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Blood and Whine

Ist doch alles Käse!
von

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Wie im Märchen, nur anders

“Dann habe wohl nicht nur ich Dettlaff einiges zu erklären”, bemerkte Syanna spitzfindig. Grimmig funkelte ich sie an. Unrecht hatte sie natürlich nicht, ganz im Gegenteil. Ich hatte dem Vampir ja auch reichlich etwas vorgeflunkert, allerdings nicht, um ihm zu schaden, sondern weil ich die Wahrheit nicht erzählen konnte, unabhängig davon, ob ich es wollte. Dabei würde ich unbedingt auf Regis’ Hilfe bauen müssen, sonst wäre vielleicht die einzige Änderung am Ende dieser Misere, dass ich auch starb. Obendrein hatte ich noch gar nicht viel helfen können, wenn es darum ging, dass Syanna ihre Strafe erhielt und nicht Dettlaff am Ende den Preis für ihre Intrige zahlen musste. Alles war im Groben noch immer wie im Spielverlauf, was auch hieß, dass das Ende noch offen war. Wenigstens könnte ich verhindern, dass sie dieses magische Dingsbums-Band bekam und damit entkäme.

Da ich ihr nicht geantwortet hatte, sondern nur demonstrativ weiter nach einem Werkzeug suchte, um den Riegel vor dem Ofen aufzustemmen, bekam ich nicht nur nicht mit, was Syanna noch zu mir sagte, sondern auch nicht, wie Geralt die Hexe erledigte. Erst deren Todesschrei ließ mich aufblicken.

Geralts Blick wanderte nur kurz zu Syanna, die ihm ein kokettes Schmunzeln zuwarf, ehe sie an die Hexe herantrat und in deren Taschen kramte. Diesen Moment nutzte Geralt, um mich am Arm zu packen und mir leise zuzuzischen: “Du weißt doch schon wieder mehr!” Seine Worte klangen fast wie eine Anklage, dabei hatte ich mit meinem Hinweis eben doch nur helfen wollen. “Ja, weiß ich”, gab ich etwas gereizt zurück und versuchte, mich aus seinem Griff zu lösen, was mir erst im zweiten Anlauf gelang und da auch nur, weil Geralt es zuließ. “Ich bringe uns zügig hier durch. Also bitte vertrau mir. Ich bin auf deiner Seite”, flüsterte ich dem skeptisch dreinblickenden Hexer zu. Dass er mir nicht so richtig über den Weg traute, konnte ich ja verstehen. Regis’ hatte zwar offen die Theorie geäußert, ich sei eine Zeitreisende, aber meine Antwort war immerhin kein klares Ja gewesen, sondern eher ein vages Vielleicht. Aber was sollte ich machen? Soweit ich es wusste, war ich nicht durch die Zeit gereist, sondern in ein Videospiel und das konnte ich nun wirklich nicht erklären.

Müsste ich raten, dann würde ich sagen, dass der Hexer mir nur nicht antwortete, weil Syanna im gleichen Moment zurückkam, einen Schlüssel in der Hand, den sie triumphierend hoch hielt und sich dann am Riegel zu schaffen machte. Dass ein Junge heraussprang, überraschte wohl nur Geralt, der mir einen fragenden Blick zuwarf. Entrüstet starrte ich zurück. Also wirklich! Als wäre es meine Schuld, dass die Hexe das Balg da drin eingesperrt hatte. “Syanna”, begrüßte der Junge die Frau begeistert, Geralt und mich ignorierend. Mir war das nur recht. Zu Kindern hatte ich partout keinen Draht und je weniger ich mit ihnen zu tun haben musste, desto besser. “Hans, schön dich zu sehen. Hier hat sich einiges verändert”, meinte Syanna und gerade als Hans zu einer Erwiderung ansetzen würde, mischte ich mich ein. Das Blag vertrödelte wertvolle Zeit. “Verändert oder nicht, wir müssen hier wieder raus.” Syanna sah mich kurz überrascht an, nickte dann aber und wandte sich erneut an Hans. “Wo sind die Zauberbohnen?”, wollte sie wissen. Was hätte ich darum gegeben, ihr die Antwort direkt geben zu können.
 

“Das weiß ich nicht. Aber Joss weiß es bestimmt!”, ereiferte sich der Junge, während ich kurzentschlossen den Saum meines Kleides in den Gürtel klemmte. Ein wenig beneidete ich Syanna um ihre Hosen. So langsam war es mir egal, ob ich eine Skandalnudel war, ich wollte mich wieder praktisch kleiden. “Aber Joss lügt ja immer”, seufzte Hans und Syanna nickte lachend. “Ist schon gut. Wir kommen damit klar.” Am liebsten hätte ich laut geseufzt. Joss war der Junge, der immer log und schrie, die Wölfe kämen. Konnten wir uns das bitte sparen? “Ich denke, wir sehen uns einfach so um. So schwierig wird es nicht sein, diese Zauberbohnen zu finden”, erklärte ich entschlossen und warf dabei einen beschwörenden Blick in Geralts Richtung. Wenn er mir in dieser Sache vertraute, wären wir im Nu wieder hier raus. Offenbar hatte der Weiße Wolf den Wink verstanden, denn als Syanna Einspruch erhob, hob er die Hand und nickte knapp in meine Richtung. “Verlieren wir keine Zeit”, entschied Geralt. “Das ist absurd! Die Bohnen könnten überall sein”, widersprach Syanna diesem Plan energisch gestikulierend. “Wir finden sie”, betonte ich noch einmal energisch und erntete einen fassungslosen Blick von der Adeligen. Zugegeben: Für sie musste das wirklich bescheuert klingen.

“So wie ich die Märchen kenne”, versuchte ich es mit einer Erklärung, die im Grunde Blödsinn war, “finden wir eine Bohne bei dem Großen bösen Wolf, eine bei den Drei kleinen Schweinchen und eine bei Rapunzel.” Geralt hob vielsagend eine Braue. Kannte er die Märchen nicht? Egal, da würde ich ihn schon durchlotsen. Wäre doch gelacht. Syannas Miene hingegen war von Misstrauen gezeichnet. Bestimmt fragte sie sich, woher ich wusste, welche Märchen es hier gab oder ob ich nur gut geraten hatte. Tja, das würde sie nie erfahren. Wie schade aber auch.

Entschieden stapfte ich voran, den Hexer auf meinen Fersen, dem wiederum Syanna folgte. “Wir sollten uns die Einhörner da vorne nehmen. Dann sind wir schneller”, meinte sie und fügte noch stichelnd hinzu: “Wo wir es doch schon so eilig haben.” Ziege. Aber Recht hatte sie. Allerdings konnte ich wirklich nicht behaupten, dass ich scharf darauf war, zu reiten. Den Dreh hatte ich nämlich nie so richtig rausbekommen und dass Geralt ein guter Lehrer war, konnte man auch wirklich nicht behaupten. “Ah, das weckt Erinnerungen”, summte Syanna schließlich fast gut gelaunt, als wir den Pfad auf den Einhörnern entlang ritten, sie voran und Geralt hinter ihr, vor dem ich auf dem zweiten Einhorn saß. Hinter mir hörte ich den Hexer leise auflachen und ehe er etwas sagen konnte, meinte ich schon: “Bei dir auch, mh?” Einen Moment lang stutzt der Weiße Wolf und man konnte hören, wie ihm das Lachen im Halse stecken blieb, während er mich streng ansah. “Du weißt wirklich zu viel”, brummte er. Ich zuckte nur mit den Schultern.
 

Ich hatte nicht übel Lust, den schreienden Bengel einfach schreien lassen. Ja, die Wölfe kamen. Schön für ihn! Ich rollte mit den Augen, als uns die Rufe erreichten. “Das ist Joss, der Junge, der immer lügt”, erklärte Syanna überflüssigerweise. Geralt schnaubte und sie fuhr fort: “Aber als er die Wahrheit sagt, glaubt ihm keiner mehr, wenn er ruft, dass die Wölfe kämen.” “Dieser Wolf wird ihm schon nichts tun”, bemerkte ich gereizt und bezog mich damit natürlich auf Geralt, dessen Beiname immerhin Weißer Wolf war. Syanna kicherte leise, was mich erneut dazu verleitete, mit den Augen zu rollen. Ich wusste zwar, dass sie versuchte, sich mit Geralt und mir gut zu stellen und sich dabei nicht verstellte, aber ich wollte sie überhaupt nicht mögen. Nicht nach dem, was sie Dettlaff angetan hatte. Sie konnte jetzt noch so nett zu uns sein, sie hatte Dettlaff verraten und seine innigen Gefühle für ihre Rache ausgenutzt, hatte ihn auf schlimmste Weise betrogen.

“Die Wölfe kommen, die Wö-”, krähte der Junge und ich ächzte. Den überließ ich gerne Syanna, wenn sie denn unbedingt mit ihm reden wollte. “Geralt”, zischte ich leise, “lass uns schonmal die Bohnen holen. Das hier kostet uns unnötig Zeit.” Ich nickte an Joss vorbei in die Ferne in Richtung des hohen Turms, der sich über das Tal erhob, welches die verschiedenen Märchen wie einzelne Stationen beherbergte. “Da oben ist die erste. Rapunzels Geist hat sie”, erklärte ich flüsternd, während Syanna versuchte, aus Joss herauszubekommen, wo die magischen Bohnen waren. Der Hexer hob fragend eine Braue, nickte dann aber und ließ das Einhorn weiterlaufen.

Verdattert sah Syanna auf. “Wo wollt ihr denn hin? Wir wissen doch noch gar” “Wir wissen, wo die Bohnen sind. Komm. Wir haben es eilig”, unterbrach Geralt die Herzoginschwester. Er klang dabei fast so unfreundlich wie ich, wann immer ich mit Syanna sprach. Ob das an meiner merklichen Abneigung lag? Wer wusste schon, was der Hexer da reininterpretierte, jetzt, wo er über Regis’ kluge Schlüsse erfahren hatte, dass ich über einiges an Wissen über zukünftige Ereignisse verfügte? Mir sollte es recht sein. Jetzt, wo ich dabei war, würde aus deren kleines Nümmerchen in den Wolken halt auch definitiv nichts. Wenn ich so darüber nachdachte, war das vermutlich nicht das erste Mal, dass meine Anwesenheit den Hexer um Sex brachte. In diesem Fall, fand ich, sollte er mir dafür lieber dankbar sein. Ein gewisses Niveau sollte er doch bitte halten, wenn er schon hinter Yens Rücken herumvögelte.
 

Vor dem Turm hielt Geralt das Einhorn an und schwang sich als erster aus dem Sattel. Skeptisch beäugte er das Gebäude, dann seufzte er. “Wartet einfach hier”, wies er Syanna und mich an, ohne uns dabei anzusehen. Vielmehr glitt sein Blick merklich über die kleinen Vorsprünge an der Außenmauer. “Pass auf ihre Haare auf!”, riet ich Geralt noch, als dieser sich daran machte, den Turm zu erklimmen. Grimmig schnaubte er in meine Richtung. “Hab deine oft genug ins Gesicht bekommen, hab Übung.” Zugegeben, das stimmte schon irgendwie. Meine Haare waren allerdings nicht annähernd so lang wie die von Rapunzel, aber das würde Geralt schon feststellen, wenn er oben ankam. “Pfft”, machte ich halbherzig beleidigt, dann wandte ich mich dem Einhorn zu, um nicht mit Syanna sprechen zu müssen die direkt neben mir stand. Leider schien meine Haltung nicht deutlich genug zu sein, denn sie ergriff dennoch das Wort. “Du kannst mich nicht leiden. Schön. Aber verrate mir doch mal, woher du mich überhaupt zu kennen glaubst.” Jetzt klang sie genauso schnippisch wie im Spiel, als man sie damit konfrontierte, was sie getan hatte und die Schuld auf jene schob, die ihr Unrecht getan hatten.

Da war ich tatsächlich sogar bei ihr. Sie wegen irgendeinem Möchtegern-Fluch abzuschieben und aus dem Land zu jagen, war ein Dick-Move sondergleichen gewesen, den ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Allerdings fand ich zugleich auch, dass das keine Entschuldigung dafür sein durfte, einen Unschuldigen deshalb auszunutzen und sogar zum Mörder zu machen. Sie war damit keinen Deut besser als genau die Leute, die sie so harsch verurteilte, eher schlimmer, weil sie aus niederen Beweggründen handelte. Ich seufzte leise. “Das kann ich nicht. Ich würde ja gerne, aber das würde nicht nur klingen, als wäre ich irre, es gibt… gewissermaßen höhere Mächte, die es mir verbieten”, blieb ich ausweichend und doch so konkret, wie ich konnte. So ungläubig wie Syanna mich ansah, ahnte ich, dass sie davon ausging, dass ich einfach nur keine Lust hatte, mich ihr zu erklären. “Ehrlich”, beteuerte ich ächzend. “Geralt kann ich auch nicht mehr sagen. Wenn ich es versuchte, dann… naja, dann krieg ich buchstäblich keinen Ton heraus.” Ich zuckte hilflos mit den Schultern.

“Nicht sehr überzeugend”, entgegnete Syanna spitz und wandte den Blick hoch gen Turmspitze. Geralt war oben angekommen und kletterte gerade durch das kleine Fenster ins Turmzimmer. “Tja, ändert nur nichts daran, dass es so ist. Aber nein: Ich kann dich nicht leiden. Die Nummer, die du mit Dettlaff abgezogen hast, ist unterste Schublade”, brummte ich und hielt mich noch zurück. Am liebsten hätte ich ihr noch so einiges mehr zu diesem Thema rechts und links um die Ohren gehauen. “Und wer bist du, darüber zu urteilen? Du hast doch keine Ahnung”, zischte Syanna mich an. “Für jemanden, der nichtmal aus Toussaint stammt, bist du ziemlich vorlaut. Sei lieber froh, dass der Hexer auf dich aufpasst, so wie du herumläufst. Man könnte glauben, du seist eine Hure mit den entblößten Beinen und dem offenen Haar.” Wütend funkelte ich sie an. Was ging sie das bitte an? Lieber hässlich, als ne Egozentrikerin. Meine Selbstbeherrschung bröckelte und meine Zunge war bereits schneller als mein Verstand. “Wer von uns hat hier keine Ahnung? Bitch, wenn du wüsstest, wie man sich dort kleidet, wo ich herkomme, würden dir die Augen rausfallen und wenn mein Aussehen dein einziges Argument ist, solltest du zukünftig wohl besser oben ohne herumlaufen, wenn du noch jemanden überzeugen willst.”
 

Einen kurzen Moment lang sahen wir einander nur wütend an. Ihre Wangen waren vor Zorn gerötet und ich konnte ihr ansehen, dass nicht viel fehlte, damit sie die Beherrschung verlor. Blöderweise gehörte ich zu genau dem Menschenschlag, die genau dann die Klappe schwer halten konnte. Syanna ging mir tierisch gegen den Strich und ihr eins auszuwischen und sie dumm dastehen zu lassen, erschien mir in diesem Moment einfach viel zu verführerisch, als dass ich mich hätte zügeln können. “Obwohl dich das wohl jetzt auch nicht mehr vor Dettlaffs Ärger retten wird”, bemerkte ich spitzfindig und stichelte direkt weiter: “Hättest du Eier, hättest du mit ihm gesprochen und dich getrennt, anstatt einfach zu verduften. So viel Respekt gegenüber einer Person, die einen liebt und die man selbst auch liebt oder geliebt hat, ist doch das Mindeste.” Ich konnte Syanna förmlich mit den Zähnen knirschen hören, doch noch ehe sie etwas erwidern konnte, fuhr ich fort und überschritt damit eine Grenze: “Stattdessen bist du feige abgehauen und versteckst dich auch jetzt noch hinter anderen.”

Meine Wange brannte. Syanna hatte die Beherrschung verloren und mir eine gelangt. Tränen prickelten in meinen Augenwinkeln, während ich mir die schmerzende Stelle hielt und die Schwarzhaarige finster anstarrte. Sie sah nicht weniger hasserfüllt zu mir zurück. “Sagt diejenige, die sich hinter einem Hexer versteckt!”, fauchte Syanna mich an. “Ich verstecke mich überhaupt nicht hinter Geralt!”, keifte ich ungehemmt zurück. “Ach nein?! Und wem rennst du hinterher?”, schrie sie nun schon fast. Jetzt riss auch mein Geduldsfaden. “Ich helfe ihm, du grenzdebiles Miststück. Anders als du, die immer nur an sich denkt, versuche ich nämlich, auch mal Anderen zu helfen.” Ein Teil von mir erwartete fast die nächste Ohrfeige, die jedoch nicht kam. Allerdings hatten wir inzwischen beide vor lauter Wut unsere Hände zu Fäusten geballt. Dass wir mit unserem Gezerge die Einhörner verjagt hatten, bemerkte ich gar nicht. “Du weißt nichts über mich, Daelis”, spie sie meinen Namen wie eine Beleidigung. Ihre Hand zuckte.

Und wieder konnte ich die Fresse einfach nicht halten. “Hast du ihn überhaupt je geliebt oder war das Ganze für dich immer nur ein kleiner Nervenkitzel zum Zeitvertreib?” Meine Stimme war keinen Deut ruhiger geworden. Ich sollte mich beruhigen, das wusste ich. Niemandem war damit geholfen, dass Syanna und ich uns beschimpften, doch dieser Gedanke erschien mir einfach nicht mehr überzeugend genug, um es gut sein lassen. Häme zeigte sich auf dem Gesicht Syannas. “Es war wirklich aufregend, eine Zeit lang”, kommentierte sie mit boshafter Gelassenheit. “So wie du dich aufführst, könnte man meinen, du wärst in ihn verliebt”, fügte sie herablassend hinzu. “Du weißt ja nicht, worauf dich dich einlässt. Dettlaff liebt mehr wie ein Monster denn ein Mann.” Allein der spöttische Tonfall, den sie dabei an den Tag legte, ließ bei mir eine Sicherung durchbrennen und dieses Mal war diejenige, die zuschlug. Fassungslos starrte Syanna mich an.
 

Es war Syanna, die schließlich als Erste wieder das Wort ergriff. “Wenn du dir mehr erhofft hast, solltest du diese Hoffnung besser fahren lassen. Deine Lügen habe ich längst aufgedeckt. Wie schade, dass du mich nicht vorher eingeweiht hast, sonst hätte ich dir mit Dettlaff sicher geholfen”, meinte sie in süßlichem Tonfall. Gerne hätte ich ihr direkt noch eine gelangt. Mir war egal, ob sie glaubte, dass ich einfach nur in Dettlaff verknallt war - auch wenn das überhaupt nicht erklärte, woher ich wusste, was ich wusste. Es war absolut in Ordnung, wenn sie mich nicht leiden konnte und mich angiftete, ich mochte sie ja auch nicht. Aber dass sie so herablassend über den Mann sprach, der sie so sehr liebte, dass er im wahrsten Sinn des Wortes für sie tötete, machte mich einfach nur wütend. Begriff sie überhaupt die Tragweite ihres Ego-Trips? Sie ruinierte das Leben Dettlaffs für ihre Rache und zog damit nun auch Geralt und Regis mit in diese Sache. Hatte sie echt geglaubt, die Herzogin würde einfach zusehen, wie ihre Leute gemeuchelt wurden? So dumm war sie doch nun wirklich nicht, das hatte sie mehrfach bewiesen. Nein, sie war nur arrogant, egoistisch und rücksichtslos, was ihr Verhalten in meinen Augen nur noch verurteilenswerter machte.

Gerade öffnete Syanna den Mund, zweifelsohne um eine weitere Gemeinheit von sich zu geben, als ein lautes Platschen unser beider Aufmerksamkeit auf den kleinen See lenkte, der direkt neben dem Turm lag. Prustend tauchte Geralt aus dem Wasser auf. Er hatte wohl beim Weg nach unten eine Abkürzung bevorzugt. Bevor eine von uns etwas sagen oder nach der Bohne fragen konnte, starrte uns der Hexer beide gleichermaßen missgelaunt an. “Ihr keift so laut, man hat euch bis oben gehört. Habt den Geist ziemlich abgelenkt”, knurrte er, als er aus dem See stieg. “Wenn ihr euch so gerne schlagen wollt, solltet ihr vielleicht den nächsten Gegner bekämpfen.” Ein bisschen schuldbewusst senkte ich den Blick. Unrecht hatte er ja nicht. Während wir uns hier angezickt hatten, hatte er einen wirklich gefährlichen Gegner alleine bezwingen müssen. Syanna gab nur ein halbherziges “Hmpf” von sich.

Mit einer Geste wischte er das Thema beiseite, offenbar unwillig, sich länger mit unserem Streit befassen zu müssen. “Wo ist die zweite Bohne?”, wollte er stattdessen wissen. “Die finden wir bei den drei kleinen Schweinchen. Deren Häuser werden vom Wolf weggepustet”, erklärte ich sofort, froh darüber, dass wir hier weiterkamen. Wäre nicht die Nacht der langen Zähne, hätte ich sicher gerne ein bisschen Sightseeing betrieben, aber uns saß die Zeit im Nacken. “Dann bin ich wohl der Wolf, nehme ich an?”, ächzte der Hexer und bedeutete mir zugleich mit einem Nicken, voranzugehen und den Weg zu weisen. Oder zumindest hatte ich gedacht, er meinte mich. Stattdessen schob sich Syanna voran. “Mir nach. Ich zeige euch den Weg”, sagte sie erhobenen Hauptes und schritt direkt eilig voran. Na wenigstens versuchte sie nicht, Zeit zu schinden. Mir sollte es recht sein, so konnte ich Geralt noch kurz instruieren. “Sie werden sich in einem Haus verstecken und sicher angreifen, wenn du es wegpustest”, erklärte ich Geralt leise flüsternd. Der hob verwirrt eine Augenbraue. “Ich soll ein Haus wegpusten?” Er klang nicht überzeugt, doch ich nickte. “So besagt es das Märchen. Wird schon klappen.”
 

Die drei kleinen Schweinchen erwiesen sich als absolut kein Hindernis für den klatschnassen Hexer und auch wenn ich nicht wagte, es anzusprechen, hatte ich doch das Gefühl, dass er die Schweine rücksichtsloser platt machte, als nötig gewesen wäre. Da wollte ich lieber kein Öl ins Feuer gießen. “Wohin jetzt?”, brummte Geralt in meine Richtung, als er die zweite Bohne aus den Ruinen des Hauses geborgen hatte. “Als nächstes geht es zu Rotkäppchen. Also… zum Bösen Wolf.” “Ich dachte, der bin ich?”, hakte Geralt nach, die Augenbrauen fragend hebend. “In diesem Fall nicht. Der Wolf hat die Großmutter verschlungen und eigentlich auch Rotkäppchen, doch dann kommt der Jäger und rettet beide aus dem Magen des Wolfs.” Ich zuckte etwas unsicher mit den Schultern, da mischte sich Syanna ein. “Früher haben Annarietta und ich manchmal Rotkäppchens Rolle übernommen. Der Wolf frisst es in dieser Fassung nicht, weil der Jäger pünktlich zu Rettung eilt. Vielleicht finden wir den ja auch direkt über dem toten Wolf, dann müssen wir uns damit nicht länger befassen.” Wäre es doch nur so einfach. Ich schüttelte den Kopf. “Einer von uns muss Rotkäppchen spielen und einer den Jäger”, erklärte ich eilig und erntete ein genervtes Seufzen seitens des Hexers. “Bringen wir es hinter uns. Wie schlimm kann es schon werden?”

Ob er diese Frage wohl bereute, als wir auf den Wolf trafen? Der hing nämlich in das rosa Nachthemd nebst Haube der Oma gekleidet auf dem Boden und jammerte uns erst einmal kräftig die Ohren voll, weil er schon sooo lange darauf warte, seine Rolle in dem Märchen wieder zu spielen, ihn jetzt aber sein Kater quälte. Sollte er halt nicht so viel saufen! Als er sich dann auch noch freute, Syanna wiederzusehen und sie bat, sein Rotkäppchen zu sein, schauderte es mich förmlich. Was ein Masochist. Immerhin wurde der vom Jäger aufgeschlitzt und das wäre auch dieses Mal so, denn die Bohne verbarg sich im Magen des Wolfs. Ekelhaft! Schweigend ließ ich den Wolf quatschen, der unaufhörlich weiterjammerte, wie langweilig sein Leben doch geworden sei, seit Rotkäppchen und die Großmutter in den Brunnen gestürzt seien. Ich rollte mit den Augen und kletterte über den Brunnenrand. Ehe ich mir das auch nur eine Minute länger anhörte, holte ich das rote Cape einfach selbst. Monster gab es da unten ja schließlich keine. Sollte also kein Problem sein.

“He, was wird das?”, packte mich Geralt unvermittelt am Kragen. “Ich hole das Cape. Das braucht Rotkäppchen schließlich. Ihr könnt ja versuchen den großen bösen Wolf”, konnte ich mir eine gute Portion Sarkasmus nicht verkneifen, “auszunüchtern. Oder gebt ihm besser was Hochprozentiges, dann kriegt er es nicht so sehr mit, wenn er seinem Schicksal folgend stirbt.” Geralt und ich seufzten zeitgleich. “Ich hole das Cape”, entschied der Hexer dann und zog mich vom Brunnenrand. “Wenn du da unten ungünstig fällst, hast du dir sofort die Beine gebrochen. Wir Hexer sind widerstandsfähiger.” Im Grunde wusste ich ja, dass er Recht hatte, dennoch hätte ich gerne meinen Teil dazu beigetragen, diese Sache schnell zu erledigen und viel Möglichkeit dazu hätte ich nicht mehr. Die Kämpfe würden immerhin alle an Geralt hängen bleiben. “Schau nicht so”, brummte der Hexer, der nun selbst die Beine über den Brunnenrand schwang. Neben uns diskutierten der Wolf und Syanna noch darüber, ob der rote Umhang auch wirklich nötig war, dann sprang der Hexer in den Brunnen hinab.
 

Besonders beeindruckend sahen wir drei wohl nicht aus, als uns der Wolf unsere Rollen zuteilte. Er selbst würde natürlich den großen, bösen Wolf spielen, Syanna selbstverständlich wie früher das Rotkäppchen, Geralt sollte der Jäger sein und mir hatte er kurzerhand eine Rolle dazuerfunden. Ich sollte des Jägers treuer Gehilfe sein. “Na, meinetwegen. Können wir dann anfangen?”, wollte Geralt wissen, merklich ungeduldig. Ihm ging das Gefasel von dem Wolf merklich auf den Keks. Der war aber auch eine Dramaqueen. Allein Syanna hatte merklich Spaß daran und schien es auf einmal auch überhaupt nicht mehr eilig zu haben. Ob ihr wohl so langsam der Arsch auf Grundeis ging, weil ihr klar war, was sie nach diesem kleinen Ausflug ins Märchenland erwartete? Verstehen könnte ich das, denn angenehm würde das nicht werden, soviel war klar. Wären Geralt und ich nicht hier aufgelaufen, sie hätte bestimmt versucht, dem Märchenland zu entkommen und dann Toussaint zu verlassen. Irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie so ganz ohne Zwang im Rücken nach Tesham Mutna gegangen wäre, aber vielleicht tat ich ihr damit auch Unrecht.

Zumindest Geralt hatte offensichtlich wenig Lust, unnötig lange hier herumzutrödeln, denn er erledigte den Wolf schnell und gnadenlos, der schließlich blutend zu Boden ging. Wieder hatten Syanna und ich nur dumm daneben stehen können. Ein bisschen musste ich schon würgen, während der Hexer die Zauberbohne aus den Eingeweiden des Wolfes schnitt. Urghs. Neben mir konnte ich Syanna schadenfroh kichern hören. “Für so empfindlich hätte ich dich gar nicht gehalten, liebste Daelis”, summte sie spielerisch in meine Richtung. Finster blinzelte ich Syanna an, wusste aber nichts zu erwidern. Eigentlich hielt ich mich nämlich auch nicht für besonders empfindlich und obwohl ich seit meiner Ankunft in dieser Welt so einiges gesehen hatte, so richtig daran gewöhnt war ich nicht.

“So, wohin jetzt mit den Bohnen?” Geralt sah fragend zu mir, doch dieses Mal gab ich an Syanna ab. Daran konnte ich mich nämlich nur sehr vage erinnern. Syanna grinste nur selbstgefällig in meine Richtung, dann gen Geralt. “Es gibt hier ein Feld, da dürften sie gut gedeihen. Folgt mir.” Missgelaunt trabte ich Syanna und Geralt hinterher. Dann würden wir gleich eine Klettertour hinlegen. So richtig begeistern konnte mich der Gedanke nicht. Am besten, ich klammerte mich so schnell wie möglich an eines der Blätter um mich dann nach oben tragen zu lassen. Mehrere Meter an der Ranke hochzuklettern, klang in meinen Ohren nämlich nicht besonders gesund. Ein falscher Tritt und ich wäre nichts weiter aus ein matschiger Fleck am Fuße der Bohnenranke.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Die Aufgabe folgt tatsächlich erst nach dem nächsten Kapitel :') Sorry. Komplett anzeigen

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