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Blood and Whine

Ist doch alles Käse!
von

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Timing

Jap. Das war eindeutig nicht mein Tag. Das gleiche musste sich wohl auch Milton denken, denn immerhin war es der Ritter im Hasenkostüm, der hier um sein Leben bangen musste. So hatte er sich diesen besonderen Ehrentag bestimmt nicht vorgestellt. Und überhaupt: Wieso ging das als Ehrentag durch? Da wo ich herkam, war ein Bunnykostüm echt nichts, das man als übermäßig würdevoll ansähe. Seins war nicht einmal sexy! Obwohl das unter den gegebenen Umständen vielleicht auch besser war, denn sonst wäre die Situation wohl noch absurder gewesen, als sie es sowieso schon war. Mal ehrlich: Ein Vampir, der einen Ritter im Hasenkostüm tötet? Das könnte ich nicht einmal aussprechen, ohne zu lachen. Trüge Milton statt der recht moderaten Verkleidung das, was ich unter einem Bunny-Kostüm verstand, hätten wir hier einen Abgrund aufgetan, über den wir alle wohl hätten schweigen wollen. Zugleich wäre das sicher auch urkomisch gewesen. So wie ich mich kannte, hätte ich garantiert gelacht und damit alle Anwesenden gegen mich aufgebracht. Allerdings war die Situation live, echt und in Farbe gar nicht mehr so komisch. 

Für einen Wimpernschlag starrte ich unschlüssig zwischen Dettlaffs vampirischem Gesicht und der erschrockenen Miene Miltons hin und her, der die langen Klauen des Vampirs bereits vor der Nase hatte und sich entsprechend auch ausmalen konnte, welches Schicksal ihm hier blühte. Alles war wie im Spiel. Alles außer mir. Jetzt würde sich wohl zeigen, in wie weit es mir möglich war, den Verlauf der Geschichte zu ändern, denn bisher hatte ich das nur im Detail, jedoch niemals in der Essenz. Die Banditen waren gestorben, Geralt war hergereist, der Glumaar war sicher. Das alles war im Spiel auch möglich. Niemals war ich von den vorbestimmten Bahnen so weit abgewichen, dass sich wirklich etwas hätte ändern können für diese Welt. "Rhena!", rief ich einfach, betend, dass dieses Wort das Zauberwort war und genügen würde, damit Dettlaff nicht einfach entschied, Milton die Kehle aufzuschlitzen, ehe er sich zu einem Plausch mit mir herabließ. 

Mir schien es fast, als hielte die Welt selbst den Atem an. Dettlaffs Blick ruhte nun ganz auf mir, Miltons ebenfalls. Beinahe, als hätten beide vergessen, dass sie eigentlich etwas völlig anderes vorgehabt hatten. Töten. Sterben. Dabei hielt Dettlaff den Ritter noch am Kragen, bereit diesem jederzeit die langen Klauen in den Leib zu stoßen und sein Leben damit zu beenden. Ein eisiger Schauer durchlief mich. War es hier grad prompt 10°C kälter geworden? "I-ich kenne Rhenawedd", erklärte ich eilig, um gleichermaßen die unangenehme Stille zu füllen als auch zugleich zu bekräftigen, dass ich nicht als Feind hier war, sondern als Freund, immerhin war es mein erklärtes Ziel, Dettlaff zu retten. Die Chancen dafür schienen mir zumindest deutlich besser, wenn er keinen Freund von Geralt tötete und weiteren Zorn auf sich zog. Obendrein konnte ich mit meinem Wissen ja vielleicht wirklich helfen, denn auch wenn 'Rhenawedd' aka Syanna mich natürlich nicht kannte - ich kannte sie und wusste obendrein, wo sie sich versteckt hatte und im Moment vermutlich zufrieden ihren Sangreal schlürfte. Sollte sie doch an einer Alkoholvergiftung sterben!

 

Aus Miltons Richtung konnte ich ein leises Japsen hören, als ringe er um Atem. Wenn ihm der vor Angst weggeblieben war, konnte ich es ihm nicht verübeln, denn mir ging es jetzt nicht anders, denn mein erstes Ziel hatte ich fraglos erreicht. Dettlaffs Aufmerksamkeit galt nun ganz mir. Er ließ Milton unvermittelt los, der zu Boden fiel und sich an Hals fasste, Dettlaff entsetzt musternd, der dem Ritter sogar den Rücken zuwandte, um an mich heranzutreten. Instinktiv wollte ich einen Schritt zurücktreten, stieß dabei aber bereits gegen die Hintertür des Gewächshauses, die hinter mir zugefallen war. "Du kennst sie?" Meine Nackenhaare stellten sich auf. Miltons bleiche Miene war nicht unbedingt beruhigend. Der Ritter sah mich schon tot, das stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ich hatte Angst, das konnte ich nicht leugnen. Dass Dettlaff einer meiner Lieblingscharaktere war und ich wusste, dass hinter der Fassade eigentlich ein Supersoftie steckte, konnte daran nichts ändern. Sah er mich als Problem an, wäre es ihm ein Leichtes, mich zu töten und niemand könnte ihn daran hindern. Nicht ich und nicht Milton. Mein Blick wanderte zu den langen, elfenbeinfarbenen Klauen. Musste ich mich ausgerechnet jetzt daran erinnern, mit welcher Leichtigkeit er die in Syannas Herz gebohrt hatte? Am liebsten wäre ich auf dem Absatz umgedreht und weggelaufen, doch mein Körper fühlte sich an wie erstarrt.

Nervös nickte ich schließlich. "Ja." Dettlaffs Blick schien an Sanftmut zu gewinnen, aber vielleicht bildete ich mir das auch ein und wollte daran nur gerne glauben. "Sie hat... hat von dir erzählt, von eurer Beziehung", brachte ich mühsam heraus und betete, dass das nicht so seltsam klang wie ich glaubte. Es war ja nicht so, als hätte Syanna mir ein Foto zeigen können oder irgendwelche WhatsApp-Nachrichten. Die Beschreibungen, auf die man sich dieser Zeit verlassen musste, waren ja doch meist eher recht vage. Ich schluckte, als Dettlaff einen Schritt auf mich zu machte. Langsam, beinahe als erwarte er, dass ich die Flucht ergreifen würde. Hätte ich ja auch gerne, wenn man ehrlich war. Irgendwie hoffte ich jedoch, dass auch das ein gutes Zeichen war. Wollte er mir schaden, hätte er das längst gekonnt und sehr viel schneller, als ich das überhaupt hätte begreifen können. "Warum?", wollte der Vampir wissen. Jetzt war ich verwirrt. Warum? Warum erzählte man von jemandem? Ja, warum denn bitteschön nicht? Dann dämmerte es mir. Klar. Dettlaff war ein Vampir. Wenn seine geliebte Rhenawedd dieses Geheimnis ausgeplaudert hatte, musste ihn das ja misstrauisch machen. Immerhin könnte ich diese Informationen mit Gewalt erlangt haben. 

Hilfesuchend sah ich an Dettlaff vorbei zu Milton, der sich langsam wieder zu fassen schien. Nicht, dass das etwas ändern würde, immerhin war er immer noch unbewaffnet, wobei zugegeben auch eine Waffe keinen Unterschied gemacht hätte. Milton konnte mir nicht helfen, zumal ironischerweise ja ich hier war, um ihn zu retten. Damsel in Distress zu sein, stand mir nicht gut zu Gesicht. Dafür war ich viel zu stolz. Also hieß es, meine Angst runterzuschlucken und zumindest so zu tun, als gäben meine Beine nicht jeden Moment unter mir nach. Zu meinem Glück hatte den Vampir meine verwirrte Miene offenbar schon von meiner Unschuld an Syannas Entführung überzeugt. "Du bist also eine Freundin von ihr." Das klang zwar nicht wirklich wie eine Frage, aber ich nickte dennoch. "Wir stehen uns sehr nahe." Glatt gelogen. Ich konnte Syanna nichtmal leiden. Meiner Meinung hatte sie sich bei dieser Racheaktion einen Dickmove nach dem anderen erlaubt und nichtmal die Eier gehabt, selbst zu handeln, sondern hatte jemanden, der sie aufrichtig liebte, für ihre Zwecke missbraucht. Mit ihrer Rache hätte ich kein Thema gehabt, aber die Umsetzung... Meh!

 

Dass mein Timing nicht gerade perfekt gewesen war, würde wohl niemand bestreiten, doch wenn es irgendjemanden gab, der das überbieten konnte, dann war es Geralt. Genau der stieß nämlich in diesem Moment die Tür des Gewächshauses auf, als habe er beschlossen, die ganze Situation in ein 50 Shades of Awkward- Desaster zu verwandeln. Erfolgreich. Dettlaff wirbelte herum, noch immer die vampirische Transformation aktiv, die Geralt ohne Frage als solche erkennen würde, sah man mal von den Klauen ab. Milton hatte sich gerade aufgerappelt, als die Tür aufflog und war vor lauter Schreck beiseite gesprungen. Dem Ritter war anzusehen, dass ihn die Situation mindestens so sehr überforderte wie mich, Dettlaff und jetzt auch Geralt. Es war wirklich zum Heulen. Was hatte ich eigentlich getan, um das zu verdienen? Musste Geralt ausgerechnet jetzt hier reinplatzen? Hätte er nicht noch einen Moment länger brauchen können, um das Rätsel zu lösen? Hätten ihn die Winchesters nicht ablenken können? Irgendetwas? Aber nein... Der Hexer stürmte ausgerechnet jetzt rein.

Geralt kannte kein Zögern. Er griff direkt nach seiner Silberklinge, bereit, diese jeden Augenblick gegen Dettlaff einzusetzen. Es war vermutlich lediglich Vorsicht, die Geralt überhaupt davon abhielt, sofort loszustürmen. "Warte!", rief ich in des Hexers Richtung. Ich wollte ihm erklären, dass er das Schwert nicht brauchen würde, dass es keinen Mord geben musste und dass ich wüsste, wie man diese Problematik auflöste. Wir konnten Dettlaff helfen, seine Rhenawedd - also Syanna - zu finden und ihre Intrigen aufzudecken. Normalerweise hätte Geralt ja erst nach Miltons Tod hier aufkreuzen dürfen. Dann wäre Dettlaff geflohen und irgendwie hatte ein Teil von mir wohl erwartet, dass der Vampir diesem Schema auch ohne toten Ritter folgen würde. Notfalls auch ohne weitere Erklärung. Da ich ja wusste, dass Regis hier war und wie wir Dettlaff finden konnten, wäre auch das kein so großes Problem gewesen. Allerdings schien Dettlaff nur bedingt an seinem ursprünglichen Muster festzuhalten. Er floh. Allerdings nicht allein. So schnell wie Geralt zur Waffe gegriffen hatte, hatte Dettlaff nach mir gegriffen. Dazu meiner Verwirrung Ausdruck zu verleihen, kam ich auch schon nicht mehr, denn im nächsten Augenblick kippte meine Welt. 

Der Vampir hatte mich mit Leichtigkeit hochgehoben und über die Schulter geworfen, wie es kein Mensch gekonnt hätte. Dettlaff wirbelte herum und mich prompt mit, sodass ich Geralts erschrockene Miene sehen konnte. "Verdammt!", konnte ich den Weißen Wolf noch zischen hören, während ich nur hilflos über Dettlaffs Schulter hing und versuchte, mich irgendwie an seinem Mantel festzuhalten. Offenbar hatte Geralt mit dieser Wendung ebenso wenig gerechnet wie ich. "Sam und Dean, pa-" Weiter kam ich nicht, weil Dettlaff die Mauer des Gartens hinter sich ließ und gesprungen war. Für mich fühlte es sich an, als fielen wir und ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit, obwohl ich ja eigentlich wusste, wie holprig der Fluchtweg war. Schon beim ersten Durchspielen war ich von Geralts todesmutiger Verfolgung beeindruckt gewesen, die ihr Ende in einer Halle am Hafen fände. Dort würden Hexer und Vampir dann aufeinander treffen, was mir dann hoffentlich die Möglichkeit gab, endlich alles zu klären, sodass Regis nicht beherzt eingreifen müsste. Auch wenn er es überlebte, wenn man ihm ein faustgroßes Loch in den Torso schlug, musste das doch wirklich nicht sein, oder?

 

Dass mein Gewicht den Vampir nicht weiter behinderte, wurde mir schnell klar, denn auch wenn ich Geralt erst noch sehen konnte, so wurde der Abstand doch größer. Moment! Größer? Dann dämmerte es mir. Dettlaff schlug einen anderen Weg ein. Natürlich tat er das. Hätte ich es in diesem Moment gekonnt, ich hätte mir wohl kräftig vor die Stirn geschlagen. Mit mir im Schlepptau konnte sich Dettlaff ja auch nicht einfach in Nebel auflösen und auf diese Weise fliehen oder kämpfen. Mir war das immerhin nicht möglich. Also ein anderer Fluchtweg.

Na da hatte ich ja etwas angerichtet. Ob Geralt von alleine auf Regis traf? Irgendwie beschlich mich das ungute Gefühl, dass das nicht passierte. Mit meiner Rettungsaktion für Milton hatte ich die Story dann wohl kräftig durcheinander gebracht. Zum ersten Mal seit meiner Ankunft. Bis hierher war immer alles im Rahmen der spielerischen Möglichkeiten gelaufen, kleine Abweichungen beiseite gelassen. Doch das hier, das machte einen Unterschied und zwar keinen geringen. Hatte ich damit jetzt irgendwie das Gefüge der Welt erschüttert? Die Realität gestört? Allein darüber nachzudenken, welche Folgen diese Änderungen haben könnten - nicht nur für die betroffenen Personen wie Geralt, Regis, Syanna, Milton und Dettlaff, sondern auch für die Welt als Ganzes - mochte ich mir gar nicht ausmalen. Was selbst kleine Dinge änderten, hatte der Film Butterfly Effect eindrucksvoll gezeigt.

Meine etwas holprige Entführung trug da nicht unbedingt zu meinem Wohlbefinden bei. Dettlaffs Schulter bohrte sich unangenehm gegen meine Rippen und obwohl der Vampir mich mit einer Hand festhielt, hatte ich ununterbrochen Angst, ihm jeden Augenblick mit der Nase voran im wahrsten Sinne des Wortes den Buckel runterzurutschen. Wohin ging es nun überhaupt? In die Gruft wohl kaum, oder? Immerhin hatte Regis nicht gewusst, wo sich Dettlaff verbarg. Allerdings, dämmerte mir, hatte er Dettlaff verfolgt und gefunden, nicht Geralt. Würde Regis also auch jetzt der Spur folgen?

"Lass sie in Ruhe!", konnte ich Geralt noch schnaufen hören, als Dettlaff und ich um eine Ecke bogen. Dass der Vampir den Hexer abhängte, war unverkennbar. Übermenschliche Ausdauer und viel Training hin oder her, gegen einen höheren Vampir reichte das offensichtlich nicht. Sollte ich mich darüber jetzt freuen, weil es Geralt den Kampf ersparte oder sollte ich lieber Angst haben, weil ich nicht den blassesten Schimmer hatte, wohin mich Dettlaff brachte? Stumm dankte ich dem Hexer für seinen Rettungsversuch und betete, dass er sich um Sam und Dean kümmern würde. Gnade ihm, wenn er die beiden am Spieß briet, statt sie aufzuziehen, wie es sich für ihn als unfreiwilligen Ziehpapi gehörte!

 

Da ich ja ohnehin eine Orientierung wie eine Gurke hatte, war es kaum verwunderlich, dass mir völlig schleierhaft war, wie es Dettlaff mit mir im Gepäck so schnell an den Rand der Stadt geschafft hatte, geschweige denn, an welchem Rand der Stadt wir waren. Fakt war lediglich, dass er mich ungezwungen hochzog und behutsam auf dem Boden absetzte. "Ich entschuldige mich für die... abrupte Unterbrechung unserer Unterhaltung", ergriff Dettlaff als erster das Wort, meinen Blick suchend, als wolle er prüfen, wie verängstigt ich war. Hielt sich in Grenzen. Wüsste ich nicht so einiges über ihn, wäre mir der Arsch allerdings derbe auf Grundeis gegangen. Angesichts der Umstände jedoch war ich fast sicher, dass er mich nicht töten würde. Auch wenn ich dennoch der Meinung war, dass er mich nicht gleich hätte entführen müssen. Wir hätten uns doch auch einfach zu einem Treffen verabreden können, um in Ruhe zu quatschen.

"Schon gut. Es war... überraschend, aber es ist ja keinem was passiert", winkte ich ab und lächelte etwas unsicher, musste ich doch unwillkürlich an die Winchesters denken. Gnade dir Gott, Geralt, wenn du meine Babys aufisst. Dettlaff musterte mich, beinahe zögerlich, als hadere er mit etwas. Vermutlich tat er das sogar, so wie ich ihn einschätzte. Er wollte mehr wissen, wollte von Rhena hören und warum sie ihn verlassen hatte, ganz ohne ein Wort. Meine ehrliche Antwort würde ihm da sicher nicht gefallen. 'Weil sie eine feige Bitch ist, die nicht die Eier hatte, Schluss zu machen, wenn sie denkt, eine Beziehung funktioniert nicht.' Meh. Lieber nicht. Wäre wohl kein guter Eisbrecher und wir hatten uns ja eh schon unter recht speziellen Umständen kennengelernt. Nett ausgedrückt. Obendrein hatte ich noch immer das Gefühl, jemand habe mir einen Eisbeutel auf den Rücken gedrückt, dessen Kälte mich noch immer durchlief.

"Also? Wohin geht es?", erlöste ich den Vampir aus seinem inneren Monolog. Sein Blick wanderte in die Ferne. "Ich habe ein Versteck nicht allzu weit von hier..." Wieder zögerte er. Es stand ihm ins Gesicht geschrieben, dass die Entführung eine spontane Entscheidung war, von der er jetzt schon selbst nicht mehr wusste, wie er damit umgehen sollte. Mich einfach gehen lassen und damit seine Chance vertun, etwas von Rhenawedd zu hören? Mich gegen meinen Willen festhalten, obgleich ich eine Freundin Rhenas war? Auch dieses Mal ersparte ich ihm die unangenehme Suche nach passenden Worten. "Klingt gut. Machen wir uns auf den Weg", stimmte ich zu, ehe er überhaupt etwas fragte. "Und mach dir wegen Milton und Geralt keine Sorgen. Die Zwei sind große Jungs und kommen klar." Verwirrung huschte über Dettlaffs Miene. "Geralt?" Ich nickte. "Der Hexer. Wir sind... irgendwie Freunde. Ich kam mit ihm nach Toussaint", erklärte ich, ehe ich eilig hinzufügte: "Wir kennen uns auch noch nicht lange und haben uns zufällig kennengelernt, als er einen Greif jagte, der... mich gejagt hatte." "Das klingt nach einer außerordentlichen Geschichte." Hell yes, das konnte er laut sagen und dabei hatte er die Winchesters noch gar nicht kennengelernt. Der Vampir wirkte aber auch jetzt noch skeptisch, als fürchte er, ich könnte jeden Moment eine Silberklinge gegen ihn richten, weil ich mit einem Hexer reist. Vielleicht schwante ihm auch einfach nur, dass Geralt hergerufen worden war, um Jagd auf ihn zu machen. Davon abgesehen jagten Hexer ja generell auch Vampire und einige niedere zählte Dettlaff zu seinem Pack, wie ich wusste. Nicht die optimalsten Bedingungen für den Start einer Freundschaft, mochte man meinen.

 

Einige Minuten folge ich ihm schweigend, in denen ich mich vor allem konzentrierte, mich zu orientieren. Keine Ahnung, wo wir waren. Erst, als wir eine rote Tür erreichten, die zur Werkstatt eines Spielzeugmachers gehörte, hätte ich mir am liebsten kräftig an die Stirn geschlagen. Natürlich! Wohin auch sonst hätte er gehen sollen! Die Werkstatt. Später würden auch Regis und Geralt hierher kommen, doch dann wäre Dettlaff schon fort und sie würden nur die Zettel mit den Namen finden und auch den mit dem Weinfleck, der sie auf die Spur des Sangreal führen würde. Neugierig folgte ich Dettlaff in das Gebäude, nachdem er mir - ganz der Gentleman - die Tür aufgehalten hatte und sie dann auch hinter mir schloss, während ich mich drinnen aufmerksam umsah. Dass sein wahres Versteck im Obergeschoss lag, wusste ich natürlich und genau dorthin führte mich Dettlaff nun auch.

Hier zu sein fühlte sich seltsam surreal an. Diesen Ort hatte ich im Spiel gründlich durchsuchtg, doch wirklich hier zu sein, die Luft zu riechen, das Wachs und das Holz, war einfach etwas völlig anderes. Und natürlich war da auch noch das Bild von Syanna an der Wand, das ich ganz unverhohlen musterte. Du blöde Kuh, fluchte ich stumm. Du hast all das in Gang gesetzt. Wart's nur ab, dir spuck ich sowas von in die Suppe. Ob Dettlaff meinen Blick bemerkte, konnte ich nicht sagen. Wenn ja, dann ließ er sich nichts anmerken. "Bitte. Nehmt doch Platz", bot er mir höflich den einzigen Stuhl im Raum an, während er sich auf das Bett setzte, mich nicht einen Moment aus den Augen lassend. Hatte er etwa Angst, ich würde mich einfach auflösen? Wäre das nur so einfach.

"Rhenawedd", begann er schließlich und am liebsten hätte ich geseufzt. Die Bitch. Wie gerne hätte ich ihm einfach alles erzählt und auch, was sie noch tun würde, aber dass ich nicht ausplaudern durfte, was noch nicht passiert war, wusste ich ja inzwischen. Sonst hätte ich Geralt und Milton ja auch einfach warnen können. "Sie hat... von mir erzählt?" Ich nickte. "Ja, hat sie. Ehe sie hierher kam", erklärte ich bedächtig. Jetzt musste ich aufpassen, mich nicht in Lügen zu verstricken oder etwas zu verraten, dass auch Syanna nicht gewusst hatte. "Sie hat nie erwähnt, dass..." Dettlaff unterbrach sich. "Ich wusste nicht, dass sie sich jemandem anvertraute." Ihm war anzusehen, wie unangenehm ihm das war. Immerhin hatte ich behauptet, sie habe sein Geheimnis ausgeplaudert. "Keine Sorge. Ich habe es niemandem erzählt und werde es auch nicht. Ohnehin", plauderte ich locker weiter, "finde ich sowieso, dass Rassismus totaler Schwachsinn ist. Wer wir sind, bestimmen wir und nicht unsere Spezies. Ich wette, es gibt unter Vampiren genau solche Arschlöcher wie unter Menschen. So verschieden sind wir doch überhaupt nicht." Fast bereute ich meine Worte. Doch, wir waren verschieden, denn Vampire betrogen einander nicht. Nicht so, wie es Menschen taten und wie Syanna ihn betrogen hatte, auch wenn er das noch nicht wusste. Armer Tropf. Dettlaffs Miene zeugte von offener Überraschung, von der ich nicht sicher sagen konnte, ob sie meinen Ansichten galt oder nicht doch eher meiner Wortwahl. "Arschloch" war nicht unbedingt etwas, das eine der hiesigen Damen sagen würde.

Im Gegensatz zu mir, schien Dettlaff seine Worte besser abzuwägen. "Nur wenige Menschen begegnen uns... Monstern so vorurteilsfrei." Das war es eindeutig nicht, was er eigentlich hatte sagen wollen. Ich konnte es ihm förmlich an der Nasenspitze ansehen. Er versuchte bloß, höflich zu sein und mich nicht mit Fragen zu bombardieren, die ihm auf der Zunge brennen mussten. Woher kannte ich Rhena? Wusste ich, wo sie war? Wie hatte ich erfahren, dass Milton das nächste Ziel wäre? Fragen, die zu beantworten nicht einfach würde.

 

Statt allerdings das Thema zu wechseln und nach Rhenawedd zu fragen, wie ich es eigentlich erwartet hätte, meinte er: "Dann seid Ihr die Dame aus der Ferne, die dem Glumaar die Freiheit schenkte." Naja, fast. Freigelassen hatte Annarietta den Glumaar, aber immerhin hatten Geralt und ich dazu maßgeblich beigetragen. Ich nickte also und wir schwiegen uns einen Moment lang beredt an, ehe ich die Stille durchbrach. "Zwar liefen meine bisherigen Begegnungen mit Monstern nicht immer besonders gut, aber immerhin mit dem Glumaar und den Winchesters kam ich bisher gut aus." Beinahe wäre mir ein 'und mit dir' herausgerutscht, doch das hätte ich garantiert bereut. In meinen Augen waren Vampire ebensowenig Monster wie es Hexer waren oder Elfen oder Zwerge. Sie waren eine andere, vernunftbegabte und selbstreflektierende Spezies. Die physischen Unterschiede kamen mir da doch eher unwichtig vor und dass sich Vampire untereinander besser benahmen, war wohl eher löblich.

"Von Winchesters habe ich noch nie gehört. Stammen diese Wesen aus dem Norden?" Bei dem Versuch, nicht zu lachen, verschluckte ich mich fast. "Die Winchesters", erklärte ich schmunzelnd, "sind zwei Greifenküken. Ich nenne sie nur so. Also... Sam Winchester und Dean Winchester. Das ist gewissermaßen eine Hommage an etwas aus meiner Heimat." Dettlaff kommentierte meine Ausführungen nicht. Was da im Detail hintersteckte konnte ich auf gar keinen Fall erzählen. Dann würde Dettlaff mich bloß für völlig plemplem halten und mir bestimmt nicht mehr zuhören, wenn ich versuchte, ihm klar zu machen, was es mit Rhenawedd aka Syanna auf sich hatte und wo sie steckte. Konnte ich das überhaupt verraten? Geschehen war ihre Ankunft in Burg Tynne ja schon, aber herausgefunden hatte das noch keiner. Wie wurde das gewertet?

"Jedenfalls... weil ich Rhena bisher nicht gefunden habe, habe ich nach dir gesucht", versuchte ich das Thema locker anzuschneiden. "Ich meine: Ich wusste ja, wie du aussiehst. Zwar hätte ich nicht gedacht, dich ausgerechnet in einem Gewächshaus kennenzulernen, aber wieso nicht? Auf einem Friedhof hätte ich wohl einfach einen geschmacklosen Witz gerissen und in der Einkaufspassage hätte ich dich vielleicht ganz unverbindlich besprungen." Verwirrung zog sich über sein Gesicht und ich konnte es ihm nicht verdenken. "Äh... egal. Da-das sagt man so, da wo ich herkomme." Dettlaff nickte zögerlich. So zögerlich, dass ich mich stumm weit weg wünschte. Jetzt musste er mich für eine totale Spinnerin halten. Das könnte ich niemals alles wirklich sinnvoll erklären. Ich senkte den Blick und entschied, dass es wohl besser wäre, ihn erstmal reden zu lassen. Weniger Katastrophenpotential.

 

Eindringlich starrte mich Dettlaff an, unter dessen Blick ich mich mit jeder Sekunde unwohler fühlte. Stumm bat ich, er möge doch bitte einfach fragen, damit ich nicht drauf losplapperte und mich dann in meinen Lügen verstrickte. "Ihr reist mit diesem Geralt, dem Hexer", begann Dettlaff schließlich, als habe er entschieden, mich genug auf die Folter gespannt zu haben. "Dann jagt ihr mit ihm im Auftrag der Herzogin das Biest?" "Nö", gab ich prompt zurück und zuckte mit den Schultern. "Es hielt keiner für nötig, mich in irgendwelche Aufträge einzubeziehen. Aber ich habe nach dir gesucht und in gewisser Weise habe ich das Biest von Toussaint damit ja vor dem Hexer erwischt", meinte ich feixend, bereute meine Worte aber sofort ob Dettlaffs verbissener Miene. "Entschuldige... Ich wollte nicht..." Mist. Er räusperte sich. Seine Stimme klang beinahe heiser, als er leise sprach. "Es ist nicht unwahr. Gewiss... nicht der beste erste Eindruck." Jetzt tat er mir direkt wieder leid. 

"Ich weiß, dass du das nicht tust, weil du es willst!" Ich biss mir auf die Zunge. Konnte ich nicht einfach den Sabbel halten? ich redete mich hier noch im wahrsten Sinne des Wortes um Kopf und Kragen. "Da-das klingt überhaupt nicht nach dem Dettlaff van der Eretein, von dem mir Rhena erzählt hat", fügte ich hinzu und betete, dass das als Erklärung ausreichen würde. Dettlaffs Lächeln war bitter, doch er sagte nichts. "Diese Morde...", begann ich also und ließ den Blick schweifen. Bei diesem Thema konnte ich ihm echt nicht ins Gesicht sehen. "Du wirst erpresst, oder?" Hah, war ich nicht gut? Beinahe klang das wie geraten. Dettlaff seufzte leise. "Rhena wurde entführt." Ich schluckte. Oh, wie falsch du doch lagst, du Cinnamon Roll. Wider besseren Wissens nickte ich. "Verstehe. Dann... sollten wir sie wohl besser retten, mh?"

Der Vampir sah drein wie ein geprügelter Hund, den Blick und die Schultern gesenkt. Er schämte sich für seine Taten, sogar vor mir, obwohl ich 'nur' Rhenawedds Freundin war und nicht einmal sie selbst. "Ich habe keine Hinweise auf die Männer, die sie gefangen halten außer ein paar... ominöse Nachrichten." Mit einer knappen Geste deutete er gen Schreibtisch. Ich stand nicht auf, um nachzusehen, sondern fixierte den Vampir mit meinem Blick, der diesen erwiderte. "Ich helfe dir." Auf seiner Miene wechselten sich verschiedene Emotionen ab und ich konnte nicht sagen, welche schließlich die Oberhand gewann, denn ich fuhr bereits fort. "Unterschätz mich nicht. Ich sehe vielleicht harmlos sein und bin hoffnungslos orientierungslos, aber ich weiß eine Menge über die Gegend hier und auch über die Leute und ihre Machenschaften. Wir finden Rhena und die Leute, bei denen sie ist." Bewusst vermied ich die Erwähnung von Entführer, denn die gab es ja schließlich gar nicht. Wirklich motiviert sah der Vampir ob meiner Worte allerdings nicht drein. Wenn er sie nicht fand, wie sollte auch ich es anstellen? Der würde sich noch wundern. Jetzt mochte er noch daran zweifeln, dass ich irgendwie eine Hilfe sein könnte, aber bald schon würde ich ihn eines besseren belehren.

Zeit, herauszufinden, wie viel ich Dettlaff sagen konnte! Vielleicht könnte ich ihn ja wirklich zu Burg Tynne führen? Oder zumindest zum Sangreal, wenn das nicht möglich war. Denn der Weinfleck war ja schon auf einem der Zettel. Diese Sachen waren alle schon passiert. Genau wie Syannas Intrige. Wenn ich sie einfach verpetzen könnte, wäre das vielleicht zu wagemutig, so ganz ohne Beweise, aber wenn es mir gelänge, Dettlaff zu eben diesen Beweisen zu führen, könnte das alles anders auflösen. Ohne, dass Geralt und  Regis zu sehr involviert würden. Ohne, dass es zu einem Kampf kommen könnte, was - am Spiel orientiert - für meinen Geschmack zu wahrscheinlich war. Irgendwie musste ich mich darum herummogeln, nichts verraten zu können, das nicht schon geschehen war! Wenn ich schon mit der Zeitlinie Unheil trieb, dann wenigstens richtig! 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Aufgabe:
Jetzt stehst du da. Milton in Dettlaffs Händen und der Vampir hat dich im Blick. Dir liegen gerade nicht viele Optionen offen, jeodch als ein F(an)reund von Dettlaff ist das Schicksal gnädig und sammelst deinen ganzen Mut zusammen. Welchen Weg schlägst du ein?
(1) Verwickle ihn in ein Gespräch. Nutze dein Fandomwissen über The Witcher 3 und "Rhenawedd": Du kannst nicht den zukünftigen Spielverlauf verraten, aber mit den Informationen aus der Vergangenheit punkten, sein Vertrauen gewinnen. Denk daran, erzähle nicht alles! Dann behaupte, eine gute Freundin von "Rhenawedd" zu sein und kennst ihren Aufenthalt. Miltons Leben wird verschont, aber dafür wirst du entführt. Sam und Dean bleiben zurück.
(2) Geralt hat ein mulmigesGefühl und sucht nach dir. Während du beruhigend und ehrlich auf Dettlaff einredest, erscheint der Hexer und die Situation eskaliert. Milton wird umgebracht und Dettlaff flieht. Die Szene geht dir schon auf den Magen und wirst zu Anna Henrietta ins Schloss gebracht. Ruhe dich aus und erkunde das Schloss.
(3) Nachdem Reden nichts bringt, gestehst du spontan deine "Bewunderung" für ihn. Leider schlägt Dettlaffs Herz für "Rhenawedd", die angeblich in Gefahr schwebt und du bist bereit, ihm bei der Suche zu helfen. Der Vampir hält es für einen Hinterhalt und will dich angreifen, als Dean und Sam sich mutig vor dich hinstellen und ihn aggressiv ankreischen. Nutze deine Liebe und die Macht der Worte, deine Greifbabys vor ihm zu beschützen. Du verstehst seinen Schmerz, jemanden verlieren zu können. Dann verschwindet der Vampir, dafür bist du Miltons Rettung. Nach der Aktion spricht sich dieses Wunder wie ein Lauffeuer in ganz Toussaint herum.

Ich hatte ja angeboten, ihn wie einen Stripper mit ein bisschen Kleingeld - immerhin schleppe ich noch zwei 1 €-Münzen mit mir herum - zu bewerfen, aber meine Göttin fand diese Option nicht so dem Ernst der Lage angemessen. xD Also versuchen wir es mit dem passendsten Köder: Rhenawedd. Milton soll mir dafür bitte dankbar sein, dass ich hier seinen Arsch rette und meinen damit in die Bredoullie befördere. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Vegetasan
2018-08-24T08:47:07+00:00 24.08.2018 10:47
Juhu,
Ein neues Kapitel.
Ich hätte ja gerne das Gesicht von Geralt gesehen, als der Vampir mit dir getürmt ist.
Vielleicht triffst du ja noch vor Geralt Regis.
Antwort von:  Daelis
24.08.2018 12:34
Gut möglich, wenn ich bedenke, wie dumm der werte Hexer nun dasteht. xD


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