Blood and Whine von Daelis (Ist doch alles Käse!) ================================================================================ Kapitel 13: Auszeit II ---------------------- Eines musste ich Regis lassen: Er war geduldig. Geflissentlich beantwortete er all meine Fragen und verstummte erst, als ich ihn nach dem Unsichtbaren fragte. Dass ich von dieser Kreatur überhaupt wusste, erschreckte den Vampir merklich. Er zuckte zusammen und wurde ganz blass um die Nase. “Um unser beider Willen sollten wir darüber nie wieder ein Wort verlieren. Dieses Wissen ist gefährlich”, meinte Regis schließlich mit gedämpfter Stimme und so ernst, dass ich nur nicken konnte. Im Spiel hatte der Unsichtbare Geralt direkt getötet, als er etwas patzig wurde. Regis hingegen war unfähig gewesen, sich auch nur zu bewegen. Was genau dieser Unsichtbare auch war, er spielte in einer ganz anderen Liga als die höheren Vampire wie Regis und Dettlaff es waren. Und die waren schon eine ganz andere Liga als Menschen, war man ehrlich. Mit dem Unsichtbaren wollte ich mich lieber nicht anlegen. Dafür erzählte mir Regis davon, wie er Geralt kennengelernt hatte und auch, wie er schließlich von Vilgefortz durch einen Zauber scheinbar getötet worden war, geschmolzen zu einem nassen Fleck an einer Säule. Als ich nachfragte, erzählte er sogar kurz davon, wie es gewesen war, körperlos zu sein, doch das Thema war ihm sichtlich unangenehm, sodass ich eilig das Thema wechselte und ihn ein wenig über die Zeit mit Dettlaff ausfragte. Darüber sprach Regis offensichtlich lieber, denn er erklärte mir, dass Dettlaff ihm nicht hätte helfen müssen, zumal die Regeneration einen hohen Preis forderte und doch hatte Dettlaff nicht gezögert, Regis mit seinem eigenen Blut zu nähren, bis Regis’ Körper wiederhergestellt war. Seitdem, betonte der ergraute Vampir fast feierlich, verbinde ihn und Dettlaff ein Blutsband, das sie so nahe stehen ließ wie Brüder. Zumindest sollte ich es mir so vorstellen, denn als Mensch könnte ich die wahre Natur dieses Bandes schwerlich begreifen. Beinahe klang er bei diesen Worten entschuldigend, doch ich war nicht beleidigt. Natürlich konnte ich das nicht nachfühlen, da war doch nichts bei. Also nickte ich nur und fragte ihn ein wenig darüber aus, wie die beiden ihre Freizeit verbrachten. Regis selbst hatte auch einige Fragen an mich und so erzählte ich munter von meinem ersten Treffen mit Geralt und davon, wie ich die Winchesters adoptiert hatte und nach kurzem Zögern sogar von meiner Bekanntschaft mit dem Incubus Derand und wie unschön sie ein Ende gefunden hatte. Am meisten schien ihn jedoch zu interessieren, wie ich Dettlaff getroffen hatte und es dazu gekommen war, dass dieser mich entführte. Geralts Version der Geschichte war vermutlich wenig schmeichelhaft ausgefallen, sodass meine deutlich wohlwollender ausfiel. “Das klingt, als hättet ihr euch angefreundet”, sinnierte Regis schließlich. Ich nickte, ohne nachzudenken. “Wieso denn auch nicht?” Kurz huschte Überraschung über die Züge des Vampirs, dann schmunzelte er, schüttelte leicht den Kopf und ließ das Thema fallen, um mich nach meinen Überlegungen bezüglich meines Hierseins zu befragen. Mehr als vage Ideen hatte ich dazu allerdings auch nicht. Zeitreise? Möglich, aber unwahrscheinlich, egal, was Theodor glaubte. Eine andere Welt ähnlich wie bei der Wilden Jagd? Sehr viel wahrscheinlicher, auch wenn ein temporaler Aspekt nicht ausgeschlossen war, immerhin kannte ich die Zukunft dieser Welt. Zumindest ein klein bisschen, auch wenn ich Regis schlecht sagen konnte, welche Details ich kannte, zumal diese verschiedene Versionen der Zukunft beinhalteten. Dass alles hier für mich ein Videospiel war, konnte und wollte ich auf gar keinen Fall erklären. Also bleib ich vage und auch wenn ich das Gefühl hatte, dass Regis mich durchschaute und ahnte, dass ich mehr wusste, als ich verriet, bohrte er zu meiner Erleichterung nicht nach. Vielleicht war ihm klar, dass mein Wissen gefährlich war oder aber er baute darauf, dass ich Dettlaff helfen wollte und auch weiterhin versuchen würde, das Geschehen zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Bisher war mir das ja leider nur bedingt gelungen. Milton war gerettet, aber ansonsten war alles beim Alten geblieben. “Puuh, ich bin schrumpelig wie eine Omi”, seufzte ich, meine Hände aus dem warmen Wasser hebend. Regis lachte leise. “Wir sind schon recht lange hier. Es wird wohl Zeit, zu gehen.” Ich nickte ihm zu und erhob mich als erste. So angenehm es auch gewesen war, hier im warmen Wasser zu fläzen und sich zu entspannen, ich fühlte mich schon fast wie eine Rosine und sah auch so aus. “Ich wollte mich eh noch ein bisschen umsehen und schauen, ob ich mich irgendwo nützlich machen kann”, ließ ich Regis wissen. Natürlich wollte ich auch ein wenig Geld verdienen, immerhin lag ich bisher immer nur Geralt auf der Tasche und so richtig wohl fühlte ich mich damit wirklich nicht. “Ich denke, es spricht nichts dagegen, wenn Ihr ein wenig die Stadt erkundet. Bei dem alltäglichen Treiben wird sich Theodor gewiss nicht zeigen.” Erst jetzt hob der Vampir den Blick und sah mich beinahe mahnend an. “Bitte bleib unbedingt auf den Hauptstraßen. Ich habe Geralt versprochen, auf dich aufzupassen.” Boah, als wären sie meine Eltern nur in schlimmer. Genervt rollte ich mit den Augen, grinste aber. “Ja, Mama. Ich verrate Papa auch nichts.” Ein leises Lachen war noch von dem Vampir zu hören. “Sei zur Dämmerung am Eingang des Friedhofes, dann hole ich dich dort ab. Die Gräber sind nicht sicher. Ghoule und andere Kreaturen treiben sich dort herum.” Ich seufzte leise, nickte aber. “Ich werde pünktlich sein, versprochen.” Man könnte meinen, ich wäre ein Teenager, dass ich um eine bestimmte Uhrzeit zuhause sein musste, aber ich wusste ja, dass aus Regis aufrichtige Sorge sprach. “Bis später, Regis.” Kurz winkte ich ihm noch zu, dann steuerte ich die Umkleide an, ehe es sich der Vampir anders überlegen konnte und doch noch fand, dass es nicht sicher wäre, wenn ich alleine durch die Stadt turnte. Dabei glaubte ich nicht, dass mir ausgerechnet Theodor gefährlich werden würde. Eher der eine oder andere Mensch, dem nicht schmeckte, welche Unruhen ich nach Beauclair gebracht hatte. Außerdem hatte sich sicherlich längst rumgesprochen, dass ich mit zwei Greifenjungen und einem Hexer unterwegs war. Wer würde sich mit denen schon anlegen wollen? Dass ich dann noch den Shaelmaar gerettet hatte, hatte sicherlich auch Eindruck hinterlassen. Obendrein hatte ich das berüchtigte Biest von Beauclair offenkundig überlebt. Wette, da schlotterten so manchem die Knie. Auf die Gerüchte war ich auf jeden Fall gespannt. In der Umkleide traf ich erneut auf die Frau, die mir bei der Ankunft alles gezeigt hatte. Sie musterte mich von Kopf bis Fuß und schmunzelte vieldeutig. Ich runzelte die Stirn. “Stimmt etwas nicht?” Prüfend warf ich einen Blick an mir herab. Ja, ich war ziemlich schrumpelig an Fingern und Füßen, aber ansonsten konnte ich nichts ungewöhnliches feststellen. Blass war ich für diese Region sicher auch, aber das konnte man auch sehen, wenn ich mehr trug, als ein riesiges Handtuch. “Ihr schient Euch in der Nähe dieses Herren sehr wohl zu fühlen, trotz Eurer knappen Bekleidung”, sinnierte die Frau laut, als wäre das eine Antwort auf meine Frage. Abwartend sah ich sie an, was ihr ein Kichern entlockte. “Und?”, hakte ich nach, die Brauen demonstrativ gehoben. “Nun”, druckste die Frau herum und sortierte dabei die Handtücher noch einmal, die sie vorhin abgelegt hatte. “Er ist zwar nicht der Jüngste, doch sehr charmant und höflich. Eine gute Wahl.” Wieder kicherte sie, während bei mir der Groschen fiel. “Oh!”, entfuhr es mir, dann schüttelte ich lachend den Kopf. “Oh, nein, nein. Wir sind nur befreundet, das ist alles”, wehrte ich die Überlegungen der Frau ab, die hochrot wurde vor Verlegenheit und den Blick senkte. “Ver-verzeiht, ich dachte… nachdem Ihr ja mit dem Hexer…” Ah, die Gerüchte. Da waren sie schon. Zeit, das richtig zu stellen. “Geralt und ich sind nur Reisegefährten. Mehr ist da nicht, wirklich. Genau genommen verstehen wir uns nicht einmal besonders gut”, versuchte ich zu erklären. “Und Regis ist ein Freund, gewissermaßen ein Vorbild für mich.” So wie die Frau mich ansah, war ich mir echt nicht sicher, ob meine Worte sie wirklich erreichten. Was brachte sie denn nur auf die Idee, zwischen Regis und mir könnte etwas laufen? Ich fand schon die Idee völlig bescheuert, ich hätte etwas mit Geralt. Hoffentlich erzählte diesen Blödsinn niemand Yennefer, sonst grillte die mich vielleicht. “Aber das Biest…”, begann sie leise und wieder schüttelte ich den Kopf und führte ihren Satz weiter. “Hat mich mitgenommen, als ich mich einmischte, weil ich Informationen hatte, die für ihn von großer Wichtigkeit sind, um nicht töten zu müssen.” Sie sah nur noch verwirrter aus, dann hob sie die Hand vor den Mund und flüsterte leise in meine Richtung. “Bitte verzeiht. Es ist nur… die Leute reden und…” “Schon gut”, winkte ich ab. “Hab mir schon gedacht, dass es Gerede geben wird, aber glaub mir: Alles Blödsinn.” Die Frau wirkte noch immer nicht überzeugt, sondern fuhr verhalten fort. “Seid Ihr Euch sicher? Das Biest hat Euch entführt, direkt vor des Hexers Nase und Euch leben lassen.” In ihren Augen konnte ich die ungestellte Frage sehen, warum ich überlebt hatte. Ich seufzte leise. “Mit Geralt hatte das nichts zu tun. Das Biest ist eine Person, die nur ihre Lieben beschützen möchte und kein kaltblütiger Mörder”, verteidigte ich Dettlaff, doch offensichtlich umsonst, denn die Miene der Frau verzog sich, als sie einen Schritt zurücktrat. Sie glaubte mir nicht und ich konnte nicht einmal sagen, ob sie es nicht konnte oder schlicht nicht wollte. Was sie noch murmelte, konnte ich nicht verstehen, aber sie gab es auf, vorzuspielen, beschäftigt zu sein und verließ den Raum mit einem höflichen “Gebt auf Euch Acht, Milady. Einen schönen Tag noch”, auf den Lippen. Regis traf ich an der Tür des Badehauses wieder. “Bitte denk an unsere Abmachung. Ich möchte Geralt nur sehr ungerne erklären, dass ich nicht weiß, wo du bist”, ermahnte mich der ergraute Vampir mit ernster Miene. Innerlich seufzte ich, doch nach außen hin brachte ich ein Nicken zustande. “Klar doch. Ich werd mich einfach nur ein bisschen umsehen und schauen, ob ich mich irgendwo nützlich machen kann.” Ob Regis’ skeptischer Miene fügte ich noch hinzu: “Ganz harmlos natürlich. Vielleicht ein entlaufenes Kätzchen suchen oder so?” Kopfschüttelnd beließ er es dabei, doch ich konnte ihm ansehen, dass er seine Entscheidung, mich allein losziehen zu lassen, bereits ein wenig bereute. “Bis später, Regis”, verabschiedete ich mich eilig, ehe er es sich doch noch überlegen konnte. Schließlich hatte ich wenig Lust, die verbliebenen eineinhalb Tage vor der Nacht der langen Zähne damit zu verbringen, an Regis’ Rockzipfel zu hängen. Nicht, wenn ich auch versuchen könnte, mir eine adäquate Ausrüstung zu suchen - oder zumindest kein Kleid, denn das würde eindeutig nie ein Highlight für mich werden. Zwar hatte Regis mir eines zum Wechseln besorgt und ich wusste das sehr zu schätzen, dennoch wären Hosen nach all der Zeit echt eine feine Sache. Sie waren so viel praktischer! Zumindest hatte ich mich nicht in ein Korsett quetschen müssen. Die sinnloseste Erfindung überhaupt. Da die Leute mich hier sowieso für seltsam hielten - und des Hexers Hure, soweit ich ein getuscheltes Gespräch in meinem Rücken mithören konnte - kam es auf meine Kleidung sowieso nicht mehr an. Die Leute redeten eh längst. Energisch schritt ich aus, während ich im Kopf die Nebenquests durchging, an die ich mich noch erinnern konnte. Alles mit Monstern entfiel natürlich, denn im Kampf hätte ich nicht den Hauch einer Chance. Als erstes fiel mir das Bankhaus ein, doch mir würde man sicher nicht bescheinigen, dass Geralt noch lebte und sein Konto leeren wollte. Das müsste er schon selbst tun. Ein nicht gerade kleiner, ziemlich schadenfroher Teil von mir, zog für einige kostbare Sekunden in Erwägung, einfach hinzugehen, um zuzuschauen, wie die Leute dort verzweifelten, einschließlich Geralt. Aber letzten Endes könnte ich meine Zeit wohl mit sinnvolleren Dingen verbringen. Vielleicht sollte ich zum kleinen Friedhof am Stadtrand gehen, der anders als Regis’ neue Heimat, noch Besucher anlockte und gepflegt wurde. Ich wusste immerhin, dass die nächtlichen Geräusche nicht von einem Monster kamen, sondern zwei Geistern, die sich zofften, weil sie eine Gruft teilen mussten. Ein Problem, das ich durchaus beheben könnte. Allerdings würden die Geister erst nachts aktiv. Ich hatte also noch Zeit. Die vertrieb ich mir damit, hier und da einfach mit den Leuten zu quatschen. Viel tun brauchte ich nichtmal, damit sich jemand dazu bereit erklärte. Vielmehr sprachen die Leute mich an, kaum, dass ich es mir auf einem niedrigen Zaun bequem gemacht hatte. Offenbar war ich wirklich das Stadtgespräch geworden. Die Fragen waren jedoch meistens die gleichen. Wer war ich für den Hexer und wie hatte ich das Biest davon überzeugen können, mich nicht zu töten? Hatte mir die Kreatur etwas angetan? Ich wusste nicht, wie oft ich schließlich betonen musste, dass Geralt nur ein Reisebekannter war und meine Entführung mit ihm nicht das Geringste zu tun hatte. Und nein, wir waren einander nie nahe gekommen. Nein, ich war keine Zauberin, sondern trug mein Haar nur einfach so skandalös offen. Nein, ich wollte keine Haube haben, danke. Dass ich schließlich einem kleinen Mädchen erlaubte, mir die Haare zu flechten, war eher meiner Genervtheit zu verdanken als dem Wunsch, mich anzupassen. “Ich wurde nicht verletzt und das Biest hat auch nicht versucht, mir zu schaden. Ganz im Gegenteil”, beteuerte ich energisch, fragte man mich doch nach meiner Entführung fast noch lieber als nach Geralt. So richtig schien mir jedoch niemand zu glauben, dass ich wirklich unbehelligt geblieben war. Ebensowenig wie den Fakt, dass ich das Biest nicht für ein Monster sondern sehr sympathisch hielt. Dettlaffs Namen hielt ich zwar fein raus, doch ich machte keinen Hehl daraus, dass wir uns verstanden und er das Opfer einer Intrige war. Eine Information, die ziemlich offensichtlich niemand hören wollte außer zwei Frauen, die wissen wollten, ob ich das Biest verführt hatte. Vor Schreck hatte ich mich glatt an meiner eigenen Spucke verschluckt und war so rot angelaufen, dass die beiden nur vielsagend kicherten, als ich verneinte. Was ging bloß mit den Leuten hier? Wieso interessierte sich bitte jeder für mein nicht vorhandenes Sex-Leben? War denen echt so fade, dass das ein so spannendes Tratsch-Thema war? Oh man. Irgendwann hatte ich genug davon und löste mich unter einer ziemlich fadenscheinigen Ausrede, ich wolle mir noch die eine oder andere Sehenswürdigkeit der Stadt ansehen, aus der kleinen Menschentraube, die sich um mich gebildet hatte. Ich mochte es ohnehin nicht, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Schon Referate in der Schule waren ein Alptraum gewesen. Jetzt Beauclairs neuer Lieblingstratsch zu werden, stand da auch nicht unbedingt auf der Hitliste der Dinge, die ich unbedingt mal erlebt haben wollte. “Ah, Milady”, sprach mich ein Mann unvermittelt von der Seite an, den ich zuerst gar nicht wahrnahm, weil ich mich schlicht nicht angesprochen fühlte. Erst, als er seine Hand auf meine Schulter legte, zuckte ich erschrocken zusammen und starrte ihn verdattert an. “Milady? I-Ihr seid doch die Dame Daelis, die Monsterbändigerin, die mit dem Hexer in unser schönes Beauclair kam, nicht wahr?” Ich nickte, obwohl ich noch nicht so richtig begriff, worauf er überhaupt hinaus wollte. Mit seinem starken Akzent war es ohnehin nicht so einfach, ihn zu verstehen. “Ah, welch Glück! Bitte, sprecht mit Eurem Hexer in meinem Namen! Es ist ein dringender Notfall, der keinen Aufschub dulden kann. Einer der bedeutendsten Schätz der Stadt wurde entwendet”, regte er sich auf, offenbar doch um Haltung ringend, was ihm nicht gerade gut gelang. In meinem Hinterkopf ging ich bereits meine Erinnerungen durch. Ein Schatz, der gestohlen wurde? Da klingelte bei mir überhaupt nichts. Aber anhören konnte ich es mir ja mal. “Ich bin ganz Ohr”, erklärte ich und sah abwartend zu dem hageren Mann, der unsicher zu einer Tür in einem Holzzaun hinter sich sah. Der kam mir nun doch etwas bekannt vor. Was war denn noch…? Ehe ich zu einer Antwort kam, schob der Mann die Tür auf. “Besser ist es, ich zeige es Euch, Milady. Es ist eine Katastrophe! Eine solche Schandtat! Dass ich das erleben muss.” Zögerlich folgte ich ihm durch die Tür in eine Art Innenhof, der vor allem aus Treppen bestand, die zu einer Empore führten, auf der ich eine mir nun doch bekannte Statue erblickte. “Reginald d’Aubry, ein Volksheld und Verführer von Frauenherzen, wie es keinen zweiten gab”, seufzte der Mann neben mir, als wir vor der Statue ankamen. “Wie konnte jemand ihm das nur antun?”, fuhr er fort, als wäre ich gar nicht da. “Nun, das kann ich nicht beurteilen”, mischte ich mich einfach ins Gespräch ein, was den Mann aufblicken ließ. Jetzt blickte er schuldbewusst. “Ich muss mich entschuldigen, mit einem so pikanten Anliegen an eine Dame heranzutreten. Wahrlich, es beschämt mich. Doch ich bin ein von Verzweiflung getriebener Mann!” Was für eine Dramaqueen dieser Kerl war. Zumindest konnte man sagen, dass er seinen Job mit echter Hingabe liebte. “Schon gut”, meinte ich beschwichtigend. “Ich werde sehen, was ich machen kann, um Reginalds Gemächt zurückzubringen.” Dabei deutete ich auf die offensichtlich beschädigte Stelle der Statue des unbekleideten Heldens. “Ihr? Aber ich dachte, der Hex-” “Ich. Und wenn ich nicht weiterkomme, schalte ich Geralt ein, versprochen”, unterbrach ich direkt und winkte zum Abschied, ehe der Mann widersprechen konnte. Zum Glück wusste ich noch grob, wohin ich musste. Weit war es nicht gewesen und so viele Türen stünden wohl nicht offen um diese Zeit, oder? Ein Krächzen ließ mich aufblicken, kaum, dass ich den Innenhof, der als Museum für die Statue Reginalds herhielt, verlassen hatte. Offenbar hatten Sam und Dean genug davon gehabt, in der Gruft auf ihre Mama zu warten und sich eigenständig auf den Weg zu mir gemacht. Wie es ihnen gelungen war, mich so schnell ausfindig zu machen, erstaunte mich nur kurz, denn aus den Augenwinkeln konnte ich einen Raben ausmachen. Wenn der mal nicht zu Regis gehörte. Dass der mit Krähen und Raben gerne einen Schnack hielt, wusste ich ja, aber das hier war wirklich beeindruckend. Dean stieß seinen gar nicht mehr so kleinen Kopf gegen mein Knie. “Au, ist ja gut. Wir suchen etwas, meine Süßen”, summte ich leise und streichelte die beiden Greifenjungen nacheinander. Sie waren wirklich groß geworden, das konnte ich nicht leugnen. Inzwischen gingen sie mir schon über Kniehöhe. Wenn die weiter so schnell wuchsen, dann konnten sie in wenigen Wochen den Kopf auf meine Schulter legen. Sam und Dean auf den Fersen versuchte ich, mich möglichst genau zu erinnern, hinter welcher Tür ich den Dieb fände. Der war nämlich nichts weiter als ein alter Mann, der gerne mit seiner jüngeren Geliebten ein wenig mehr Spaß wollte, als sein Körper eigentlich hergab. An den Gerüchten, dass Reginalds Kronjuwelen die Manneskraft stärkten, war nämlich tatsächlich etwas dran und deshalb hatte er sie gestohlen. Diese Details zu kennen, machte die ganze Situation für mich jedoch nicht im mindesten weniger absurd. Allerdings beklagte ich mich besser nicht, denn so merkwürdig das alles auch war, es verhalf mir zu etwas Geld, denn wenn ich mich richtig erinnerte, war die Belohnung für diese Quest recht großzügig gewesen. Der Alte würde mir schon keine Schwierigkeiten machen, zumal ich ja jetzt die Winchesters bei mir hatte. Ob der Ehemann der Frau wohl auch dieses Mal hinzu käme? Das nannte man dann wohl schlichtweg Karma und Karma war bekanntlich ne Bitch. Die ersten beiden Türen, an denen ich rüttelte, waren verschlossen, doch die dritte öffnete sich sofort und bescherte mir eben den Anblick, mit dem ich fest gerechnet hatte. Ein Mann jenseits der Sechzig mit schütteren Resten von Haar auf dem Kopf stand mit heruntergelassener Hose neben dem Bett, auf dem sich eine Frau räkelte, die in etwa mein Alter hatte. Mich schauderte. Ich wollte nicht urteilen, aber wenn sie mit dem ins Bett ging, war es wohl wirklich Liebe, denn als gutaussehend ging der Mann echt nicht durch. War halt nicht jeder ein George Clooney. Dass sie ihren Ehemann betrog, fand ich gar nichtmal so schlimm. Wer wusste schon, ob sie diese Ehe überhaupt freiwillig eingegangen war? Gleichberechtigung war ja noch nicht wirklich Teil des hiesigen Zeitgeists. Allerdings hieß das alles noch nicht, dass ich mich nicht ziemlich unwohl damit fühlte, das Schäferstündchen unterbrochen zu haben. Schon jetzt hatte ich eindeutig mehr gesehen, als ich hatte sehen wollen, egal, wie intensiv ich das Muster der Tapete hinter der Frau anstarrte. Entgeistert starrten mich die beiden an, als ich eine Hand zum Gruß hob. “Hi.” Schwer zu sagen, wer von uns am wenigsten Freude über dieses Treffen empfand. Die Frau zog eilig die Bettdecke um sich, während ihr gealterter Liebhaber versuchte, seine Hose hoch zu ziehen. “We-wer seid Ihr und was sucht Ihr in meinen Gemächern?!”, empörte sich die Frau schließlich. Zugegeben konnte ich ihren Ärger verstehen, aber es war nun wirklich nicht so, als hätte ich meine helle Freude daran, ausgerechnet jetzt hier zu sein. Wirklich nicht. Aber ich konnte nunmal das Gold gebrauchen, das es als Belohnung dafür gäbe, Reginalds Kronjuwelen zurückzubringen. Die Situation war so absurd, dass ich echt nicht sicher war, wie ich das überstehen sollte, ohne zu lachen. Allein, dass jemand die Hoden einer Statue geklaut hatten, um seiner eigenen Potenz auf die Sprünge zu helfen, war schon irgendwie urkomisch, auch wenn es schrägerweise ja funktionierte. “Ich heiße Daelis und ich bin”, begann ich, wurde aber direkt unterbrochen. “Raus hier, Kleines!”, keifte der Alte mich an. “Ich bin hier, um die gestohlenen Kronjuwelen Reginalds einzusammeln”, beendete ich meine Erklärung bemüht sachlich und warf dem alten Mann, dem die Hose immerhin nicht mehr um die Knöchel hing, einen finsteren Blick zu. “Danach könnt ihr… meinetwegen tun, was immer ihr so tut. Das geht mich nichts an und interessiert mich auch nicht.” Abwehrend hob ich die Hände. “Ehrlich, das ist euer Bier. Damit will ich nichts zu tun haben. Ihr seid beide alt genug, das selbst entscheiden zu können. Aber ich muss auf die Aushändigung der Hoden bestehen.” Empört plusterte der Mann sich nun auf. “I-ich weiß nicht, wovon Ihr überhaupt sprecht, noch wer Ihr glaubt zu sein, hier einfach reinzuplatzen. Meine Frau und ich wollen Euch hier nicht haben. Raus!” Woah, wen glaubte er bitte, hier zu verarschen? “Pass mal auf, Alterchen. Wir drei wissen, dass ihr beide nicht verheiratet seid. Wenn ich also Reginalds Klöten mitnehme und über das hier”, gestikulierte ich zwischen dem Mann und der inzwischen erschrocken dreinblickenden Frau hin und her, “für mich behalte, dann ist das eine Gefälligkeit. Also rück die Eier raus, sonst setzt es was!” Dass meine Drohung nicht unbedingt besonders eindrucksvoll war, hätte ich mir natürlich denken können, doch dass es dem Alten so klar ins Gesicht geschrieben stand, tat schon fast ein wenig weh. Allerdings hatte meine Tonlage wohl genügt, um Sam und Dean auf den Plan zu rufen, die sich nun krächzend aufplusterten und angriffslustig näher an den Mann heranrückten, der es nun doch mit der Angst zu tun bekam. “Ni-Nimm die verdammten Viecher weg! Was sind das überhaupt?!” Ich grinste nur zur Antwort. “Sie sind Greifen. Du weißt schon: Die Art von Monster, für die man normalerweise einen Hexer anheuert, den man mit Pech nicht einmal mehr bezahlen muss, weil er dabei draufgeht”, flötete ich gespielt arglos. “Nun? Die Hoden, wenn ich bitten darf.” Erwartungsvoll streckte ich die Hand aus. Ich konnte nur raten, wie seltsam es aussah, als ich mit den steinernen Hoden Reginalds in der Hand aus der Tür trat und dabei in den nun tatsächlich heimkehrenden Ehemann der Frau hineinlief, der mich verdattert anstarrte. Zum Glück hielt er mich wohl nur für eine Besucherin, auch wenn er ziemlich verwirrt dreinsah. Das allerdings könnte auch daran gelegen haben, dass mich die Winchesters begleiteten wie zwei zahme Hunde. Von der Größe her lagen sie immerhin schon mit Schäferhunden gleichauf. Sie waren wirklich unglaublich schnell groß geworden, meine kleinen Babys. Auf der Straße konnte ich gerade noch hören, wie in dem Raum, den ich verlassen hatte, ein Streit vom Zaun brach. Puh, da wollte ich mich wirklich nicht einmischen. Das sollten die mal schön unter sich ausmachen. Mein Interesse galt mehr der Belohnung, die ich mir nun abholen würde. Zwar konnte ich nicht behaupten, jetzt eine Meisterleistung vollbracht zu haben, doch Reginald hatte seine Kronjuwelen zurück und ich war um einiges reicher als vorher und auf dem Weg zum Friedhof, um mich dort meinem nächsten Fall zu widmen. Die Sonne stand bereits tief und die Dämmerung nahte. Mit etwas Glück könnte ich die beiden Geister schon antreffen, ehe es völlig duster war. Zwar war auf dem Friedhof sonst nicht so viel los, aber in die Grabräuber wollte ich lieber nicht laufen und auch nicht in das Pärchen, das sich nachts in den Büschen traf. Brr! Nein, danke. Zumindest hatte ich die Winchesters bei mir, da fühlte ich mich direkt sicherer. Dankbar tätschelte ich Sams Kopf, der leise quietschte. “Wir gehen jetzt noch ein paar Leuten helfen und dann zurück zu Regis, damit er nicht mit uns schimpft”, erklärte ich ihm, auch wenn er sowieso nicht verstand, was ich ihm mitteilte. Das hatte mich jedoch auch meinem Kater gegenüber nie davon abgehalten, mit ihm zu sprechen. Tatsächlich war mir das Glück hold. Ich hatte die Gruft gerade betreten, da hörte ich schon eine Stimme lospoltern. “Verschwinde von hier!”, keifte die Frauenstimme, von der ich genau wusste, dass ihre Worte nicht mir galten, sondern dem Geist ihres Ehemannes, der etwas zurückfauchte, dass ich nicht verstehen konnte, weil es so stark von den Wänden der Gruft widerhallte. Schnellen Schrittes folgte ich den Stimmen, doch als ich die Kammer erreichte, war von beiden keine Spur zu sehen. Ich seufzte. Eigentlich hatte ich keine Lust, mich stundenlang hinter die olle Statue in der Ecke zu hocken, bis die beiden weiter stritten. “Okay, wisst ihr was? Ich weiß, dass ihr hier seid und auch, wo euer Problem ist. Wie wäre es also”, begann ich ins Nichts zu reden, “wenn ich einen von euch von hier wegbringe? Dann habt ihr beide eure Ruhe voreinander.” Einige Minuten blieb es still, doch gerade, als ich noch etwas sagen wollte, tauchte unvermittelt der Geist der Frau vor mir auf und erschreckte mich fast zu Tode. Japsend machte ich einen Satz zurück, was ihr ein Glucksen entlockte, ehe sie mich skeptisch musterte. “Wenn du diesen spielsüchtigen Idioten von hier wegschaffen könntest, wäre ich dir wirklich dankbar”, meinte sie und warf einen giftigen Blick zur Seite, wo sich nun auch der Geist des Mannes offenbarte, der sofort schnaubte. “Bring mich bloß weg von dieser Schreckschraube!” Ich konnte schon sehen, dass die Frau zu einer Erwiderung ansetzte, also mischte ich mich direkt ein, bevor es weiter eskalierte. “Ist gut. Kein Problem. Ich bringe dich”, wandte ich mich an den Mann, “am besten in die Kammer der Gwent-Freunde, wie klingt das?” Seine Miene hellte sich sofort auf. “Ja! Ja, das ist gut. Danke!”, überschlug sich seine Stimme fast. Immerhin das wäre wohl geklärt. Ohne lange zu fackeln schnappte ich mir seine Urne, die gut sichtbar in einer Ausbuchtung stand, da sprach mich seine Frau noch einmal an. “Wenn du ihn weggebracht hast, komm doch nochmal zurück. Ich verrate dir ein Geheimnis.” Ah, klar. Die Gwent-Karten, die sie vor ihm versteckt hatte. Die könnte ich zwar nicht holen wegen dieser Giftspuckerpflanze, aber ich nickte ihr dennoch zu. Vielleicht wollte Geralt sie ja später einsammeln. “Mache ich. Bis gleich.” Die Grabräuber waren wohl noch nicht da, denn als ich die Kammer betrat, war sie leer, sodass ich nur die Urne platzieren brauchte, damit der Spielsüchtige hier seine endgültige Ruhestätte fand. Zumindest wäre auf dem Friedhof nun nachts wieder Ruhe. “Dankeschön, junge Dame! Hier kann ich endlich meiner Leidenschaft frönen und bin umgeben von Gleichgesinnten”, schwärmte der Mann. “Kein Thema. Viel Spaß und so”, winkte ich ab. So langsam sollte ich mich sputen, immerhin wartete Regis bestimmt schon auf mich. Zumindest der Geist der Frau hielt sich ans Script und erklärte mir, wo sie die wertvolle Gwent-Karte ihres Mannes versteckt hatte. Ich bedankte mich artig bei ihr und versprach, die Karte zu bergen und jemandem zu geben, der daran Freude hätte. Dass ich selbst nicht spielte, sickerte dabei wohl durch, doch so wie die Frau lächelte, hieß sie das gut. Kein Wunder bei der Vorgeschichte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)