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Blood and Whine

Ist doch alles Käse!
von

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Lange Schatten

„Jeder Zauber hat seinen Preis“, antwortete Theodor ausweichend, doch jeder von uns wusste wohl, was er damit letztlich sagen wollte. Der Preis für den Zauber, den ich ausgesprochen hatte, war ein Leben - aber nicht meines, sondern Theodors. Ich hatte das Gefühl, als habe sich ein dicker, klebriger Ball in meinem Hals eingenistet, den ich einfach nicht herunterschlucken konnte. Auch wenn ich es nicht gewollt hatte, hatte ich indirekt mit meiner Entscheidung, den Zauber zu benutzen, jemandem das Leben genommen. Es wäre fairer gewesen, wenn ich den Preis bezahlt hätte. Wie versteinert starrte ich Theodor an, der mich nachsichtig anlächelte. “Du hast es nicht gewusst”, meinte Dettlaff schließlich und durchbrach damit die Stille, die über unserer kleinen Gruppe gelegen hatte. Vermutlich fragte sich in diesem Moment noch jeder, wieso Theodor dann hatte sterben müssen und nicht ich, die den Zauber ausgesprochen hatte. Ich schüttelte den Kopf. “Nein, ich hatte keine Ahnung”, murmelte ich tonlos zurück. „Der Zauber sprach von einem Opfer, aber…“ Unvollendet ließ ich den Satz in der Luft hängen. “Kein Grund für Tränen, werteste Daelis”, entgegnete Theodor. „Es war meine Entscheidung - oder wird es sein. Nur durch deinen Tod innerhalb der Zeitschleife und meinen endgültigen, war es möglich, dem Zauber sein Opfer zu gewähren und dafür zu sorgen, dass du nicht in der Zeitschleife gefangen bleibst. Außerdem ist es ohnehin besser, wenn es nicht zwei von mir in der gleichen Zeit gibt. Ein solches Paradoxon könnte ungeahnte Folgen haben.“ Er verstummte für einen Augenblick und blickte dann erst zu Dettlaff, dann zu Regis. “Es ist nur rechtens, wenn unsere Art den Preis für die Vernichtung Kruls entrichtet, die schließlich auch eine von uns war. Vielmehr danke ich Euch für Eure Unterstützung in diesem Kampf, Daelis. Und natürlich auch Euch, Geralt von Riva.”

Ein heiseres Lachen sammelte sich in meiner Kehle. Meine Unterstützung? Scheiße, ich würde ihn töten! Wie konnte er das nur sagen? Und wieso hatte der Zauberer, der ihn hergeschickt hatte, nicht selbst Krul in der Zeit eingefroren? Was geschah in der Zukunft, dass eine Zeitreise als einziger Ausweg erschienen war? Wir würden es vermutlich nie erfahren, keiner von uns - außer Theodor, doch der würde nichts von preisgeben. Schniefend wischte ich mir über die Augen. Gerne hätte ich so getan, als berühre mich all das nicht, besonders, da ich die Einzige hier zu sein schien, die die ganze Sache mitnahm. Geralt schaute genauso grimmig wie immer, Regis’ Miene war nachdenklich und Theodor lächelte, wobei ich den sowieso nicht durchschauen konnte. Allein Dettlaffs Miene zeigte Betroffenheit, doch dessen Blick ruhte auf mir, nicht auf Theodor. “Regis sprach davon, dass auch du durch die Zeit gereist bist”, ergriff Dettlaff das Wort, als sich unsere Blicke trafen. Ich nickte und schüttelte dann den Kopf. “So etwas ähnliches. Es ist schwierig zu erklären und ich… ich kann nicht. Also ich möchte gerne, aber ich kann wirklich nicht. Rein körperlich nicht”, versuchte ich mich zu erklären. Dettlaffs Stirn legte sich in Falten, doch er erwiderte nichts, sondern schwieg für einen Moment, ehe er fragte: “Warum hast du mich über Syanna belogen?”
 

Ich seufzte. Auf diese Frage hatte ich gewartet, aber sie zugleich auch gefürchtet. Gefühlt war es völlig egal, was ich darauf antwortete, weil keine Antwort wirklich eine richtige Rechtfertigung sein konnte. Am Ende blieb es eben ein Fakt, dass ich Dettlaff darüber belogen hatte, wer ich war und vor allem, wie ich zu Syanna stand. Zumindest jetzt aber könnte ich versuchen, so ehrlich wie möglich zu sein. “Weil ich dir helfen wollte, aber du mir niemals geglaubt hättest, wenn ich versucht hätte, dir zu erklären, was Syanna im Schilde führt und dass sie dich benutzt.” Unsicher biss ich mir auf die Unterlippe. “An deiner Stelle hätte ich das auch nicht. Immerhin… naja… du liebst sie. Wieso hättest du einer Fremden Glauben schenken sollen, die schlecht über sie spricht?” Aus den Augenwinkeln warf ich einen hilfesuchenden Blick in Regis’ Richtung. Zum Glück ließ mich der ergraute Vampir nicht im Stich, sondern sprang mir, wie auf ein Stichwort, bei. “Auch uns gegenüber war es Daelis nicht möglich, die volle Wahrheit über ihre Herkunft zu enthüllen - bis heute nicht. Es scheint, eine uns unbekannte Macht verhindert es”, warf Regis ein, dem ich eilig zunickte. “Stimmt. Wann immer ich versuche, alles zu erklären oder Dinge preiszugeben, die noch nicht passiert sind, bringe ich einfach keinen Ton heraus”, fügte ich seufzend hinzu.

“Also wusstest du von Syannas Fluch und ihrer Verbindung zu Krul?”, wollte Dettlaff nun wissen, wirkte jedoch nicht so, als wäre das wirklich, was ihm durch den Kopf ging. Das wunderte mich überhaupt nicht. Immerhin hatte er erst erfahren müssen, dass seine Liebste ihn ausgenutzt hatte und als wäre das nicht genug, hatte sich Krul eingemischt, die ihn um eine Erklärung seitens Syanna gebracht hatte. “Nein, von Krul hatte ich keine Ahnung. Ich wusste zwar, dass Syanna unter der Schwarzen Sonne geboren wurde, aber… um ehrlich zu sein, hab ich das nicht sehr ernst genommen”, gab ich kleinlaut zu. “Ich meine, es wird doch jeder wütend und sucht eventuell Rache, wenn er unbegründet schlecht behandelt und fortgejagt wird.” Dass ich ob dieser Worte mehr an Renfri als Syanna dachte, behielt ich für mich. “Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass der Fluch der Schwarzen Sonne mit einem Vampir zusammenhängen könnte, wirklich nicht. Aber ich wusste, dass sie die Morde plante und dich erpresste”, fügte ich immer leiser werdend hinzu. Dettlaffs Miene war ernst, aber unbewegt. Eine unangenehme Stimmung lag in der Luft, doch ich sprach weiter. Es musste ja sowieso raus und besser, ich sagte nun die Wahrheit, als dass Dettlaff von jemand anderes erfuhr, worin ich ihn belogen hatte. “Da ich den ganzen Komplott kannte und auch Versionen der Zukunft, die daraus erwachsen könnten, habe ich versucht, eine bestimmte herbeizuführen ohne den Zeitverlauf zu verändern.” “Klingt nach Blödsinn”, brummte Geralt leise. Wütend funkelte ich den Hexer an. “Man darf nicht einfach in der Zeit herumpfuschen! Ganz besonders heute sollte das doch eigentlich sehr deutlich gezeigt haben!”, empörte ich mich. “Und da ich, genau wie der Zukunft-Theodor nicht wirklich hierher gehöre, habe ich gedacht, es wäre besser, wenn meine Anwesenheit eben keine Veränderung bedeutet”, murmelte ich schließlich. “Hat ja nicht so toll geklappt”, entgegnete Geralt knapp. Mich rechtfertigend gab ich zurück: “Immerhin habe ich es versucht!”
 

“Warum?” Dettlaffs Stimme klang schneidend. In dieser einen, kleinen Frage lag eine Forderung, aber auch eine Drohung. Am liebsten hätte ich mich hinter Regis versteckt. “Weil ich es für das Beste hielt, für den besten Weg, den Ablauf nicht zu stören, aber dir dennoch beizustehen, wenn du erfährst, was Syanna getan hat”, versuchte ich noch einmal, mich zu erklären. Dettlaff genügte das offenbar nicht. Seine Miene verfinsterte sich. “Warum?”, fragte er erneut. Ich schluckte. Was sonst könnte ich zu meiner Verteidigung vorbringen? Alles, was ich hier gesagt hatte, entsprach der Wahrheit. Hätte ich nur die Möglichkeit gesehen, dass er mir, einer Fremden, glaubte, wenn ich Syannas boshaftes Treiben offenbarte, hätte ich vielleicht drauf geschissen, die Zeitlinie unbehelligt zu lassen, doch welche Rolle spielte das? Ich hatte es nicht getan. Ich hatte geschwiegen und gelogen, um… um was eigentlich? In dieser Beziehung hatte meine Anwesenheit letzten Endes wirklich nichts verändert, sah man davon ab, dass wir uns irgendwie angefreundet hatten. Allerdings war ich mir dieser Freundschaft im Moment nicht mehr so sicher. Gerne hätte ich noch etwas gesagt, irgendetwas, um Dettlaff zu beschwichtigen, doch mir fiel absolut nichts ein. Also ließ ich nur stumm den Kopf hängen, bis ich schließlich leise “Es tut mir wirklich Leid” hervorwürgte.

Eine gefühlte Ewigkeit hing drückende Stille über unserer Gruppe, schwer wie ein von Regen nasser Mantel, der einem auf den Schultern drückte und gefühlt gen Boden zog. Es war Regis, der die Stille schließlich durchbrach, indem er leise hüstelte. Zumindest, wenn man die Geräusche von Geralt, eine Mischung aus dem Gluckern der Schnapsflasche und einem Brummeln, nicht zählte. “Nun, ich denke, das ist es nicht, was Dettlaff wissen wollte.” Regis’ Worte ließen mich aufblicken. Der Vampir lächelte, was mich nur noch mehr verwirrte. Nicht? Was dann? Mein Blick glitt zu Dettlaff, der immer noch grimmig dreinsah, als wäre er bereit, mir jederzeit an die Gurgel zu gehen. Doch dann schüttelte er den Kopf. “Warum hast du dich überhaupt eingemischt, wenn du nichts ändern wolltest?”, konkretisierte er seine Frage. “Naja”, zuckte ich hilflos mit den Schultern. “Auch wenn ich den Verlauf der Dinge nicht gänzlich ändern wollte, wollte ich dennoch… die kleinen Dinge ändern.” Das klang sogar in meinen Ohren lahm. Ich seufzte ergeben. “Okay, hört zu. Mir war klar, dass ich nichts ungeschehen machen konnte. Also habe ich versucht, unnötiges Leid zu verhindern.” Geralt nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche. Unsicher sah ich von Theodor zu Regis, die beide lächelten, dann zu Dettlaff, dessen Stirn grüblerische Falten warf. Da keiner etwas sagte, hatte ich das Gefühl, weiterreden zu müssen. “Immerhin hat Milton überlebt. Ab dem Moment ging zugegeben alles ein wenig drunter und drüber, aber im Groben ging alles seinen Lauf. Mit ein paar winzigen Änderungen”, fügte ich kleinlaut hinzu.
 

Wieder wanderte mein Blick umher. Regis schüttelte den Kopf. “Auch das habe ich nicht gemeint”, meinte der Vampir milde. “Ich denke, was Dettlaff wissen will, ist vielmehr, wieso du ihn beschützen wolltest”, betonte Regis. Jetzt fiel auch bei mir der Groschen. “Oh.” Mir war das so selbstverständlich erschienen, dass ich gar nicht darüber nachgedacht hatte. Nur Regis hatte ich offen anvertraut, wie ich über Syanna dachte und auch, dass ich Dettlaff beschützen wollte, doch nicht einmal Geralt hatte das je so richtig von mir erfahren, wenngleich er sich bestimmt seinen Teil dachte. Der arme Hexer musste eh denken, dass bei mir so einige Schrauben locker waren, bei all den Stunts, die ich abgeliefert hatte. Erst die Winchesters, dann ein Incubus, der Glumaar und schließlich Vampire. Nicht gerade die Sorte Kontakte, die die meisten Menschen pflegten. Auf der anderen Seite war ich eben auch kein Mensch aus dieser Welt und hatte in vielerlei Hinsicht ganz andere Ansichten als die Leute hier. Dazu gehörte eindeutig auch, dass Dettlaff - Vampir oder nicht - kein Monster war. “Weil ich finde”, erklärte ich bestimmt, “dass Syannas Taten unverzeihlich sind und dass Dettlaff absolut nicht verdient hat, was sie ihm angetan hat.” Ich biss mir auf die Unterlippe und faltete die Hände auf meinen Knien.

Unangenehme Stille legte sich über uns, die nur durch gelegentliche Schluckgeräusche unterbrochen wurde. Geralt hatte seine Flasche inzwischen einmal im Kreis gereicht. An mir war sie dabei jedoch irgendwie vorbeigezogen, dabei hatte ich das Gefühl, davon jetzt auch einen Schluck gebrauchen zu können. Wieder war ich die erste, die das Wort ergriff. “Du bist ein wirklich, wirklich lieber Kerl”, wandte ich mich dieses Mal direkt an Dettlaff. “Und du hast es unbedingt verdient, dass man dich aufrichtig liebt und wertschätzt. Ich wollte dich wirklich nicht belügen! Ich wollte… einfach nur deine Freundin sein. Wirklich.” Mehr wusste ich nicht zu sagen. Am liebsten hätte ich mich einfach im Boden eingegraben, doch das stand wohl leider nicht zur Debatte. Vorsichtig blickte ich zu Dettlaff auf. Er war impulsiv und emotional, das wusste ich, aber auch sanftmütig und freundlich. Von einem Wutausbruch bis hin zu kaltem, verachtenden Schweigen konnte ich mir fast jede Reaktion von ihm vorstellen. Dass er mir einfach vergeben würde, erwartete ich nicht. Dafür hatte ich ihn zu rundherum angelogen, wenn auch nicht mit böser Intention. “Es tut mir Leid”, murmelte ich leise und senkte den Blick wieder. Bis jetzt hatte ich mich zusammenreißen können, aber jetzt rollte die erste Träne über mein Gesicht. Es war so frustrierend! Alles, was ich gewollt hatte, seit ich in Toussaint angekommen war, war Dettlaff zu beschützen. Bis zu dem Zeitpunkt, da Krul aufgetaucht war, war ich mir sogar ziemlich sicher gewesen, dass mir das gelänge. Syanna hatte das magische Haarband nicht, dass ihr bei der Konfrontation mit Dettlaff die Flucht ermöglichte, sodass sie eigentlich nur noch nach Tesham Mutna gebracht hätte werden müssen. Alles weitere hätte dann an Geralt gelegen. Soviel zur Theorie, zumindest, bis Krul alles durcheinandergebracht hatte, was ich über den Verlauf dieser Geschichte wusste.
 

“Du bist wirklich die verrückteste Frau, die mir je begegnet ist”, ergriff Geralt als Erster wieder das Wort in der Stille, die sonst nur durch mein Schniefen durchbrochen wurde. “Riskierst Kopf und Kragen für einen Vampir, den du vorher noch nie getroffen hast”, fuhr er fort, kaum, dass sich alle Blicke auf ihn gerichtet hatten. Dann nahm der Hexer demonstrativ noch einen Schluck aus der Schnapsflasche. “Niemand hat dich gezwungen, mich mitzunehmen”, maulte ich leise und zog eine Schnute. “Hrm. Du wusstest, wo der Greif war. Dachte, du sparst mir Zeit”, brummte der Hexer und lieferte damit die absolut mieseste Ausrede, die ich jemals gehört hatte. Zwar hatte ich wirklich keine Ahnung, warum er mich mitgenommen hatte - Mitleid vielleicht? - aber er ohne ihn hätte ich in dieser Welt nicht überstehen können, geschweige denn den Weg bis nach Toussaint überlebt. Geralt mochte bisweilen ruppig erscheinen, aber auch unter seiner rauen Schale steckte ein weicher Kern. Ich schuldete ihm viel. Mehr, als ihm vielleicht klar war. Wenn ich die Chance bekam, würde ich es auf jeden Fall wiedergutmachen und ihm helfen, ein gutes Ende für sich auf Corvo Bianco zu finden, zusammen mit Yennefer.

“Danke.” Dettlaffs dunkle Stimme kam unerwartet. Bisher hatte er die meiste Zeit geschwiegen und mit brütender Miene vor sich hingestarrt. War ich ehrlich, hatte mir das zumindest im Hinblick auf mein eigenes Überleben Sorgen bereitet. Genau wie Syanna, der ich das schamlos vorwarf, hatte ich ihn immerhin auch darüber belogen, wer ich war, egal, welche Gründe ich dafür gehabt hatte. Doch wenigstens, das war gewissermaßen meine Rechtfertigung gewesen, hatte ich nie darüber gelogen, wie ich war. Überrascht sah ich zu Dettlaff rüber, dann lächelte ich und griff nach seinen Händen, die flach auf der Grabplatte lagen, die wir als Tisch missbrauchten. Ich war einfach froh, dass er mir meine Taten nicht nachtrug. “Jederzeit. Ich meine, was ich sagte. Du bist ein guter Men- äh Vampir. Du weißt, was ich meine. Du hast ein gutes Herz und das allein zählt. Jeder, der jemals wahrlich geliebt hat, kann verstehen, wieso du gehandelt hast, wie du es hast”, meinte ich sanft, doch Dettlaffs Blick verdunkelte sich. “Du meinst, wieso ich gemordet habe”, entgegnete er bitter. Ich schluckte und nickte. “Ja.” Es schönzureden hatte wohl wenig Sinn. Er hatte getötet. Aber damit war er hier in guter Gesellschaft. Auch an Geralts und Regis’ Händen klebte Blut. Bei Theodor war ich mir nicht sicher. Zumindest ich hatte noch nie jemanden getötet, sofern man mir den Incubus Derand nicht anlasten wollte. Faktisch mochte Geralt ihn erschlagen haben, aber gefühlt trug ich genauso sehr Schuld an seinem Tod.

Als ahne er meine Gedanken, ließ Geralt ein leises Lachen hören. “Du gibst dich mit gefährlichen Männern ab, Daelis”, bemerkte er und versuchte nicht einmal, dabei ernst zu klingen. Spöttisch gab ich ein leises “Pfft” von mir. Dettlaff hingegen nahm die Worte ernster. “Er hat Recht. Dich in die Angelegenheiten von Hexern und Vampiren einzumischen, ist gefährlich”, belehrte er mich und klang dabei fast wie Regis. Ein leises Kichern konnte ich mir darüber nicht verkneifen. “Ich finde, ich habe mir hier die bestmögliche Gesellschaft in ganz Toussaint zusammengesucht”, widersprach ich entschieden. “Außerdem bin ich nicht rassistisch. Ich finde, Vampire und Menschen sind sich so ähnlich, da kann man die kleinen Unterschiede wirklich problemlos übersehen.” Jetzt war es an Regis, leise zu lachen. “Kleine Unterschiede”, zitierte Geralt und schüttelte grinsend den Kopf. Fehlte nur noch, dass er mir einen Vogel zeigte. Blödmann. Als unterscheide sich seine Ansicht so sehr davon. Hatte er nicht selbst zugegeben, dass auch sein Stahlschwert für Monster war - nämlich Menschen - und war obendrein mit Regis befreundet? “Was zählt, ist die Persönlichkeit. Es sind unsere Entscheidungen, die uns zum Monster machen, nicht unsere Herkunft”, betonte ich noch einmal mit strengem Blick. Sogar Dean krächzte zustimmend.
 

“Und du siehst keine Monster in den Mördern um dich herum? Klingt für mich nicht nach einer besonders klugen Einstellung. Leute, die so denken, leben meist nicht lange”, kommentierte Geralt trocken und nahm mit einem dankbaren Nicken eine neue Flasche Schnaps von Regis entgegen. Wusste der Himmel, wo der die wieder hergezaubert hatte. “Mord ist nicht Mord”, gab ich zurück. “Es ist ja nicht so, als würde einer von euch zum Spaß oder aus niederen Motiven töten.” Zugegeben: Nahm man es genau, tötete Geralt schon irgendwie aus niederen Motiven, nämlich um Geld zu verdienen, doch ich interpretierte zu seinen Gunsten einfach mal, dass er damit Leben retten wollte und das oft auch tat. “Was mich angeht”, betonte ich energisch, “gibt es in diesem Raum kein Monster.” “Geralt hat allerdings nicht Unrecht. Ein jeder hier wird von der Außenwelt als gefährliches Monster angesehen”, warf Regis ein, klang jedoch selbst nicht mehr wirklich ernst. Ob er auch schon einen im Tee hatte? Immerhin hatte er auch schon einiges vom Alraunenschnaps intus. “Du solltest uns meiden”, fügte Geralt scherzend hinzu. Ich rollte mit den Augen. “Unbedingt. Ihr seid schrecklich und total gruselig. Wie kann ich mich nur mit euch herumtreiben? Bei mir ist wirklich Hopfen und Malz verloren. Und dann noch meine Aufmachung! Dass ich mich so überhaupt aus dem Haus traue”, lästerte ich sarkastisch über einige Bemerkungen, die ich in den vergangenen Tagen hier über mich gehört hatte. Regis räusperte sich verlegen, doch der Hexer lachte nun laut auf. “Eindeutig die Hure des Weißen Wolfs. Frage mich, wieso mir das keiner vorher erzählt hat. Mir schienst doch ziemlich prüde”, kommentierte er amüsiert.

“Prüde?”, echote ich überrascht zurück. Wo war ich denn bitte prüde? So wie ich das sah, war ich der aufgeschlossenste Mensch, der hier herumlief. “Prüde”, bestätigte Geralt feixend. Ich hob eine Braue, dann die andere. “Wow, halt mal die Luft an. Die Leute hier halten mich schon für eine Hure, weil ich meine Haare offen trage. Das ist prüde”, betonte ich, doch Geralt grinste nur noch breiter. “Ich erinnere mich an jemanden, der lieber gefroren hat, als nackt neben mir zu liegen”, erzählte er wie beiläufig. Es dauerte einen Moment, ehe mir klar war, worauf er hinauswollte. Genervt stöhnte ich auf. “Dein Ernst? Du bespringst halt alles, was eine Zauberin sein könnte. Da wollte ich kein Risiko eingehen”, gab ich spitzfindig zurück, die teils verwirrten, teils amüsierten Blicke der Vampire ignorierend, die unserem Schlagabtausch schweigend lauschten. Geralt hielt in der Bewegung inne, in der er die Flasche wieder ansetzen hatte wollen. Jetzt war ich diejenige, die triumphierend grinste. “Oder gilt das nur, wenn man ein Einhorn hat oder eine Spur aus Kleidung legt?” Geralts Augen weiteten sich, wenngleich nur ein wenig. Er war gut darin, zu verstecken, was in ihm vorging, aber ganz gelang es ihm nicht. Einen Moment lang war es still zwischen uns. “Du weißt mehr, als gut für dich ist.” Ich wertete das als Sieg für mich. Enthusiastisch schnappte ich ihm die Schnapsflasche aus der Hand, um selbst einen Schluck daraus zu nehmen. Nicht meine beste Entscheidung. Heilige Scheiße! Was hatte Regis da reingetan? Mir war absolut schleierhaft, wie sowohl er als auch Regis dieses Zeug trinken konnten, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich hatte das Gefühl, mein ganzer Hals würde verätzt. Röchelnd reichte ich die Flasche zurück, das schadenfrohe Lachen des Hexers ignorierend. Mitleidig tätschelte Regis mir den Rücken. “Geht es?”, erkundigte er sich. Ich nickte tapfer. “Ja, geht schon.” Mein ganzer Hals brannte noch von dem Teufelszeug.
 

“Nachdem das ja nun geklärt ist, wie geht es weiter? Hast du da auch schon Pläne?”, wandte sich Geralt an mich und nahm, wie um es mir unter die Nase zu reiben, einen Schluck vom Alraunenschnaps, der mich so hoffnungslos hatte japsen lassen. “Naja”, antwortete ich ausweichend, “durch Kruls Ego-Trip haben sich ein paar Dinge verändert. Eigentlich wären wir mit Syanna nach Tesham Mutna zu Dettlaff gereist. Oder wenigstens war das der Plan.” Ich zuckte mit den Schultern. “Ich finde auch immer noch, dass sie sich Dettlaff stellen sollte.” Regis nickte nachdenklich, doch es war ausgerechnet Dettlaff ,der den Kopf schüttelte. “Nichts, was sie sagt, wird ihre Taten entschuldigen, nicht wahr?”, meinte er fragend in meine Richtung. Wie gerne hätte ich jetzt Einspruch erhoben, schon um ihm die Sache zu erleichtern. Wie es Syanna erging, war mir letzten Endes nicht wirklich wichtig, doch ich wollte nicht, dass diese ganze Sache den armen Dettlaff auffraß. “Nein”, antwortete ich und schüttelte den Kopf. “Sie wird sich nicht einmal entschuldigen, sondern nur versuchen, eine Rechtfertigung zu finden”, verriet ich ehrlich und war für einen Moment verwundert, dass ich das überhaupt ausplaudern konnte. Vielleicht, weil es eben nicht so gekommen war, sondern sich die Zeitlinie verschoben hatte. Dettlaff nickte mit ernster Miene. “Verstehe.”

Jetzt tat es mir Leid, etwas gesagt zu haben, doch ich hatte den armen Vampir nicht wieder anlügen wollen. Syanna zu treffen, würde nichts daran ändern, was sie ihm angetan hatte. Mitleidig musterte ich Dettlaff, als Geralt unvermittelt das Wort ergriff. “Nein, Daelis.” Verwundert sah ich zu dem Hexer. Der hob eine Braue und wiederholte: “Nein, Daelis. Nein.” “Was nein?”, wollte ich noch immer verwirrt wissen. “Du kannst ihn nicht adoptieren. Ich kenne diesen Blick. Den hattest du auch bei Hässlich und Hässlicher”, beschwerte Geralt sich halbherzig und deutete dabei auf Sam, der sich entspannt räkelte, als gehe ihn das alles überhaupt nichts an. Regis gluckste. “Ach”, flötete ich betont übertrieben, “hast du etwa Angst, ihm als Vater nicht gerecht zu werden, nachdem du bei den Winchesters doch aber so einen guten Job gemacht hast?” Geralt ächzte. “Kreide die Biester bloß nicht mir an. Du wolltest sie ja unbedingt aufnehmen. Als Brathähnchen hätten sie sich besser gemacht”, meinte er, klang dabei aber nicht so, als meine er das wirklich ernst. Ich wollte wetten, er hatte sich inzwischen auch an die beiden Greifen gewöhnt und würde sie vermissen! Hah! So viel zu “Hexer haben keine Gefühle, blablabla”. Als ob!

“Ach tu nicht so. Du liebst sie!”, protestierte ich scherzend. “Und du Dettlaff?”, mischte sich ganz unerwartet Theodor ein. Von einem Moment auf den anderen war es still und alle Blicke richteten sich auf den Zeitreisenden in spe. “Unfug”, protestierte ich lahm. Syanna hatte mir das auch schon unterstellt und ja, ich hatte was für Dettlaff übrig, aber Liebe brauchte Zeit und wir kannten uns nun noch nicht wirklich lange. “Also zurück zum Thema: Syanna”, lenkte ich zurück. “Ihre Schwester wird ihr auf jeden Fall vergeben, auch wenn sie das nächste Anschlagsziel gewesen wäre. Die Bettler in Beauclair haben den Beweis. Ein Zettel, genau wie die anderen”, erklärte ich eilig, damit keiner nochmal nachhakte, wie ich denn nun zu Dettlaff stand. “Allerdings war die Herzogin das letzte Anschlagsziel und es kann sein, dass Syanna noch immer plant…” Ich vollendete den Satz nicht, doch sicher konnte jeder auch so ahnen, worauf ich hinauswollte. Geralt nickte und nahm einen großen Schluck aus seiner Schnapsflasche.
 

“Ich hätte sie getötet”, ließ Dettlaff die Bombe ganz unerwartet fallen. Wieder breitete sich Schweigen über unserer Gruppe aus. Ich ahnte, dass Geralt darüber brütete, ob das stimmte, doch zumindest ich wusste, dass Dettlaff die Wahrheit sagte. Er hätte sie wirklich getötet. Doch nur wenn Syanna starb, konnte diese Geschichte zu dem Ende führen, in dem Dettlaff überlebte. Denn wenn sie floh oder nicht nach Tesham Mutna kam, griff Dettlaff Geralt an und würde infolgedessen sterben. Kam sie jedoch, tötete er sie und es lag an Geralt, ob er Dettlaff bekämpfen wollte oder nicht. Allerdings stand all das nun sowieso auf einem anderen Blatt. Denn keiner von uns war in Tesham Mutna. Stattdessen hockten wir gemeinsam in Regis’ Gruft, tranken widerwärtigen Alraunenschnaps und diskutierten aus, was eigentlich schief gelaufen war. “We-”, begann Geralt, doch ich fuhr ihm direkt über den Mund. “Ich finde, wir sollten uns darauf konzentrieren, wie es jetzt weitergeht. Kruls Einmischung hat alles ziemlich durcheinander gebracht.” Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, wie der Hexer mich misstrauisch ansah, doch ich tat, als bemerke ich nichts. Sollte er sich einfach seinen Reim darauf machen. Ich hoffte einfach, er hätte inzwischen ziemlich klar erkannt, wo ich Stellung bezog und würde sich dem nicht entgegenstellen, sonst wüsste ich wirklich nicht, wie diese Sache ausginge.

Kämpfte Geralt wirklich gegen Dettlaff, hätte ich keine Möglichkeit, die beiden oder auch nur einen von ihnen zu stoppen. Blieben Theodor und Regis. Ersterer würde vermutlich nicht eingreifen, immerhin durfte er die Zukunft nicht riskieren, in der er in der Zeit zurückgeschickt würde, und wenn Regis eingriff… Wie das ausging, hatte ich traurigerweise schon gesehen. Nichts, was ich hier wiederholen wollte. Nicht nur, dass es Dettlaffs Tod bedeutete, es wäre auch für Regis schlicht grausam, seinen Freund töten und damit leben zu müssen. Nichts daran hatte sich für mich je nach einem Happy End angefühlt, auch wenn es das offiziell war. Nein, ich hatte das Gegenteil angestrebt und dafür musste Syanna sterben. Ein Opfer, das zu bringen ich bereit war. Sofern das jetzt überhaupt noch zur Debatte stand. Ich konnte mir nämlich nicht vorstellen, dass uns die Herzogin ihre Schwester überließ. Im Spiel war sie immerhin bereit gewesen, Syanna alles zu vergeben, obwohl sie selbst das nächste Ziel gewesen war. Angesichts dessen war ich mir ziemlich sicher, dass sie hier ähnlich reagieren würde. Angestrengt rieb ich mir die Stirn.

“Ich nehme an, Ihre Gnaden wird über Dettlaff und Syanna gleichermaßen urteilen”, meinte Regis schließlich mit einem Seufzen. Die Miene seines Blutsbruders verfinsterte sich und ich ahnte, was das bedeutete. Er würde sich ihrem Urteil sicherlich nicht unterwerfen, wenn sie weiterhin seinen Kopf fordern sollte. Übel nehmen konnte ich ihn das nicht. Dass Annarietta ihrer Schwester deren intriganten Komplott einfach vergab, hielt ich für eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Wäre Syanna irgendjemand anderes, hätte die Herzogin vermutlich, ohne zu zögern, ihren Tod gefordert. Diese Sonderbehandlung war weit entfernt von Gerechtigkeit. Allerdings gab ich Regis insgeheim Recht: Fürs Erste würden wir das Urteil Anna Henriettas abwarten müssen oder uns dem entziehen und Toussaint verlassen. Ein Gedanke, der mir gar nicht so übel gefiel. Zwar war es hier friedlicher als im Norden und die Leute hier waren etwas entspannter drauf, aber zugleich hatte ich das unangenehme Gefühl, dass sie auch zu Geralts und meiner Rolle in diesem Hin und Her etwas zu sagen hätte - und, dass mir das nicht gefallen würde.

Müde rieb ich mir über die Augen. Meine Lider wurden immer schwerer. Jetzt, da keine akute Gefahr mehr bestand und mein Adrenalinspiegel sich gen Null senkte, wollte ich mich am liebsten irgendwo einrollen, um ein paar Stunden zu schlafen, ehe ich mir weiter das Hirn über irgendwelche Hoheiten, Intrigen oder Vampirköniginnen zermarterte. “Vielleicht sollten wir alles weitere auf später vertagen. Die Sonne geht bereits auf und wir haben eine lange Nacht hinter uns”, erklang Theodors ruhige Stimme. Geralt brummte zustimmend. Ich hörte noch, dass auch Regis etwas sagte, doch der Wortlaut ging schon an mir vorbei. Am Rande bekam ich noch mit, wie mich jemand in Richtung des Sarges schob, in dem ich auch die vergangene Nacht verbracht hatte, dann schaltete sich mein Verstand völlig aus.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Aufgabe:
(4) - teilweise erfüllt - Rest: Dann erklärte der Theodor, dass sein Zukunfts-Ich dich extra umbrachte, weil du sonst in der Zeitschleife gefangen wärst. Nur einer kann sein Leben opfern, dafür entschied er sich für sein Leben, das in dieser Zeit und Welt eigentlich nichts zu suchen hat. Komplett anzeigen

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