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Blood and Whine

Ist doch alles Käse!
von

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Zu welchem Preis

“Daelis?” Leise drang eine Stimme durch die Dunkelheit, die meine Sinne in Watte gepackt zu haben schien. “Kürzen wir das Ganze ab”, mischte sich eine zweite Stimme ein, die weniger ruhig klang. “Das ist nicht dein Ernst, Geralt”, empörte sich die erste Stimme nun, erhielt jedoch keine Antwort. Eine dritte Stimme war zu hören, dieses Mal die einer Frau. Sie sprach davon, dass sie mit mir ein ernstes Wörtchen zu reden habe, sofern ich noch lebte. Dunkel erklang eine weitere Stimme, doch deren Worte konnte ich nicht verstehen. Dafür sehr wohl, dass die Frauenstimme ihr erbost antwortete. Etwas berührte meine Schulter. “Daelis, hörst du mich?” Die erste Stimme wieder. Ich kannte sie, das wusste ich genau, doch in diesem Augenblick konnte ich sie partout nicht zuordnen. Nahm man es genau, war ich ja nicht einmal sicher, ob man überhaupt mit mir sprach. Daelis, das war doch ich, oder? Gerne hätte ich geantwortet. Ich bin hier. Ich höre zu. Allerdings konnte ich mich nicht einmal bewegen. Vielmehr fühlte ich mich wie schwerelos schwebend, wie ein Bewusstsein ohne Halt, das nur am Rande mitbekam, was rundherum geschah, blind und auf das wenige angewiesen, das an Worten und Lauten durchdrang. Ein unangenehmes Gefühl, das ich leider nur zu gut kannte. Mehr als einmal war mein Kreislauf abgeschmiert und hatte mich in diese Lage gebracht. Und wenn man dann wieder zu sich kam, folgten Übelkeit, Schwindel und ein allgemeines Gefühl von “wie mal kräftig an die Wand geklatscht”.

Etwas schob drückte sich gegen meinen Arm, erst auf der einen, dann auf der anderen Seite und ein leises Krächzen war zu hören. Waren das meinen Babys? Jemand zerrte mich hoch, etwas streifte meinen Rücken, dann spürte ich etwas Nasses, das meinen Rachen hinabrann und dabei eine brennende Spur hinterließ. Ich hustete. Was immer mir da eingeflößt worden war, es schmeckte grauenhaft. Bitter und mit einer Note von etwas, dem mit “zum kotzen” noch geschmeichelt wäre. Hätte ich gekonnt, ich hätte mich sofort herumgerollt, um dieses widerliche Zeug direkt wieder auszuspucken, doch mein Körper gehorchte mir nicht. Würgend rang ich nach Atem, als mir jemand noch einmal etwas an die Lippen drückte und ein weiterer Schwall der ekligen Flüssigkeit sich auf meiner Zunge ausbreitete. “Das ist genug”, entschied die erste Stimme aufgebracht. Zwei dunkle Stimmen antwortete, doch nur eine konnte ich deutlich hören. “Offenbar funktioniert es.” Scheiße, wenn funktionieren beinhaltete, dass ich nicht übel Lust hatte, wem auch immer dieses Teufelszeug ins Gesicht zu spucken, dann ja, es funktionierte. Doch nicht nur in dieser Hinsicht.

Langsam lichtete sich der dunkle Schleier vor meinen Augen. Zwar sah ich noch immer alles unscharf, doch zumindest erkannte ich nun, woher die Stimmen kamen, die ich gehört hatte. Nacheinander blickte ich die die Gesichter von Geralt, Regis, Theodor, Dettlaff, Herzogin Anna Henrietta und ihrer Schwester Syanna. Letztere grinste mich feixend an, während die anderen eher ernst zurückstarrten. “Hallo Dornröschen. Ausgeschlafen? Dein Prinz hat dich zwar nicht wachgeküsst, aber das kommt ja vielleicht noch.” Verständnislos sah ich Syanna an. Gerne hätte ich behauptet, das läge daran, dass ich nicht wüsste, worauf sie anspielte, doch vor allem lag es daran, dass mein Hirn noch so in Watte gebauscht war, dass ich gar nicht richtig raffte, was sie überhaupt sagte, geschweige denn, dass sie von mir sprach. “Häh?”, brachte ich nur heiser krächzend heraus. Ich brauchte einfach noch einen Moment.
 

“Was hast du angestellt?” “Was ist geschehen?” Fragende Blicke ruhten auf mir, während ich mich langsam aufsetzte. Ich hustete und schluckte den ekelhaften Geschmack herunter, der mir immer noch auf der Zunge lag. “Das würd ich auch gern wissen”, gab ich zurück und ließ meinen Blick von einem Gesicht zum anderen wandern. Sie waren alle hier. Geralt und Regis, Synna und Annarietta, Theodor und sogar Dettlaff. Und meine Kleinen, meine Babys, meine Winchesters! An ihnen blieb ich hängen und vergaß meine Frage prompt. Was auch passiert war, meine süßen kleinen Engel waren wieder sie selbst! “Dean! Sam!”, begrüßte ich die beiden, die sich mir nichts dir nichts auf meinen Beinen einen Platz suchten. Während Sam sich einrollte und den Kopf an meiner ausgestreckten Hand rieb, drückte Dean sein Köpfchen energisch gegen meine Schulter. “Jaaa, meine Süßen. Ich habe euch auch vermisst”, flötete ich ihnen leise zu und hätte mich vielleicht weiter in Liebesbekundungen ergangen, hätte nicht ein Hüsteln meine Aufmerksamkeit auf Regis gelenkt, welcher neben mir auf dem harten, kalten Boden kniete. Wo wir waren, erkannte ich nicht. Zumindest war es nicht der Platz vor dem Brunnen, an dem man eigentlich herauskam, wenn man die Märchenwelt verließ. Waren wir noch in der Märchenwelt? Danach sah es irgendwie nicht aus.

“Wo sind wir? Was ist passiert?”, richtete ich meine Fragen gleichermaßen an alle Anwesenden. Geralt schüttelte den Kopf. “Was das angeht, haben wir auch ein paar Fragen an dich”, brummte der Weiße Wolf, streckte dann aber die Hand unvermittelt aus und zerzauste mir das Haar. “Was immer du auch angestellt hast, es hat funktioniert. Gut gemacht.” Erleichterung durchflutete mich. Seine Worte und dass alle hier waren, bedeutete dann wohl, dass Krul besiegt war und Toussaint sicher. Richtig? Ansonsten hätte ich ihm vielleicht auch übel genommen, dass er mich, wieder mal, wie ein Kind behandelte. Dean krächzte aufgeregt und schob seinen Schnabel direkt in mein Gesichtsfeld. Kichernd legte ich einen Arm um den Greifen. “Natürlich. Du hast das auch toll gemacht, mein Schatz”, flüsterte ich ihm zu und kraulte gleichzeitig Sams Nacken. Angenehm waren diese Kuscheleinheiten allerdings nicht so richtig. Nicht nur, dass mein Hintern förmlich am Boden festfror, die beiden Greifen waren auch inzwischen so groß und schwer, dass man sich ein bisschen geplättet fühlte, wenn sie einen als Liegefläche auserkoren.

Mit Regis’ Hilfe rappelte ich mich schließlich auf. “Was ist passiert und wo sind wir hier gelandet?”, wiederholte ich meine dringendsten Fragen. Geralt und Regis tauschten einen vielsagenden Blick, dann sah der ergraute Vampir in Dettlaffs Richtung, der mich mit ernster Miene und gerunzelter Stirn musterte. Die Euphorie darüber, dass Krul besiegt zu sein schien und ich lebte - zumindest an einem von beidem hatte ich immense Zweifel gehabt, ehe ich bewusstlos geworden war - löste sich direkt auf. Dass der höhere Vampir stinksauer auf mich war, ahnte ich. Grund genug hatte er allemal. Immerhin hatte ich ihn nicht weniger belogen als Syanna, wenn auch mit den Unterschied, dass ich ihn nie hatte ausnutzen oder gar zu Morden anstiften wollen. Im Gegenteil. Dettlaffs Rettung war schließlich mein erklärtes Ziel. Nur deshalb hatte ich mich so vehement an Geralts Fersen geklettet, als klar war, dass er ins Herzogtum Toussaint reisen würde, um das Biest von Beauclair, also Dettlaff, zu jagen.
 

Apropos tot. Ich lebte. Dabei war ich mir eigentlich ziemlich sicher, dass der Zukunfts-Theodor Schaschlik aus mir gemacht hatte, um den Zauber zu vollenden und das Opfer zu bringen, das nötig war. Wieso also lebte ich und war obendrein unverletzt, sah man von einigen blauen Flecken ab, die ich aber schon vor dem Stillstand der Zeit gehabt hatte? Prüfend klopfte ich mich ab. Ich fühlte mich gut. Zumindest gemessen an den Umständen. Allerdings war mein Kleid im Brustbereich blutgetränkt, ein stilles Memento des Geschehens. Ansonsten hätte ich wohl auch geglaubt, mir nur eingebildet zu haben, von Theodors Klauen durchbohrt worden zu sein. Ich schluckte, dann sah ich fragend in die Runde, traf dabei jedoch nur ratlose Blicke. Mit einer Ausnahme. Theodor. Natürlich. Theodor! Aber hier war nur ein Theodor. Sollte es nicht zwei geben? Wo war der andere? Und welcher war hier bei uns? War vielleicht der Zukunfts-Theodor schon abgehauen, um ein Paradoxon ob seiner doppelten Existenz zu vermeiden? Möglich war ja auch, dass er jeden Moment in die Vergangenheit geschickt wurde, um dann mich während des Zeitstillstands zu treffen. War es vielleicht meine Aufgabe, dafür zu sorgen? War das so eine Art selbsterfüllende Prophezeiung?

Bevor ich jedoch irgendetwas dahingehend fragen konnte, ergriff Syanna das Wort. “Was passiert ist? Du hast doch diesen Zauber benutzt oder nicht?” Sie klang nicht halb so bissig wie sonst. Vielleicht war sie auch einfach nur erleichtert, dass alles gut ausgegangen war. Fragend sah ich zu Regis, der mild lächelte. “Krul hat ihr Ende gefunden”, erklärte er ruhig und sagte mir damit, was eigentlich am wichtigsten für mich zu wissen war, auch wenn ich das geahnt hatte. Sonst wären die Winchesters vermutlich nicht wieder sie selbst und wir alle stünden so entspannt hier in der Pampa herum. “Und wo sind wir hier?”, wollte ich wissen. “Im herzoglichen Garten”, antwortete dieses Mal Anna Henrietta. Die Herzogin sah etwas zerzaust aus, doch ihre Haltung war selbst jetzt noch würdevoll. “Und ich schlage vor, ihr besprecht alles weitere später. Es gibt Dringendes zu erledigen. Die Bewohner Beauclairs müssen erfahren, dass der Schrecken vorüber ist”, erklärte sie bestimmt, dann suchte ihr Blick Geralt und wurde finster. “Das Biest ist hier, Hexer. Doch ich will dies ausnahmsweise ob der gewährten Hilfe übersehen.”

Dass sie dabei nicht einmal zu Dettlaff sah, fand ich himmelschreiend unhöflich und so verzog ich die Miene. Genau wie Dettlaff, wie ich aus den Augenwinkeln sehen konnte. “Ich schlage vor, Euer Gnaden, dass Ihr Euch mit Eurer Schwester bezüglich der Morde auseinandersetzt, anstatt ein Erpressungsopfer dafür als Monster abzustempeln”, bemerkte ich bissig und sah mich binnen eines Augenblicks mit den finsteren Mienen beider Schwestern konfrontiert. Klar, dass ihnen das nicht schmeckte. Anna Henriettas Augen sprühten förmlich Funken. “Es ist wahr, dass dieses Monster im Kampf von Nutzen war, doch das ändert nichts an den Fakten”, zischte die Herzogin erbost. Meine Zunge war schneller als mein Hirn, als ich antwortete: “Hast du gehört, Syanna? So einfach ist das nicht, auch wenn du jetzt mitgeholfen hast.” Die Herzogin sah aus, als würde sie jeden Moment platzen und zumindest Syanna hatte ich damit offenbar verstummen lassen, doch hinter mir konnte ich ein ersticktes Auflachen hören, das ich nicht ganz zuordnen konnte. Allerdings genügte es auch so völlig, um mir selbst ein selbstgefälliges Grinsen auf die Lippen zu zaubern. Dass ich hier ziemlich frech vorpreschte und mich mit der einflussreichsten Person im Land anlegte, war zwar nicht clever, aber das hier war es schon irgendwie wert gewesen.
 

“Ich denke, wir sollten uns hier wirklich verabschieden”, schritt Regis ein, ehe weitere Worte fallen konnten, die das Fass zum Überlaufen bringen würden. Mit sanfter Gewalt schob er nicht nur mich, sondern auch Dettlaff weg von den beiden Schwestern und nickte dabei Geralt zu. Der schien auch ohne Worte zu verstehen und wandte sich in Richtung der Herzogin. “Ich werde Euch Bericht erstatten, sobald die genauen Umstände geklärt sind”, ließ der Hexer die Herrscherin wissen. Ihre Erwiderung hörte ich nicht mehr, weil meine Aufmerksamkeit stattdessen auf Theodor und schließlich auf Dettlaff ruhte. Dessen Blick ging an mir vorbei in Richtung Syanna. Man konnte seinen Zorn förmlich spüren. Beschwichtigend griff ich nach seiner Hand, was den Vampir jedoch in erster Linie zu irritieren schien, wenn ich seine Miene richtig deutete. Doch immerhin seine Aufmerksamkeit hatte ich damit erfolgreich von Syanna auch mich gelenkt. So sehr ich der verdammten Intrigantin auch alles Schlechte wünschte, es wäre nicht gut, wenn Dettlaff jetzt die Kontrolle verlor und womöglich die Herzogin direkt miterledigte, um dann von Geralt gejagt zu werden. Denn dann gäbe es sicher keine friedliche Lösung mehr und auf genau die musste ich bauen. Ich musste verhindern, dass Regis gezwungen war, sich zwischen Geralt und Dettlaff zu entscheiden. “Du hast mich belogen”, meinte Dettlaff unvermittelt. Kleinlaut ließ ich die Schultern hängen. Dagegen konnte ich schwerlich etwas sagen. Es stimmte immerhin. Ich hatte ihn belogen. “Hör dir ihre Geschichte an, mein Freund”, schaltete sich Regis beschwichtigend ein. “Dann wirst du verstehen, dass es nicht in ihrer Hand lag, dir alles zu offenbaren. Es hat auch bei uns einiges an Aufwand gebraucht, um zu verstehen, welches Geheimnis sich hinter Daelis verbirgt.” Dettlaff brummte leise, klang so gar nicht überzeugt, doch ich warf dennoch einen dankbaren Blick gen Regis. Ich wusste zu schätzen, dass er sich für mich einsetzte. Zum Glück machte Geralt keine Anstalten, sich jetzt gegen Dettlaff zu stellen. Allerdings machte mich das auch neugierig im Bezug darauf, was ich verpasst hatte.

Eine andere Sache jedoch lag mir auch noch auf dem Herzen. “Wo ist Theodor?” Geralt, der hinter mir ging, schnaufte so laut, dass ich seinen Atem an meinem Hinterkopf spüren konnte. “Direkt vor deiner Nase. Mach die Augen auf”, meinte der weiße Wolf leise. Ich seufzte. “Ja, schon, aber…” “Sie meint mein anderes Ich”, mischte sich Theodor erklärend ein. “Ich nehme an, das ist dann auch etwas, das wir gleich in Ruhe klären sollten”, befand Regis mit einem Seufzen. “Du hast hier wirklich einiges auf den Kopf gestellt, Kleine”, meinte Geralt nur. Dass er damit mich meinte, bedurfte keiner weiteren Erklärung. “Gar nicht wahr”, verteidigte ich mich leise. “Ich habe nur versucht, dafür zu sorgen, dass möglichst niemand sterben muss.” “Möglichst niemand? Kann nicht behaupten, dass das gelungen ist”, brummte der Hexer zurück. Jetzt wurde ich patzig. “Entschuldige, dass ich nicht den gesamten Verlauf des Geschehens verändern und mehrere Dutzend Vampire, einschließlich unseres Überrschungsgastes Krul von Alles-muss-sterben, aufhalten konnte.” Plötzlich lachte Geralt auf. Überrascht wandte ich mich zu ihm um. “Wenn du noch zanken kannst, bist du wohl wirklich wohlauf.”
 

Im Schutz der Dunkelheit führte Regis unsere kleine Gruppe in Richtung der Gruft, die auch ich derzeit mein Zuhause nannte. Zumindest war sie das, was einem Zuhause am nächsten kam. Dass ich jedoch als einzige Probleme damit hatte, mich in der Finsternis zurechtzufinden und nicht über jede Wurzel und jeden Stein auf dem Friedhof Mère-Lachaiselongue zu stolpern. Anders als meine vier Begleiter hatte ich nunmal weder die Sicht eines Hexers noch die eines Vampirs. “Scheiße”, schimpfte ich leise, als ich an irgendetwas hängen blieb und dabei beinahe gegen Theodor taumelte, der vor mir ging. Dass ich nicht nur heile bei der Gruft ankam, sondern auch heile das Innere erreichte, grenzte an ein Wunder. Einmal hatte nur Geralts Warnung mich davor bewahrt, mit der Stirn gegen eine niedrige Mauer zu ditschen. Normalerweise brannten im Innern der Gruft Kerzen, doch die waren jetzt allesamt verloschen. Es war Geralt, der sie mit einem Wink entfachte. Allerdings erst, als Dettlaff hinter mir als letzter den wohnlichen Teil der Gruft betrat. Binnen weniger Augenblicke saß unsere illustre Runde auf den Särgen, Geralt sich demonstrativ neben mich schob und seine Silberklinge zu seiner rechten ablegte.

Während Regis als erster einen Schluck aus einer dunklen Flasche nahm, die er dann an Dettlaff weiterreichte und aus der ein beißender Geruch aufstieg, begann Geralt zu berichten. “Keine Ahnung, was du da für eine Magie benutzt hast, aber es fühlte sich an, als hätte man nach einem verkaterten Morgen ein paar Stunden vom Vorabend vergessen”, meinte der Hexer griesgrämig. “Krul stand wie versteinert vor uns, während ihre Verstärkung anrückte. Keine Ahnung, was das für Kreaturen waren. Vampire?” Er warf einen Blick in Regis’ Richtung, der den Kopf schüttelte. Dann sah Geralt wieder zu mir. “Du hingegen warst wie vom Erdboden verschwunden.” Ohne ein weiteres Wort nahm er die Flasche aus Dettlaffs Händen, als der Vampir keine Anstalten machte, einen Schluck daraus zu nehmen. Geralt zögerte nicht und nahm einen kräftigen Zug, sodass Regis einsprang. “Glücklicherweise kam uns Dettlaff zu Hilfe.” Anerkennend nickte er seinem Blutsbruder zu. “Eine Bruxa hatte mich über das Auftauchen dieser… Krul”, erklärte dieser ruhig, “informiert. Sie hat auch die Meinen angegriffen und getötet. Mit ihrer Erstarrung hatten wir allerdings nichts zu tun.” Ich nickte nur. “Das war ich”, bestätigte ich, was vermutlich sowieso jeder dachte, und fragte weiter: “Also habt ihr Krul dann erledigt?” Geralt rülpste leise. Regis nickte. “Geralts Silberklinge hat die Königin durchbohrt und zu unser aller Erstaunen vernichtet. Sie zerfiel zu Staub, ganz wie es unseresgleichen in den Mythen der Menschen angeblich tut, wenn wir ins Sonnenlicht gehen. Dergleichen habe ich noch nie gesehen”, gab der ergraute Vampir unumwunden zu. Auf die Fragen, die in seinem Blick standen, hatte ich allerdings auch keine Antwort. Aber Theodor. Zu ihm starrte ich aus einem Reflex heraus.

Nachsichtig lächelte der Höhere Vampir. “Hier kann ich womöglich aushelfen”, meinte er ruhig. “Krul war in der Zeit selbst gefangen und damit auch alle regenerativen Kräfte, über die unsere Art verfügt. Das machte sie angreifbar und hat dem edlen Herrn Hexer erlaubt, sie endgültig auszulöschen.” “Und ihr Gefolge, was ist damit?”, hakte der Weiße Wolf nach. “Die von ihr geschaffenen Kreaturen waren Geschöpfe, die aus dem Fluch der Schwarzen Sonne heraus geboren waren. Womöglich habt ihr von diesem Fluch gehört?” Geralt nickte grimmig und auch ich deutete meine Zustimmung an. Wie ich wusste, hatte Geralt schon einmal mit einer Prinzessin zu tun gehabt, die unter diesem Fluch geboren worden war. Dieser Zwischenfall hatte ihm immerhin den verhassten Beinamen “Schlächter von Blaviken” eingebracht. Sicher nicht die angenehmste Weise, daran erinnert zu werden.

Eigentlich hielt ich mich für jemanden, der die Welt sachlich betrachtete und nicht an so etwas wie Schicksal oder Flüche glaubte, doch in diesem Punkt kam mir langsam das vage Gefühl, dass ich eine Ausnahme machen müsste, wenn das auch nicht rechtfertigte, was Zauberer den armen Mädchen angetan hatten, die während der Sonnenfinsternis geboren worden waren, die man landläufig Schwarze Sonne nannte. Beim Gedanken daran, dass sie ohne je eine Chance zu haben, ermordet worden waren, stellten sich mir die Nackenhaare auf. Auf der anderen Seite wollte ich lieber nicht wissen, was all diese Prinzessinnen getan hätten, wären sie am Leben. Renfri hatte einige Leben gefordert, zurecht in meinen Augen jedoch nur das des Zauberers Stregobor. Syanna hatte das Leben von fünf Rittern gefordert, doch nicht nur zwei von ihnen, sondern auch andere hatten wegen ihres perfiden Racheplans den Tod gefunden. Ganz zu schweigen von all dem Leid, das sie damit verursacht hatte.
 

“Ein anderer Name Kruls ist Lillith. Ihr sagte man nach, dass sechzig Frauen unter der Schwarzen Sonne geboren würden, die ihr den Weg ebnen sollten, ehe sie selbst Verderben und Zerstörung über die Welt brächte”, erläuterte Theodor dennoch für Dettlaff und Regis. Zumindest diese Zwei hörten heute vermutlich zum ersten Mal von dieser Geschichte. Wobei ich mir vorstellen könnte, dass Regis vielleicht von Geralt wenigstens von Renfri und Blaviken wusste. “Mit Kruls Tod ist diese Heimsuchung der Welt glücklicherweise erspart geblieben.” Theodors Lächeln war genauso undurchschaubar wie stets, doch ich bildete mir ein, einen gewissen Stolz in seinen Augen funkeln zu sehen. Vielleicht sah ich das auch nur, weil ich es sehen wollte, denn zumindest ich fand, wir hatten das ziemlich gut hinbekommen. Die Magier, die sich mit den unter der Schwarzen Sonne geborenen Mädchen beschäftigt hatten, sollten sich davon mal eine Scheibe abschneiden. Anstatt unwissende Blagen zu foltern, hätten sich die Zauberer gleich etwas Klügeres ausdenken sollen. Schade, dass Yen kein Interesse an dieser Sache gezeigt hatte. Sie hätte bestimmt einen anderen Weg gewählt - oder hatte es vielleicht. Immerhin war es gut möglich, dass sie es gewesen war, die Theodor durch die Zeit hierher geschickt hatte, um uns im Kampf gegen Krul zu unterstützen.

“Und das alles weißt du woher?”, wollte Geralt misstrauisch wissen. Noch immer hielt er die Flasche in der Hand, von der ich annahm, dass sie Regis’ berühmten Alraunenschnaps enthielt. “Durch mein Ich aus der Zukunft”, entgegnete Theodor fast enervierend ruhig. “Er warnte mich vor der drohenden Gefahr. Danach haben wir kooperiert, um Daelis das Zauberbuch zukommen zu lassen, da sie auch die Trägerin des Kristalls ist.” “Woher auch immer sie den hat”, bemerkte der Hexer hörbar skeptisch, aber beließ es dabei und nahm einen Schluck aus der Flasche. Insgeheim stimmte ich ihm aber zu. Diese Frage hatte Theodor nicht beantwortet, konnte es womöglich nicht einmal, was dann nur noch mehr Fragen aufwarf. Wer könnte dafür gesorgt haben, dass ich hier landete und obendrein ein so mächtiges, magisches Relikt besaß? Immerhin war der Kristall das Mittel der Wahl, um ein wahnsinnig mächtiges Wesen, namentlich Krul, aufzuhalten. Nicht unbedingt etwas, das man achtlos in irgendeiner schmuddligen Ecke rumschimmeln ließ. So manch Zauberer hätte sich danach garantiert alle Finger geleckt. Und doch war dieses Kleinod irgendwie in meine Hände gelangt. Damit hatte es mir auch offenbart, dass in mir das Potential zur Magie steckte. Ob ich diese Berufung verfolgen könnte? Mit Yennefers Hilfe vielleicht? Eine Zauberin zu werden, klang für mich ziemlich verlockend, aber ganz bestimmt würde ich mich nicht an irgendeinen Königshof binden. Nein, dafür gab es viel zu viele andere Dinge, die man mit Magie bewirken könnte. Auf die Fähigkeit, Kinder zu gebären, verzichtete ich dafür mit Kusshand. Blagen wollte ich sowieso nicht in die Welt setzen, ja nichtmal um mich haben.
 

“Auf jeden Fall hat Kruls Tod nicht nur ihre Anhängerschaft zerfallen lassen, sondern auch die Viecher wieder zurückverwandelt. Du hast deine Schützlinge also wieder”, ächzte Geralt und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, ehe er das Gesicht merklich verzog. Der Schnaps brannte wohl ordentlich, wenn ich seiner Miene trauen durfte. “Sie haben uns auch zu dir geführt”, mischte sich nun Regis ein. “Nach Kruls Tod war von dir keine Spur zu sehen. Wir hatten schon angenommen, du wärst selbst durch die Zeit gereist”, fuhr der ergraute Vampir fort, während Geralt einen weiteren Schluck vom Schnaps nahm, ehe er sie zu meiner Überraschung an Dettlaff weiterreichte, der nicht zögerte und die Flasche ansetzte. “Als wir das Zauberbuchreich verließen, kamen uns die Sam und Dean bereits entgegen”, schmunzelte Regis und erntete ein zustimmendes Brummen seitens Geralts. “Hässlich und Hässlicher haben ziemlich energisch an mir herumgezogen. Erzieh die Biester ordentlich, sonst beauftrage ich mich selbst damit, ihnen den Garaus zu machen”, brummte der Hexer, klang dabei allerdings nicht wirklich verstimmt. Grinsend feixte ich zurück: “Als könntest du es dir leisten, einen Hexer anzuheuern.” Ein raues Lachen verriet mir, dass meine Worte ihre Wirkung nicht verfehlt hatten.

“Also haben meine Süßen mich gefunden. Naw, ich wusste doch, ihr seid die Besten, meine kleinen Engel”, wandte ich mich an die beiden Greifen, die gleichsam in meine Richtung aufblickten, ehe sie es sich wieder bequem machten. “Habt ihr eure Mami erschnuppert?”, säuselte ich Dean zu und konnte aus den Augenwinkeln noch sehen, wie Geralt mit den Augen rollte. Dettlaff hingegen beobachtete die Greifen mit offener Neugier. Stünden nicht noch so viele Fragen im Raum, hätte ich ihm direkt angeboten, den nicht mehr ganz so kleinen Sam mal zu streicheln. Bestimmt verstünden die Winchesters sich prima mit Dettlaff. “Nicht unbedingt. Du warst nicht gerade versteckt”, mischte sich dieser nun ganz unerwartet in das Gespräch ein, das er bisher schweigend verfolgt hatte. Dann wanderte sein Blick zu Regis, der übernahm. Fragend sah auch ich zu dem ergrauten Vampir herüber. “Inwiefern das?” “Ein blaues Licht hat dich eingehüllt. Es schien von deinem Kristall auszugehen”, antwortete Regis. “Als wir näher kamen, verlosch es.” “Zweifellos, weil der Kristall auf den chronomagischen Zauber unserer lieben Daelis seine Wirkung entfaltet hat. Auf Krul sowie mein zukünftiges Ich als Kreaturen außerhalb des normalen Verlaufs der Zeit hat er ja bereits auch reagiert,”, fügte Theodor hinzu. Ich nickte. Seine Erklärungen waren zwar hilfreich, aber zugleich stellten sie mich immer mehr vor die Frage, wer sein zukünftiges Ich durch die Zeit zu uns zurückgebracht hatte, damit wir wussten, was zu tun wäre.

War es womöglich einer von uns gewesen? Der Gedanke lag nahe. Vielleicht war es ja sogar ich? Dann wäre diese ganze Geschichte eine selbsterfüllende Prophezeiung. Da ich selbst alles erlebt hatte, wäre es einfach, Theodor einzuweisen. Blieb nur die Frage, wann ich ihn durch die Zeit schickte, denn im Moment glaubte ich nicht, einer solchen magischen Herausforderung gewachsen zu sein. Obendrein blieb auch da die Frage nach dem Preis. Was war geopfert worden, um den Vampir durch die Zeit zurückzuschicken? Und welches Opfer war überhaupt dieses Mal gebracht worden? Zwar war ich mir ziemlich sicher, mich daran zu erinnern, von Zukunfts-Theodor aufgespießt worden zu sein, doch auf der anderen Seite war ich hier, quicklebendig und unversehrt. Mein Leben war also eindeutig nicht geopfert worden. Oder vielleicht einfach nur noch nicht? Zeitverschiebungen waren immerhin der Kern dieses ganzen Dilemmas. Dennoch wurde ich das ungute Gefühl nicht los, dass jemand anderes den Preis für meine Magie bezahlt hatte. “Theodor, wo ist dein zukünftiges Ich?”, fragte ich den Vampir ganz direkt. Das Lächeln auf seinen Lippen blieb bestehen, doch auf eine Antwort musste ich einige, unendlich lange Sekunden warten.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Aufgaben:
(1) Eine halbe Minute, mehr Zeit bleibt der Truppe nicht übrig. Bestimmt fragen sich die anderen was geschehen ist, wieso Krul wie erstarrt dort stand und wo um alles in der Welt du dich wieder herumstreibst. Der Gegenwart-Theodor erzählte alles, was er durch den Zukunft-Theodor weißt. Es kann sein, dass Misstrauen untereinander lag, aber wichtiger ist Kruls Vernichtung. Soeben breitet sie sich zum Gegenangriff vor, als Kruls Anhänger auftauchten. Auf der Seite deiner Freunde (außer Syanna) erscheint Dettlaff wie aus dem Nichts. Irgendwie bekam er von dem Kampfgeschehen mit. Folglich kommt es zu Auseinandersetzungen und Kämpfe, bis jemand (deine Auswahl) Kruls Brust durchbohrte. Der Fluch der Sonne ist gebrochen. Alle Kreaturen aus Kruls Machts entsprungen, zerfallen zu Asche, wie die Königin selbst. Zum Glück kehren die Greife zu ihrem Ursprung zurück und begrüßen aufgeregt die Truppe.
(2) - folgt im nächsten Kapitel -
(3) - folgt im nächsten Kapitel -
(4) Warum zerren Sam und Dean an Geralts Rüstung, als ob sie ihn sagen würden, er soll ihnen folgen!? Anschließend fliegen die Brüder davon und Geralt folgt ihnen. Tatsächlich findet man dich durch das riesige, blaue Kristalllicht inmitten der Nacht. Du liegst bewusstlos da, unverletzt und wirst durch die Stupse deiner Greifkinder geweckt. Langsam erwachst du und kannst dich an alles erinnern. Sofort empfangen sich alle, stellen dir Fragen, wie das geschehen konnte.
(5) - folgt im nächsten Kapitel - Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Vegetasan
2020-05-02T12:05:20+00:00 02.05.2020 14:05
Yeah! Neues Kapi.

Und du lebst, genau wie deine Greifen 😍.
Bin gespannt, ob offenbart wird, was das Opfer war.

Wieder toll geschrieben.
Antwort von:  Daelis
03.05.2020 16:04
Ich hatte sich schon gezweifelt aber meine Göttin meint es gut mit den Winchesters und mir :3

Dieses Mal gab es einen Batzen Aufgaben und das Opfer wird auf jeden Fall ein Knackpunkt sein. T.T


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