Blood and Whine von Daelis (Ist doch alles Käse!) ================================================================================ Kapitel 17: Der goldenen Sonne Blut ----------------------------------- Das waren wirklich meine süßen kleinen Winchesters. Es fiel mir schwer, das wirklich zu glauben. Die verzerrten Bestien mit den rot glühenden Augen waren nicht nur viel größer als meine Schätze, sondern auch seltsam umgestaltet, dass ich sie kaum noch richtig als Greif einordnen konnte. Was immer auch mit ihnen passiert war, ich betete stumm, dass es umkehrbar war, auch wenn mein Kopf bereits flüsterte, dass das eine sehr naive Hoffnung war. Wenn es eine Verwandlung war, hatten wir immer noch keinen Zauberer hier, der sie aufheben konnte. Wer könnte das überhaupt? Ein Spezialist für Chimaerologie vielleicht? Ich hatte nicht den blassessten Schimmer. Sehr wahrscheinlich hatte diese Welt solche Kreaturen schlicht noch nie gesehen. Sie waren etwas ganz neues und das wiederum bedeutete womöglich, dass meine kleinen süßen Babys nie wieder meine kleinen süßen Babys sein würden. Ich schluckte, doch gegen den dicken Kloß in meinem Hals half das überhaupt nicht. “Es tut mir wirklich außerordentlich Leid”, hörte ich Regis’ Stimme und brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass der Vampir mit mir sprach und noch einen weiteren, bis mir klar war, dass ich weinte. Eilig wischte ich mir über die Augen, auch wenn das wenig half. Die Tränen flossen direkt weiter. Mitfühlend drückte Regis meinen Arm. Ich sagte nichts, sondern sah ihn nur an, doch ich hoffte, er verstand auch so, dass ich ihm dankbar war. Die Wenigsten hätten Verständnis dafür, dass jemand um Greifen heulte, die immerhin schlicht als Monster angesehen wurden, für die man ärgerlicherweise einen Hexer anheuern musste, damit sie nicht das Vieh oder die Nachbarn fraßen. Mein Sichtfeld war zwar etwas verschwommen, aber wie Geralt nach seiner Silberklinge griff, entging mir trotzdem nicht. Entgeistert sah ich ihn an. “Das ist nicht dein Ernst”, zischte ich ihn leise an und erntete einen ernster Blick. “Find dich mit dem Gedanken ab. So wie ich das sehe, könnten wir hier auch alle draufgehen.” Dagegen konnte ich schlecht etwas sagen. Abgesehen von Sam und Dean in ihrer neuen monströsen Form war da halt auch noch Krul. Unser aller Blicke wanderten gen Theodor, als hätten wir den gleichen Gedanken gehabt. Außer ihm wusste niemand etwas über diese Vampirkönigin und ihre angebliche Schwäche. Offenbar fühlte sich Theodor unter unseren Blicken auch reichlich unwohl, denn er zog unruhig an seiner Kleidung, als wolle er Falten wegstreichen. “Mithilfe des Kristalls kann es uns gelingen, Krul auszuschalten. Einen anderen Weg sehe ich da nicht. Sie ist zu mächtig, als dass wir sie mit einer Klinge”, bemerkte Theodor mit einem Nicken in Geralts Richtung, “noch mit Klauen oder freundlichen Worten stoppen könnten.” Das bezog sich dann wohl auf Regis und mich. Einen normalen höheren Vampir - was man eben so normal nannte - könnten schon nur Regis und Theodor töten, doch die Vampirkönigin, die noch älter und mächtiger war? Ein bisschen schlecht wurde mir da schon. Im Spiel war sie definitiv nicht aufgetaucht. Was also hatte ich verändert, dass sie hier erschienen war? Oder war es gar nicht ich gewesen? Hatte jemand anderes die Geschehnisse in Gang gesetzt und ich war nur zufällig in Besitz des Anhänger gekommen? Nah. Zufällig wohl eher nicht, immerhin hatte ich ihn um den Hals getragen. Also lag nahe, dass wer immer für Kruls Erscheinen verantwortlich war, vielleicht auch mich in diese Welt verfrachtet und mir den Anhänger gegeben hatte. Sinn machte das alles für mich jedoch überhaupt nicht. “Verschwinden wir von hier, bevor sie uns bemerkt”, flüsterte Theodor in unsere Richtung. Ich konnte noch die Zweifel in Geralts Augen blitzen sehen, ehe er kaum merklich nickte. Mir war klar, er wollte die Leute beschützen, die noch Kruls Opfer würden, aber indem er sich in einen Kampf stürzte, den er nur verlieren konnte, half er keinem. Wir brauchten einen Plan. Allen voran natürlich jemanden, der den Kristall zu benutzen wusste, den ich um meinen Hals trug. Gut, dass ich den nicht irgendwo für kleines Geld versetzt hatte, um meine Unterkunft zu bezahlen oder Ähnliches. Bisher hatte all diese Kosten Geralt übernommen und zu meiner Schande musste ich gestehen, ihm dafür nie wirklich gedankt zu haben. Im Stillen nahm ich mir vor, das dringend nachzuholen, wenn wir diese Sache hier überlebten. Wenn nicht, kam es da eben auch nicht mehr drauf an. Im Moment sollte unser Hauptaugenmerk darauf liegen, eine Lösung für das Problem Krul zu finden, bevor wir uns um Dettlaff Sorgen machten, auch wenn ich gestehen musste, dass der in gerade dieser Situation eine verdammt große Hilfe hätte sein können, wenn er nicht gerade brütend in Tesham Mutna säße. Ob er schon von Krul erfahren hatte? Vermutlich. Die niederen Vampire waren seinetwegen hergekommen und bestimmt war einer von ihnen vor Krul geflohen, um ihn zu informieren. “Ah, da bist du ja endlich”, ertönte Kruls Stimme. Ich zuckte zusammen und konnte spüren, wie Geralt sich neben mir anspannte. Es war beängstigend, wie warm, ja fast liebevoll sie klang, wenn man bedachte, wie gnadenlos sie die Leute hier getötet hatte und wie viele folgen würden, wenn Theodor Recht behielt. Prinzipiell traute ich Theodor zwar nicht, aber für Krul galt das gleiche. Sie hatte eben nicht gerade den besten ersten Eindruck hinterlassen. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in meiner Magengrube aus, als ich an die vielen toten Menschen und Vampire dachte, die wir bereits gesehen hatten. Krul unterschied da nicht. Darauf, dass sie mit Theodor oder Regis vielleicht Nachsicht hätte, wollte ich da auch lieber nicht bauen. Glücklicherweise hatten Kruls Worte wohl keinem von uns gegolten, denn ein leises Schnauben antwortete ihr, gefolgt von einem schrillen Laut, der so laut war, dass er mir die Ohren klingeln ließ. “Ekim-”, begann Geralt gereizt, jedoch schnitt Regis dem Hexer mit einer Geste das Wort ab. Stattdessen gestikulierte der ergraute Vampir uns, dass wir uns zurückziehen sollten. Die Chance war günstig, die Vampirkönigin war abgelenkt. Eine bessere Chance würden wir wohl so bald nicht bekommen. “Tch, schweig still. Auch wenn ich noch geschwächt bin, steht es dir nicht zu, mir zu drohen. Selbst wenn ich schliefe, könntest du keine Bedrohung für mich sein.” Offenbar hatte der niedere Vampir mit ihr gesprochen und sie antwortete ihm nun. Geralt, der gerade hatte von Krul wegschleichen wollen, hielt in der Bewegung inne und drückte sich direkt wieder neben mich an die Mauer. Auch ich horchte auf. Der Ekimma zischte und auch wenn ich kein Wort verstand und Geralt sicher ebenfalls nicht, guckten doch wenigstens Theodor und Regis nachdenklich. Fragend sah der Hexer zu Regis, welcher erst stutzte und dann entschuldigend flüsterte: “Sie hat ihre Kräfte nicht unter Kontrolle, weil ihre Beute ihr entkommen ist.” Ihre Beute? Auch jetzt dachten wir offenbar alle das gleiche und sahen zu Syanna. Die verzog nur das Gesicht. “Ich werde sie finden. Sie sind nur Menschen und können sich nicht vor mir verbergen”, kommentierte Krul spöttisch die Kritik des Ekimma. Wow. An Ego mangelte es ihr jedenfalls nicht. Aber genau diese Arroganz kam uns vielleicht zugute. Wenn Krul uns unterschätzte, hatten wir den Überraschungsmoment auf unserer Seite, wenn wir sie angriffen. Leider saß auch genau da der Hase im Pfeffer. Noch hatten wir überhaupt keine Möglichkeit sie anzugreifen. Meine Hand umfasste wie von selbst den blauen Kristall, der in dieser ganzen Misere unsere einzige Hoffnung zu sein schien. Was immer der Ekimma auch sagte, für mich klang es nach dem Keckern, das ich von meinem Kater Jui kannte. Der klang nämlich immer so, wenn er eine Fliege jagte, die aber zu hoch für ihn flog, als dass er sie aus der Luft hätte haschen können. Also lief er meckernd hinter ihr her, bis sie sich irgendwo hinsetzte, wo er sie erreichte. Regis rieb sich nachdenklich das Kinn. “Sie braucht das Blut der goldenen Sonne und die Seele der schwarzen Sonne”, übersetzte der Vampir. Geralt hob eine Braue und ich tat es ihm gleich. Regis sah uns entschuldigend an, doch ehe er etwas sagen konnte, meinte Geralt: “Scheint so, als glaubten Kruls Anhänger nicht unbedingt daran, dass sie beides bekäme.” Neben ihm schnaubte Syanna abfällig. “Ich habe bestimmt nicht vor, meine Seele an diese Vampirkönigin zu verfüttern”, flüsterte sie gereizt. Ausnahmsweise war ich ihrer Meinung. Nicht nur, dass wir Krul weder Syanna noch Annarietta - und wir alle waren uns wohl einig, dass genau die mit der goldenen Sonne gemeint war - in die Finger bekommen durfte. Abgesehen davon wartete auf die blöde Kuh neben mir ein anderer Vampir. “Unverschämt!”, hörte ich Krul am Rande meiner Aufmerksamkeit schimpfen. Worte, die sicher dem Ekimma galten, der sie so dreist provoziert hatte. Schon ziemlich riskant, wenn ich so darüber nachdachte. Ob er das vielleicht extra tat, wohl wissend, dass wir mithörten? Nah… das war wohl sehr interpretiert. “Wag es nicht, in diesem Tonfall mit mir zu sprechen, du niedere Krea-” Kruls Worte wurden durch ein Kreischen, das unangenehm bekannt klang, unterbrochen. Dennoch lachte die Vampirkönigin, anstatt sich darüber zu ärgern. “Bring sie mir.” Ihre Stimme klang dunkel und in meinen Ohren eindeutig bedrohlich. Lange Zeit, darüber nachzudenken, hatte ich jedoch nicht. Im gleichen Moment, in dem Krul zu lachen begann, hatte Geralt mich am Oberarm gepackt und auf die Beine gezerrt. Ohne darauf zu achten, sich noch irgendwo zu ducken oder in Deckung zu gehen, zog er mich und, wie ich vage wahrnahm, auch Syanna durch die Straßen. Ein lautes Krächzen verriet auch, wieso. Sam und Dean hatten uns entdeckt und anders als sonst, waren sie jetzt sicher nicht zu Spielen aufgelegt. Obwohl ich so schnell lief, wie ich konnte, kam ich mit Geralt kaum mit, der mich unerbittlich mit sich zog. Ich hatte eben weder Training noch die Schnelligkeit eines Hexers. Nur einen Blick riskierte ich über die Schulter und der machte mir Beine. Dean stieß gerade mit gespreizten Flügeln und nach uns ausgestreckten Krallen herab. Hätte Geralt uns nicht abrupt um eine Ecke gezerrt, hätte Dean wahlweise ihn, Syanna oder mich garantiert erwischt. Ich hatte uns drei schon blutend auf dem nassen Pflaster liegen sehen. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, auch wenn es wohl nur Sekunden gewesen waren, vielleicht Minuten, die der Hexer Syanna und mich durch die Straßen lotste. Einmal war es Syanna, die auf eine Gasse hinwies, doch sie war merklich ebenso sehr außer Atem wie ich. Mit Geralt mithalten könnten wir nicht lange, soviel war klar. Und wo war Regis? Stellte er sich Sam? Den hatte ich nämlich nicht mehr gesehen, auch wenn das nichts heißen musste, denn ich hatte mich nicht getraut, noch einmal nachzusehen, wer und was hinter uns her war. Das drohende Rauschen von großen Schwingen hatte mir vollauf genügt. Bildete ich mir das ein oder hörte ich Dean direkt hinter mir? Vor meinem inneren Auge sah ich die Klauen schon nach mir ausgestreckt, doch dann erscholl ein schrilles, schmerzerfülltes Kreischen direkt hinter mir. Ich wollte mich gerade herumdrehen, als Geralt mich weiterzerrte, direkt um eine Ecke in eine schmale Gasse hinein. Syanna konnte ich vor ihm laufen sehen und nebeneinander hätten wir hier auch kaum reingepasst. Vermutlich hatte Geralt die Gasse darum ausgesucht. Für einen Greifen war sie viel zu schmal. Dean und Sam kämen hier nicht herein. Der Hexer hielt tatsächlich an und atmete tief durch. Erschöpft wirkte er nur bedingt. Eher angespannt. Syanna und ich hingegen waren völlig außer Atem. Die Schwarzhaarige stützte die Hände auf ihre Knie und rang nach Luft. Mir ging es keinen Deut besser. “Wusste doch, dass es keine gute Idee ist, die Mistviecher zu behalten”, brummte der Weiße Wolf missmutig. Ich warf ihm einen finsteren Blick zu. “Es ist nicht ihre Schuld, was hier passiert!”, verteidigte ich meine Kleinen sofort. Geralt schnaubte nur leise, als wolle er sagen, dass das auch keine Rolle spielte. Dazu, etwas entsprechendes anzumerken, kam er jedoch nicht, weil ein weiteres, schmerzerfülltes Schreien zu hören war, das ich eindeutig Dean zuordnete. Oder Dean. Auf jeden Fall ein Greif. Die schmatzenden, feuchten Laute die folgten, jagten mir einen eisigen Schauer über den Rücken. Umso mehr, als ein letztes, halb ersticktes Kreischen begleitet von einem sehr unangenehmen, reißenden Geräusch ertönte, ehe Stille einkehrte. “Nein”, hörte ich mich selbst flüstern, die Stimme kratzig vor Entsetzen. Um die beiden Vampire, die nicht bei uns waren, machte ich mir nicht so große Sorgen. Sie waren ziemlich nahe an unsterblich. Aber für meine Babys galt das nicht. Wie von selbst hatten meine Füße den Rückzug angetreten. Ich musste zu meinem kleinen, süßen Greifenbaby. Sie mochten unter Kruls Kontrolle stehen und irgendwie seltsam mutiert sein, doch ein Teil von mir sah sie dennoch als unschuldige kleine Geschöpfe, die ich nach dem Tod ihrer Eltern adoptiert hatte. Auch wenn ich im Grunde wusste, dass meine Anwesenheit nichts ändern würde, denn weder könnte ich einem Kampf mit den Winchesters standhalten noch rückgängig machen, was sie verändert hatte. Geralts Arm hielt mich kurzerhand davon ab. Ohne Vorwarnung hatte er diesen um meinen Bauch gelegt, sodass ich keinen Schritt weit auf die Geräuschquelle zukam. “Nein! Ich muss zu ihm! Ich muss…” Ich wusste selbst nicht, was ich musste oder glaubte, zu müssen. Ich konnte nichts ändern. Oder zumindest nicht zum Guten. Meine Anwesenheit hatte noch absolut niemanden gerettet, hatte keine Unschuldigen beschützt und womöglich sogar erst zu Kruls Auferstehung geführt, denn die war im Spiel schließlich nicht passiert. Ohne es zu wollen hatte ich alles noch viel, viel schlimmer gemacht. Heiße Tränen brannten in meinen Augen. Das hatte ich nicht gewollt, wirklich nicht. Ich hatte doch nur versucht, das Richtige zu tun. Wieso hatte das so ausarten müssen? Ein leises Schluchzen drang aus meiner Kehle, doch der Hexer nahm darauf keine Rücksicht, sondern umfasste einfach nur grob meinen Arm. “Du musst gar nichts. Mitkommen”, zischte er mich nur an, merklich verärgert. “Nun kommt schon”, konnte ich nun auch Syanna hören, die merklich nervös klang, richtig gehetzt. “Sonst erwischen uns diese Biester noch.” Geralt schnaubte, sagte jedoch nichts dazu. Das war auch gar nicht nötig. Ich verstand auch so, was er sagen wollte. Nämlich, dass uns Dean und Sam vermutlich nicht mehr verfolgten, weil sich Regis und Theodor darum gekümmert hatten. Bei Theodor war ich mir nicht sicher, ob er einem Greifen gewachsen war, Regis hingegen war es auf jeden Fall. Ich schniefte. Weitere Tränen bahnten sich ihren Weg während ich hinter Syanna und Geralt, dessen Hand mein Handgelenk umfasste wie ein Schraubstock, herstolperte. Die Erkenntnis sickerte nur langsam in meinen Verstand. Eines meiner Babys war da hinten gestorben. Ich hatte es nicht gesehen und niemand hatte es mir bestätigt, doch ich war mir absolut sicher. Regis war imstande, die Greifen zu töten und hätte er es nicht getan, hätten sie Syanna erwischt. Selbst mit zwei Vampiren und einem Hexer wäre es nicht einfach gewesen, zwei so große Gegner, die sogar noch fliegen konnten, abzuwehren. Sie hätten einander eher noch im Weg gestanden. Mein Verstand wusste das. Aber mein Herz wollte nicht wahrhaben, dass es wirklich real sein könnte. Meine Sicht war völlig verschwommen vor lauter Tränen. Ich wusste weder, wo genau wir überhaupt waren, noch wohin es gerade ging. Meine Orientierung war ohnehin unter aller Sau, doch in diesem Moment hätte mir das alles nicht gleichgültiger sein können. Hätte Geralt mich nicht mitgezerrt, ich wäre vielleicht doch noch umgedrehte, um nach dem Greifenjungen zu sehen, egal, in welchem Zustand Dean oder Sam nun war. Eine leise Stimme in meinem Hinterkopf flüsterte, dass ich hätte da sein müssen. Vielleicht hätte er mich erkannt und den Angriff eingestellt. Vielleicht hätte ich verhindern können, dass mein Baby sterben musste? Vielleicht hätte ich… einfach da sein müssen, an der Seite meines Kükens, wenn es diese Welt verließ, wenn ich das schon nicht verhinderte. Ich fühlte mich hundeelend. Am liebsten hätte ich mich einfach in eine Ecke gesetzt und geheult, doch das ließ Geralts Tempo nicht zu. Unbarmherzig führte er mich durch die Stadt. Den schrillen Schrei einer Frau nahm ich nur am Rande wahr. “Hier entlang.” Ich hatte keine Ahnung, woher Regis auf einmal kam, noch hörte ich Geralt zu, der irgendetwas antwortete. Meine Gedanken waren voll und ganz bei den Winchesters. Mindestens einer von ihnen war tot. Eines meiner Babys, meiner süßen kleinen, entzückenden Schätzchen. Mir war kalt und am Wetter lag es nicht, obgleich der nasse Boden und die frische Nachtluft nicht gerade einladend warm waren. Ich wollte nach Hause, zurück zu meinen Freunden und meiner Familie, zu Jui und eigentlich allem, was ich so unfreiwillig verlassen hatte. Doch solange diese Krul hier war, würde daraus wohl nichts werden, das war sogar mir klar. Meine Hoffnungen, dass Theodor wusste, woher ich kam und mich idealerweise auch zurückbringen könnte, hatten sich inzwischen auch zusammen mit der Idee, die Winchesters gemeinsam auszuwildern, die Regenrinne am Straßenrand heruntergespült, die irgendwo in unterirdische Kanäle führte. “In der Gruft sollten wir sicher sein.” Ich blinzelte in Regis’ Richtung. Wir waren bis zum Friedhof gekommen? Das hatte ich nicht bemerkt. “Ich hoffe es. Wir müssen uns überlegen, wie wir Krul aufhalten können”, bemerkte Theodor, von dem ich überhaupt nicht sagen konnte, wann er zu uns gestoßen war. War er je weg gewesen? Ich wusste es wirklich nicht. Mein Blick fiel auf den Eingang der Gruft, die Regis und Dettlaff gemeinsam bewohnten. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass hier jemand lebte. Der ganze Friedhof war verfallen und ungepflegt, die Toten hier längst vergessen. Mühsam kämpfte ich weitere Tränen herunter. Meinen Babys würde niemand beerdigen und vielleicht war es besser, wenn ich den toten Greifen verbrannte, damit nicht irgendwer seine Körperteile stahl, um wusste der Himmel was damit anzustellen. Das wollte ich einfach nicht. Sie sollten nicht irgendwann enden wie die Toten in diesen Gräbern. Sinnlos verrottet ohne jemanden, der überhaupt noch wusste, wer sie mal gewesen waren. “Ihr überlegt euch, wie wir diesen Kristall benutzen, ich kümmere mich um die Herzogin”, riss Geralts Stimme mich aus meinen Gedanken. Der Hexer hatte mich erst jetzt losgelassen und den Blick auf Regis geheftet, auch wenn seine Worte wohl ebenfalls Syanna, Theodor und mir galten. Es war Theodor, der nickte. “Krul darf Anna Henrietta und Sylvia Anna auf gar keinen Fall in die Hände bekommen, sonst steht dieser Welt ein sehr düsteres Schicksal bevor”, meinte er mit belegter Stimme, ehe er mich ansah. “Wir finden einen Weg.” Ich hoffte wirklich, dass er Recht hatte. Ich hoffte es so sehr. Allerdings fühlte ich mich im Moment eher mutlos und erschöpft. Woher wir jemanden nehmen sollten, der ein reines Herz hatte, war mir sowieso schleierhaft. Es war ja nicht so, als könnten wir uns ein Kind aus dem Ärmel schütteln. Wer würde uns eines überlassen, das dann noch willens war, den Kristall zu verwenden, um die dunkle Vampirkönigin aufzuhalten? Jedes Kind geriete, verständlicherweise, sofort in Panik. Ich war die erste, die Regis in die undurchdringliche Dunkelheit des Eingangs der Gruft folgte. Regis konnte hier vermutlich sehen, aber für Syanna und mich galt das nicht. Unischer tastete ich nach dem ergrauten Vampir, noch immer verhalten schniefend und das Gesicht tränennass. “Regis?” “Ah, Verzeihung”, konnte ich ihn hören, dann griff eine Hand nach meiner und zog vorsichtig in eine Richtung. Blind folgte ich. Hinter mir konnte ich Syanna einen unterdrückten Fluch ausstoßen hören. Als wir endlich den ersten mit Kerzen erhellten Gang erreichten, war ich heilfroh. Hier kannte ich mich wieder aus. Hinter Regis, dessen Hand ich umklammert hielt wie einen Rettungsanker, entdeckte ich bereits die mir vertraute, wohnliche Gruft. “Und hier lebt Ihr?”, ertönte Syannas Stimme in eindeutig herablassendem Tonfall. Am liebsten hätte ich ihr direkt eine gelangt. Finster sah ich über die Schulter zu ihr, doch das beeindruckte sie überhaupt nicht. “Ein Vampir in einer Gruft.” Jetzt mischte sich Spott in ihre Stimme. Sogar Regis schaute pikiert drein und er war wirklich die Ruhe in Person. “Hört zu, wenn das hier funktionieren soll…” Als Syanna nun auch noch den Blick schweifen ließ und mit der Zunge schnalzte, riss mein Geduldsfaden. Nahm man es genau, lag es vermutlich nicht nur an Syanna, sondern auch meiner Wut auf Krul und mich selbst, weil ich nichts hatte ändern können, doch die Taten der Intrigantin, an deren Seele nun das Schicksal der Welt hing, hatte den Bogen einfach überspannt. Unvermittelt ließ ich Regis los, nur um herumzuwirbeln und Syanna eine Ohrfeige zu verpassen. Noch bevor sie mich angiften konnte - und dass sie das wollte, stand ihr ins Gesicht geschrieben - keifte ich sie auch schon an. “Nein, du hörst jetzt mal zu. Wenn du nicht deinen verschissenen Ego-Trip durchgezogen hättest, säßen wir überhaupt nicht erst in dieser Scheiße. Und anstatt dich zu bedanken, dass wir dich nicht einfach schon filetiert haben - und Gott sei mein Zeuge, dass ich dazu verschissen große Lust hätte - hast du nicht nur absolut kein Einsehen, nein, du stänkerst hier auch noch herum. Wenn du also nicht zukünftig deine Fresse nur noch dann aufreißt, wenn du etwas Konstruktives beizutragen hast, könnte es sein, dass ich empfehle, dich zu töten, denn tot kann dich Krul ja schlecht für ihren Gedöhnsdingsda benutzen. Bitch.” Schnaufend stand ich nun vor ihr, die Hand noch erhoben und wieder am Heulen. Ich hasste es, aber die ganze Frustration und aller Ärger ob der Situation hatten sich nun ihren Weg gebahnt und in Syanna ein passendes Ziel gefunden. Dass es mir Leid tat, konnte ich nicht unbedingt behaupten. Mir ihr hatte es eindeutig die Richtige getroffen und so verdattert, wie sie mich aus geweiteten Augen ansah, dämmerte ihr auch, dass ich gerade keinen Scherz gemacht hatte. Drückende Stille lag eine gefühlte Ewigkeit über uns. Syanna starrte mich nur wütend an und in ihren Augenwinkeln konnte ich sogar eine Träne glitzern sehen. Das hinderte mich jedoch nicht daran, nicht weniger finster zu ihr zurückzustarren. Es war Theodor, der das Schweigen schließlich durchbrach. “Wir sollten uns beruhigen”, meinte er und nickte in Richtung des improvisierten Tischs, “und und setzen. Gemeinsam finden wir gewiss eine Möglichkeit, den Kristall einzusetzen. Es muss jemanden geben, der dafür geeignet ist.” Syanna öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch schloss ihn unter meinem herausfordernden Blick direkt wieder. Dass ich ihr dabei den Mittelfinger zeigte, schien ihr jedoch nichts zu sagen, wenn ich ihre Miene richtig deutete. Egal. “Es muss jemand mit einem reinen Herzen sein”, fuhr Theodor fort, wohl in der Hoffnung, unsere Aufmerksamkeit auf das eindeutig dringendere Problem zu richten. “Also kommen im Grunde nur Kinder in Frage”, ergriff Syanna nun doch das Wort, während wir alle Platz nahmen. Sie saß, wie um möglichst großen Abstand zu halten, mir schräg gegenüber. “Nun, auch andere Personen könnten in Betracht kommen”, sinnierte Regis und musterte mich aus den Augenwinkeln. Ich bemerkte es nur zufällig, denn eigentlich stierte ich noch immer Syanna hasserfüllt an. Seufzend sah ich zu dem Vampir auf. “Also, wenn wir Kinder ausschließen - und keine Eltern, die auch nur annähernd bei klarem Verstand sind, werden uns ihres aushändigen - wer bleibt uns dann? Vielleicht ein Tier?”, schlug ich vor. Regis sah nachdenklich drein. “Vielleicht deine kleinen Lieblinge?”, wollte Syanna betont sarkastisch wissen. Dass sie damit die Winchesters meinte, von denen wir beide wussten, dass mindestens einer tot war, war klar. Sofort fuhr ich auf, um ihr direkt noch eine zu langen. Diese Frau trieb mich an die Grenzen meiner Selbstbeherrschung. Ich mochte sie mit jeder Sekunde weniger. Bevor ich jedoch handgreiflich werden konnte, zwang mich Regis mit sanfter Gewalt zurück auf meinen Platz. Doch auch sein Blick war von Zorn geprägt. Etwas, das ich gar nicht von ihm kannte. Vielleicht, weil er es gewesen war, der Dean oder Sam getötet hatte, ging es mir durch den Kopf. Nein, daran wollte ich nicht denken. Regis trug keine Schuld. “Ein normales Tier handelt rein nach Instinkt. Es besitzt nicht die Gabe zur Selbstreflektion. Ich fürchte, das wird nicht funktionieren”, mischte sich Theodor eilig ein. Er ahnte wohl, dass Syanna und ich uns sonst gleich über die Platte des Steinsargs balgen würden, der als Tisch diente. “Also kommen auch die Raben nicht in Frage. Bedauerlich”, seufzte Regis hörbar. Die klugen Tiere, mit denen er regelmäßig kommunizierte, waren wohl seine große Hoffnung gewesen. “Klingt für mich, als sollten wir doch versuchen, irgendwo ein Kind aufzutreiben”, meinte Syanna trocken und beinahe war ich willens ihr Recht zu geben, tat es dann aber aus Prinzip nicht. Sie hatte eben doch absichtlich den Finger auf die Wunde gelegt. “Ich wage zu bezweifeln, dass wir innerhalb der Stadt so ohne weiteres eine Familie mit Kind finden und noch weniger, dass dieses Kind uns begleiten wird”, sinnierte Regis. Syanna machte eine fortwischende Geste. “Dann fragen wir halt nicht. Es ist zum Wohle der ganzen Welt. Wenn wir dafür ein Kind brauchen, dann nehmen wir uns eben eines.” Wieder gab ich ihr insgeheim Recht. Und wer sollte uns mit zwei Vampiren im Schlepptau schon daran hindern, ein Kind zu entführen? Mir drängte sich da jedoch ein ganz anderes Problem auf. “Wenn wir also so ein Blag haben, was dann? Wie benutzt man den Kristall und vor allem: Wie kriegen wir ein schreiendes, verängstigtes Kind dazu, ihn zu benutzen? Spätestens wenn Krul aufkreuzt, bepisst sich unser kindlicher Retter garantiert”, gab ich zu bedenken und rieb mir die Augen. Sie brannten vom ganzen Geweine. Zumindest waren inzwischen die Tränen getrocknet. “Was schlägst du sonst vor? Sollen wir uns ein Monster mit reinem Herzen suchen?” Syannas Stimme klang spöttisch, aber dennoch hatte sie einen Punkt. Ich starrte sie an, dann grinste ich. “Ja.” Syanna blieb ihr Lachen halb im Halse stecken, ehe sie meinte: “Jetzt spinnt sie völlig.” Theodor und Regis jedoch sahen mich fragend an. Lange warten mussten sie nicht, dann sprudelte auch schon alles aus mir heraus. “Monster ist ein ziemlich allgemeiner Begriff. Es umschließt alle Wesen, die durch die Konjunktion hier gelandet sind. Alle, die tierischen Gemüts sind, können wir ausschließen. Alle absolut menschenfeindlichen auch.” “Das sind bereits die meisten”, ließ Theodor vernehmen und klang jetzt ähnlich skeptisch wie Syanna. “Stimmt”, gab ich ihm ohne Umschweife recht. “Aber nicht alle.” Erwartungsvoll sah ich zu Theodor, dann zu Regis. Bei letzterem schien der Groschen nach einigen Momenten zu fallen. “Du denkst, wir könnten einen Vampir finden, der ein reines Herz hat und den Kristall benutzen kann?”, mutmaßte der ergraute Vampir genau richtig. Ich nickte. “Genau das.” Theodor hatte den Kristall nicht längst gefordert, also war er nicht geeignet. Regis mit seiner blutigen Vergangenheit auch nicht. Er hatte das Töten einst genossen. Aber vielleicht… nur vielleicht. “Dettlaff?”, schlug ich leise vor. Syanna lachte ungehemmt los. “Dettlaff?! Bist du nun völlig übergeschnappt? Er ist ein Mörder!”, höhnte die Schwarzhaarige. Finster sah ich sie an und zischte zurück: “Deinetwegen. Er hat das getan, um seine Liebste zu beschützen. Dich!” Wie konnte sie es nur wagen? Selbst jetzt noch?! “Ich fürchte”, ergriff Theodor das Worte, bevor Syanna etwas erwidern konnte, “dass ein Mord bereits ausschließt, dass dieser Dettlaff geeignet ist, den Kristall zu verwenden.” Entschuldigend sah er in meine Richtung, ehe er sich Regis zuwandte. “Vielleicht eine Bruxa? Bist du mit einer passenden Kandidatin bekannt?” Regis schüttelte nur den Kopf, dann ließ er ebenso entmutigt die Schultern hängen wie ich. “Also brauchen wir ein vernunftbegabtes Wesen, das keine Bosheit in sich trägt? Widerspricht sich das nicht irgendwie selbst?”, ächzte ich leise und sah in die Runde. Offenbar waren wir alle überfragt. “Okay, also wenn ein Vampir nicht klappt, vielleicht ein anderes Wesen? Geister waren mal Menschen, die entfallen. Ebenso alles tierische wie Greifen oder Draconiden. Vielleicht Trolle?” Theodor hob fragend eine Braue. “Trolle?”, wollte er wissen, als könne er nicht glauben, was ich da vorgeschlagen hatte. “Naja, sie sind nicht boshaft. Nicht die intelligentesten, zugegeben, aber sie handeln nicht aus Boshaftigkeit und Arglist kann man ihnen auch nicht gerade vorwerfen”, argumentierte ich. “Aber woher sollen wir einen Troll nehmen, der nicht auf uns losgeht oder bereits getötet hat?”, wandte Syanna herablassend ein und leider hatte sie damit nicht Unrecht, sodass ich nur geschlagen seufzte. Mir fielen da nur die Trolle in der Nähe von Khaer Morhen ein und selbst bei denen war ich nicht ganz sicher, mal ganz abgesehen davon, dass sie halt gefühlt am anderen Ende der Welt, in jedem Fall aber viel zu weit weg, waren. Nachdenkliche Stille legte sich über uns bis Syanna unvermittelt mit der flachen Hand kräftig auf die Sargplatte schlug. “Ein Einhorn!” Alle Blicke richteten sich auf sie. Mein Hirn überschlug sich förmlich. Ein Einhorn. Das war so naheliegend und so einfach. Wieso war ich nicht darauf gekommen? Aber war ein Einhorn intelligent genug? Ich hatte keine Ahnung. Im Spiel hatte ich nur eines getroffen und dabei handelt es sich um Yennefers ausgestopftes Exemplar, das uns hier wohl keine Hilfe wäre. Das “Einhorn” während der Feierlichkeiten war ja nur ein Pferd mit Papierhorn gewesen, entfiel also auch. “Das… das könnte funktionieren. Einhörner sind recht intelligent”, murmelte Theodor hörbar überrascht. “Sie gelten jedoch als nahezu ausgestorben. Woher sollen wir in der kurzen Zeit eines nehmen?”, seufzte Regis und runzelte grüblerisch die Stirn. Mein Blick suchte Syannas. Die grinste nur. Ausnahmsweise dachten wir wohl genau das gleiche. “Wir haben sogar mehrere und zwar gar nicht weit von hier”, murmelte ich. Das war so irre, es war schon wieder genial. “Wir müssen nur Krul zu ihnen bringen.” Verständnislos sahen die Vampire von mir zu Syanna, die nur noch breiter grinste. “Im Märchenland, wo Geralt und ich Syanna gefunden haben, waren Einhörner”, erklärte ich und zumindest bei Regis konnte ich Verständnis erkennen. Theodor sagte das natürlich noch gar nichts, doch er fragte auch nicht weiter nach, sondern wollte nur wissen: “Doch wie sollen wir Krul in dieses Märchenland locken?” “So wie ich das sehe, haben wir doch einen Köder”, meinte Syanna schmunzelnd und deutete auf sich selbst. Ich nickte. “Zeigen wir der Schlampe, dass sie sich ihre Weltherrschaftspläne von der Backe putzen kann”, stimmte ich grimmig zu. Diese verdammte Krul hatte meine süßen Winchesters auf dem Gewissen, das würde ich ihr nicht vergeben. Heulen und trauern konnte ich später. Jetzt war es Zeit für ein bisschen gute, altmodische Rache. Und nebenbei retteten wir die Welt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)