestrengtes Denkergesicht aufgesetzt und drehte schließlich am Knauf. Einmal rechts, einmal links, „Ach komm schon!“, beschwerte er sich und drehte noch einmal, rüttelte fast schon. Ich musste nicht lange überlegen, um ihm diese Frage zu beantworten: „Um ehrlich zu sein ... nein. Oder zumindest nicht alle.“ „Ich glaube, wir haben es mit einer anderen Spezies zu tun, denen die Radekaner im Tempel dienen.“ Der Doktor rüttelte erneut, aber nichts tat sich. Mir kam eine dumme Idee: „Darf ich einmal?“ Verwundert trat der Timelord zur Seite. „Natürlich, nur zu. Ich bin offen für Innovation in dieser Angelegenheit.“ Es schien nicht so, dass er viel Vertrauen darin legte, was mich und diese überaus ausgeklügelte Technik betraf, aber wenigstens einmal sollte er sich irren: Ich legte die Hand an den Knauf, wie bei einer Tür mit Sicherheitsschloss, zog den Knauf etwas zu mir und drehte dann simpel nach rechts. KLACK. Der Durchgang stand einen Spalt offen. Die Unterlippe des Timelord schob sich ein ganzes Stück vor und auf seiner Stirn zeigten sich erstaunte Falten. „Sehr innovativ. Wirklich. Die Tür aufdrücken. Ja. Innovativ.“ Ich musste ein bisschen schmunzeln. „Fragen Sie nur nicht, wie oft ich schon gezogen statt gedrückt habe.“ Ich hielt dem Doktor die Tür auf und er schlüpfte hindurch. Ihm folgend befanden wir uns nun in einem weiteren Gang, aber dieser zweigte gleich in drei Richtungen. „Nun, welcher soll es sein?“, fragte er rhetorisch. Bisher waren alle unsere drei Optionen feindefrei, aber das machte es für mich nicht besser. Die Flucht ging bereits zu lange gut. Ich kannte es aus Filmen und Serien nur zur Genüge, dass die Gruppe irgendwann auf jemanden traf, den sie gewiss nicht hatten treffen wollen. In unserem Fall jemand, der uns nicht so wohlgesonnen war wie ich der Heiligen Mutter. Wenn ich dies noch war und nicht mit meiner Erklärung, dass ich auf der Seite des Doktors stand, meine Immunität gefährdet hatte. „Ich ... richte mich da einfach klar nach Ihnen?!“ „Dann lassen Sie uns sehen, wie weit wir kommen.“ Der Timelord bog nach links ab. Von weitem konnte ich Geräusche vernehmen, die nach einer beschäftigten Umgebung klangen. Ich konnte nicht klar sagen, was es war, aber für mich schien es eine Mischung aus Maschinen und Gerede zu sein. „Eine Frage!“, warf ich ein und hob den Zeigefinger. Ohne auf Zustimmung zu warten, warf ich gleich jene hinterher, „Was machen wir, wenn wir auf einen von denen treffen?“ „Zwei Möglichkeiten.“ „Und die wären?“ „Entweder Sie ergeben sich und sterben oder aber ... wir bahnen uns unseren Weg hier raus. Nein falsch!“, korrigierte er sich daraufhin sogleich, „Sie haben noch die Möglichkeit, hier auf ewig die Muse ihrer Gebete zu werden.“ „Muss ja sehr an Ihr Ego kratzen, dass Sie nicht die Auserwählte sind.“ „Naar- auf manche Dinge kann ich getrost verzichten! Still!“ Der Doktor zog mich plötzlich zur Seite, in eine weitere kleine Abzweigung, die rechts mündete. Er streckte den Kopf heraus und gleich wieder zurück. Ich wurde von ihm oder viel mehr seinem Arm an die Wand gedrückt und hielt automatisch die Luft an. Der Doktor begann in seinen Taschen nach etwas zu suchen. „Ich korrigiere mich ein zweites Mal: Wir haben den Jackpot geknackt – gleich zwei unserer Freunde auf 12 Uhr. Eigentlich hätte ich Sie jetzt gerne mit einer guten Lösung überrascht, aber ... wir werden Möglichkeit 1 in Betracht ziehen und uns ergeben.“ „Bitte was?“ Ich glaubte, nicht richtig zu hören. Das war doch ein Scherz? „Wir ergeben uns“, wiederholte der Timelord und trat da auch schon auf den Korridor hinaus, erhobener Hände seitlich am Kopf. Klasse. Gerade wäre ich am liebsten in dieser Ecke geblieben, aber mal unter uns: Hätte ich noch eine Chance gehabt zu überleben? Ich schätzte mich nicht als dumm ein, doch war ich gewiss nicht anderen Wesen gewachsen, deren Eigenarten ich nicht kannte. Schon gar nicht mit einem Gehirn, dass schneller Feuer fangen konnte als die Festplatte meines Laptops. Also folgte ich ihm, ebenso die Hände erhoben. Hoffend, dass wir damit einfach nur so viel Zeit schinden würden, bis wir einen besseren Fluchtweg fänden. Trotzdem konnte ich die Anspannung in seinen Schultern erkennen, die straff nach hinten gezogen waren. Seine Augen lagen fokussiert auf unsere Gegenüber, die sich nun uns zuwandten, überrascht – wenn man es denn so nennen konnte. Ich wusste nicht, was sie waren oder was sie darstellen sollten. Sie waren recht klein, kleinwüchsig und ihre runden kleinen Glatzköpfe glänzten in dem Hell der weißen sterilen Umgebung. Sie hatten rote, mandelförmige Augen, trugen nur Nasenlöcher, keine Nasenbeine, und ihr Mund war eine schmale Linie, die sich nur minimal öffnete, um sich gleich wieder zu schließen. Kein Laut kam aus ihrer Kehle. Vielleicht waren sie stumm? „Wir geben uns freiwillig in eure Hände!“, wiederholte der Doktor abermals und drehte dabei seinen Kopf ein Stückchen über die Schulter, zu mir sprechend: „Sie sollten ihnen ebenso Ihre Zusicherung geben. Wirkt überzeugender, als wenn nur der Feind spricht.“ Ich war ein bisschen überrumpelt, blickte wieder auf diese seltsamen Kreaturen und räusperte mich dann: „Ehm ... ja. Ich ... ergebe mich Eurem Herren und Meister. Vergebt uns unsere Sünden und vergebt ihm hier sein teuflisches Vergehen!“, verstellte ich meine Stimme und versuchte dabei ganz besonders ehrfürchtig zu klingen. Betonung auf das Verb nach und. Mich strafte sogleich der seltsam skeptische Blick des Doktors: „Ist das Ihr Ernst?“ „Mir fiel gerade nur The Conjuring ein“, musste ich entschuldigend lächeln und hob die Schultern. „Ehrlich: Lassen Sie das.“ Zumindest hatte ich es versucht. Aus der Kehle der linken Gestalt drang ein tiefes Krächzen, das so gar nicht zu ihrer Figur passte. Ich versuchte irgendetwas aus diesen seltsamen Lauten zu verstehen, doch war das Grrkrrchzgrr das Einzige, was bei mir ankam. In mehrfacher Ausführung. Noch verblüffender wurde es allerdings für mich, als der Doktor mit einem „Grrchzgrrkrrkrr“ antwortete, deren Tonlage ziemlich gut treffend. „Wir sollen ihnen folgen“, erklärte er mir. „Und was haben Sie gesagt?“ „Dass wir mit dem Obersten sprechen wollen.“ „Grrgrrrchzkrrchz!“, erklang es nun von der zweiten Gestalt. Der Timelord neben mir wog den Kopf anerkennend zur Seite. „Was?“ Wie ich es nicht mochte, Leuten alles aus der Nase ziehen zu müssen! „Wenn wir nicht Folge leisten, werden nur unsere Köpfe den Obersten zu sehen bekommen. Das nenn ich ein schlagkräftiges Argument.“ Mir entfuhr ein genervtes Stöhnen und so setzten wir unseren Weg fort, den Gang entlang, auf die beiden seltsamen Wesen zu und als erstes durch das Tor hindurch, hinter welchem der Maschinenlärm zu liegen schien. Wir mussten vorangehen, damit wir ihnen nicht in den Rücken fallen konnten und immer schön mit den erhobenen Händen. Sobald mir meine Arme auch nur ein bisschen absackten, wurde ich mit einem weiteren Grr und Stubs in den Rücken dazu aufgefordert, sie wieder richtig zu heben. Was nun hinter der Pforte lag, überraschte mich ziemlich und versetzte mich in ehrliches Erstaunen: Wir standen mitten in einer Art Kommandozentrale. Rundlich ausgerichtet, ähnlich wie in der TARDIS, aber eine viel, viel größere Fläche umfassend. Auch in diesem Raum war alles weiß gehalten, so dass es mir die ersten Sekunden regelrecht in den Augen wehtat hinzusehen. Schon einmal in strahlendweiße Schneeflächen geguckt? So ungefähr erging es mir gerade. Vor uns lagen viele Apparate, die anders aussahen als in dem Raum, in dem ich aufgewacht war. Maschineller und weniger medizinisch. Was mir aber wirklich ins Auge fiel, war eine große Anlage im hinteren Bereich des Raumes: Zentral mittig platziert, lag ein Gewirr aus dunklen Schläuchen, nein, Kabeln. Durch diese schien irgendwas zu fließen, da sich das Innenleben sichtbar in Bewegung befand. Um die Kabel herum ein sicheres Gefäß aus Glas oder einem anderen durchsichtigen Material. Dieser Säule entstiegen schmalere Kabel, welche zur Decke hinaufführten und dort ins Nichts verschwanden. Das ganze Konstrukt war gewiss dreimal so groß wie wir und nahm entsprechend viel Breite ein. Ein paar der Kreaturen, ebenso in Gewändern gekleidet wie unsere Wärter, schienen Arbeiten zu verrichten. Ein wellenartiges Dröhnen stieß immer wieder gegen meine Ohren. Der Herzschlag. „Sieh an, sieh an. Eine riesige Technikmeile unterhalb des sonst so rudimentär radekanischen Bodens!“, bemerkte der Doktor mit einem Hang zu viel Begeisterung, „Zwar nicht die allerneusten Standards, aber ich denke, dass sie für die Zeiten des Planeten durchaus zur Upper Class gehören.“ Je weiter wir kamen, desto auffälliger wurde unsere Anwesenheit und desto mehr der seltsamen Wesen drehten sich zu uns um. Sie tuschelten nicht, krächzten nicht, sondern starrten uns nur schweigend an. Als wären wir hochgefährliche Terroristen. Wenn sie überhaupt wussten, was Terroristen sind. Schließlich, direkt vor dem Netz aus Kabeln und Strukturen blieben wir stehen. „Grrchzkrrchzkrr!“ Klang für mich wie vorhin. Der Doktor hingegen hob die Augenbrauen, legte die Hände an den Kopf und ging langsam in die Knie. „Machen Sie‘s mir einfach nach.“ Ich tat es ihm somit gleich. Mein Blick verriet ihm allerdings, dass ich mich hier ganz und gar nicht sicher fühlte und auch nicht wusste, ob er überhaupt einen Plan hatte. Selbst wenn: ob dieser wirklich Erfolg versprechen dürfte. Ich war von grundauf verunsichert. „Wie kommt es eigentlich, dass Sie sie verstehen, bei mir aber nur Grr und Krr ankommt?“, wollte ich flüsternd wissen, „Ich dachte, die TARDIS übersetzt alles?“ „Im Grunde schon“, stimmte er zu, ohne die Augen von unserer Umgebung abzuwenden, „Allerdings nehme ich an, dass sie die Übermittlung stören. Entweder, weil wir zu tief unter der Erde sind oder aber – und das glaube ich eher – weil sie ein Störfeld aufgebaut haben, damit sie hier so unentdeckt wie möglich bleiben.“ „Ihr seid den Normaldenkenden wie immer einen Schritt voraus“, hörte ich mit einem Mal die bekannte Stimme Aqatas und da stand er auch schon: in seiner gewohnten Gestalt, faltig, in seinem Gewand, umgeben von den Schwestern, die uns vorhin der Heiligen Mutter hatten vorstellen wollen. „Oh, unser Freund der Gebete!“, begrüßte der Doktor ihn mit scharfer Zunge und einem Lächeln auf den Lippen, „Ich bin mir fast sicher, dass du uns die Lösung des Rätsels verraten könntest.“ Aqata behielt den Doktor zwar im Blick, antwortete aber nicht. Stattdessen wandte er sich unvermittelt mir zu und setzte eine bedauernde Miene auf: „Mein Kind, was treibt dich dazu, dich nur mit solch einer unglücksbringenden Kreatur abzugeben?“ Jetzt fing er wieder mit diesen Vorwürfen an und ich spürte in mir bereits das Blut kochen, so dass ich ohne weiteres die Hände vom Kopf nahm und kniend mit verschränkten Armen vor der Brust saß. „Sagen Sie mir lieber, was Sie dazu bringt, uns hier gefangen zu nehmen?“ Es war keine Frage, mit welcher er gerechnet hatte, aber ich konnte ihm ansehen, dass er es nicht mochte, wie ich Widerworte gab. Für ihn war das vermutlich ein Zeichen, dass ich mich erst recht auf die Seite des Doktors schlug und damit weiter aus seinem Kreis der Sympathie drängte. Für mich war eben alle Hoffnung verloren. „Oh, du verstehst nicht die Wichtigkeit dieser Intervention!“, klagte der alte Radekaner. „Nun im Grunde ist es ziemlich einfach“, ließ der Doktor wissen und nickte zu der Kabelei in der Nähe, „Eure Heilige Mutter ist ein Computersystem höchster Technologie. Wirklich bewundernswert. Vermutlich analysiert ihr so nicht nur die Radekaner und den Planeten, sondern habt auf gewisse Weise Einfluss auf das Leben dort, während ihr hier unten sicher euer Dasein fristest und die Ergebnisse auswerten könnt.“ Ich guckte etwas überrascht zum Timelord. Mich irritierte nicht seine Vermutung, dass sie ein solches System besaßen, sondern dass er Aqata direkt damit konfrontierte, dass er anscheinend nur ein getarnter Bewohner Radekans war. „Als Geistliche seid ihr in einer guten Position Einfluss zu nehmen“ fuhr der Doktor fort, „Wenn sie euch nicht glauben, wem sonst?“ Aqatas Falten im Gesicht zogen sich tiefer und er wirkte sogar regelrecht wütend über so viel Offenlegung: „Schweigt!“, sprach er klar und deutlich, „Ihr mischt euch in Dinge ein, die Euch nichts angehen, Doktor!“ „Dann erklär uns doch, warum du hier mit dem Gesicht eines Radekaners herumläufst, anstatt dich deiner gleichen anzunähern? Warum manipuliert ihr sie? Warum sprecht ihr nicht offen mit ihnen? Weil ihr Angst vor der Reaktion habt, wenn sie herausfinden, wer ihr seid, nicht?“ „Ich sagte: Schweigt!“, wiederholte sich Aqata und hob die Stimme an, so dass das Echo in unserer Umgebung widerhallte. „Und ich sagte: Dann erklär es uns!“, äffte ihn der Timelord fast schon in gleicher Tonlage nach. Die anderen, die spätestens jetzt ihre Arbeit niedergelegt hatten, starrten uns an. Ich fühlte mich nicht wohl dabei, so viel Aufmerksamkeit zu erregen – Würden sie uns bestrafen? Foltern oder töten? „Seht euch doch an. Ihr versteckt euch hier unter der Erde, habt ein hervorragendes Netz der Technik ausgelegt und lasst eure Gefolgsleute getarnt als Bewohner dieses Planeten auf der Oberfläche wandeln, damit ihr Kontakt zu den echten Radekanern herstellen könnt. Ihr beobachtet, analysiert und wertet aus. Vermutlich seid ihr noch nicht lange hier, denn ansonsten wäret ihr etwas weiter verzweigt als nur im Zentrum der Stadt. Alexandra, was denken Sie wohl, warum sie das tun?“ Oh, wie ich solche spontanen Fragen hasste! Nicht, dass ich nicht zuhörte, aber ich war normalerweise schlecht darin, von jetzt auf gleich richtige Lösungen anzubieten. „Ehm … sie … wollen nicht gefunden werden und die Radekaner sollen auch nicht wissen, dass sie hier sind?“ Auf dass ich nicht allzu falsch damit lag. „Bingo!“, deutete der Doktor mit dem Zeigefinger auf mich und erhob sich dann, die anderen ansehend. „Weil sie den Krieg fürchten.“ Er sah Aqata direkt in die Augen, „Weil ihr auf keinen Fall einen weiteren Krieg wollt.“ Der Älteste aller schwieg einen Moment, seufzte dann aber tonlos und senkte den Kopf, „Das … ist richtig, Doktor. Aber in einer Sache muss ich Euch korrigieren: Wir fürchten den Krieg nicht. Der Krieg ist nur das, was unsere ewige Sünde bleiben wird.“ Ich stand nun ebenso auf und war über die aufkommende Betretenheit aller irritiert. „Wir wollen die Bewohner dieses Planeten schützen.“ „Warum … spionieren Sie sie dann aus und sagen ihnen nicht die Wahrheit?“, hakte ich unwissend nach. Alles erschien mir sinnvoller, als das, was hier im Argen lag. „Mein Kind, du hast ja keine Ahnung“, klagte Aqata mit gequältem Gesichtsausdruck und seufzte tief. „Es … wäre doch einfacher, es ihnen zu erklären? Ich denke nicht, dass sie deswegen einen Sinneswandel erführen, solange ihr ein bisschen mitfühlend seid und nicht mit der Tür ins Haus fallt?“ Aqata antwortete nicht und auch die anderen beiden Begleiterinnen hüllten sich in Schweigen. „Doch, das würden sie“, widersprach der Doktor mir nun mehr, seinen Blick nicht von unseren Gegenübern abwendend. Er klang weniger verärgert als zuvor. Für mich hörte es sich nach Mitgefühl an, ein Hauch von Mitleid. „Warum?“ Es leuchtete mir einfach nicht ein. „Schuldgefühle“, sagte er knapp und seine Stimme wurde schwerfälliger, „Weil sie selbst es waren, die einen Planeten der Radekaner ausgelöscht haben. Und wenn dies publik würde, würden die Radekaner wohl nicht mehr zu halten sein. Egal wie friedlich sie eigentlich sind. Ihnen wurde die Heimat genommen, Leben wurden zerstört.“ Warum hatte ich nur das Gefühl, dass der Doktor sich in diesem Moment selbst in ihre Lage projizierte? „Wie kam es dazu? Soweit ich weiß, war Radekan ursprünglich nicht an den Kriegen beteiligt?“ „Es war ein Missverständnis“, ließ Aqata kleinlaut wissen, „Damals wurden uns falsche Informationen übermittelt, welche erklärten, dass Radekan sogar die Befehle zum Angriff erteilt hatte. Es überraschte uns, aber in der gesamten Kriegszeit war es auch keine Seltenheit, dass man einander den Rücken kehrte und mit einem Mal verfeindet war. Unser Informant spielte uns gegen unsere Feinde aus und so zielten wir direkt auf ihren Planeten.“ Es war für mich fast schon unbeschreiblich, wie man nur von reinem Hörsagen aus Entscheidungen traf, die solche Tragik innehatten. „Und jetzt wollt ihr es wieder gutmachen, in dem ihr-“ „Wir schützen ihren Planeten und bewahren sie so davor, dass sie erneut in solche Not geraten“, fuhr er mir dazwischen, bevor ich aussprechen konnte. „Und … wer sind eure Feinde?“ Wieder ein Schweigen. Irgendwie war das zu erwarten gewesen … „Doktor?“ „Sie werden keine Antwort erhalten.“ „Aber Sie wissen es?“ „Und Sie werden sich das Wort weder merken, noch überhaupt aussprechen können.“ Ein Augenrollen konnte ich mir nicht verkneifen. Nicht, dass ich ihm nicht glaubte, aber meine Neugier war damit natürlich nicht gestillt. „Und warum haben sie mich nicht als Feind angesehen?“ „Oh, wir sind schon einmal auf einen Menschen getroffen. Das ist eine Weile her. Eure Rasse ist äußerst interessant. Selten sind wir auf ein Volk getroffen, welches man so wenig versteht wie euch Menschen“, erklärte Aqata, „Es war uns gar unmöglich, dich nicht gebührend zu begrüßen, mein Kind.“ „Schön … letzte Frage: Wie … lösen wir das Ganze jetzt?“ Schweigen. Großes Schweigen. Zu langes Schweigen. Ich sah, wie Aqata den Doktor ansah, dieser Aqata, und die anderen Anwesenden starrten wiederum uns an. Langsam aber sicher verlor ich die Geduld. „Vielleicht … dürften wir bitte gehen?“, fragte ich den Ältesten, dann aber auch zu dem Rest sprechend, „Wenn ihr so freundlich seid … Wir wollen keinen Ärger. Eigentlich wären wir nicht einmal hier auf Radekan, wenn wir unserer Freundin ihren Wunsch nicht erfüllt hatten. Unsere Freundin, die mit eurem Radekaner … befreundet ist. Wir hatten also keinerlei Absicht in den Sinn außer ein Zusammentreffen zu bewirken.“ Das war zwar etwas geflunkert, aber der Anflug eines Zögerns wäre jetzt wenig überzeugend. „Also bitte, dürfen wir gehen?“ „Mein Kind, natürlich können wir dich gehen lassen“, antwortete Aqata, „Uns liegt es fern, dich gegen deinen Willen festzuhalten. Und genauso deine Freundin. Ihr steht es frei unseren Planeten zu bereisen, wann immer es ihr beliebt. Sie ist kein Mensch wie du, aber sie scheint guter Absicht zu sein. Was ihn allerdings betrifft ...“ Sein Blick glitt wieder zum Doktor und wurde finsterer, „können wir uns da nicht so sicher sein. Er trug eine Waffe bei sich.“ „Das ist doch keine Waffe“, setzte ich nun mehr schon recht empört nach, „Das ist doch nur ein Schraubenzieher, der für ein bisschen Licht sorgt!“ „Er hat ihn auf uns gerichtet.“ „Ja, und ich zeige gleich mit meinem Finger auf euch. Bin ich jetzt auch gefährlich?“ Der Doktor zischte leise, eine kleine Ermahnung, dass ich es nicht übertreiben sollte. „Nun, du hast die Wahl“, sprach Aqata da auch schon räuspernd und weitaus strenger, „Du kannst dich entscheiden, ob du mit deiner Freundin von hier gehst oder ob du hier bleibst und dich der Seite des Bösen anerkennst.“ „Ich habe noch eine dritte Lösung“, sprach der Doktor nun mehr und trug seinen üblichen leicht zynischen Unterton in der Stimme, während er langsamen Schrittes einen Bogen um Aqata schlug, „Wie wäre es, wenn wir der großen Adkata unseren Respekt zollen, uns für eure Gastfreundschaft bedanken und die ganze Sache einfach ohne großes Bäng und Peng vergessen?“ Er ließ dabei seinen rechten Zeigefinger in der Luft kreisen, stand für ein, zwei Sekunden direkt in der Linie der komischen Netzwerkmaschine und ging dann wieder ein paar Schritte weiter. Ich folgte seinem Fingerzeig, landete ebenso bei dem Computer und – das konnte ja nicht sein! Hatten die allen Ernstes den Ultraschallschraubenzieher verbaut? Das war mir beim ersten Anblick gar nicht aufgefallen! Dem Doktor hingegen vermutlich bestimmt. Oh Mann … Und dann machte es bei mir auch Klick, was er eigentlich hatte ausdrücken wollen: den Computer crashen, den Sonic Screwdriver herauslösen, mitnehmen und ohne viel weiteres Aufsehen verschwinden – Goodbye. Da hatte er ja viel Vertrauen in mich, wenn ich ihm nun helfen sollte … Ich hatte ihm noch nicht gesagt, dass ich bei Resident Evil V diejenige war, die ihren Partner innerhalb 10 Minuten mit einem Fass hochjagte … Mir ging der Hintern auf Glatteis. „Ist das Euer Ernst?“, warf Aqata ein, nicht checkend, worum es ging. Okay, was hatte ich für Optionen? „Alexandra, haben Sie jemals die Bibel gelesen?“, warf der Doktor ein und brachte mich damit komplett aus dem Konzept. Er stand neben zwei dieser seltsam in Gewändern gekleideten kleinen Wesen, welche bis eben noch einen Wagen mit einer Kiste auf der Tragefläche vor sich hergeschoben hatten. „Ehm … nur das alte Testament.“ „Sehr gut!“, rief der Timelord mit einem Lächeln begeistert, „Das ist sehr gut! Damit haben Sie die wichtigsten Grundlagen gelernt! Sie waren nicht gläubig oder?“ „Nein … eigentlich nicht!?“ Er schlenderte weiter umher, befand sich nun fast schon hinter den beiden Gestalten. … Oh.s „Macht nichts, die zehn Gebote sagen Ihnen aber wohl etwas?“ „Wovon redet er?“, warf Aqata fast schon erbost und ungestüm ein. „Die Bibel ist sozusagen das religiöse Gegenstück auf Erde zu eurem Glauben. Na ja, zumindest für einen Teil der Welt“, antwortete der Doktor und klopfte einmal auf die Kiste des Wagens vor sich. „Erinnern Sie zufällig an das fünfte Gebot?“ Mir fielen nur zwei ein: Ehre deine Eltern und … „Du sollst nicht töten?“ „Richtig!“ Damit gab er dem Wagen einen ordentlichen Schubs, sorgte für dessen Anrollen und damit für eine kurze heftige Fahrt gegen den Älteren, der ihn aus den Latschen haute. Die Gebetsschwestern waren noch zur Seite gesprungen und schienen erschrocken über die Wendung der Dinge. Jene Wesen, die uns hierher gelotst hatten, sahen ebenso erschrocken drein. Es schien fast so, als würden sie unsicher, was zu tun war. Mit einem Mal erklang aber ein lautes „Grrrkrrrz!“ und es ritten weitere der Umstehenden an, auf uns zukommend. „D-Doktor!!“, rief ich leicht überfordert, schaute zu ihm, aber er war bereits zu dem Computersystem gesprungen und machte sich daran, seinen Ultraschallschraubenzieher aus dem Geäst von Kabelwindungen befreien zu wollen. Zumindest, wenn er durch diese Glasschicht käme, die alles schützte. „Kommen Sie her und nehmen Sie den Anhänger, den Sie vorhin bekommen haben!“ Ich dachte besser nicht darüber nach, warum ich das tun sollte, eilte aber unter einem Hakenschlag zu ihm und nahm die Glücksbringerkette ab, welche ich auf dem Markt erhalten hatte. Mir fiel dabei auf, dass ein paar der Wesen zurückschreckten, als sie den Federanhänger sahen. „Was-“ „Halten Sie es einfach vor sich. Das wird sie abwehren.“ „O-Okay!“ Tapfer wie es Buffy getan hätte, streckte ich meinen Arm vor mir aus und hielt ihnen den Anhänger wie ein Kruzifix gegen Vampire auf Gesichtshöhe der kleinen Wesen. Ich konnte nicht sehen, was der Doktor tat, da ich mit dem Rücken zu ihm stand. Anhand der Geräusche konnte ich jedoch entnehmen, dass er nicht wirklich weiterkam. Die Kreaturen wichen weiter vor mir und ich konnte sogar ein paar Schritte vorwagen und so unseren Sicherheitsradius vergrößern. Aqata hatte Mühe, sich wieder unter der Hilfe der Gebetsschwester aufzurichten. Ihn hatte es wirklich umgehauen, was mir irgendwo auch leid tat. „Haben Sie irgendwas in den Taschen, was es uns erleichtern könnte, hier fertig zu werden?“, rief der Doktor mir zu, und das Einzige, was mir beim Griff in meine Hosentasche in die Hände kam, war der seltsame violette Stein, welcher mir ebenso auf dem Marktplatz gereicht worden war. „Nur das?“ „Perfekt! Nicht gerade stilvoll, aber sollte seinen Nutzen erfüllen.“ „Was haben Sie vor?“ „Kümmern Sie sich um unsere Freunde und ich kümmere mich um das Bäng und Peng.“ Und bevor irgendjemand hätte Einwände erheben können, hatte er mir den Stein abgenommen und schlug mit Schwung und Kraft auf die Schutzscheibe ein. Das konnte doch nicht funktionieren! … Oder etwa doch? „Hochkultiviert und im Besitz der besten Materialien und was haben wir? Simples Glas“, mauserte der Timelord erfreut, als sich bereits der erste kleine Riss zeigte und mit einem weiteren Schlag zu zerbrechen drohte. „Nein, was tust du da!!“, erklang Aqatas Stimme entsetzt, „Du zerstörst die Heilige Adkata!“ Er streckte seinen Arm nach dem Doktor aus, aber war zu weit entfernt, als dass er etwas hätte unternehmen können, „Grrkrrrchz! Grrkrrrchz!“ Ich musste das nicht verstehen, um zu wissen, dass er so etwas wie „Ergreift sie!“ rief und augenblicklich schwang ich die Kette in meiner Hand nach links und nach rechts. „Warum auch immer es euch abhält … bleibt einfach, wo ihr seid und es passiert nichts!“, sprach ich drohend, wobei ich nur hoffen konnte, dass diese Feder nicht auch für mich irgendwelche Schäden bereithielt. Es hatte Wirkung – zumindest auf alle, bis auf Aqata und die beiden Gebetsschwestern. Unsere Vermutung, dass es getarnte Wesen dieses Völkchens waren, war wohl falsch – Sie waren Radekaner, und doch arbeiteten sie für diese Gestalten. Aber nun riss mir die Radekanerin die Kette aus der Hand und hatte den Zauber gebrochen, der uns schützend umgeben hatte. Ihre Augen funkelten erbost und wenn ich nicht aufpasste, würde ich vermutlich die Nächste sein, die sie mit ihren Fingern ergriff und die Luft abschnürte. Ich hatte als Erdling meinen besonderen Status verloren. Zumindest bei diesen beiden. „Ha!“, erklang aber zeitgleich die Stimme des Doktors und ich hörte das Zersplittern des Glases hinter mir. Ich wandte meinen Kopf über die Schulter, sah, wie die Scherben zu Boden gingen und er nun ein Leichtes hatte, den Schallschraubenzieher aus dem Kabelnest zu befreien. „Große Taten. Unterschätzen Sie niemals die Wahrsagungen vom einfachen Volk.“ Und damit richtete er den Schallschraubenzieher auf die Tür direkt neben ihm. Jene, durch die wohl Aqata gekommen war. Das bekannte Surren ertönte. Dreimal kurz in unterschiedlichen Abständen. Als sich meine Gegenüber tatsächlich auf mich stürzen wollte, ergriff der Doktor meine Hand und zog mich mit sich. Uns eröffnete sich ein langer Gang, durch den nun unsere Schritte hallten. Wir rannten so schnell wir konnten und erreichten schließlich eine Abzweigung. Der Timelord sah nach links und nach rechts, entschied sich für den rechten Weg und zerrte mich mit. Ja, Rennen gehörte dazu. Das war mir klar. Mir wäre es nur lieber gewesen, wenn es nicht um unser Leben ginge. Wir sprachen nicht, und das war auch gut so. Ich war es nicht mehr gewohnt, so schnell und so viel zu rennen. Ein Seitenstechen war das Letzte, was ich wollte. Am Ende des Weges führte nur noch eine Wandleiter nach oben. Hinter uns schallten die eiligen Schritte unserer Verfolger. Natürlich. Der Doktor ließ mir den Vortritt und ich beeilte mich, die kalten Sprossen zu fassen, um so schnell es ging hochzukraxeln. Keine Ahnung, in welcher Höhe ich mich alsbald befand, aber gewiss zu hoch, als dass ich lebend unten ankäme, würde ich fallen. Irgendwann – die Stimmen der anderen wurden lauter und kamen immer näher – sah ich eine Luke. Ich musste sie mit einer Hand irgendwie aufstemmen und hatte dabei ziemliche Mühe. Erst beim dritten Versuch schlug ich sie auf und sah die bekannte Decke des Tempels über mir. Ich krabbelte heraus, der Doktor hinter mir und kaum waren wir draußen, schlug er die Luke zu und verschloss diese mit ein paar surrenden Geräuschen mittels des Schraubenziehers. Praktisches Ding. „Wir … sind sie los?“, keuchte ich und stand schließlich fest mit beiden Beinen wieder auf dem Boden. „Nein, seid ihr nicht.“ Ich drehte mich um und sah Duma vor uns stehen, Metatropeasis verwirrt neben ihm. Der Doktor hatte sich ebenso aufgerichtet und sich den Staub von der Hose geklopft. Es schien als überraschte ihn der Auftritt des Radekaners nicht besonders. Der Timelord stellte sich dem anderen direkt gegenüber. „Was hast du ihnen angetan?“, zischte dieser wütend. Gelassenheit war in dem Fall das, was der Doktor am besten zu beherrschen wusste: „Nichts. Wir haben uns nur aus dem Gefängnis befreit, welches für uns gedacht war. Wusstest du, dass sich dort unten eine Art Geheimversteck befindet?“, erklärte er und nickte dann Metatropeasis zu, „Hast du es ihr erklärt, dass ihr nicht die Einzigen auf diesem Planeten seid?“ „Wovon redest du? Was hast du mit dem Ältesten gemacht?“ „Ihm geht es gut. Genauso wie den anderen“, war die einzige Antwort. Unsere Arcateenianerin machte einen Schritt zur Seite, auf mich zu. Sie wirkte besorgt, traute sich aber nicht zu sprechen. Ich konnte ihr an den Augen ablesen, dass es nicht nur Kummer war, den unser Verschwinden ihr bereitet hatte, sondern auch Angst, die sie durchfloss. Sie verstand genauso wenig wie ich, was hier vorging, aber das Verhalten ihres Freundes schien sie noch mehr aufzurütteln. Deswegen suchte sie auch unmerklich meine Nähe. „Aqata hatte Recht, du bringst Unheil über unseren Planeten!“ Dumas Augen glühten vor Zorn gelblich auf und ich wurde das Gefühl nicht los, dass ein wütender Radekaner nicht gerade ein netter Radekaner war. Der Doktor zeigte sich weiterhin unbeeindruckt, hatte beide Hände in die Hosentaschen gesteckt und das Kinn leicht gehoben. „Eure Anwesenheit!“ „Hör bitte auf“, sprach Metatropeasis da leise, aber deutlich. Duma blickte an den Doktor vorbei, zu uns beiden Frauen und schien perplex, dass seine Freundin nicht mehr bei ihm stand. „Warum bist du-?“ „Weil sie Angst hat“, gab ich ohne Umschweife zu verstehen. Metatropeasis griff nach meinen Händen, als Stütze und ich erwiderte, gab ihr den Halt. „Und jetzt frag‘ nicht vor wem.“ An der Luke klopfte es zweimal. Dann heftiger. Aber sie blieb geschlossen. Zum Glück. „Ihr habt alles durcheinander gebracht. Und jetzt … willst du mir sagen, dass sie Angst vor mir hat?“ „Sie haben sie mitgenommen und weggesperrt!“, setzte nun auch Metatropeasis an, „Und das versteh ich nicht. Warum haben sie das getan? Die beiden tun doch niemanden etwas zuleide.“ „Du hast Aqata doch gehört!“, widersprach Duma. Sein Zorn verflog, aber dafür zeigte sich die Verwirrung über die Ereignisse in den letzten Minuten oder Stunden, „Er ist es, der den Krieg bringt!“ Und da konnte ich nicht anders, als ein genervtes lautes „Boah!“ von mir zu geben. Duma sah mich erschrocken an und auch der Doktor wandte sich zu mir um. Na toll. Mir begann das Herz zum Hals zu schlagen, weil es mir unangenehm war, mit so einer Aktion die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Aber das konnte ich jetzt auch nicht mehr ändern. Meine Hände wurden feucht. Nun konnte auch noch der Rest raus … „Hier will niemand irgendwem den Krieg bringen, verdammt noch mal!“, sprach ich ungehalten, „Das ist doch absoluter Mist, was ihr hier verzapft. Weißt du, wem du es zu verdanken hast, dass Metatropeasis hier steht und nicht auf der Erde in irgendeinem dreckigen Loch Londons des 19. Jahrhunderts gestorben ist?“ Ja, manchmal konnte ich ausrasten. Und dann war ich auch nicht mehr nett. „Ohne ihn, wie hier alle so respektvoll reden, hättest du sie gar nicht mehr wiedergesehen. Und ohne ihn – nochmal, wir haben alle einen Namen – wären wir somit nicht hier auf Radekan. Also können wir diesen Scheiß von Hilfe, er bringt uns den Krieg endlich lassen? Zweite Erinnerung: Deine Leute waren es, die mir fast mein Hirn weggebrannt haben, okay?“ So, Zeit zum Luftholen. Der Timelord schob die Unterlippe vor und rieb sich mit einem Finger am Ohr. Das hatte wohl gesessen. Ja. War mir im Nachhinein peinlich … aber was man eben anfing … „Ein guter Zeitpunkt zu gehen“, warf der Doktor leise ein und ich nickte nur. Ich hatte genug gesagt. Als ich noch einmal zu Duma sah, tat es mir nun auch ein wenig leid, dass ich so rabiat geworden war und seufzte tonlos. Er hatte eine Menge, was er nicht verstand, was seine Welt auf den Kopf stellte, und wenn erst an die Öffentlichkeit geriet, was dort unter ihrer Erde lebte … dann würde es vielleicht zu einer Menge Fragen und Ärger auf dem Planeten geben. Wenn die Radekaner erfuhren, dass ihre Heilige Mutter gar keine Heilige, sondern ein Computersystem war. Sie würden sich benutzt und manipuliert fühlen. Und wenn sie dazu auch noch erführen, dass es sich um die Spezies handelte, welche bereits einen Planeten von ihnen zerstört hatte … gute Nacht. „Wo sind eigentlich die anderen, die uns hier vorhin begrüßt hatten?“, wollte der Doktor misstrauisch wissen und sah sich kurz um. Keiner da. Und die waren definitiv nicht alle an unserer Verfolgungsjagd beteiligt gewesen. Was machte die Luke? Keine Geräusche mehr zu vernehmen. „Sie … wollten zum Markt aufbrechen.“ „Zum Markt?“ „Ja, dort … fände eine Versammlung statt. Diese geschehen immer am achten Tag“, antwortete Duma geistesabwesend. „Und zufälligerweise bleibt eine Hälfte hier und eine geht dorthin?“ich dann in zwei Gruppen auf?“ „Ja … schon.“ Der Doktor guckte mich vielsagend an. „Die linke Abzweigung?“ „Vor allem eins: die TARDIS.“ Also hieß es wieder: Rennen. „Wir müssen zurück“, sprach er an Duma gewandt, „Schnell.“   „Sie … werden versuchen, die TARDIS zu zerstören, oder?“, japste ich und erinnerte mich daran, dass Reden und Rennen für mich keine gute Kombination waren. „Höchstwahrscheinlich. Ich glaube nicht, dass sie Erfolg haben werden, aber ich will es auch nicht heraufbeschwören.“ Wir liefen Duma hinterher, welcher sich erst noch erheblich gesträubt hatte, uns zu folgen. Noch immer war er einfach zu verwirrt von den Ereignissen, um für sich einzuordnen, auf welche Seite er stehen wollte. Der Doktor hatte ihm hingegen die Aussicht gegeben, dass es längst nicht mehr um uns, sondern auch um Metatropeasis ging. Sie wurde bisher verschont, aber nach meinem unterirdischen Ausraster war es fraglich, ob die Radekaner und Grrkrrz-Spezies Menschen überhaupt noch leiden konnten und wollten. Es hatte Duma genug Motivation gegeben, uns zurückzuführen. Der Meute übergeben, konnte man uns immer noch. Vom Marktplatz hörte man bereits lauten Tumult. Ich dachte, dass es daran lag, dass sie sich gegen uns verschworen und die Radekaner aufhetzen wollten. Dass sie ins uns genug Gefahr sahen und nun loswerden wollte, aber es kam ganz anders: Ich sah Aqata und die Gebetsschwestern. Ich sah ebenso viele herumstehende Radekaner, doch erblickte ich auch etwas anderes: Zwei Gestalten, die nicht von hier stammten und ebenso wenig der unrirdischen Spezies angehörten. Sie waren nicht vollständig materialisiert, teilweise durchsichtig, besaßen aber klare Umrisse. Die eine Gestalt war ein Mann, dessen Gesichtszüge kantig und seine Anatomie markant waren. Silberbläuliche Haut und Haare, die wie unter Schwerelosigkeit schwebten. Nicht lang, nicht kurz, aber in einzelnen dicken Strähnen gefasst. Daneben die Frau, eine schmalere Figur und auch ein feineres Gesicht beherbergend. Die Haare länger, aber ebenso wie das männliche Wesen in den gleichen Farben gehalten. Ich konnte ihre Hände nicht ausmachen. Zum einen waren genug Köpfe von Radekanern vor mir, zum anderen verloren sie zu den Unterarmen hin immer mehr an Form und gewannen hingegen an Transparenz. Wir hatten unseren Schritt verlangsamt, waren nun am hinteren Teil der sich versammelten Menge, unbemerkt von Aqata. „Oh, das ist gar nicht gut“, murmelte der Doktor neben mir, so dass ich fragend zu ihm aufsah, „Was meinen Sie?“ „Metatropeasis … du hattest keine Ausgeherlaubnis, richtig?“, wandte er sich stattdessen an unsere Arcateenianerin, die sich in ihrem geborgten Körper mit einem Mal regelrecht zu verstecken schien. Da fiel der Groschen bei mir: Die werten Eltern! „Sie können nicht wissen, dass ich hier bin“, flüsterte sie und zog weiter den Kopf ein. „Anscheinend doch“, widersprach der Doktor, als nun mehr das Stimmengewirr zunahm. Ich streckte mich auf die Zehenspitzen, und konnte damit mein Bild von den Arcateenianern in ihrer wahren Form komplettieren: Lange, schlanke Finger, die Haare sprossen zum Teil bis aus dem Rücken, wie man durch ihren halbtranszulenten Körper erkennen konnte. Allgemein ließ sich der Aufbau ihres Organismus sehr gut nachverfolgen, denn ihre Organe leuchteten regelrecht weiß heraus. Es war mir, als blickte ich auf den gläsernen Menschen, den ich damals über mehrere Zeitschriften hinaus hatte sammeln und zusammensetzen können. Irgendwo extrem faszinierend, solch ein Wunder des Lebens. „Aber wie können sie hierher kommen? Ich dachte, sie brauchen einen Körper?“, wisperte ich. „Oh, mehrere Möglichkeiten der schneller-als-das-Licht-Reise. Diverse Raumschiffe und eine große Sammlung an Batterien“, sprach der Timelord wie selbstverständlich, „Manche können sogar fliegen. Mit Flügeln.“ Ich dachte erst, er wollte mich veräppeln, aber da Metatropeasis auch keine Einwände hatte, schien es wohl zu stimmen. Die Stimmen wurden lauter, doch weder die beiden Arcateenianer noch Aqata sprachen. Metatropeasis schreckte allerdings mit einem Mal hoch und erstarrte fast zur Salzsäule. „W-Was ist los?“ schreckte ich mit auf. Keine Antwort. Unsere aller Augen lagen auf unserer Freundin, die sich nicht traute, etwas zu sagen oder einen Ton von sich zu geben. Hatte sie Angst, dass sie entdeckt würde, oder was war das? „Seien Sie ruhig“, wies mich der Doktor leise an und ich gehorchte. Ich stellte mir meine Fragen im Kopf, was gerade vor sich ging. Alle anderen um uns regten sich auf. Aqata solle etwas tun. Die Eindringlinge sollten verschwinden. Es solle nicht nur rumgestanden werden. Die beiden Besucher schwebten hingegen einfach nur auf der Stelle. Kein Anzeichen von einem Angriff oder sonstiges Gewaltvorhaben. Sie hatten keine Armee hinter sich, waren allein auf den Planeten gekommen. Und dann, mit einem Mal, hob die weibliche Gestalt den Arm, deutete in unsere Richtung. Die Radekaner sahen einander verwundert an, blickten hinter sich und siehe da: wir waren gesichtet. Aqatas Gesicht verfinsterte sich noch mehr, als er uns sah: „Ihr …“ Mehr brachte er nicht über die Lippen. Die Arcateenianerin begann nach vorne zu schweben, immer der Richtung nach, die sie mit ihrem Arm anzeigte. Unsere Richtung. Die um uns Stehenden wichen zurück, ungewiss, was sie von dem Besuch und der Aktion halten sollten. Sie kam immer näher und blieb schließlich vor uns stehen. Vor mir. Hell, strahlend. Ihre mandelförmigen dunkelblauen Augen, die komplett gefüllt, ohne Pupille waren, erinnerten mich an Opale. Ihr Arm senkte sich graziös, ihr Zeigefinger deutete auf mich. Oder besser: hinter mich. Sie meinte Metatropeasis. Ich sollte zurücktreten. Das war mir auch so bewusst, ohne dass sie sprechen musste. Unser junge Begleiterin krallte sich in diesem Moment in dem Stoff meines Pullovers fest. Ich spürte ihre zittrigen Hände, die nach Halt suchten. Doch. Sie hatte Angst. Gewaltige sogar. Mir fiel wieder ein, was alles für sie auf dem Spiel stand: Das wäre nicht nur ein bisschen Hausarrest, sondern eine Zwangsheirat, vermutlich für immer das Verbot hierher zurückkommen zu können. Es war mehr als nur eine Strafe, die sie zu fürchten hatte. Aber wie konnte ich mit denen kommunizieren? In jenem Moment senkte sich die Hand meiner Gegenüber noch weiter und sie berührte den Herzanhänger meiner Silberkette, die ich um den Hals trug. Mich trafen ihre Worte direkt im Kopf. Der Doktor schritt nicht ein, blieb aber in Alarmbereitschaft. Es konnte also nichts Gefährliches sein, was sie hier tat. Tritt zur Seite, Mensch. Das war es. Das war alles, was sie mir zu sagen hatte. Nicht besonders höflich, dachte ich und vergaß, dass sie eben telepathisch mit mir geredet hatte – also würde dieser Gedanke auch sofort bei ihr ankommen. Autsch. Wir sind nicht hier, um Höflichkeiten zu pflegen. Metatropeasis wurde von den Bewohnern Radekans entführt und gefangen gehalten. „Bitte was?“, entfuhr es mir verwundert. Das waren ja ganz falsche Tatsachen. „Bleiben Sie ruhig. Arcateen IX ist an sich ein zivilisierter Planet“, sprach der Doktor mir zu und ich nickte. Mir gefiel es nicht, dass ich hier die Einzige war, mit der man redete und dass ich somit ein wenig darüber zu entscheiden hatte, wie die Konversation wohl ausgehen würde, aber das konnte ich jetzt nicht ändern. Ich konnte nur versuchen, es halbwegs richtig zu machen. Da habt ihr was falsch verstanden. Sie wurde nicht entführt. Sie ist freiwillig von Arcateen abgereist. Und sie war auch nicht hier, sondern auf der Erde. Wir – der Doktor – hat sie hierher gebracht. Der Kopf von Metatropeasis‘ Mutter drehte sich zum Doktor und hielt ihn für ein paar Sekunden in Augenschein. Erst dann sah sie wieder zu mir. Uns wurde berichtet, dass sie von einem Radekaner hier gefangen genommen wurde. Duma! … Wie sollte ich eigentlich meine Gedanken geheimhalten und gleichzeitig mittels dieser sprechen? Unmöglich! Ich hätte mein Gehirn überlisten müssen, dass es keine Schlussfolgerungen mehr zog, aber so legte sich natürlich alles offen.   Tritt zur Seite.   Ich war unsicher. Sollte ich das tun? Metatropeasis hielt sich immer noch an mich geklammert.   „Nein“, sprach ich mit Absicht laut aus und ballte die Hände zu Fäusten. Auch, wenn ich selbstsicher klang, fuhr mir ein heftig kalter Schauer über den Rücken. Meine kleine innere Stimme schelte mich, warum ich so dumm war mich in diese Beziehungen einzumischen, und im Grunde hatte sie ja recht … Aber ich konnte eben auch nicht meine Klappe halten, wenn zu viel Ungerechtigkeit vonstatten ging. Und ja, das hatte mich schon mehr als einmal fast ein paar Zähne gekostet. Meine Antwort sorgte für Erstaunen bei den anderen und für ein Murmeln. „Was hat sie gefragt?“, kam es auch vom Doktor ein wenig überrascht und ich spannte mehr die Schultern an, allerdings nicht der Arcateenianerin den Blick verwehrend, „Sie wollte, dass ich zur Seite trete. Ich habe nein gesagt.“ Metatropeasis‘ Mutter zog ihre Hand zurück, die telepathische Verbindung kappte. Aber damit war es nicht vorbei. Sie drehte sich um 180 Grad und dann, ohne Vorwarnung, drang ihr Wesen in das einer Radekanerin, die einen kurzen erschrockenen Laut von sich geben konnte. Es ging so schnell, dass ich nur mit den Augen zu zwinkern brauchte und schon war es nicht mehr diese dort, sondern Metatropeasis‘ Mutter, die sich nun bewegte. „I-Ich dachte, sie brauchen einen toten Körper?“ „Anscheinend habe ich mich getäuscht“, musste der Doktor ebenso überrascht zugeben, „Evolution?“ Die Arcateenianerin legte den Kopf zur linken und dann zur rechten Seite. Sie musste sich an den Körper gewöhnen. Dann schritt sie recht sicher, wenn auch ungelenk, auf den Beinen zu uns rüber. Es war seltsam, wie diese Körperübernahmen fungierten. Und es machte mir Angst. Wenn das so einfach war, könnte sie auch mich- „Zeigen Sie keine Angst. Egal, was es ist, das Sie fühlen. Zeigen Sie es nicht“, raunte der Doktor mir zu, „Wir haben jetzt einen kleinen Verhandlungsvorteil.“ Und das sollte mich beruhigen? Das machte alles andere mit mir, aber gewiss nicht das. „Ich sage es noch ein letztes Mal: Tritt zur Seite Mensch.“ Ihre Stimme war recht düster, was natürlich dem Wirtskörper geschuldet war. Der erboste Unterton hingegen war die Arcateenianerin selbst. Der Doktor hatte recht: Wir hatten jetzt einen Vorteil. Wir befanden uns auf Augenhöhe. Ich tat nichts dergleichen, blieb stehen und hob etwas den Kopf. „Ich bin dafür, dass wir uns unterhalten“, machte ich den Gegenvorschlag, „Über Metatropeasis‘ Lage. Über diese falschen Gerüchte. Und vielleicht auch über die Zwangsheirat.“ Die Mutter schien überrascht, dass ich so viel wusste, warf dann aber ihren Gatten einen Blick zu, welcher sich bisher herausgehalten hatte. Nun aber tat er es seiner Frau gleich und übernahm in wenigen Sekunden einen männlichen Körper, so dass er sich in gleicher manifester Form wie seine Frau befand. „Was willst du? Was willst du verhandeln?“ Eigentlich … gar nichts. Ich wollte nur nicht, dass diesem Mädchen – egal, ob nun Mensch, Radekaner oder Arcateenianer – so viel Unrecht geschah. „Im Grunde werden wir vermutlich alle dasselbe wollen: eine einfache, friedliche Lösung, ohne Aufstand“, setzte der Doktor an und sprach damit auch lauter zu den anderen Anwesenden, „Ihr wollt zurück nach Arcateen IX, um dort die baldige Hochzeit zu feiern.“. sprach er zu dem Elternpaar, „Und ihr wiederum wollt euren Planeten friedlich erleben. Mehr oder weniger unter euresgleichen“, redete er weiter, auf die Radekaner deutend und trat einen Schritt vor. Die Spitze war wohl an Aqata gerichtet, „Wir würden es hingegen vorziehen, ebenso friedlich wieder gehen zu können. Ich denke also, dass eine Einigung nicht schwerfallen sollte.“ „Eine Einigung ist ausgeschlossen. Radekan hat unsere Tochter gefangen gehalten“, begann nun auch Metatropeasis Vater mit dem gleichen Quatsch wie zuvor die Mutter, „Es ist unabdingbar, dass dafür Strafe walten muss.“ „Wie wäre es, wenn ihr sie mal einfach selbst fragt?“, schloss ich an und trat nun mit dramatischen Schritt zur Seite, so das Metatropeasis loslassen musste und ihren Eltern gegenüberstand. Sie schaute mich geschockt an, brachte keinen Ton hervor, blickte ihre Eltern an und senkte daraufhin die Lider. Es herrschte ein drückendes Schweigen, bis sie sich schließlich überwinden konnte, etwas zu sagen: „Ich … bin freiwillig gegangen. Und nicht nach Radekan. Der Kurs des Raumschiffs war auf die Erde gerichtet. Ich konnte ihn nicht abwenden.“ Eigentlich sollte ja ihre Hülle genug Aufschluss darüber geben, dass sie die Wahrheit sprach. „Metatropeasis, das ist nicht dein Ernst?“, schien der Vater schockiert, „Du wurdest zu dieser Aussage gezwungen, ist dem nicht so? Von ihm?“ Er deutete mit der Hand auf Duma, welcher nun nicht weniger stocksteif dastand, da er ins Augenmerk aller gerückt war. „Er ist es, den Matinaara gesehen hat.“ „Entführt?“, schaltete sich nun leider Gottes Aqata ein, „Wenn uns hier jemand Unglück bringen wollte, dann waren sie es“, wies er jegliche Schuld seines Volkes ab und diese auf den Timelord und mich zu. „Ihr wollt uns der Lüge bezichtigen?“, fuhr Metatropeasis‘ Vater auf. „Ihr dringt auf unseren Planeten ein und übernehmt die Körper unseres Volkes!“, erklang sogleich der Widerspruch. Die Meute um uns herum wurde wieder lauter. Es brabbelte und tuschelte und wollte auch gar nicht mehr aufhören. „Und jetzt legen alle mal den Finger an die Lippen! Pssscht!!“ Ich guckte erschrocken zum Doktor, welcher seine Stimme so laut hatte walten lassen und mit gutem Beispiel voranging. Sein Blick ging streng zu mir, so dass ich mich ihm anschloss, und auch wenn der Rest dem Appell nicht folgte, so hielten sie zumindest einmal inne. „Es spielt keinerlei Rolle, wer hier wen hergebracht hat. Vielleicht solltet ihr einfach erst einmal zuhören?“ Die anderen schwiegen immer noch. Sie schienen nicht viel mit den Worten des Doktors anfangen zu können. „Sprich mit ihnen“, bat ich Metatropeasis leise, welche zu Boden sah, dann aber zu Duma aufschaute und schließlich zu mir, „Es wird nicht besser, wenn du schweigst. Du kannst nur was ändern, wenn du auch etwas dafür tust. Also rede bitte weiter.“ Ich wusste nicht, wie ich sie ermutigen konnte, aber viel Zeit hatten wir dafür auch nicht. Die Lage war angespannt und es brauchte eine baldige Lösung. Zudem war ich nicht gerade geübt in der Rolle des Mediators. Sie machte immer noch keine Anstalten und so griff ich wortwörtlich zum einzigen Mittel für weitere Erklärungen: Ich zog Duma an der Hand heran und legte seine auf Metatropeasis‘ Hand, hielt beide fest. „So, dann für alle: Wir haben hier zwei Frischverliebte, die weder eine Entführung geplant, noch vollzogen haben.“ „Was soll das?“, rief die junge Arcateenianerin und auch Duma stand der Schock ins Gesicht geschrieben. „Dann sag etwas“, setzte ich nach, nun auch nicht mehr besonders freundlich, „Sonst sitzen wir alle in der Patsche und keinem ist geholfen.“ Auf ihren hilflosen Blick zog ich scharf die Luft ein, „Wenn man Mist baut, muss man auch dafür grade stehen. Du bist von zu Hause abgehauen, also solltest du dich auch etwas besser erklären. Wie sollen sie dich verstehen, wenn du nichts sagst?“ Metatropeasis guckte wieder zu ihren streng wirkenden Eltern und dann erneut zu ihrem Freund. Ich spürte, wie sich ihre Hand nun von allein um seine legte. Ich ließ los, trat zurück. So standen die beiden da, Hand in Hand. „Ich bin freiwillig gegangen, weil … ich es nicht mehr ausgehalten habe.“# „Warum-“ „Ich verstehe, dass ich eines Tages euren Platz einzunehmen habe und dass ich etwas für unser Volk tun muss“, fuhr sie ihrer Mutter über die Zunge. Man konnte die Erregung in ihrer Stimme hören und das Aufgebrachte von all der Zeit, in der sie sich zurückgenommen hatte. Die Hutschnur war am Platzen. „Aber mich zwangsverheiraten? Was ist dadurch gewonnen? Wir machen uns zu Sklaven, mehr nicht!“ „Du verstehst nicht den Ernst der Lage!“, wandte ihr Vater ein, aber auch ihn ließ sie nicht weiterreden: „Ich verstehe diesen gut genug um zu wissen, dass eine Heirat mit Attlotita uns nur Nachteile bringen wird. Sie werden uns damit in den Ruin stürzen! Warum versteht ihr das nicht? Und zudem … habe ich keinerlei Interesse daran, mich verheiraten zu lassen. Ich kann selbst entscheiden, mit wem ich wo leben möchte.“ Diese letzten Worte hatte sie leiser und weitaus sanfter ausgesprochen. Sie sprach indirekt zu Duma, welcher nun ein wenig Mut fasste, selbst die Sprecherrolle zu übernehmen. „Verzeiht meine Unhöflichkeit, mich einzumischen, aber … ich habe Metatropeasis nicht gedrängt oder gezwungen hierher zu kommen. Sie ist durch den Doktor und seine Begleitung überhaupt erst wieder hierher zurückgekehrt. Ich kenne sie nicht lang genug, um mir ein Bild über ihr Leben und das von Euch auf euren Planeten zu machen und ich kann auch keine großen Handelsbeziehungen bieten, aber … das, was ich bisher an ihr kennengelernt habe, lässt mich wissen, dass sie ein großes Herz besitzt. Bitte lasst dieses nicht durch eine solch politische Entscheidung zerbrechen.“ Wow. Ein gutes Statement. Stärker hätte er sich nicht ausdrücken können. Natürlich nahm er kein Wort in den Mund, das ausgesagt hätten, dass er sie liebte. Es war ein zu sensibles Thema, welches für nur noch mehr Zündstoff sorgen würde, wenn man nicht aufpasste und gerade auch nicht lösungsbringend war. Aqata und die anderen Radekaner um uns herum schwiegen – sie mussten nicht, was sie dazu sagen sollten. „Wenn ich … eine Bitte äußern darf“, wandte ich dann ein und trat einen kleinen Schritt vor und sah die Eltern Metatropeasis‘ direkt an, „Dann versucht euch einen einzigen Moment in sie hineinzuversetzen. Nur einen einzigen.“ Solche Ansprachen lagen mir nicht und gingen meist eher noch daneben, drum versuchte ich meine Worte jetzt mit Bedacht zu wählen, „Überdenkt bitte eure Entscheidung … und überlegt gemeinsam, ob es nicht doch noch einen anderen Weg gibt. Tut es Metratropeasis zu liebe. Sie ist diejenige, die sich ihr ganzes Leben damit auseinander setzen und womöglich leiden muss. Und sie hat recht: Wer weiß, ob ihr euch damit wirklich etwas Gutes tut.“ Ich bekam mit, wie jemand mit der Zunge schnalzte und konnte mir schon vorstellen, dass es Aqata war, dem das alles gar nicht schmeckte. Natürlich – er sah sich, sein Volk und seine Absichten bedroht. Wie es der jungen Arcateenianerin ergehen würde, war ihm gleich. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Letzten Endes hatten wir nicht die Möglichkeit alles und jeden zu retten, aber … wenn es auch nur eine einzelne Person war, dann war es genug. Ein Seufzen erklang aus der Kehle der Mutter und sie ließ die Schultern sinken. Was sollten sie tun?   * * * „Ich denke, wir sollten uns erlauben, uns unter die Ermittler zu mischen“, hörte ich den Doktor sprechen, während er mal wieder ein paar Schalter und Hebel bewegte, „Immerhin haben wir einen nicht ganz lebendigen Körper zurückzubringen und ich kann mir bei aller Liebe keine Ausrede einfallen lassen, warum wir überhaupt im Besitz eines solchen sind.“ Seine Worte klangen immer ferner, je länger er redete. Ich war abwesend, hing meinen eigenen Gedanken nach und fragte mich, wie es wohl Metatropeasis und ihren Eltern ergehen würde, sobald sie ihren Heimatplaneten erreicht hatten? Würde es eine Lösung für sie geben? „Alexandra?“ Auf meinen Namen hörte ich noch und schrak ein bisschen auf: „W-Wie?“ „Was ist los? Was beschäftigt Sie?“ Der Blick des Timelords lag auf seinem Schaltpult, aber aus seiner Stimme sprach ehrliches Interesse an seine nun mehr einzige – lebendige – Begleiterin. Ich rang mich durch, ihm meine Gedanken offen zu legen und atmete einmal durch, um die Worte zu ordnen, „Ich … frage mich, ob alles gut gehen wird?“ „Sie meinen Arcateen IX?“ „Ja...“ Der Doktor zog die Augenbrauen hoch, so dass sich seine Stirn in Falten legte und hob die Schultern an, „Nun … das kann ich Ihnen natürlich nicht sagen.“ „Sie wissen es also?“ „Nein, ich weiß es nicht. Deswegen kann ich es Ihnen eben auch nicht sagen.“ „Haben wir genug getan?“, hakte ich nach einer kurzen Pause nach. Es ließ mir keine Ruhe, dass wir vielleicht nicht alle Register gezogen hatten und somit unvollendeter Tatsachen zurückkehren würden. Innehaltend, drehte er sich zu mir um. „Glauben Sie mir, wir haben mehr als das. Sie wissen, was ich Ihnen über das Zeitreisen gesagt habe?“ Ja, dass man nichts an der Geschichte ändern durfte. Dass Fixpunkte, Fixpunkte waren. Dass es sonst ein Riesenchaos geben könnte. Ich nickte also. „Dass wir die drei Völker zueinander geführt haben, war bereits zu viel.“ „Aber … Metatropeasis ist in einer Lage, die ich keinem wünsche. Zwangsverheiratet zu werden … Das ist...“ Mir fehlten die Worte. Ich zuckte mit den Achseln und hoffte, dass er wusste, was ich meinte. „Vergessen Sie nicht, dass es nicht Ihre Kultur ist, sondern die eines anderen Planeten. Ja, sogar einer ganzen Reihe von Planeten.“ „Wie … können Sie solche Ungerechtigkeit dann zulassen?“ „Ich muss es“, erwiderte der Doktor knapp und wandte sich dann von mir ab. Er machte auf mich den Eindruck, dass er sich dieser Regel selbst auch nur widerwillig fügte. „Und jetzt müssen wir noch etwas anderes in Ordnung bringen.“ Wir beide schauten zeitgleich in den vorderen Teil des Raumes, wo der leblose Wirtskörper lag, welchen sie zu guter Letzt doch noch abgestreift hatte. Also zurück damit ins Krankenhaus. Hallelujah. „Muss ich mich umziehen?“, warf ich nicht gerade begeistert ein, weil mir der Gedanke an das hochgeschlossene Kostüm jetzt schon den Hals zuschnürte. „Legen Sie sich zumindest einen Gehrock oder einen Mantel über, wenn Sie nicht wieder gleich in Gewahrsam genommen werden wollen.“ Deal. Ich verabschiedete mich für einen Moment und trat den Weg in mein „Zimmer“ an. Irgendwo hatte ich auf dem Weg dorthin die Hoffnung, dass es nicht mehr da wäre. Dass es doch nur Einbildung gewesen wäre, aber ich sollte mich täuschen: Keine Einbildung. Es war immer noch da und genauso, wie ich es vor dem Aufbruch hinterlassen hatte. Auch das Tagebuch stand noch an seinem Platz. Ich nahm es in die Hand, schlug es auf und las mir die letzten Zeilen durch. Zeit, um ein paar weitere hinzuzufügen:   Zurück in der TARDIS. Hatte zeitweilig nicht mehr dran geglaubt. Unser Ausflug ging nach Radekan, ein an sich schöner Planet. Leider mit einem kleinen Kultproblem. Die angeblich große Mutter Adkata, welche sich als Computersystem entpuppte. Unterirdische Kolonien und dann hätte man mir fast noch meine Gehirnzellen geschmort: Ich weiß nun, wie sich damals die Festplatte des Laptops gefühlt haben muss. Nicht gerade angenehm. Warum ich jetzt aber hier bin und diese Zeilen schreiben kann? Der Doktor. Ich muss zugeben, ich habe das Reisen unterschätzt. Ich glaubte, dass London bereits ein Abenteuer war. Doch dieses eben hatte mich eines Besseren belehrt. Und er hatte recht: Ich habe keine Ahnung von dem, was mich erwartet, wenn ich mit ihm reise. Ich bin nicht so unerschrocken wie Rose ist. Im Grunde habe ich mehr Angst, als ich zugeben will. Wenn das eine Lektion gewesen sein sollte, dann war sie gut... Metatropeasis ist mit ihren Eltern zurückgekehrt. Die drei Fronten hatten sich verhärtet, aber Dumas Ansprache hat wohl zumindest dafür gesorgt, dass sie für den Moment Waffenstillstand geschlossen haben. Jeder hatte seine Interessen und ein weiterer Konflikt führte zu nichts. Ich hoffe, er hat Aqata zur Rede gestellt, was diese ganzen Geheimnisse betrifft Der schlussendliche Vorschlag des Doktors war schon richtig gewesen: Die Radekaner sollten sich wieder zurückziehen – es drohte von niemanden Gefahr. Keiner wollte sie angreifen. Sie hatten auch gar keine Beweise dafür. Die Arcateenianer sollten sich zusammensetzen und die Lösungen besprechen. Und die vierte Gruppe, das sind wir, würden uns ebenso von dem Planeten verabschieden und es in die ad acta-Kiste packen. Es müsste kein Krieg geführt werden, wo kein Kriegsbeil ausgegraben wurde. In meinen Augen müsste selbst mit Kriegsbeil das nicht sein. Aber das ist eben nur meine bescheidene Meinung. Nun sind wir jedenfalls allein. Und müssen noch den Körper, den sich Metatropeasis ausgeliehen hatte, zurückgeben. Auf nach London. Und dann hoffe ich, dass ich nach Hause kann. Gerade will ich einfach nur nach Hause zu meiner Familie, meinen Mann, meine Freunde, … mein Leben. Ich beendete den Eintrag, klappte das Buch wieder zu, sah mich einmal um und verließ den Raum wieder, um mich zum Kleiderschrank zu begeben. Zeit, sich ausgehfertig zu machen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)